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Münster mal ganz entspannt

Münster mal ganz entspannt

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Münster ist einfach mein Traditionslauf. Einmal mag ich die Stadt und außerdem sind Strecke und Orga einfach klasse.

Die Voraussetzungen in diesem Jahr noch deutlich unter suboptimal. In der Vorbereitung, so man mein Training überhaupt als solche bezeichnen konnte, war lediglich Platz für zwei Läufe über 22 km. Auch nicht gerade das, was man als lange Kante bezeichnet. Die pathetische Frage, ob ich so überhaupt eine Chance hätte ins Ziel zu kommen stellte sich für mich allerdings nicht. Immerhin war es mein 3. Marathon in diesem Jahr und der 15. insgesamt. Es ging also nicht darum ob, sondern in welcher Zeit. Was würde die Substanz hergeben? Immerhin war eine neue PB ausgeschlossen, weshalb ich einmal ohne Druck an den Start gehen konnte.

Eine weitere Neuerung, mein erster Wettkampf ohne mein Supportteam. Meine Frau war noch auf Reisen und Kilian konnte ich schlecht alleine in Münster rumturnen lassen. Es wäre ihm zu langweilig geworden. Trotzdem bin ich schon am Samstag angereist, denn es ist mir zuwider sonntags um 5 Uhr aus dem Bett zu hüpfen und dann auch noch 1 ½ Stunden nach Münster zu düsen. So konnte der Wettkampftag gemütlicher beginnen. Am Samstag holte ich also meine Startunterlagen und probierte auf der Messe einmal die Kleidung von Skin an. Etwas ungewohnt, aber vielleicht doch nützlich. Hat jemand Erfahrung damit? Sonst war die Messe eher langweilig.

Auf Pasta stehe ich nicht so, weshalb ich mir lieber eine Pizza einverleibt habe, was sich bisher noch nie als Nachteil erwiesen hat. Dann wurde es allerdings recht langweilig. Das Kinoprogramm war mau und der Film den ich gerne gesehen hätte begann erst um 22:45. Ein bisserl spät für das Vorhaben am nächsten Tag. Also verzog ich mich auf meine Hütte und las zur Abwechslung einmal den Inhalt meines Kleiderbeutels. Nicht gerade literarische Highlights aber es fanden sich doch ein paar interessante Informationen.

Frühstück um 06:45 Uhr und wieder hatte ich vergessen den Champagner und Kaviar einzupacken. Also blieb es bei Tee und Rosinenbrötchen mit Honig. Gourmethäppchen à la Marathon. Dann konnte ich mich allerdings wieder hinlegen, was mir bei dem Blick aus dem Fenster auf das doch recht trübe Wetter leicht fiel. Zum Start musste ich nur durch den Schlosspark gehen, wofür ich keine 10 Minuten brauchte. Entsprechend spät verließ ich im Laufdress und mit der obligatorischen Tüte darüber meine Unterkunft.

Im Park hatte es am Vorabend noch eine kleine Party gegeben die nicht nur zu hören war sondern auch einen entsprechenden Berg von Müll hinterließ. Umweltbewusstsein scheint nichts mehr für junge Leute zu sein. Ist es ein Vorurteil, wenn ich vermute, dass hier Studenten am Werke waren. Vor dem Schloss dann die übliche Ansammlung von Staffelläufern im Outfit ihrer Arbeitgeber. Nett, wenn sich Kollegen so zusammenfinden. Mir blieb gerade noch Zeit für einen letzten Gang zur Toilette und schon musste ich zur Startaufstellung. Wer schon einmal gelaufen ist kennt das, man schaut sich um, wer denn da so alles mitläuft und manchmal wundert man sich auch, was der eine oder andere so alles mitschleppt. Auffällig war ein Läufer mit einer kleinen Prinzessinnenkrone. Wirklich exotische Gestalten, wie ich sie schon in Frankreich gesehen habe, sind bei uns selten. Hier ist Laufen eine ernstere Sache.

