Ewige Jagdgründe oder ewige Gründe zur Jagd.
Es ist noch einmal gut gegangen. Oh, hatte ich Schiss. Existenzielle Ängste. Eine Futrex 6100 XL Messung meines Körperfettes ergab am Halbmarathonmessefreitag einen Wert, der normalerweise Bulimiemodels vorbehalten ist und unmittelbar in die ewigen Jagdgründe führt, wenn nicht sofort mit Käse-Sahne oder Schwarzwälder Kirsch behandelt wird. Auf einmal waren die Gründe da. Gründe, warum ich aktuell orthopädisch soviel herumknirsche. Gründe, warum ich nach beinahe jeder Mahlzeit jüngst das Gefühl hatte, dass Magen, Zwerchfell, Leber und Nieren Boccia miteinander spielen. Gründe, warum ich beim tiefen Einatmen glaubte, die Lunge verliesse den Brustkorb. Und am Ende Gründe, bei diesem Halbmarathon, so bedeutend er auch sei, vorsichtshalber nicht zu starten. Allein: es gibt immer auch Gründe zur Jagd.
Es ist also noch einmal gut gegangen. Obwohl -“gut gegangen“, auch das ist relativ. Ich lebe noch. Und kann berichten.
Z.B. davon, wie gut es mir bei ca km 14 ging, als ich mein gerade geschlucktes Kohlehydratgel samt nachgekipptem Wasserbecher den verdutzten Zuschauern zur Linken entgegenkotzte. Klare Anweisung aus dem innersten der Bauch-Schaltzentrale: wir arbeiten gerade hart genug. Wenn du nicht willst, dass wir jetzt Boccia spielen, dann „hals“ uns bitte nicht noch mehr (Verdauungs)gaben auf.
Z.B. davon, wie gut es mir bei ca km 18 ging, als ein Betreuer des Veranstalters mitfühlend darauf verwies, dass es nur noch 3km seien bis ins Ziel. Oh ja, oh jeh - muss ich zum Kotzen ausgesehen haben.
Z.B. davon, dass persönliche Bestzeiten am Ende eben doch mit dem persönlichen Gewicht korrelieren. Wenn du also zum Kotzen aussiehst, ausgemergelt wie nach 10 Jahren Gulag, und nur noch gerade so einen Fuss vor den anderen zu setzen vermagst, erst dann bist du perfekt vorbereitet.
Und so berichte ich gerne z.B. auch davon, dass ich bei km 11 einen negativen split einleiten konnte und bei einem 3'42er Kilometer ernsthaft dachte, das tauge mir für den kommenden Herbst als Marathon-Renntempo. Oder auch davon, dass im Ziel gerade mal 2 (zwei) Läufer älteren oder gleichen Baujahrs vor mir ankamen. Denn von den 7 der AK M45, die sich vor mir platzierten, waren alleine 5 vom Jg.1963.
Stolz. Ein bisschen.
Und ich berichte gerne vom interessanten Wechselspiel unserer „Gelben“ Vereinskollegen des PSB24. Schultz, Jackisch, Ryan – immer mal ein anderer als Zugpferd vorne weg. Wie Willi in der M55 noch solche Zeiten laufen kann?!
Staunen. Ein bisschen mehr.
Zunächst Ernüchterung angesichts des Niedergangs deutscher Leistungslaufkultur, wenn man sich die vordersten Plätze betrachtet. Bei den Männern, wo gerade 3 Läufer die 70 Minuten knackten und alleine Robert Krebs aus Berliner Sicht bemerkenswert heftig auftrat. Erst recht bei den Frauen, wo eine 1h21 zum Sieg aus deutscher Sicht genügte!
Gründe, ja – natürlich. Hauptgrund ganz sicher die besonders bemerkenswerte Terminierung der deutschen Halbmarathonmeisterschaften, die gleichzeitig in Calw stattfanden. Gleichzeitig stattfinden mussten? Warum? Nur Kopfschütteln. Glückwunsch aber an „unseren Berliner“ Lennart Sponar zur dortigen Bronze-Medaille. Stark! Darauf eine Schwarzwälder Kirsch.
In Calw hätten mir 1h18:16 gerade mal zu AK- Platz 15 gereicht.
Ewige Jagdgründe. Ob nach Bestzeiten wie heute morgen. Oder nach Käse-Sahne. Wie jetzt gleich und sofort. Zwei Kilo Körperfett ist zum Leben zu wenig. Zum Laufen schien es genau richtig viel.
Shakal Ryan, 06.04.2008
Halbmarathon Berlin 06.04.08 - Aus den Ewigen Jagdgründen
1Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden. (John Ruskin)
http://www.shakalryan.welt.ms
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