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Erlebnis "erster Halbmarathon"

Erlebnis "erster Halbmarathon"

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Hilfe, jetzt wird es langsam ernst. Da meine Eltern und ich viel zu früh hier angekommen sind, war hier auf dem Gelände des Sportvereins noch nicht viel los. Aber inzwischen sind hier überall Menschen, Menschen, Menschen – und mit den vielen Menschen ist nun auch irgendwie eine Wettkampf-Atmosphäre hier eingetroffen.
9:30 Uhr – noch eine halbe Stunde bis zum Start. Ich schalte wohl besser schonmal meine GPS-Uhr ein, damit sie bis zum Start noch genügend Zeit hat, um „die Lage zu peilen“.
So, dann entledige ich mich mal der Klamotten, die ich bisher noch über der eigentlichen Laufbekleidung getragen habe. Zum Schluss noch die Laufschuhe anziehen, diese immer und immer wieder neu zuschnüren, bis sie angenehm sitzen – fertig. Fertig? Nein, natürlich muss ich auch noch die Toilette aufsuchen.
Okay, nun habe ich die „überschüssige Flüssigkeit“ weggebracht. Es bleibt noch etwas Zeit, um mich umzuschauen. Wenn ich mir die anderen Läufer so ansehe, muss ich feststellen, dass sie doch fast alle ziemlich luftig bekleidet sind. Die meisten Läufer tragen hier bloß kurze Tights oder Shorts und Tops oder T-Shirts. Ich hingegen trage lange Tights und ein Langarm-Shirt. Egal, jeder kennt sich selbst am besten. Und somit bin ich überzeugt davon, unter Berücksichtigung der heutigen Wetterlage, die für mich richtige Kleidung gewählt zu haben. Worüber man sich so kurz vor einem Halbmarathon Gedanken macht – irgendwie amüsant.
9:55 Uhr – meine Eltern reden auf mich ein, ich solle doch endlich zum Start gehen. Nein, meine Lieben, ich verabschiede mich erst nochmal im Laufschritt Richtung Toilette.
Vom stillen Örtchen aus geht es in flottem Tempo Richtung Start. Kurzer Zwischenstopp bei meinen Eltern, die mir noch Glück wünschen – und ab zu den anderen Läufern.
Über Lautsprecher ertönt der Countdown – bis dahin habe ich mir im Startbereich die Schuhe noch drei Mal neu geschnürt. So ein dämlicher Tick von mir, das kostet ganz schön Nerven.
Der Countdown ist wie ein Schlag in den Magen – nur noch wenige Sekunden bis zum Startschuss.
Hilfe, der Startschuss ist gefallen! Doch da ich mich bewusst im hinteren Feld der Läufer eingeordnet habe, stehe ich noch weitere Sekunden im Startbereich und schaue fasziniert dem vorderen Feld der Läufer zu, das die Aschebahn nach einer dreiviertel Runde nun schon verlässt. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor bis sich auch die Läufer unmittelbar vor mir in Bewegung setzen. Endlich geht es wirklich los! Mit den ersten Schritten fällt auch die Anspannung von mir ab. Beim Verlassen der Aschebahn müssen alle Läufer eine enge Gasse passieren – und schon finde ich mich in einem Stau wieder, der mich zum Stehenbleiben zwingt. Doch der Stau löst sich schnell auf, es geht weiter. Ich ermahne mich, ein ruhiges Tempo zu laufen. Den Pace möchte ich bei ungefähr 6:00 min/km halten, dann komme ich auch ganz sicher im Ziel an.
Das Läuferfeld, in das ich mich eingeordnet habe, ist doch nicht ganz passend für mich – denn ein Pace von 7:00 min/km ist mir doch etwas zu ruhig, ein etwas flotteres Tempo kann ich mir wohl doch zumuten. Die nächste Gelegenheit, zu den etwas schnelleren Läufern aufzuschließen, ist meine.
So, dort sind ein paar Läufer, die meinen Wunsch-Pace laufen – an ihnen werde ich mich nun ein wenig orientieren. Der erste Kilometer liegt nun schon hinter uns und nun finde ich langsam „mein“ Tempo. Ich fange an, den Lauf zu genießen und höre den drei Männern vor mir bei ihren Gesprächen zu, obwohl mich diese Unterhaltung eigentlich gar nicht wirklich interessiert.
Kilometer 3 – hier gibt es also eine Steigung, weil wir über eine Brücke laufen müssen, um eine Autobahn zu überqueren. Wie gut, dass ich jetzt schon Bekanntschaft mit der Brücke mache, denn da es sich bei der Strecke um eine Wendepunktstrecke handelt, sollte ich auf dem Rückweg bedenken, dass ich bei Kilometer 18 wieder über diese Brücke hinüber muss.
