Regensburg! - Hier sollte es passieren. Die 3:30 sollten im 3. Anlauf endlich fallen. In Mainz (3:39) und München (3:38) bin ich ja noch grandios daran gescheitert. Diesmal sollte es alles anders werden: Das Training (weniger km, dafür intensiver), das Wetter (der Wetterbericht sprach von 15 Grad und leichtem Regen - München war mit sonnigen 20 Grad einfach zu warm) sowie der Ernährung vor/während des Marathons (in Mainz hab ich schon vor dem Lauf zu wenig gegessen und getrunken)
Um auch gar keinen Stress aufkommen zu lassen fahre ich schon am Samstag nachmittag nach Regensburg, hole meine Unterlagen ab, erkunde das Start-/Zielgelände und mache ein erstes Carboloading bei der Nudelparty. Anschließend bummle ich noch durch die wunderbare Altstadt, genehmige mir noch ein zweites Carboloading in Form einer Pizza und vergesse auch nicht ein isotonisches Getränk in Form von Weißbier zuzuführen, erlebe noch einen Teil des Marathon-Gottesdiensts mit den Regensburger Domspatzen und erkunde danach noch die Steinerne Brücke und ihr gefürchtetes Kopfsteinpflaster.
Sonntag früh hab ich dann in Ruhe gefrühstückt, meinen Krempel gepackt und bin zum Warm und Wach werden zu Fuß aus der Altstadt zum Startbereich marschiert. Dabei regnete es ziemlich stark und als ich so an den km 40 und 41-Schildern vorbeikam machte ich mir so meine Gedanken.
Die Zeit bis zum Start verbringe ich mit den üblichen Ritualen. Zwischendrin sehe ich schon meine ganzen Ambitionen durch einen Wolkenbruch wegschwimmen aber rechtzeitig zum Start werden die Schleusen geschlossen.
Während ich auf den Startschuß warte gehe ich noch einmal meinen Marschplan durch und schärfe mir auch noch extra ein nicht zu schnell anzugehen.
Um 8:45 dann der Start. Zügig und locker lassen sich die ersten Kilometer durch das Wohngebiet Richtung Altstadt an. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden und gebe dann vor der Altstadt dann doch ein wenig Gas um noch vor dem Pulk um den 3:29-Zugläufer durch die engen Gassen zu kommen.
In der Altstadt ist um diese Zeit noch wenig los, nur die Bands sind schon da und sorgen für Stimmung. Bei km 5 liege ich etwa 1:10 vor meinem Plan, ich fühle mich aber gut und der Puls ist perfekt.
Jetzt geht's immer geradeaus weiter Richtung Osten auf der Straubinger Str. Nicht besonders attraktiv und die Schleife durch den Business Park bringt auch keine Sehenswürdigkeiten. Dafür hab ich aber sowieso keinen Blick, eher schon für die Frau mit der roten Kappe die ich hier das erste Mal wahrnehme und die in etwa mein Tempo läuft. Nach einer Weile steht dann auf der linken Seite ein Laster: "Doc Noise" heisst die Band und rockt was das Zeug hält (Insgesamt waren über 20 Musikgruppen von der Blaskapelle bis zur Rockband im Einsatz) So vergehen die Kilometer und kurz vor dem Abzweig nach Barbing sind die 10 km erreicht. Mit 47:58 liege ich jetzt etwa 2 Minuten unter meinem Plan und der Puls ist ebenfalls niedriger als gedacht. So kann es bleiben.
In Barbing macht dann die Bevölkerung Stimmung und in einem Neubaugebiet scheint die ganze Einwohnerschaft auf den Beinen zu sein. Nach Barbing gibt's als Ablenkung einen wunderbaren Blick auf die Walhalla am nördlichen Donauufer und schon werden wir in Sarching wieder von der Bevölkerung empfangen. Km 15 passiere ich 3 Minuten unter Plan - alles im grünen Bereich aber hier auf der Landstraße ist auch deutlich zu merken welch starker Wind mich dann auf dem Rückweg erwarten sollte.
Vorbei am Sarchinger See, immer noch begleitet von der roten Kappe, geht es nun nach Friesheim. Kurz vor Km 17 muss ich dann einem Drängen meiner Blase nachgeben und wie ich da so im Gebüsch stehe sehe ich beim Blick auf die Straße das Führungsfahrzeug mit einer Reihe von Kenianern vorbeikommen. Aber ich muß halt erst noch in die andere Richtung - Friesheim heißt der nächste Ort. Auch hier sind wieder eine Menge Leute unterwegs die Stimmung machen, der Ort ist mit Fahnen geschmückt - Klasse. Kurz nach Friesheim kam mir dann (glaub ich jedenfalls) U_d_o entgegen. Km 20 passiere ich in 1:36:03 - immer noch alles im grünen Bereich Am Eingang der nächsten Ortschaft, Illkofen, schallt mir dann erst eine Band "Skandal im Sperrbezirk" entgegen und es kommt vor allen Dingen der Wendepunkt. Ab jetzt geht es 21 km gegen den Wind
Zuerst aber noch die HM-Marke: 1:41:12 - viel schneller als geplant, mir geht's aber richtig gut und ich kann den Lauf, die Landschaft, die Begeisterung und Unterstützung der Zuschauer genießen. Jetzt also die Strecke über Friesheim, Sarching und Barbing zurück nach Regensburg.
