Am Anfang schnell, am Ende hart: 21,1 km beim Nachtmarathon in Marburg am Freitag, den 13. Juli 2007
Hat etwas länger gedauert mit dem ausführlichen Bericht, aber jetzt ist er da.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Wollte endlich mal einen vermessenen und flachen HM-Kurs laufen, da meine ersten beiden HM doch einige HM hatten. Also habe ich neben dem Mittelstreckentraining ein paar Einheiten im geplanten HM-Tempo gemacht und mich für den HM beim Nachtmarathon in Marburg angemeldet.
Das Ziel
Das Ziel ist bei mir eigentlich in fast jedem Rennen PB, also unter 1:30:36. Sub 1:30 ist also Pflicht, wenn man schon so nah dran war. Da in dem letzten Kurs ein paar HM drin waren, nehme ich mir gleich mal ne 1:28 vor. (Mit dem insgeheimen Alternativplan, dass ich auch hintenraus etwas einbrechen und immer noch unter 1:30 bleiben kann, wenn es arg heiß wird.)
Freitag der 13. ...
... ein guter Tag für einen Wettkampf? Da ich unbedingt noch einen Film zu Ende sehen muss, verpasse ich natürlich meinen Zug. Komme so erst 18:05 in Marburg am Hbf an. Zum Glück begegne ich einem Läufer im Thüringen Ultra Shirt. Der kennt sich aus, zeigt mir den Weg zur Anmeldung beim Jahn-Stadion, geht sogar ein Stückchen mit mir und beschreibt nebenbei noch die zu laufende Strecke. Sehr nett! Wäre wohl besser Südbhf ausgestiegen, auf der Karte sah das irgendwie näher aus.
Trotz der guten Beschreibung muss ich mich beeilen - schließlich sollen die Startunterlagen bis 18.30 abgeholt werden. Also gehe ich schnell auf der späteren Laufstrecke an der Lahn entlang zum Jahnstadion. Und verfalle zwischendurch ab und an in Laufschritt, da ich Panik bekomme, nicht mehr starten zu dürfen, wenn ich zu spät bin. Je näher ich komme, desto mehr LäuferInnen kommen mir entgegen - größtenteils wohl Marathonis, die zum Start um 19.00 Uhr wollen, der HM geht erst um 19.15. los.
Kurz vor 18.30 treffe ich schließlich rechtzeitig ein. Zahle die 13 Euro und bekomme die Startnummer mit dem eingebauten 1x Chip. Das wars. - keine Extras.
Nach dem Umkleiden treffe ich gleich meinen Kumpel. Da der den Lauf als Trainingseinheit geplant hat, will er nur in 4:10 anlaufen und ab km 10 auf 3:50 beschleunigen. Ich beschließe, erstmal mit ihm mit zu laufen, das das Anfangstempoo für mein Ziel ausreichend scheint.
Wie laufen uns kurz zusammen waren und bewegen uns dann Richtung Start auf dem Marktplatz in der Marburger altstadt. Der Platz ist schon fast komplett angefüllt mit Menschen, als wir ankommen Es ist der größte Lauf auf dem ich bisher gewesen bin. Meine Nervosität ist dennoch genauso groß wie vor fast jedem anderen Wettkampf- mehr wäre auch schwer erträglich. Nach dem Start des Marathons leert sich der Platz nur wenig - die überwiegende Mehrheit sind HM-Läufer.
Start
Um 19:15 endlich das übliche Runterzählen von 10 bis 0, lostrotten, dann ein kleiner Stau bei den Zeitnahmeschranken zu Beginn. Ich starte meine Uhr hier, um die Nettozeit auf der Uhr zu haben. Jetzt kann man endlich schneller laufen, und es geht gleich tüchtig bergab, teils über Kopfsteinpflaster. Mein Kumpel ist aus dem Sichtfeld, aber ich höre noch hinter mir seine Reaktion, nachdem ich mich mehrmals umgedreht habe: „Ich bin hinter dir.“
Die ersten zwei km-Marken verpasse ich, da der Pulk noch relativ eng zusammen ist, kann ich die Schilder kurz über dem Boden nicht erkennen. Dafür höre zwar das Piepen diverser Laufcomputer, aber ich beschließe das zu ignorieren: Die Abstände zwischen den Piepgeräuschen zeigen doch eine gewisse Ungenauigkeit der diversen Geräte.