Kilometer 4 – wieso ist hier schon ein Verpflegungsstand? Der erste sollte doch erst nach 4,5km erscheinen. Das wird hier scheinbar nicht so genau genommen. Ist ja eigentlich auch nicht schlimm, aber wenigstens habe ich mir nun wieder völlig sinnlose Gedanken machen können. Irgendwie muss ich über mich selbst schmunzeln.
An diesem ersten Verpflegungsstand lerne ich direkt, auf Plastikbecher und nasse Schwämme zu achten, die leider auch mitten auf den Weg geworfen werden. Ich habe nicht vor, heute den Boden zu küssen.
Kilometer 6 – einer der drei Männer vor mir legt einiges an Tempo zu. Er will einen Vorsprung zu seinen Kumpels aufbauen, um weiter vorne schonmal in Ruhe einen Boxenstopp zum Wasser ablassen einzulegen. Ein paar hundert Meter weiter sehe ich den Herrn dann in den Büschen stehen. Er schließt sich schnell wieder seinen Kumpels an und teilt ihnen verwundert mit, dass er noch nicht mit ihnen gerechnet hat. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, so ein Halbmarathon kann ganz schön amüsant sein.
Kilometer 7,5 – Die ersten „Rennschweinchen“, die sich schon auf dem Rückweg befinden, kommen uns langsamen Läufern entgegen. Wie kann man nur so schnell laufen? Fasziniert applaudieren wir den ersten Läufern – die Stimmung ist wirklich gut.
Kilometer 8,5 – der zweite Verpflegungsstand ist zu sehen, eigentlich sollte er erst einen Kilometer später erscheinen. Eigentlich bin ich nicht so pingelig, aber heute irritiert es mich irgendwie, dass diese Tatsachen nicht mit den Angaben in der Ausschreibung übereinstimmen.
Ich habe bei Kilometer 4 nichts getrunken und keinen Schwamm angenommen – und auch diesmal laufe ich einfach weiter, denn ich möchte mich heute nicht in die Büsche schlagen müssen. Außerdem fühle ich mich gut und der leichte Regen, der uns auf der Strecke begleitet, ist angenehm.
Die drei Männer, an denen ich mich orientiert habe, sind nun irgendwie verschwunden. Aber ich habe ein Paar gefunden, dem ich mich an die Fersen hefte. Die beiden laufen ein angenehmes, gleichmäßiges, für mich passendes Tempo. Ich fühle mich so gut, dass ich gerne schneller laufen würde, aber ich ermahne mich und erinnere mich daran, dass noch mehr als die Hälfte der Strecke vor mir liegt. Also bleibe ich lieber hinter dem Paar.
Ab Kilometer 9 ermuntert der Mann vor mir seine Partnerin immer wieder, sagt ihr, dass der Wendepunkt bald erreicht ist. Irgendwie finde ich das niedlich und muss mal wieder schmunzeln.
So, nun ist der Wendepunkt aber erreicht – bis hierher habe ich 1:01h gebraucht. Trotz des ruhigen Tempos ist diese Zeit besser als erwartet. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken und die Rechnungen. Aufgrund der für mich guten Zwischenzeit packt mich jetzt der Ehrgeiz - ich frage mich, ob es für mich realistisch ist, die Ziellinie in einer Zeit unter zwei Stunden zu überqueren. Da ich mich immer noch sehr gut fühle und keine Anstrengung verspüre, ist die Verlockung groß, nun einfach unüberlegt an Tempo zuzulegen. Aber meine Vernunft meldet sich jetzt auch wieder zu Worte und erinnert mich daran, dass noch einiges an Strecke vor mir liegt.
Okay, dann behalte ich erstmal ein ruhiges Tempo bei. Leider habe ich das Paar, an dem ich mich orientiert habe, irgendwie aus den Augen verloren und vor mir läuft gerade niemand geeignetes, an dessen Fersen ich mich heften könnte. Ich muss mein eigenes Tempo finden, ist ja eigentlich auch eine gute Übung für mich.
Hey, es fällt mir gar nicht mal so schwer, von selbst ein gleichmäßiges, ruhiges Tempo zu laufen. Und ich muss schon wieder in mich hinein grinsen, denn inzwischen diene ich einem Läufer hinter mir scheinbar als Orientierung. So wendet sich das Blatt.
Kilometer 12,5 – vorbei am Verpflegungsstand, dabei bloß nicht auf Becher oder Schwämme treten und weiter geht es. Um mich herum fängt nun schon so manch ein Läufer an zu Schnaufen wie ein Walross. Mir geht es zum Glück nicht so, ich muss mich immer noch richtig zurückhalten.
Kilometer 16 – die zweite Hälfte des Halbmarathons vergeht irgendwie schneller, jedenfalls empfinde ich es so. Inzwischen sieht man, dass die Kräfte einiger Läufer doch deutlich schwinden. Ich verspüre aber noch immer keine besondere Anstrengung. Meine neuen Laufschuhe erfüllen ihre Aufgabe perfekt – die Angst, dass ich Probleme mit den Schuhen bekommen könnte, scheint unbegründet gewesen zu sein. Noch fünf Kilometer, nun kann ich anfangen, ein paar Läufer zu überholen. Trotzdem sollte ich weiterhin auf mein Tempo achten, fünf Kilometer bleiben fünf Kilometer und immerhin habe ich schon 16 Kilometer in den Beinen, auch wenn ich jetzt gerade nichts davon merke. Und bei Kilometer 3 wartet noch die Brücke über die Autobahn auf mich.