In den Dörfern sind jetzt sogar noch mehr Leute unterwegs, die Versorgungsstationen sind hier (wie auf der gesamten Strecke) perfekt. Ich hatte nie ein Problem an die Verpflegung zu kommen und mittlerweile beherrsche ich sogar einigermaßen das Trinken während des Laufens.
Der gefürchtete Wind machte sich erstaunlicherweise auf meine Zeiten wenig bemerkbar - ich wurde nur wenig langsamer und der Pulsanstieg normal. Km 25 passierte ich in fast exakt 2 h (inzwischen 3:50 voraus) und bei Km 30 war ich mit 2:24:29 exakt 4 Min vor meinem Plan. Ich war erstaunlichwerweise immer noch frisch auch wenn die Beine etwas müder wurden. Nach km 31 dann eine Überraschung: Einer meiner Gedanken im Vorfeld war ja, wie ich diese öde Straubinger Str. zw. km 31-36 durchstehen werde und nun sehe ich vor mir einen Haufen Zuschauer und realisiere dann: Hier ist die Wendemarke für den HM .
Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Plötzlich bin ich nicht mehr allein auf der Straße mit einer handvoll Läufern sondern bin mitten im Pulk von >2h Halbmarathonis. Auf einen Schlag war jetzt alles anders und ich versuchte weiter mein Tempo zu halten und es war trotz der Menge kein Problem durchzulaufen. Kurz darauf passierte ich wieder die rockenden "Doc Noise".
Es war ein geiles Gefühl durch die Menge zu "pflügen" aber trotzdem fehlte mir irgendwie die Orientierung an anderen Marathonis.
Meine Zeiten wurden jetzt langsamer und vor allem schwankten sie plötzlich während sie vorher fast wie bei einem Uhrwerk stabil waren.
Km35 passiert ich mit 2:49:17 und jetzt kam wieder die Altstadt. Inzwischen waren jede Menge Leute auf den Beinen und sorgten für Stimmung. Nach Km 37 nun der Abstecher über die Donau. Seltsam der Eiserne Steg - Der Steg schwingt was das Zeug hält und ich bin froh als ich drüber bin. Nach einer kleinen Schleife kam dann die Steinerne Brücke und das Kopfsteinpflaster. Ich versuche im Rhythmus zu bleiben und die Steigung zügig zu passieren aber auf dem Kopfsteinpflaster denke ich plötzlich mir zerreists die Waden. An den Seiten sind größere Betonplatten und ich versuche einen Platz auf der linken Seite zu ergattern. Vorher muss ich aber noch 2 Sanis ausweichen, die sich um einen zusammengebrochenen Läufer kümmern. Nach ein paar Metern auf der linken Seite fegt dann eine Windböe das KM 17-Schild für den HM über die Brüstung und trotz Ausweichversuch trifft mich noch ein Ständer am Knie.
Der Schmerz ist Gott sei Dank aber gleich vorbei und ich tauche nun wieder in die Altstadt ein. Hier ist Halli Galli und Stimmung und ich fliege förmlich übers Pflaster (auch wenn die Waden höllisch wehtun und ich bete, dass ich keinen Krampf bekomme). Jetzt "nur" noch die lange Gerade nach Westen, ein kleiner Schlenker und die Zielgerade kommt. Hier auf Asphalt will ich eigentlich noch mal Gas geben, aber irgendwie wollen die Beine nicht mehr gehorchen. Km 40 und 41 sind die mit Abstand schwächsten km-Zeiten. Erst beim Einbiegen auf die Zielgerade kann ich sie wieder motivieren und sie tragen mich zu einer unglaublichen 3:25:25 ins Ziel!
Fassungslos brauche ich erst mal ein paar Minuten um die Zeit zu begreifen.
Wieder bei Sinnen schnappte ich mir 2 Bier und füllte im inzwischen sonnigen Biergarten meine Speicher wieder auf.
Zum Duschen begab ich mich dann ins wunderbare Westbad und gönnte mir im warmen Wasser eine kleine Auszeit, denn der Marathon war ja nur der 1. Abschnitt meines "Duathlons". Vom Bad ging es nach Zwischenstopp in der Unterkunft zum Bahnhof und mit dem Zug nach München-Moosach.
Dort wartete mein privates Taxi auf mich und brachte mich zum Olympiastadion. Hier gab es dann das 2. Highlight des Tages.
Ein geniales Konzert von Bon Jovi mit Nickelback als Opener und nach fast 4h Rock vom Feinsten fiel ich dann irgendwann nach Mitternacht selig ins Bett.
Regensburg rockt .... München aber auch
1Jürgen
2009
15.02. HM Ismaning 1:48:47
15.03. HM Gröbenzell
29.03. HM Forstenrieder Volkslauf
19.04. Vienna City Marathon
28.06. HM Stadtlauf München
Rest tbd