Der Sprecher erzählte wieder viel dummes Zeug und der Start verzögerte sich. Ob Leute, denen man früher die Zunge rausgeschnitten hat auch einmal so angefangen haben? Nach fünf Mal „gleich geht es los“ erfolgte tatsächlich der Startschuss. Es folgten die üblichen Staus, bis sich die Schlange in ein gleichmäßiges Tempo gesetzt hatte. So ein bisschen Ehrgeiz hatte sich bei mir doch eingeschlichen und ich hatte mich zwischen dem 03:45 und 04:00 Pacer positioniert. Unter 4h wollte ich dann doch bleiben. Auch wenn es vielleicht weh tun würde.

Der gut 10 km lange Kurs durch die Stadt folgte wieder einmal leicht anderen Wegen. Diese Varianten lassen immerhin keine Routine aufkommen. Wie in den Vorjahren schauten einige verschlafene Gesichter aus den Fenstern und auf den Straßen jubelten die verschiedenen Fanclubs. Es schienen mir aber weniger zu sein, was ich auf das Wetter zurückführte. So leicht frisch unter grauer Wolkendecke lässt es sich prima laufen, aber schlecht anfeuern. Irgendwie merkte man, dass Münster eine Universitätsstadt ist. Neben den üblichen viel zu zahlreichen Plakaten der Standardparteien auch die einiger kommunistischer Parteien. Von der MLPD hatte ich schon seit 30 Jahren nichts mehr bei mir zu Hause gesehen und gehört. Hier lebt sie anscheinend aber wohl noch. Die Konterfeis der Kandidaten deuteten aber darauf hin, dass diese Helden der ersten Stunde waren und schon ziemlich in die Jahre gekommen sind. „Wir haben die Kraft“ ließ uns die Kanzlerin wissen. Nun, da hätte ich sie wirklich gerne mitgenommen um zu sehen, für wie viele km die Kraft denn reicht. Manchmal ergeben sich doch witzige Zusammenhänge. Es war auch wieder ein Barfußläufer dabei, der sich dämliche Fragen anhören musste. Für das Kamerateam an der Strecke war er aber der Star. Die Strecke durch die Stadt verging wie im Fluge. Wieder vorbei an der Bühne des WDR mit wirklich reizenden Cheerleadern in Richtung Aasee. Die Masse der Zuschauer umringte die Musikgruppen, die in unterschiedlichen Abständen ihr Bestes gaben. Und das war nicht von schlechten Eltern. Man muss dieses Engagement bewundern. Viele hatten richtig Arbeit in ihre Kostüme gesteckt. Pausen sind auch nicht angesagt, solange die Läuferschlange noch nicht vorbei ist. Je näher zum Ziel, desto länger muss auch die Durchlaufzeit sein. Die letzten Gruppen brauchen also eine ziemliche Kondition. Seit km 10 überholten uns die ersten Staffelläufer. Man erkannte sie von hinten kommend an ihrem schnellen Atem. Also dann doch lieber gemütlich 42 km laufen als sich 10 km so zu hetzen.

Ich glaube, dass sich bei mir doch eine gewisse Routine eingeschlichen hat. Die Strecke interessierte mich nicht mehr so wie früher. Dies merkte ich daran, dass mir vom Wegesrand nichts mehr im Gedächtnis haften geblieben ist. In gewissem Sinne war der Lauf ereignislos, zumindest fiel mir nichts mehr Überraschendes auf. Eigentlich ein Verlust. An der Halbmarathonmarke zeigte die Uhr 1:52 h, als ich sie passierte. Gar nicht schlecht, aber eben auch nur die Hälfte. Im vorigen Jahr, als ich deutlich schneller lief, wurden mir hier schon die Beine schwer. An diesem Tag war ich zu dieser Zeit aber noch frohen Mutes. In Nienberge war die Zuschauerzahl schon deutlich angewachsen. Wieder scheppernde Musik. Leider wieder nur für einen kurzen Augenblick, letztendlich ist die Musik für die Zuschauer. Wer als Läufer mehr haben will, ist doch irgendwie auf einen MP3 Player angewiesen. KM 24 nahte, an dem ich im vorigen Jahr meinen Einbruch hatte. Aber die Stelle ist nicht verhext und ich konnte sie anstandslos hinter mir lassen. Bei KM 25 war dann mein Gel fällig, das ich in der Hand gehalten hatte. Durch meine Körperwärme war es schön weich geworden und ließ sich anstandslos schlucken. An der Station bei Haus Vögede konnte ich es dann mit Wasser runterspülen. Etwas quer hing es schon im Magen, der mit leichtem Aufstoßen protestierte. So etwas kommt und geht auch wieder. Am Horizont wurde der Kirchturm von Roxel immer größer. Langsam machten sich auch meine Oberschenkel bemerkbar. Zarte Beschwerden über den Trainingsmangel. Aber auch als Muskel hat man schon mal Pech und muss durch.

