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Meter um Meter vor dem DNF weglaufen, Grüntal Frühlingsultra 25.03.2023

Meter um Meter vor dem DNF weglaufen, Grüntal Frühlingsultra 25.03.2023

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Es nützt bekanntlich nichts sich wehmütig an alte Zeiten zu erinnern und den alten Stärke nachzutrauern. Anstatt sich dadurch mental runter zu ziehen, sollte der Blick nach vorne gehen und das Beste aus den verbliebenen Möglichkeiten zu machen. Und mich auch dann durchzubeißen, wo es früher - im wahrsten Sinne des Wortes - ein Selbstläufer gewesen wäre. Seit Mitte letzter Woche habe ich mir einen leichten Infekt eingehandelt. Etwas trockener hartnäckiger Husten und eine ständig tropfende Nase. Keine guten Voraussetzungen für eine kleinen Ultralauf. Das einfachste - und vielleicht vernünftigste - wäre es gewesen am Samstag einfach auszuschlafen, anstatt das 1.DNF nach über 100 gefinishten Ultras zu riskieren. Ich überlege mehrfach hin und her und stelle mich dann doch der Herausforderung, Den Wecker auf 5:30 gestellt und nach einer harten Arbeitswoche mühsam aus dem warmen weichen Bett gequält.

Die Wetterprognose war eine einzige Katastrophe und hat mir jegliche Vorfreude auf den Grüntal Frühlingsultra genommen. Dabei wollte ich unbedingt mal wieder zum dem leicht chaotischen Veranstalter Thomas, der u.a. auch den Neckarlauf und zusammen mit Ingo Schulz seinen Deutschlandlauf organisiert. Auf der Fahrt dorthin empfängt mich sogar leichter Sonnenschein. Das macht etwas Hoffnung. Reicht ja schon, dass es heute recht frisch und sehr stürmisch ist. Richtung Nordschwarzwald wird der Himmel immer dunkler und bedrohlicher. Und als ich in Grüntal ankomme, fängt es zum ersten Mal an zu regnen. Und das soll für heute nicht das letzte Mal gewesen sein. Wie immer ist alles wieder liebevoll chaotisch organisiert. Wer zum 1.Mal bei Thomas an den Start geht sollte wissen, dass die Startnummernausgabe, Zugang über eine geschlossene Hintertür (Schlüssel steckt außen), im etwas muffeligen Kellerraum des alten Hauses stattfindet. Dort sitzen eng zusammengepfercht schon viele, der bekannten Laufgestalten auf den Bierbänken und nehmen ihr zweites Frühstück ein. Ich erhalte die kleinste Startnummer die ich je bekommen habe (ca. 10/ 10 cm groß). Um die an einer der Kordeln meines Startnummernbandes zu befestigen, wird erst mal mit dem bereitliegenden Locher auf einer Seite ein Loch reingestanzt. Die andere Seite wird mit einer Sicherheitsnadel fixiert. Draußen schüttet es inzwischen. Zeit sich an des Start zu begeben. Erst noch das obligatorische Startfoto und dann schickt uns ein Startpistolenschuss von Ingo auf die 1. von 4 Runden a 13 km. Die Strecke ist mit roter Farbe, vornehmlich gesteckte Holztäfelchen oder den vom Deutschlandlauf bekannten Richtungspfeilstickern, markiert. Ein Verlaufen nahezu unmöglich, noch dazu gibt es wenig Richtungsänderungen. Zunächst geht es über das freie Feld Richtung Ortseingang. Es ist sehr zugig auf der ungeschützten Anhöhe. Mir fällt auf, dass wir heute etwas anders laufen als ich die Strecke im Gedächtnis hatte. Einen Mitläufer befragt, der meinte diese Streckenänderung gebe es schon länger. Der trailige Abschnitt verlief über ein Wiesengrundstück und dessen Besitzer hätte das dem Veranstalter verboten. So laufen wir jetzt weiter auf dem asphaltierten landwirtschaftlichen Feldweg und benötigen dafür etwas mehr Strecke. Jetzt wird mir auch klar warum es nun 52 km sind, zuvor ergaben die 4 Runden exakt 50. Mir wird so langsam auch klar, das damit meine getroffene Schuhwahl (Trailschlappen) falsch war. Trotz des Regens der letzten Tage sind die unbefestigten Waldautobahnen die später noch folgen nicht schlammig und rutschig. Es hat nur teilweise größere Pfützen die aber alle umlaufen werden können. Diese Entscheidung würde ich bei der nächsten Runde rückgängig machen und die profilierten Schuhe, gegen die Gottseidank im Auto mitgebrachten Sofas, tauschen können. Trotz im Vorfeld unklarer Wetterprognosen lag ich mit meiner am Start gewählten Kombi aus Hardshell und der Geheimwaffe - den Neoprensocken - goldrichtig. Denn es sollte heute ein Wechselduschenprogramm geben. Regnen, kurzzeitig trocken und sogar etwas sonnig, dann wieder regnen... Und das ganze ohne Unterlass. Dazu der scharfe Wind, der aus den 6°, gefühlt, eher frostig knappe um den Gefrierpunkt machte. Der Schwarzwald zeigte sich heute mal so richtig grau in grau und machte seiner düsteren Namensfarbe alle Ehre.

