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Mitten im Nirgendwo - 11. Ostfrieslandmarathon Hesel

Mitten im Nirgendwo - 11. Ostfrieslandmarathon Hesel

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Elfter Ostfrieslandmarathon in Hesel am 12.06.2010 - Hesel? Wo liegt dann bitte schön Hesel? Schon der Namenszusatz "Ostfriesland" legt nahe, dass es sich mitten im Nichts befindet. - Stimmt auch. Dennoch haben sich heute ein paar Läufer zu diesem Wettkampf versammelt, bei dem auch ein Drittel- und Zweidrittelmarathon, sowie ein fünf Kilometerlauf angeboten werden.

Was mich in dieses Dörfchen verschlagen hat? Hauptsächlich liegt das daran, dass Flo, ein Freund von mir, durch seine Mitgliedschaft im "Team Erdinger" einen Freistart gewonnen hat. Da außerdem die Löcher, die die Startgebühr von drei Euro in meine Haushaltskasse gerissen hat, sehr überschaubar waren, nahm ich die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Wettkampf gerne an.

So fuhren wir also zusammen mitten ins Nichts. Die Ausschilderung war allerdings gut, sodass wir schließlich nach kurzer Fahrt durch Wald und Wiesen den Wettkampfort erreichten. Immerhin gab es dort noch eine Straße für Flos Wagen. Dies war jedoch auf dem Parkplatz schlagartig vorbei. Das Auto überstand den Geländetest jedoch augenscheinlich unbeschadet.

Schon auf dem Weg vom Parkplatz zur Ziellinie bemerkten wir, dass der Sprecher heute keinen Medienpreis verdient hatte. Er lief mit seinem Mikrofon Amok und interviewte jeden Läufer, der nicht schnell genug fliehen konnte. Außerdem vernahmen wir einige grammatikalische und inhaltliche Abenteuer. Er war zwar mit sehr viel Spaß bei der Sache, aber schaffte es doch tatsächlich zum Beispiel dreimal den Lauf für die Jahrgänge 2010 und jünger (!) anzusagen, bis ihm sein Fehler dann doch auffiel.

Flo und ich retteten uns zur Startnummernausgabe, die wir sehr schnell abschließen konnten. Ausgerüstet mit meiner Nummer 338, auf einem Stück Papier, das der kleinsten Spannung nachgeben werden würde, gingen wir zum Streckenplan. Ich versuchte mir gar nicht auszumalen, was mit der Nummer passieren würde, sollte es regnen. Bisher sah es allerdings auch nicht danach aus. Stattdessen Sonnenschein mit starkem Wind.

Etwas abgelenkt hatte ich leider den Kommentator nicht kommen sehen. Prompt erwischte er mich:

"Zweidrittelmarathon?"

"Nein, wie kommen Sie darauf?"

"Du siehst so aus."

"Ok, nein ich lauf nur 5Km"

"Achso. Na dann viel Spaß"

Leider wusste er damit viel mehr über mich als gut für mich war.

Der Streckenplan sagte uns so ziemlich gar nichts. Zur Verwirrung der Betrachter war er mit unzähligen, teils in entgegengesetzte Richtungen zeigenden Pfeilen versehen. Eventuell wäre es vielleicht nicht schlecht gewesen, für die unterschiedlichen Distanzen verschiedene Farben zu verwenden.

Danach hatten wir noch viel zu viel Zeit und verzogen uns auf einen Kantenstein, um uns noch ein bisschen die Beine zu vertreten, als sich plötzlich die Sonne verdunkelte. Ich vernahm noch die Worte:

"Und dann um 15:05Uhr startet...." und hatte direkt ein Mikrofon vor der Nase.

Etwas perplex antwortete ich: "Ich würde sagen: Der fünf Kilometer Lauf"

Damit gab er sich zufrieden und zog erstmal wieder ab. Flo und ich versteckten uns daraufhin noch besser, wobei er natürlich nichts zu befürchten hatte, solange er sich in meiner Nähe aufhielt.

Schließlich liefen wir uns noch kurz ein und genossen dabei den starken Wind, der natürlich ausgerechnet auf der 500m Zielgeraden von vorne kommen sollte.

Gerade noch rechtzeitig - nach kurzem Schlenker um den Mann mit Mikrofon - erreichten wir die Startlinie, um zu vernehmen, dass wir heute zwei Runden laufen sollten. Die Nachricht wurde mit einigem Erstaunen aufgenommen, da vorher noch nie die Rede davon war. Ok, zwei Runden waren noch annehmenbar, auch wenn uns dadurch die Zielgerade zweimal blühte.

Das Studium der letztjährigen Ergebnisse hatte mir gezeigt, dass ich heute durchaus unter die ersten zehn laufen können sollte. Deshalb reihte ich mich in die dritte Startreihe ein. Merkwürdigerweise standen direkt vor mir acht Frauen. Dieses Jahr waren offensichtlich deutlich schnellere Läufer dabei, wenn die Frauen schon so weit vorne standen.