Kilometer 18 – die Steigung der Brücke bereitet mir im Gegensatz einigen anderen Läufern keine Probleme. Zum Glück. Nun geht es wieder von der Brücke herunter. So – und jetzt geht es für mich richtig los, nun lege ich an Tempo zu, die letzten 3 Kilometer schaff ich auch in deutlich schnellerem Tempo. Meine Stoppuhr sagt mir, dass ich den Halbmarathon unter zwei Stunden schaffen kann. Der Ehrgeiz treibt mich an, ich pack das!
Kilometer 20 – ich verspüre inzwischen zwar eine gewisse Anstrengung, aber ich kann immer noch gut gleichmäßig laufen und ich atme weiterhin ruhig, statt zu schnaufen. Trotz der nun spürbaren Anstrengung geht es mir gut – und die Tatsache, dass ich immer wieder andere Läufer überhole, beflügelt mich irgendwie zusätzlich.
Juhu, ich bin wieder auf der Aschebahn angekommen. Über Lautsprecher ertönt „Wir begrüßen die Nummer 383 zurück auf dem Sportplatz und sind stolz, dass bei diesem Lauf auch die weibliche Jugend A vertreten ist“. Ich schmunzel, bin froh, dass die weibliche Jugend A nicht nur vertreten ist, sondern es wohl auch bis ins Ziel schafft.
Noch eine halbe Runde auf der Aschebahn. Zwei oder drei Läufer lasse ich noch hinter mir. Die letzte Kurve liegt nun hinter mir, jetzt ist es nicht mehr weit. Vor mir läuft noch ein Paar, das ich auch noch überholen könnte. Nein, das möchte ich nicht, irgendwie wäre das unsportlich. Die beiden sollen vor mir ins Ziel laufen. Die Zeitanzeige neben dem Zielpfosten zeigt 1:57h an – und ich überquere die Ziellinie.
Ich kann es nicht fassen, mein erster Halbmarathon – und dann direkt unter zwei Stunden! Ich bin überglücklich, aber ich glaub das nicht, ich kann es einfach nicht glauben! Okay, erstmal langsam einen Becher Wasser trinken. Und nun ab zu meinen Eltern. Ich werde freudig empfangen und umarmt. Ich fühle mich wie in einem Traum, aber es ist wirklich wahr!
Meine Eltern sehen bewundernd zu, wie ich 1,5l Wasser aus meiner Trinkflasche „auftanke“. Langsam wird mir kalt, also gehe ich mich erstmal umkleiden. Danach suche ich mal wieder die Toilette auf.
So, das körperliche Wohlbefinden ist wieder hergestellt. Inzwischen hängen Listen aus, denen ich entnehmen konnte, dass ich bei der Siegerehrung anwesend sein sollte. Bis dahin müssen meine Eltern und ich noch eine Stunde warten. Der Regen ist stärker und geworden und ich empfinde ihn jetzt, wo ich still dastehen muss, trotz Regenschirm als unangenehm. Langsam friere ich auch wieder, es wird Zeit, dass die Siegerehrung beginnt.
Endlich, 13:30 Uhr, die Siegerehrung fängt an. Zum Glück wird die weibliche Jugend A zuerst geehrt. Ich werde auf das Siegertreppchen gebeten, weil ich den ersten Platz belegt habe. Da ich die einzige Teilnehmerin der weiblichen Jugend A bin, war es nicht schwer, Siegerin zu werden. Aber ich bin trotzdem sehr stolz auf meine Leistung, denn eigentlich hatte ich mit einer mindestens 15 Minuten schlechteren Zielzeit gerechnet.
Mir wird eine Urkunde überreicht, zusätzlich bekomme ich einen Geschenkkorb mit Körperpflege-Artikeln. Ich grinse in mich hinein, denn mir wird gerade bewusst, dass Sportler oft Körperpflege-Artikel geschenkt bekommen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Sportler sehr unangenehm riechen. Der Gedanke amüsiert mich, aber ich freue mich über das Geschenk. Alle enthaltenen Körperpflege-Artikel sind mit Vanilleduft – da haben sie bei mir voll ins Schwarze getroffen, meine Freude ich wirklich echt.
Und während ich mit Geschenkkorb und Urkunde im Regen auf dem Siegertreppchen stehe, kommt mir noch ein Gedanke, der mich schmunzeln lässt: „Hier werden die Läufer im Regen stehen gelassen“
Amüsiert steige ich vom Siegertreppchen. Endlich können meine Eltern und ich nach Hause fahren, wo es schön warm und trocken ist. Im Auto überfällt mich die Müdigkeit – nun weiß ich, was ich in den letzten Stunden getan habe. Ich glaube, diese Autofahrt werde ich nicht in wachem Zustand überstehen...