Jede Runde hat in etwa 250 hm, also durchaus moderat. Die Anstiege sind allerdings nicht kurz und knackig wo es für mich zwischenzeitlichvon vornherein klar ist, dass diese Abschnitte gewandert werden. Sondern lange, stetig leicht ansteigende Strecken. Also durchaus laufbar, zumindest solange die körperliche - und mit der Streckenlänge auch oftmals geistige Ermüdung - dies zulassen. In der 1.Runde war ich soweit noch motiviert, alles laufen zu wollen. Was mir allerdings von Anfang an zu schaffen machte war meine Verfassung für die Bewältigung der heutigen Ultra-Laufaufgabe. Ich spielte schon nach wenigen Kilometern mit dem Gedanken heute es mit einer Runde gut sein zu lassen. DNF-Ehre hin oder her. Über eine lange Zeit meiner läuferischen Karriere war dies für mich gedanklich ausgeschlossen, vor allem noch mit einer freiwilligen Aufgabe. Aber seit ich letztes Jahr unfreiwillig erfahren musste, dass es plötzlich und unvermittelt wichtigeres geben kann als Lauf um Lauf aneinanderzureihen, als gebe es kein Morgen, sehe ich es nicht mehr als Schande - sondern mögliche Option. Im schlimmsten Fall - um schlimmeres zu verhindern.

Nach einem langen Aufstieg durch einen Nachbarort (Wittlensweiler) geht es nach ca. 5 km durch eine Schleife in den Wald. Endlos lange geht es immer tiefer, leicht bergauf in den Wald. Ich versuche mich abzulenken von den düsteren Gedanken die mich überkommen, bei der Gewissheit dieses sinnlose monotone Waldautobahnstrecke noch 4 mal ertragen zu müssen. Sofern ich überhaupt bis dahin durchhalten werde. Da sich das kleine Teilnehmerfeld ziemlich schnell auf der Strecke verteilt hat. bin ich schon bald alleine im Wald. Und das macht es so richtig langweilig. Mieses Wetter. Ich kühle aus. Die Nässe zieht trotz Regenjacke nach innen, oder ist es der Schweiß mangels Atmungsaktiviät. Jetzt wäre Ablenkung nicht schlecht, meine Kopfhörer habe ich aber in der morgendlichen Hektik irgendwo hingepackt, entweder im Auto oder im, im Zielbereich deponierten Wechselgepäck. Ich weiß es nicht genau, und habe auch keine Lust mich bei der ersten Zielrückkunft längere Zeit suchend durch die Sachen zu wühlen.

