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31. Harzgeröder Klippenlauf - 6. Juni 2010

31. Harzgeröder Klippenlauf - 6. Juni 2010

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Eine Laufveranstaltung in der Residenzstadt in einem der kleinsten Fürstentümer des ehemaligen Deutschen Reichs

Klippenlauf hört sich irgendwie exotisch an. So etwas bekommt man sicher nicht alle Tage geboten. Und weil ich die Harzer Landschaft mag, habe ich mich mit Regina Anfang Juni auf den Weg nach Harzgerode gemacht. Vorher galt es aber noch die Gretchenfrage nach der Abfahrtszeit zu klären. Zwei Stunden sollten für die Fahrt von Uetze-Hänigsen bis zum Nachmeldeschalter im Startbereich reichen. - Dachte ich mir. Die Deadline 09:15h (Nachmeldeschluss) vor Augen, wurde meine Fahrt durch die Berge schon zum Rennen, bei dem ich eine viertel Stunde nach Zielschluss am Nachmeldeschalter die Vollbremsung machte.

Als Startareal nutzt der Veranstalter das Grundstück des örtlichen Hundesportvereins. Die Startnummern gibt es an Tischen, die zum Schutz gegen die Sonne unter Bäumen aufgestellt sind. Alles wirkt überschaubar und familiär. Die Nachmeldeprozedur ist rasch erledigt, dass ich mir den Start der 16-Kilometer-Läufer noch ansehen kann. Da ich von den happigen Steigungen auf der 16er-Strecke gehört hatte, wollte ich in diesem Jahr erst einmal die 5er-Ultrakurzstrecke in Augenschein nehmen.

Neben der Startlinie steht ein Kleintransporter mit Pritsche, auf dem die Startschuss-Kanone befestigt ist. Mit lautem Knall und reichlich Pulverdampf werden als erstes 84 Läufer auf die 16 Kilometer geschickt. Warum so ein aufwendiges Startsignal verwendet wird, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Kann sein, dass man von der 1790 gegründeten Pulvermühle noch Reste an Schwarzpulver im Keller hat. Auf jeden Fall passt dieses Ritual gut zum Harzgeröder Schloss und zur mittelalterlichen Stadt.

Nun geht es Schlag auf Schlag. Drei Minuten später erfolgt der Start zum 2,5-Kilometer-Lauf. Weitere drei Minuten verbleiben mir, um ein Foto vom 5er-Feld zu machen. Das erste Stück nach dem Start ist liebevoll mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen geschmückt. Nach ein paar hundert Metern liegt Harzgerode in weiter Ferne. Die Strecke geht auf und ab, hier und da sehe ich auch mal einen Läufer, der eine größere Steigung im Gehen nimmt. Die Sonne, die durch den Laubwald scheint, erzeugt eine schöne Frühlingsstimmung in den ersten Tagen des Monats Juni und schon bald höre ich die Geräusche aus dem Zielbereich. Im Ziel werde ich von Regina mit einem Pokal überrascht, den sie gerade noch rechtzeitig in der Tombola gewonnen hat.

Der Harzgeröder Klippenlauf ist eine kleine, gut organisierte Veranstaltung. Die 5-Kilometer-Strecke ist zu kurz, um echte Highlights zu bieten. Was Klippen in den Bergen sind, habe ich mittlerweile durchs Internet erfahren. Gesehen habe ich aber keine. Vielleicht fehlt mir der geologische Blick dafür. Die längere Strecke verspricht mehr Sehenswürdigkeiten. Es ist die Rede von einem kurzen Tunnel, den die Läufer passieren müssen, weil am Steilhang des Berges kein Platz für den Weg ist. Genau das und reichlich Steigungen werde ich mir im nächsten Jahr ansehen.

Wer Reisen zu Laufveranstaltungen macht, kann die Welt kennen lernen. Auch im Kleinen. So gehört für Regina und mich auch immer eine Besichtigung des Veranstaltungsortes dazu. Harzgerode hat gerade mal 5 000 Einwohner, liegt in 400 Metern Meereshöhe, ist von allen Seiten von Bergen umgeben und hat eine Menge Interessantes zu bieten.