In Roxel dann wieder Partystimmung vom Feinsten. Trotz des mittlerweile etwas ruppigen Wetters mit einigen leichten Schauern ließen es sich die Anwohner nicht nehmen die Straßen zu bevölkern. Es geht nichts über ein Publikum, das sich nicht abschrecken lässt und auch noch gute Laune verbreitet. Auf der Roxeler Straße dann noch mehr Menschen. Gut, da war noch ein Wechselpunkt der Staffel, aber hier standen sie in dichten Trauben. Weitab von den Siedlungen und wegen der Sperrung der Strecke müssen sie alle zu Fuß gekommen sein. An diesem Abschnitt mit seiner leichten aber langen Steigung waren sie eine willkommene Ablenkung. Von der Roxeler Straße ging es dann links ab Richtung Gievenbeck. Der Abschnitt, den ich am wenigsten mochte. Hier waren verschiedene Kreisverkehre zu durchlaufen, was irgendwie meinen Rhythmus stört. KM 35, langsam roch es nach Ende. Meine Oberschenkel einigten sich auf leises Meckern, mein Puls kroch langsam nach oben, war aber deutlich im grünen Bereich. Ein leichter Hungerast machte sich bemerkbar, den ich mit Cola in steigender Dosis bekämpfte. Mit Bananen beim Laufen konnte ich mich noch nie anfreunden. Leider sind die KM von 35 bis 40 in Münster am unattraktivsten. Ausgerechnet wenn etwas mehr Ablenkung am nötigsten ist. Dafür lässt es sich aber auch schön rückwärts zählen. Noch 6, noch 5, noch 4 ….

Bei KM 40 noch ein letzter Schluck und dem Ziel entgegen. Bei KM 41 gab es noch eine Rose, die man jemand schenken sollte, der sich bei dem Lauf verdient gemacht hat. Eine gelb-orange gefiel mir besonders gut und dürfte mich dann bis ins Ziel begleiten. Noch ein letztes Mal vorbei an dem Wagen des WDR mit seinen Cheerleadern. Bei der nächsten Bühne wurde ich auch einmal namentlich begrüßt. Es ist banal, aber irgendwie gefiel es mir doch. Wenigsten einer, der mich hier kannte. Die letzten hundert Meter mit ihrem Kopfsteinpflaster ließen die Füße wieder schmerzen. Dann endlich durchs Ziel, eine Last fiel von mir ab. Trotz aller Routine das Gefühl es wieder einmal geschafft zu haben. Jubeln oder weinen? Eine nette Dame streifte mir die Medaille über den Kopf. Lohn der Qual? Nein, wirklich quälen musste ich mich nicht, nicht so wie im Vorjahr oder vor Jahren am Rursee. Die Zeit von 3:44:04 h erstaunlich gut. Die Substanz hatte also gereicht den Split zu halten, aller Theorien zum Trotz.

Niemand wartete auf mich und das Wetter lud auch nicht zum Verweilen ein, so dass ich mich auf den Heimweg machte. Wieder einmal, aber sicher nicht das letzte Mal. Münster, wie sehen uns wieder.

Der Rache der Muskeln entkommt man aber nicht. Heute erinnern mich meine Oberschenkel deutlich an meine Untaten.
PB 2006: M 3:30:33, HM 1:43:03, 10 KM 44:03


09.05.2010 Maratona del Custoza 04:01:38
06.06.2010 Schlössermarahton Potsdam 04:10:28
26.09.2010 Berlin Marathon

Kein existentieller Trübsinn, der nicht von einer veritablen Katastrophe im Handumdrehen geheilt würde. Michael Klonovsky

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Ein entspannter Bericht über einen entspannten Lauf! Deine positive Einstellung zum Laufen kommt sehr gut ´rüber. Du machst kein großes Hallo, Du läufst eben gerne. Deine Familie war zwar nicht dabei und auch sonst niemand, den Du kanntest, dann läuft man halt alleine, kein Zwang, kein Stress und trotzdem erfolgreich. Schön!