Endlich hat der unendlich erscheinende Wald ein Ende. Jetzt sind es noch ca. 2 km über das freie Feld, bis ich zum erstem Mal wieder im Ziel bin. Vorher noch ein paar Zusatzmeter zum Auto und die "Reifen" gewechselt. Ab jetzt läuft es sich auf dem harten Boden komfortabler. Ich habe es mir heute zur Angewohnheit gemacht, gar nicht auf die Uhr zu sehen während des Laufes. Zu demotivierend wär es für mir heute gewesen die noch fehlenden Kilometer bis zum ersehnten Schlusspunkt vor Augen zu führen. Kurz was getrunken und wieder raus. Zur 2.Runde. Die laufe ich noch. Und danach? Abwarten. Zwischenzeitlich bin ich nass bis auf die Unterhose, Warum tue ich mir das eigentlich an. Der Schweinehund hört mich innerlich jammern heute. Wird er noch leichtes Spiel mit mir haben. Wieder der Abschnitt über die Feldwege. Immer noch laufend, auch an der Steigung. Wie lange noch. Meine Laune wird nicht besser. Was mache ich hier? Womit verschwende ich hier mein Wochenende? Wäre es in meiner jetzigen Verfassung nicht besser zuhause zu regenerieren?

Zäh geht Kilometer um Kilometer rum. Endlich wird wieder der Wald erreicht. Nun heißt es stur weiter zu laufen, sich Meter um Meter durch den dichten Wald zu fressen. Zur geistigen Aufhellung lade ich einen Laufpodcast und spiele den auf dem Handy ab. Sollen sich die Rehe denken was sie wollen. Ich verschmutze jetzt akustisch die schöne Natur und kommen wenigstens auf weniger trübe Gedanken. Reicht schon das das Wetter diese Eigenschaft heute hat. Nach dem Wald freue ich mich auf den Rest. 2 Runden sind gleich geschafft und dann. Auf zum 1.DNF. Oder zu einer weiteren Runde. Man wird sehen. Ich schaue mal was geht wenn ich wieder in Grüntal bin. Da schnappe ich mir ein paar Sachen und beschwere mit Thomas über das "Frühlingswetter". Das hilft kurzzeitig. Vielleicht wird es ja jetzt wirklich etwas besser und so mache ich mich jetzt mal wieder auf den Weg. Zur 3.Runde. Und merke das es jetzt nicht leichter wird. Zum allem Übel fängt es auch schon wieder an so richtig zu schütten.

Weiter, weiter.. Es hilft nichts. Der zwischenzeitlich unterbrochene Podcast wird wieder eingeschaltet. Ich überhole einen Läufer der sich sicherlich wundert, mit wem der hinter ihn den so lauthals redet. Diese Runde werde ich schon irgendwie überstehen. Und dann wird es irgendwie auch noch für eine weitere langen. Zwischenzeitlich habe ich zwar mein Tief nicht überwunden, aber es wenigstens so weit im Griff das ich trotzig meinen Ultrazähler will. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ob das gutgeht. Man wird sehen was morgen von mir übrig bleibt. Wenn ich es heute völlig übertreibe, wird mich das trainingstechnisch kontraproduktiv zurückwerfen und ich kann mir meinen 100er nächstes Wochenende in die Haare schmieren. So keuche ich weiter zweifelnd, mittlerweile zum 3.Mal durch den verhassten Wald. Kann es dieses Jahr nicht 1-mal schönes warmes Wetter sein wenn ich an einem Wettkampf teilnehme. Ich werde immer langsamer und marschiere zwischenzeitlich die langen leichten Anstiege Meter um Meter nach oben. Irgendwann sollte es jetzt dann langsam aber mal genug sein für heute. Und dann ist Licht am Ende des Tunnels, äh Wald. Nur noch 2 Kilometerchen über die Feldwege. Der Wind peitscht nochmals von vorn, nochmals setzt heftiger Regen ein. Die Hoffnung trockenen Fußes ins Ziel zu kommen zerschlägt sich mit dem herabprasseln eines leichten Graubelschauers. Nicht drüber nachdenken. Laufen, einfach nur laufen. Nicht mehr lange und das ist es endlich geschafft. Ich bekomme meine Urkunde und kann wieder ein Laufabenteuer abhaken. Wie schon so viele zuvor. Die letzten Meter. Ich laufe im Garten bei Thomas ein, er notiert händisch meine Zielzeit in Stunden und Minuten. Ich setze mich zu den anderen Mitläufern an den Tisch, schnappe mir 2 Maultaschen aus der Brühe und zum Nachtisch einen Kuchen. Das Leben kann so schön sein.