Drehe mich noch öfter um und kann meinen „Pacemaker“ nicht entdecken, auch höre ich nix mehr. Ich ahne, dass ich etwas zu schnell angelaufen bin. Kurz treffe ich einen bekannten Läufer vom TSV Krofdorf, der meist eher langsam, angeht, aber doch schnell ist und am Ende meist an mir vorbeizieht. Er will aber heute „nur“ 1:27 laufen, ich überlege ob ich mich an ihm orientieren soll. Aber heute geht das nicht, die Beine wollen schneller, und so ziehe ich weiter.
Bei 3km dann die erste Zwischenzeit: 12:02 - deutlich schneller als geplant, auch noch deutlich schneller als der Alternativplan, der maximal 4:04 bis 4:05/km vorsah. Ich bremse etwas runter, beschließe aber, nicht auf meinen „Hasen“ zu warten. Wenn der seine Endbeschleunigung ein hält, holt er mich eh ein etwa bei Km 15 ein. Der nächste km geht in 4:12 - zu stark vom Gas gegangen. Also wieder etwas auf die Tube gedrückt, es läuft auch noch sehr locker. Die 5km Marke wird bei 20:16 erreicht. Eigentlich immer noch zu schnell, aber ich habe längst beschlossen, dass ich heute die Euphorie der schnellen Zwischenzeiten haben will. Hintenraus wird sich das vielleicht rächen, aber ich vertraue mal auf meine Kampfkraft.
Mittlerweile habe ich die ersten ganz langsamen Marathonis eingeholt. Etwa bei km 6 (4:07) geht es raus ins Feld. Ein junger Läufer in einem grün-schwarzen Trikot überholt von hinten, ich halte mit, wir laufen eine Zeit lang miteinander. Er fragt nach den Bergen auf der Strecke, mehrere Läufer entgegnen ihm, dass es flach bleibt. Daraufhin behält er sein hohes Tempo bei oder zieht gar noch ein wenig an.
Ich versuche dran zu bleiben, aber da er einen etwas anderen Laufrhythmus hat, bleibe ich nicht zu dicht dahinter. Außerdem ist er mir ein klein wenig zu schnell, bei jeder Verpflegungsstelle gibt er nochmal Gas und haut mir wieder ein Stück ab. Ich verliere etwas zeit, da ich meist einen Becher Wasser nehme, um einen kleinen Schluck zu trinken und mir den Rest über zuschütten. Aber immerhin habe ich das dunkle Trikot mit den grünen Einsätzen noch in Sichtweite. So gehen die nächsten km in einem Schnitt von knapp über 4 min, bei 10km lande ich bei 40:32.
Weiter geht es bis km13 mit ähnlichen km-Schnitten (4:05-4:04-4:03), immer hinter den grünen Streifen am sich entfernenden Trikot her. Jetzt merke ich langsam die Muskeln im Po, außerdem bekomme ich ab und an Gänsehaut. Sollte der Kampf jetzt schon los gehen? Nach einem relativ langsamen km 14 (4:10) verschwindet mein unfreiwilliger Pacemaker langsam aber sicher aus der Sichtweite. Ich versuche mich zusammenzureissen, km 15 geht in 4:07, so bin ich bei 1:01:02 bei 15k.
Da passiert mir ein kleiner Lapsus: Da die kleine 1 für die erste Stunde bei meiner Uhr eine Zeile nach oben rückt, lese ich die Zeit als 1h 02 statt 1:01:02. Ziemlich irritiert frage ich mich, wo ich die Minute verloren habe und bin etwas frustriert.