Wünsche Dir weiterhin entspannte Läufe und dazwischen natürlich auch noch ein paar wirkliche Hammerdinger, die gehören schließlich auch zu einem Läuferleben.
Lynx

Keine Angst um deine Zunge ...

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Hallo Peter,

nicht jeder kann Inspiriertes von sich geben, wie du in deinem kurzweiligen Bericht. :nick: :D :daumen: So muss der Moderator dann wohl weiter um seine Zunge fürchten, während du entspannt regenieren kannst. Es freut mich, dass dein Experiment "Wie finishe ich einen Marathon erfolgreich nach viel zu wenig Vorbereitung" positiv mit 3:44h ausgegangen ist. Nimm den Muskelkater in den Oberschenkeln als dringende Bitte deines Körpers derlei Unbotmäßigkeit nur ja nicht zu wiederholen. Ende gut, alles gut.

Ich wünsche dir frohes Regenerieren und bald wieder ausreichend Zeit für lange Läufe :daumen:

Gruß Udo
"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger. :hallo:
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe

PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h

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Es ist einfach immer wieder schön, andere Berichte von Läufen zu lesen, wo man selbst dabei war.
Um die Fähigkeit 3:44 entspannt laufen zu können, bist du zu beneiden.
Ach ja, schön war es.

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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Hallo Udo,

mit dem Begriff Experiment hast Du wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen. In Summe war es das, wenn auch ungewollt. Aber Du kennst das, wenn man einmal sein Wohlfühltempo gefunden hat kann man auch ziemlich lange durchhalten. So gesehen hatte ich Glück. Mit dabei natürlich auch die Disziplin mich nicht ziehen zu lassen. Dann wäre es wohl schlechter ausgegangen. Nach einem gemütlichen Lauf gestern geht es heute wieder und am Freitag mache ich dann mit meinem Standardtraining weiter. Für dieses Jahr reicht es aber an Marathon. :teufel: Mal sehen, wo wir uns im nächsten Jahr treffen. :daumen:

Hallo Joerg,

einiges habe ich ja gerade schon gesagt. Man muss es so sehen, wenn ich versucht hätte mit Dir Schritt zu halten wäre es hart geworden. Selbst beim Marathon sind 6 Minuten Welten und wären an diesem Tag für mich hinter der Schmerzgrenze gewesen. :frown: Wenn Du wieder einmal nach Münster kommst, sollten wir uns treffen. Ich reise auch immer einen Tag vorher an.

Gruß

Peter
PB 2006: M 3:30:33, HM 1:43:03, 10 KM 44:03


09.05.2010 Maratona del Custoza 04:01:38
06.06.2010 Schlössermarahton Potsdam 04:10:28
26.09.2010 Berlin Marathon

Kein existentieller Trübsinn, der nicht von einer veritablen Katastrophe im Handumdrehen geheilt würde. Michael Klonovsky

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Rückenwind hat geschrieben:Mal sehen, wo wir uns im nächsten Jahr treffen.
Hallo Peter,

Münster würde ich schon ganz gerne laufen ... aber eigentlich fällt mir kaum ein Marathon ein, für den nicht haargenau dasselbe gilt :confused: . Erst wieder gesund werden, dann mal sehen ...

Dir alles Gute. :daumen: Gruß Udo
"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger. :hallo:
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe

PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h

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Hallo Peter !

Auch ich möchte dir für den Bericht danken.

Leider mußte ich beruflich Montag morgen wieder direkt durchstarten und hatte somit keine Muße, den schönen Tag in Münster nachklingen zu lassen.

Aber wie Jörg auch schon sagte, rufen die Berichte von anderen Läufern noch mal die Erinnerungen wach.

Gutes Regenerieren
Martin
Gesperrt

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