... beim Lesen mit mir ein Stück durch meine brandenburgische Heimat zu laufen, die ich so noch niemals gesehen habe.
"Noch nie hab ich die staubige Erde so gern berührt,
so samt und weich die Steine an meinen Füßen gespürt.
Noch nie hab ich den Duft der Felder in der Mittagsglut
so gierig eingesogen, nie war mir so zu Mut
beim Anblick eines Raben, der am Mittagshimmel schwebt
und langsam niedersinkt - ich hab noch nie so gern gelebt!
(Reinhard Mey)
Nun, über Musikgeschmack läßt sich bekanntlich streiten, deshalb hatte ich heute Morgen auch erst mal zu tun, um das "Gejaule" meiner Tochter, besser gesagt, deren Musik, von meinem MP3-Player zu verbannen und meine eigene Musik draufzuspielen. Nein nein, keine Angst, beim Laufen höre ich nicht Reinhard Mey
Ach übrigens, für Alle, die sich daran erinnern, daß ich meinen nächsten Bericht erst wieder schreiben wollte, wenn ich meinen ersten Marathon gelaufen bin, und sich nun wundern, da es bis Berlin noch 10 Wochen sind: des Rätsels Lösung erscheint am Ende des Berichtes.
Mein neuer Camelbak sollte heute den ersten richtig langen Lauf mit mir machen. Also hab ich diesen mit Handy und MP3-Player (für die Zeiten des Leidens) bestückt und zwei Bananen zwischen die Kordeln geklemmt. Mein heute wichtigstes Utensil, eine Radwanderkarte, kam hinzu.
So ging es also los, bei 14° und bewölktem Himmel - ideales Laufwetter. Ich brauchte gar nicht weit zu laufen, um zu bemerken, daß ich den neuen Sport-BH von Tschibo wohl doch hätte eine Nummer größer nehmen sollen . Was solls, zurück wollte ich nun nicht mehr, zur Not kann ich ihn ja später immer noch ausziehen, was sicher nicht so schlimm ist, denn bei meinem Gewichtsverlust hat das mit der Umverteilung leider nicht so geklappt .
Zurück zum Thema. Ich lief also durch die Wälder und Felder meiner Heimat, hier war ich irgendwann mal mit dem Auto, aber noch nie habe ich die Schönheit der Natur in diesem Landstrich so sehr genossen, wie heute. Ich hatte mir nur eine ungefähre Route herausgesucht und wollte nach Lust und Laune den Weg nehmen, der mir gerade gefällt. So stieß ich plötzlich mitten im Wald auf eine Allee mit ca hunderjährigen Eichen. Mitten im Wald :eek:, einfach so, lag sie vor mir und wie mir meine Karte verriet, führte sich kerzengerade auf eine frühere Wassermühle. Ich stellte mir vor, wie es war, damals vor hundert Jahren, und da sah ich sie auch schon: Bauern mit Strohhüten und Pferdegespann, wie sie ihr Korn zur Mühle brachten. Sie verschwanden und mit knatterndem Lärm tauchten Motoradfahrer mit Beiwagen, in Uniform und mit Stahlhelm, auf. Nach plötzlicher Ruhe ein Flüchtlingstreck, mit Handwagen, auf denen das bischen Hab und Gut im Takt der Schlaglöcher des Weges hüpfte, auf dem Weg in ein besseres Morgen. Dann das unverkennbare Geräusch eines Trabbis, gefolgt von einem Golf. Ich träumte: Zeitreise durch die Geschichte auf 4 Kilometern. So kurzweilig kann Laufen sein. Der MP3-Player schmollte im Kamelsack.
Ich kam an ein Sonnenblumenfeld. Kurze Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mir eine zu mopsen und sie an den Camelbak zu den Bananen zu stecken. Ich liebe Sonnenblumen . Allerdings waren die Bananen streng limitiert und somit die Letzte für Km30 bestimmt. Ich stellte mir die Sonnenblume bei Km30 vor. Das wäre ja der Zeitpunkt, zu dem ich der Blume Auge um Auge gegenüberstehen würde. Schlapp, durstig, mit hängendem Kopf. Das fand ich demotivierend und ich verzichtete großzügig auf den Blumenklau.
Die erste Banane verabschiedete ich feierlich wie geplant nach 15 Kilometern. Dabei gönnte ich mir eine kurze Pause, um gleichzeitig auf der Karte meine Position zu bestimmen und die weitere Marschrichtung festzulegen. Ich lief dann weiter zu besagter Mühle, durch Wälder, verschlafene Dörfchen, vorbei an Seen. Einfach nur schön. An der Mühle angekommen, war dort ein Wanderweg zur nächsten Mühle ausgeschildert, wie praktisch. Es ging immer entlang des kleinen Baches namens "Schlaube". Ich war also im Schlaubetal. Der Weg führte oberhalb des Baches, der ziemlich tief in einem ursprünglichem, zerklüftetem Tal lag. Spätestens hier ärgerte ich mich, keine Kamera dabei zu haben. An einem Wanderrastplatz sah ich auf den Garmin, denn mein Magen meldete Bananenalarm. Ich war bei Kilometer 33 und hatte es gar nicht gemerkt :eek:. Ich war noch kein bischen müde. Ok, kurze Pause, Banane und Karte. Nun mußte ich ja mal schauen, wie ich langsam nach Hause komme. Das sich ein Schmetterling auf meinen Arm setzte, bestätigte mich in der Annahme, noch recht frisch auszusehen und vielleicht auch noch einigermaßen so zu riechen .
Der kürzeste Weg nach Hause, allerdings ziemlich verworren, war etwa 5 km lang, jedenfallst checkte ich das so grob mit Daumen und Zeigefinger auf der Karte. Der einfachere Weg war etwas länger und beim Check erkannte ich zweifellos: es wird ein Marathon! Na dann, Alles fühlt sich noch frisch an, warum nicht, nach Hause mußte ich ja. Für den Telefonjoker war ich viel zu gut drauf.
Der Inhalt meines Camelbaks verließ mich nach Km40, was zu verschmerzen war. Vor dem heimischen Hoftor hatte ich auf dem Garmin ganze 42,74 km stehen und eine reine Laufzeit von 04:40. Die Durchschnittszeit pro Kilometer lag also wie geplant bei gut 6:30. Ein Tempo, das ich konstant und auch locker noch über die letzten Kilometer hatte halten können.
War das ein grandioser Tag! Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen, ungeplant und ganz für mich allein. Ich habe jeden Schritt genossen, insofern ich denn überhaupt gemerkt habe, daß ich gelaufen bin. Nicht einer hat wehgetan, keiner kam mir zuviel vor. Und jetzt, gut 7 Stunden später tut auch nix weh. Nur das Grinsen, das hab ich immer noch
Viel Freude am Laufen wünscht Euch Allen
Eure Kathrin
Ich lade Euch herzlich ein...,
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Entscheide Dich. Und wenn Du Dich entschieden hast,
vernichte die Alternativen.