Das Schloss befindet sich in einem Kilometer Entfernung vom Start/Zielbereich. So richtig groß und prächtig ist das nun aber wider Erwarten nicht. Schließlich hat ja von hier aus mal ein Fürst sein Reich regiert. Von 1635 bis 1709 diente die Anlage als Residenz der Harzgeröder Linie des anhaltischen Fürstenhauses.
Wir haben Glück. Das Schlossmuseum ist geöffnet. Eine freundliche Dame vom Heimatverein lässt uns ein und wir begeben uns auf Spurensuche. Das Harzgeröder Schloss wurde 1549 in drei Jahren erbaut. Da im Hause der Fürsten von Anhalt die Erbteilung galt, wurden die Fürstentümer immer kleiner. Das Fürstentum Anhalt-Bernburg entstand 1603 erneut durch Teilung in sechs Teilfürstentümer. Diese Entwicklung erreichte 1635 ihren Höhepunkt als das schon arg verkleinerte Anhalt-Bernburg schon wieder geteilt wurde. Nämlich in Anhalt-Bernburg und Anhalt-Bernburg-Harzgerode. Fürst Friedrich war nun der erste Mann in seinem kleinen Staat. Und für seine Residenz- und Hauptstadt musste eine repräsentative Kirche her. Der Erweiterungsbau der St. Marienkirche überragt noch heute weit die Fachwerkbauten und das Rathaus am Marktplatz und beeindruckt jeden Reisenden.

Die Landwirtschaft gab hier oben in den Bergen nicht viel her. Eisenerz wurde schon seit langem abgebaut. Im Jahr 1693 wurde die erste Silberhütte errichtet. Viel zu tun gab´s für Fürst Friedrich wohl nicht und die Einnahmen waren verlässlich. Schon 1636 unternahm er eine längere Reise. Das hat ihm wohl so gut gefallen, dass er 1647 eine neunjährige Europatour macht. Von 1656 bis zu seinem Tod 1670 kümmerte er sich wieder um´s Regieren in Harzgerode.

Noch zu Lebzeiten von Fürst Friedrich unternahm sein älteste Sohn Wilhelm ausgedehnte Reisen. Die Reiselust, die ihm sein Vater in die Wiege gelegt hatte, ließ ihn ab 1660 acht Jahre durch Europa ziehen. Wieder daheim, bereitete er sich auf eine Militärkarriere vor. Gerade als er 1670 den ersten Job seines Lebens beim Kurfürsten von Brandenburg annehmen wollte, starb sein Vater. Seine Aufgabe hieß nun Fürst Wilhelm von Anhalt-Bernburg-Harzgerode zu sein. Nicht alle seine kaufmännischen Unternehmungen führten zu Erfolg. Als er 1709 ohne männlichen Erben starb, wurde das kleine Land wieder mit Anhalt-Bernburg zu einem Fürstentum vereinigt.

Wenn nun der Besucher das Schloss Richtung Bahnhof der Selketalbahn verlässt, fallen ihm gewiss die schönen alten Backstein-Fabrikationsgebäude auf. Eine wahre Fundgrube für jeden Industrie-Archäologen. Ich schätze das Alter der historischen Werkhallen auf rund hundert Jahre. Genau diese Zeit fällt mit der Periode der Schließung der Silberhütte und dem Ende des Harzgeröder Bergbaus zusammen. Als Gegenzug entstand als neue Erwerbsquelle eine Metall verarbeitende Industrie, in die kräftig investiert wurde. Was heute noch an den prächtigen Fabrikationsgebäuden im Stile der Neugotik zu erkennen ist. Auch wenn der Zahn der Zeit daran genagt hat.

Die alte Residenzstadt Harzgerode hat sicher noch viel mehr Bemerkenswertes und Schönes zu bieten. Nach meiner nächsten Teilnahme am 32. Harzgeröder Klippenlauf werde ich wieder mit meiner Frau auf Entdeckungstour gehen und darüber berichten.

Bei der Durchsicht der Ergebnisliste ist mir aufgefallen, dass die Harzgeröder Läufer und ihre Gäste eine besonders zuverlässige Gemeinschaft sind. Nur 9 Prozent der Melder sind nicht angetreten. Dieser Anteil liegt normalerweise deutlich höher. Beim Marathon in Hamburg 2008 sind trotz der fast 70 Euro Startgebühr 26 Prozent (!) der Gemeldeten nicht gestartet.

Grüße von asparagus2
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