Der nächste Km geht in 4:18 - so langsam wollte ich nicht werden, u. a. Schuld daran sind wohl Grübelei und Frust über die vermeintlich schlechte Zwischenzeit. Dass die 62 min für 15k nicht stimmen können, wenn ich jetzt 65:20 auf der Uhr habe, wird mir nicht mehr richtig klar. Wenigstens schaffe ich jetzt endlich mal zu überschlagen, dass ich mit ner 21 auf den letzten 5 mein Ziel wohl locker erreichen kann: 1:05 für 16k +21min für die letzten 5 gibt 1:26, das sieht doch gut aus, ne 21 auf 5 kann ich doch immer laufen.
Also reiße ich mich zusammen und versuche, nochmal zu Druck zu machen. Mit viel Kampf erreiche ich km Zeiten von 4:12 und 4:13, viel scheint nicht mehr drin zu sein im Tank. Etwa bei km 18 erreiche ich den Kumpel vom Kumpel, den ich vorm Lauf kennengelernt habe. Will mit ihm zusammen laufen, aber er meint er sei dehydriert und schickt mich weiter. Der 19, KM geht in 4:10, das muss halt reichen, schneller gehts wohl nimmer.
Km 20 laufe ich in 4:23: der mit Abstand langsamste km! Wohl aus diesem Grund werde ich von einem Schnauzbart im Schrecksbacher Trikot überholt, den ich wenig vorher selber noch eingesammelt hatte, wenn ich mich recht erinnere. Aber auf dem letzten KM abfrühstücken lasse ich mich nicht, das warf der richtige Weckruf für meine Lethargie!
Jetzt "rieche" ich auch langsam das Stadion und gebe nochmal gas. Und gehe am Schrecksbacher vorbei, ohne mich nochmal umzudrehen. Am Eingang zum Stadion ruft jemand: noch 300m, also ziehe ich nochmal an auf der Aschenbahn, da macht es mir immer richtig Spaß, erst jetzt drehe mich kurz um, aber vom Schrecksbacher ist nix mehr zu sehen.
Auf der Zielgeraden sehe ich die 1:26 leuchten, unter 1:27, YES! Noch einen dezenten Endspurt, und mein Uhr bleibt bei Netto 1:26:29,7 stehen – die letzten 1,0975 km gingen in sehr anständigen 4:10. Ein wenig war also doch noch drin, aber wie so oft muss ich erst die Nähe des Ziels spüren, um meine Reserven zu aktivieren.
Direkt nach dem Zielstrich bekomme ich meine Finishermedaille umgehängt und ich versorge mich erstmal mit diversen angebotenen Iso-Getränken - alles das gleiche, aber verschiedene Geschmacksrichtungen.
Kurz nach mir kommt der Krofdorfer rein, er hat sein Ziel 1:27 auch locker unterboten. Erst danach der Schrecksbacher, dem ich also noch ca. 25s weggelaufen bin, wie ich später in der Ergebnisliste recherchiere. Mein grün-schwarzes Trikot treffe ich auch wieder, der Mann hat mir noch fast 2 min abgenommen, der ist eben weiter seinen Schnitt knapp über 4 gelaufen, also ne 1:24er Zeit, logo. Soweit war ich heute noch nicht.
Die sportliche Bilanz
PB 1:26:30 netto, 1:26:41 brutto. Platz 29 von fast 1000 HM-Finishern, und 3. in der M30. Prozentual gesehen mein bisher größter Erfolg, schließlich unter die ersten 3 % gekommen. Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass gerade in Marburg sehr viele recht langsamere, wenig leistungsorientierte Hobbyläufer am Start sind. Außerdem waren so 1-2 „Holger Meiers“ wieder vor mir, habe ich aber auch erst in der Liste nachher gesehen.