Der Startschuss fiel relativ unvermittelt und ich setzte mich in Gang. Anfangs war es tatsächlich mehr ein Gang, denn mir standen genau sieben Frauen im Weg. Flo ging es ähnlich und er musste auf dem Grünstreifen am Rand überholen. Irgendwann war ich dann auch vorbei und konnte nach der ersten Kurve das Feld beobachten.

Insgesamt waren sieben Läufer vor mir. Darunter vier Frauen, Flo, ein Mann im roten T-Shirt und der Führende, ein Läufer dem Flo und ich schon rein vom Aussehen den Sieg sofort abgetreten hätten.

Nach 500 Metern kassierte ich zwei der Frauen und befand mich nun fünfzehn Meter hinter Flo, was mich ein wenig wunderte. Vorher hatte er schließlich angekündigt, etwa 10 Sekunden pro Kilometer langsamer zu laufen als meine geplanten 4:15min. Da ich dennoch bereits eher bei 4:06 lag, nahm ich etwas Tempo raus.

So hatte ich nach dem ersten Kilometer eine Zeit von 4:11min auf der Uhr. Ich lief nun direkt hinter dem Mann in Rot mit konstantem Abstand zu Flo.

Auf dem zweiten Kilometer hatte ich ein paar Probleme mit meiner Uhr. Ich vermute wegen der Bäume war das GPS-Signal etwas schwach, so dass die Anzeige innerhalb weniger Meter um 20 Sekunden schwankte. Ich möchte jetzt mal nicht unterstellen, dass sogar GPS einen Bogen um Hesel macht, aber dass ich nicht konstant gelaufen bin, kann ich auch ausschließen, da sich an der Position im Feld überhaupt nichts änderte. Dennoch zeigte meine Uhr nun eine 4:21min pro Kilometer an.

Wir bogen nun auf die Zielgerade ein und ich setzte mich neben das Rothemd, um nicht vom Windschatten zu profitieren. Ich würde es nicht fair finden, mich die ganze Zeit hinter jemandem zu schonen und dann eventuell noch gegen ihn zu gewinnen.

Beim Überqueren der Ziellinie konnte mich mein Lieblingskommentator zum Glück nicht festhalten, aber er ließ es sich nicht nehmen mich mit "André Ullbrich" anzufeuern. Ich schmunzelte kurz und setzte mich ein wenig von meinem Verfolger ab.

Bei Kilometer drei war er allerdings wieder direkt hinter mir. Zusammen liefen wir auf Flo auf, dem ich sagte, dass ich 4:15min auf der Uhr habe. Er räumte dann auch ein, etwas zu schnell angegangen zu sein und musste abreißen lassen. Auch der Mann in rot fiel immer weiter zurück.

Mir ging es noch immer gut. Die Belastung war noch im Rahmen, wenn man bedenkt, dass ich nur noch zwei Kilometer vor mir hatte. Ich lag mittlerweile an vierter Position und war Zweiter im Männerrennen. Kurz orientierte ich mich noch nach vorne - musste mir aber eingestehen, dass ich an die Frau etwa 30 Meter vor mir nicht mehr herankommen würde. Folglich konzentrierte ich mich auf mein Tempo und wollte gleichmäßig ins Ziel laufen.

Das klappte auch ziemlich gut: Km 4 genau in 4:15min. Ein Blick nach Links hinten zeigte mir, dass Flo weiter zurück fiel. Den dritten Platz schien ich also, wenn nichts schiefginge sicher zu haben. Beim Blick nach rechts bekam ich allerdings einen kleinen Schreck. Da lief doch tatsächlich jemand rotes direkt hinter mir. Nicht nur das: In der Folge setzte er sich auch noch vor mich und beschleunigte spürbar.

Wir bogen nun langsam in die Gegenwindpassage ein und ich überlegte, ob ich mich nun doch ins Ziel ziehen lassen sollte. Stattdessen blieb ich jedoch direkt an ihm dran und setzte mich anfangs der Zielgeraden neben ihn. Wir konnten das Ziel schon sehen, hatten aber noch gut 500m vor uns. Da ich fast am Limit war, sehnte ich mich schon sehr nach der Ziellinie. Mein Konkurrent und ich besprachen noch kurz unsere Position im Rennen und wünschten uns dann viel Glück für den Endspurt.

Nebeneinander liefen wir weiter bis etwa auf Höhe der Parkplatzeinfahrt. Dort zog ich ruckartig das Tempo an und hatte beinahe sofort fünf Meter gewonnen. Sowas wirkt natürlich demoralisierend auf den Gegner. Auf mich dagegen wirkte sehr demoralisierend, dass die Ziellinie einfach nicht näher kam. Ich befürchtete kurz, den Zielsprint zu früh angezogen zu haben, doch ich schaffte es gerade noch das Tempo bis ins Ziel zu halten. Angekündigt als "André Öhrrichs" stützte ich mich erstmal auf meine Knie und betrachtete meine Uhr: Fünfter Kilometer in 3:39min. Ganz nebenbei neue offizielle 1000m Bestzeit - was aber mehr an fehlenden Wettkämpfen liegt. Die Gesamtzeit lag damit bei 20:41, womit ich meine bisherige Bestzeit von 21:13 deutlich unterboten habe.

