Moin
Ich weiss nicht was, aber irgendwie hatte ich ein Problem mit den 10km.
Lieber länger, dafür langsamer, lautet meine Devise. Geradezu ein Schnecken-Troll drohte ich zu werden. Für manchen bin ich vielleicht einer.
An Silvester hatten wir Besuch aus Oldenburg. Pingu! Neben viel übers Surfen erfuhr ich an diesem Abend, dass es den Sparda-Cup gibt. Nimmt man an 4 von 5 der Läufe teil (Zeit egal, prima), gibt es ein Funktionshemd. Kann man nie genug von haben. Und so meldete ich mich viel zu früh zu einem Wettkampf an. Sandkrug, 13 km in 1:35. Lehrgeld kann man auch überweisen.
Man kann ja viel falsch machen vor einem Wettrennen. Sich fehlernähren, oder seine Kräfte schon vorm Rennen verpulvern. Meine Frau war desletzt eine Woche im Urlaub, mithin entsagte ich der Brigitte-Diät (welch Überwindung...), stattdessen gab es täglich Nudeln, mal mit Tomaten, mal mit Bärlauch, und viel rote Beete. Und Kräuterblut.
Ausserdem lief ich verdammt wenig letzte Woche. Und das bisschen dann regenerativ. Bis auf Sonntag morgen, da war ich mit Tali aus laufen-aktuell relativ spontan verabredet. 4 km in ca. 26 min, fühlten sich mal gar nicht wirklich anstrengend an.
Man kann auch so viel falsch machen beim Wettrennen selbst. Teilnehmen, obwohl man da noch nicht hingehört (Hamburg-Teichwiesen). Schnecken, und sich über miserable Zeiten wundern (Bremerhaven-HM). Ein Fahrtspiel draus machen, und sich ärgern, dass die Kraft nicht für eine gute Zeit reicht (Kiel). An einem heissen Tag quasi durstig starten, unterwegs eingehen, aber zu geizig sein, um Wasser zu kaufen (10k, Vegesacker City-Lauf). Zeit mit plaudern verbringen, als ob Laufen pur langweilig wäre (jeder vorige Lauf).
Zu spät eintreffen. Dank Pingufreundin war ich pünktlich, sie wohnt quasi neben der Strecke. Es blieb sogar noch Zeit für so etwas wie ein Warmlaufen. Bei prima Wetter (während der Zugfahrt wurde ich einer Art Sintflut gewahr, wäre ich nicht so geizig, hätte ich angerufen, "Nee, ich komm doch nicht, bei dem Wetter laufe ich nicht. Nicht zweimal täglich, das ist.") waren drei Runden durch ein Stück Stadtwald und jeweils wenige hundert Meter Strasse zu bewältigen.
Vorher mal eine ernsthafte Umfrage "was wollt ihr laufen?", und dann so lange weiter nach hinten gerückt, bis es passte.
Was zur Folge hatte, dass ich vom Start ab nur überholte. Tolle Wurst. Kann ich vorm Lauf ahnen, wie super ich mich währenddessen fühle? Angetrieben auch durch Pingu "Unter 40 Minuten! Ich hab Hunger!"- sehr motivierend.
So bei km 4 war ich dann umgeben von Leuten, die auch nicht vom Laufen leben können, aber erkennbar schon einmal an so einer Veranstaltung mitgemacht haben. Einfach dranhängen, jetzt nur nicht schlappmachen. Puls 170. Danke an den Meerbuscher, seine Pulstabelle hat mich schwer beruhigt. Und sein Thread erst dazu animiert, mal einen Tick zügiger zu sein.
Km 6. 15 Uhr 36. -wie lang hatte dieser pathetische Depp jetzt wirklich gefaselt? "Der Kulturdezernent ist bewaffnet", fades Gewitzel, der Mann sei ursprünglich mal Mitglied in einer Pazifistenpartei, aber der Lauf der Zeiten....blablabla... Noch nie war ich im Training nach 35 Minuten schon bei sechs km. Fahrradklingel von hinten. Gewisper, der führende Läufer werde jetzt überholen. In Vegesack gab es kein Fahrrad, da hatten einfach alle mich einmal überrunden dürfen. Bis auf JPS, dafür noch einmal danke.
Diesmal waren es nur 4. Wobei ich den vierten Nerven und Sekunde gekostet haben könnte "Ich komme links! Ich komm li-hinks! Ich komme! Links!" So in mich versunken, ich konnte sein Geblöke nicht deuten. Antikapitalistische Pornos? Nein, der gute Mann wollte einfach nur zart ansagen, dass er die Ideallinie zu laufen wünscht. -ich auch. Letztlich "just in time" zur Seiten gehupft.