Mit der Zeit bin ich trotz des Einbruchs am Ende sehr glücklich. 4 Minuten unter der bisherigen Bestzeit, ein Km-Schnitt von 4:06 gegenüber den fast 4:18 vom letzten HM, das freut mich. Dass es am Ende hart wird, wundert mich bei einem Umfang von im Schnitt etwa 44km/Woche dieses Jahr nicht. Schön ist halt, dass es trotz geringer Umfänge noch deutlich vorwärts geht und der Einbruch sich in Grenzen hielt. Wenn ich ein klein wenig langsamer angegangen wäre, hätte es vielleicht noch etwas schneller werden können, aber darüber will ich eigentlich nicht nachdenken. Zudem ich dann den Mann im schwarz-grünen Trikot dann im Mittelteil nicht als Pacemaker gehabt habe.
Nach dem Lauf
Nachher fühle ich mich deutlich besser als nach den letzten beiden "Halben". So gut, dass ich sogar ein wenig auslaufe, bevor ich duschen will. Duschtechnisch die falsche Entscheidung, als ich wieder die Umkleidekabine entere, ist alles knallvoll.
Vertreib mir die Zeit bis zur Siegerehrung (die leider doch etwas auf sich warten lässt,) dann u.a. damit, dass ich kurz mit dem HM-Sieger Dieter Baumann plaudere, der auf einmal vor mir steht. Der ist ganz schön klein und schmächtig, schmalere Waden als bei meine Fußballerbeine, warum ist der bloß so schnell?
Nach einem Radler und diversen Unterhaltungen mit Bekannten, die ich treffe, ist es endlich soweit mit der Siegerehrung. Für meinen 3. Platz in der M30 gibt es nicht mehr als eine Urkunde. Nach der M30 stockt die Siegerehrung bald wieder, da die betreffenden Urkunden noch nicht da sind.
Die Kritik: 13 Euro für eine Blechmedaille mit unsauberem Druck?
13 Euro Startgeld -was habe ich dafür bekommen? Eine Medaille, deren Aufdruck pixelig und ausgefranst ist. Mein Tintenstrahldrucker kann das besser, wohl das falsche Papier verwendet? Weiterhin eine nicht besonders schöne Urkunde auf einem Papier, dass mir für eine Urkunde zu dünn ist. Das sind Cent-Beträge da muss man bei einem Lauf dieser Größenordnung nicht so sparen. Keine Extras, keine Preise für 2. und 3. der AK. Das Stadion war arg dunkel, schön für die Stimmung, aber ab einem gewissen Zeitpunkt war es schon schwer, jemanden zu erkennen
Die Siegerehrung für den HM nahm dem Zieleinlauf der Marathonis die verdiente Aufmerksamkeit. Die fast 1000 HM Läufer wurden nach den Marathonläufern gestartet – sinnvoll?
Wenn die HM-Läufer 30 min vor den Marathonläufern starteten, könnte man (mit etwas mehr Tempo beim Urkundendruck), einen Großteil der HM-Siegerehrung durchziehen, bevor die Marathonläufer ins ziel kommen. Außerdem würden es vielleicht weniger Überholmanöver, da ein ganzer Haufen Halbmarathonkläufer keinen einzigen Marathonläufer überholen müsste.
10 Euro incl. ordentlicher Medaille und Urkunde fände ich ok, wobei ich auf die Medaille gut verzichten kann, wenn sie nicht deutlich wertiger aussieht. Positiv (u. a.): schnelle Strecke, die mir auch nicht zu langweilig war. Verpflegungsstände waren imo genügend, Beschilderung auch ok.
Statistik:
1. 5km
20:16,01
2. 5km / 10km
20:15,86 / 40:31,87
3. 5km / 15km
20:30,25 / 1:01:02,12
4. 5km / 2. 10km / 20km
21:17,76 / 41:48,01 / 01:22:19,88
5. letzte 1,1 km
4:09,82
Endzeit
offiziell netto 1:26:29,6 / brutto 1:26:40,1
Von mir gestoppt netto 1:26:29,70 - die Zeitnahme war also scheinbar sehr genau!
So, ist etwas lang geworden, aber ich hoffe, man kann es lesen!
Gruß
Christof
Am Anfang schnell, am Ende hart: 21,1 km beim Nachtmarathon in Marburg 2007
1"If a man coaches himself, then he has only himself to blame when he is beaten."
- Sir Roger Bannister