Schnell bin ich wieder im Reinen mit meiner heutigen Entscheidung dem Schweinehund nicht nachzugeben sondern das ganze freudlos durchgezogen zu haben. Wellness kann jeder.
Am späten Nachmittag bin ich wieder zu hause. Es hat in Stuttgart nur 1-mal kurz geregnet verkündigt mir meine Frau. denn. Wer Ultra läuft sollte nicht nach dem Sinn seines Tuns fragen. Es genügt schon die verständnislosen Blicke derer aushalten zu können, die nicht derart infiziert sind, immer wieder zwanghaft getrieben ins gleiche Tatmuster verfallen zu müssen.
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

Re: Meter um Meter vor dem DNF weglaufen, Grüntal Frühlingsultra 25.03.2023

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Ja es hat mich mehr Körner gekostet als ich es, verwöhnt aus jahrelang erfolgreich erledigter, mehr oder weniger großen "Heldentaten" erwartet hätte. Der Schnupfen hat sich erstmal in der Nase festgesetzt (statt dauernd "wegzulaufen" :wink: ) und der Husten ist statt trocken nun schleimig. Aber das ist eigentlich kein schlechtes Omen, sondern nährt die Hoffnung, dass diese "kleine Unpäßlichkeit" bis zum Wochenende "ausgekotzt" sein wird. (Sorry für die vulgäre Ausdruckweise, aber ich konnte es mir einfach nicht verkneifen). Das einzige was mich an einer Teilnahme am 100 am Samstag hindern könnte - ist außer dem bisher immer unterlegenen "Schweinehund" nachzugeben - dieser blöde C-Virus den sich meine Frau seit heute eingefangen hat. Bisher bin ich davon nicht betroffen und tue alles dafür das es so bleibt. Drückt mir die Daumen. :daumen: Das allerwichtigste ist aber das meine Frau keine schlimmen Symptome bekommt. Das ist das einzige was wirklich zählt.

Re: Meter um Meter vor dem DNF weglaufen, Grüntal Frühlingsultra 25.03.2023

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Hallo Klaus,

was bei Dir so alles "läuft"... da hattest Du einen heftigen Kampf mit Deinem inneren Schweinehund - nun auch noch die Viren Deiner Frau. Ich hatte ähnliches Wetter einen Tag später (Sonntag) in Kelheim beim 6Std-Läufchen... aber mein "Schweinehund" hat ja eh keine Chance - näheres zum Lauf demnächst hier.
Ich hoffe Du erholst Dich gut bzw wirst nicht noch schlimmer erwischt als es eh schon ist - dann sehen wir uns beim 100er am Hardtsee - das wird für mich ein echter, harter Test... das hat dann wahrscheinlich nix mit Schweinhund...eher mit körperlicher Verfassung und Fitness/Ausdauer zu tun.
Die Wettervorhersagen verheißen nun auch nicht das Beste - es wird wohl windig werden, aber der Regen wird wohl wärmer sein, so scheint es im Moment zumindest.
Nachdem Du Dich durch den Schwarzwald "durchgebissen" hast, wirst Du diese Nummer auch noch schaffen - Du willst es doch :tocktock:
Also dann - wir sehen uns, Hotelzimmer ist gebucht - ich bin schon am Freitagabend auf der Versammlung der LG Ultralauf.
Am Samstagmorgen stehen wir dann gemeinsam am Start :daumen:
Gruß Roland
runners.high - Nomen est omen :logik:
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