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Hi Galaxy!

Sehr ordentlich für so eine HM-Premiere. Und noch dazu die zweite Hälfte um vier Minuten schneller :daumen: . Ich gratuliere und wünsche weiterhin viel Erfolg.

Liebe Grüße

Wolfgang

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Hallo Andrea,

na, da hast du doch alles richtig gemacht. Einen tollen Lauf mit einem Super-Ergebnis hingelegt, Glückwunsch dazu.

Und dann noch so einen schönen Bericht geschrieben :daumen: .

Viele Grüße
Anett
Radiergummi-Liga
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Gratuliere zum ersten HM und gleich unter 2 Std. :daumen:
Hoffentlich schaffe ich das bei meiner Premiere auch :confused:
Grüße
Sven

Das Geheimniss des Könnens ist das Wollen !
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Hallo Andrea,

herzlichen Glückwunsch zu Deiner HM-Premiere unter zwei Stunden!!! Ich bin davon überzeugt: da geht noch viel mehr!!!
It takes both sunshine and rain to make a rainbow.

Grüße von Monika

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Super Zeit und noch viel besser, dass du mit Dir zufrieden bist!
Glückwunsch!!

Liebe Grüße,

Julia
Bleibe niemals stehen, es könnte Dein letzter Schritt sein! :hurra:

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hallo ihr lieben,

vielen, vielen dank für eure glückwünsche :)

ja, es ist wirklich ein schönes gefühl, mit sich zufrieden zu sein - besonders wenn man ein mensch ist, der meistens eher mit sich selbst im krieg steht :D
ich bin immer noch richtig glücklich über meine leistung und hoffe, dass mir dieses gefühl auch noch ein wenig erhalten bleibt :bounce:
der laufsport ist doch wirklich ein schönes hobby *grins*

liebe grüße,
andrea

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gratuliere!!!! das ist eine tolle zeit und ein schöner bericht!! und dann noch gleich aufs siegertreppchen... sehr verdient!
lg lila
Grüße von lila :zwinker2:
Ich bemerke, dass auch ich täglich Spuren hinterlasse. Zum Beispiel mit der Kaffeetasse.
Gesperrt

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