Mittlerweile war es eher eine Kopfsache. Dranbleiben an einem bestimmten Po, gleichmässig laufen, sehr allmählich sammele ich die Leute ein. Kam mir vor wie ein Radfahrer, immer wieder ansaugen, Windschatten laufen, da kommt eine Pfütze, die Frau macht einen Umweg, ich nicht, und das nächste Opfer wartet schon. Der Pingufreund hat nachher Fotos geschossen, ich sah an den Beinen aus wie ein Faschist. Kackbraun.
Der Pulser wechselt zwischen 160 und 180, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich da kaum noch drauf geachtet. Bin so in meinem eigenen Tunnel, dass ich glatt Pingu übersehe, der auch ein bisschen spät einfällt, dass ich ihr eine Notration Wasser mitgegen hatte. Bestimmt eine Achtelsekunde verliere ich durch den Schlenker. Und natürlich ist wenige hundert Meter später ein Tapeziertisch mit Wasserbechern. Ich halte mich links, um dem durstigen Läuferlindwurm zu entkommen.
Km 8. 15 Uhr 48. Das darf nicht wahr sein. Natürlich habe ich in meiner Kindheit nicht vom Laufen geträumt, deshalb wäre das Quatsch, jetzad zu schreiben, ein Kindheitstraum ist in Erfüllung gegangen. War er ja noch gar nicht. Aber ich merke, die letzten beiden kilometer waren verdammt geruhsam, was sich nicht in der Zeit bemerkbar macht... Dieser Boden ist herrlich uneben, das fordert stets höchste Konzentration. Was allein dafür sorgt, dass ich weder zu sprinten beginne, noch zu sehr in meinen üblichen Pseudoultramarathonischlappschritt verfalle.
"Hey, das ist nicht schlecht für jemanden, dessen Bestzeit bisher 1:07:nochwas ist" - ein älterer Herr reisst mich aus meinem Tagtraum. Die Stunde wolle er knapp unterbieten, hatte er mir vorab verraten. Ups, da muss ich mich wohl an ihn dranhängen. Nee, ein Schluck kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt, und ich bin wach genug, um zu erkennen, da geht noch mehr, ich überspurte ihn, und halte das Tempo, jetzt einfach genau so weiter. Wo ist das 9 km-Schild? Hat der alte Mann sich verrechnet? 15 Uhr 58. Kann ich für den letzten Kilometer mehr als 10 Minuten gebraucht haben? Macht das überhaupt noch Sinn, so zu wetzen, oder ist schon eine Stunde rum? Der Waldweg endet, "die letzten paar hundert Meter, kommdaspacksu!" auf der Strasse. Schnellere, die sich auslaufen, kommen mir entgegen, feuern ihre Kameraden an. Aber auch mich. Und da ist auch Pingu, beim Schluss-Spurt hält sie mit mir Schritt. Mir ist zum heulen. Vor Glück, keine Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, könnte glatt die Stunde geknackt haben. Nach endlos scheinendem Rumgestehe im Zielkanal findet mich ganz rasch Pingu, wir finden zügig den Rest ihrer Sippe, und während Pingu mit andren quasselt, bringe ich ihrer Tochter (vorher 2,4 km in 0:17:02,57 gelaufen) Dehnübungen bei, schmeisse mehrere male Pingu-Töchti vor Freude durch die Luft, die wird mal Cheerleader, anfeuern klappt schon prima. Problemlos werden mehrere Stücke Kuchen vertilgt, ein Finisher-Shirt (in L, und oh Wunder es passt!) eingesackt. Bei Pingu darf ich duschen, es wird geklönt, noch mehr Kuchen, (Pingufreund'-Satz des Tages auf die Kinder-Frage "War da nicht noch ein Stück?" "Die Mutti war ohne Aufsicht"), und stolze Kinder zeigen, was schwedische Möbelhäuser alles verkaufen.
Auf dem Weg zum Bahnhof ein zweites mal in der Turnhalle vorbeigeschaut, wo eben noch der Bär boxte, die Urkunde eingesackt, 0:57:59
Im Zug brauche ich etwas, bis ich mich zu einem Sitzplatz durchboxe, aber stehend hätte ich nicht bis Bremen durchgehalten. Echt nicht. Zuhause brauche ich mehr als 30 Minuten, um den Müll hinunter zu bringen, aber das ist eine andere Geschichte...
Oldenburger Brunnenlauf
1Liebe Grüsse von Gregor (Bremen)
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