Das habe ich nicht unbedingt für möglich gehalten, nachdem ich mich gestern bei meinem ersten Versuch um den Unisee zu laufen, verlaufen hatte und deshalb deutlich länger unterwegs war als geplant.

Umso zufriedener war ich nun und ging zur Zielverpflegung. Die Frage ist nur - in welche Richtung lag die? Ich konnte erstmal nichts sehen und wartete stattdessen auf Flo. Natürlich wurde ich in meiner Verwirrung sofort mit dem Mikrofon bedrängt und musste erzählen, ob mir der Lauf Spaß gemacht habe.

Kurz danach kam Flo als Gesamtvierter ins Ziel und half mir bei der Suche. Wir fanden allerdings nur einen Erdinger Alkoholfrei - Stand. Naja, das Zeug soll ja gut als Sportgetränkt geeignet sein. Eine Wahl hatte ich ja sowieso nicht, also trank ich mein erstes Bier seit bestimmt zwei Jahren. Es schmeckte wirklich mal wieder gewöhnungsbedürftig. Der Durst trieb es allerdings rein.

Als nächstes hatten wir vor, herauszufinden, wann die Siegerehrung stattfinden sollte. Auf die Ankündigung "Direkt nach dem Zieleinlauf" wollte ich mich nicht verlassen. So wurde mir dann auch gesagt, dass ich ruhig noch Auslaufen gehen könne. Deshalb drehte ich mehrere lockeren Runden, teils Barfuß, um den Sportplatz. War ein wirklich angenehmes Laufen.

Zurück im Zielbereich konnte man mir allerdings immer noch nicht sagen, wann es losgehen sollte. Flo machte sich schonmal auf den Weg zum Auto, um unsere Sachen zu holen und ging danach dann unter die Dusche.

Mittlerweile waren nach meinem Zieleinlauf gute dreißig Minuten vergangen, als endlich eine Frau vorbeikam, die uns noch zwanzig Minuten vertröstete. Ich konnte also auch noch schnell Duschen und war dann bereit.

Mein Name wurde zwar wieder mal verschandelt - und zwar dieses Mal so sehr, dass ich es mir nichtmal merken konnte, aber ich durfte aufs Podium steigen und erhielt ein braunes Handtuch mit einer Stickerei vom ausrichtenden TSV Hesel.

Anschließend wurden noch die Urkunden für die Altersklassensieger verteilt ("ich beglückwünsche dir"), bevor danach alle weiteren in einem Zelt ausgelegt werden sollten. Leider zog sich das Prozedere solange hin, - unter anderem unterbrochen von zwei Telefonaten des Preisrichters - dass Flo irgendwann die Geduld verlor und wir zum Auto gingen. Auf halben Wege hörten wir noch "...und jetzt werden die restlichen Urkunden im Zelt ausgelegt..."

Fazit:

Pro: Geringes Startgeld; Familiäre Atmosphäre (hat man nur nicht viel von, wenn man keinen kennt); schöne Strecke

Contra: Etwas gelassene Organisation; (kostenlose) Zielverpflegung nur für Marathonläufer; fast eine Stunde Anfahrt

Ich werde den Lauf insgesamt auf jeden Fall positiv in Erinnerung behalten, aber wohl nur wiederkommen, wenn es zu diesem Zeitpunkt keine anderen Läufe gibt, da die Anfahrt sich ansonsten nicht lohnt. Es sei denn, ich entscheide mich, mir im nächsten Jahr mal die Strecke des Drittelmarathons anzugucken ;)
"Der Weg nach Süden in den Westen führt zuweilen nach Norden - ostwärts"

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Da Du in Varel wohnst, empfehle ich dir mal den Braker Stadtlauf . Meine Heimatstadt übrigens. Ist nett organisiert, pB- fähig.
In Hesel wollte ich auch immer mal laufen, aber von Berlin aus ist's doch etwas weit. Danke für den Bericht!

Ulrike

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Andre396 hat geschrieben:bei meinem ersten Versuch um den Unisee zu laufen, verlaufen hatte
Bei so einer kleinen Pfütze dürfte das Verlaufen sicherlich nicht ganz einfach gewesen sein :hihi:

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HEISST der See Unisee oder ist er auf einem Uni- Campus?? :confused:

An Seen da oben kenn ich bloß die Thülsfelder Talsperre... aber vielleicht gibts die schon gar nicht mehr.

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Hallo Harriersand,

ich bin selbst in Nordenham geboren. Deshalb gehört der OLB E.on Lauf in Brake jedes Jahr fest in meinen Kalender. Ist einer meiner absoluten Lieblingsvolksläufe

bzgl. Unisee: Damit meinte ich den in Bremen. Sind nur 3,3 Km einmal außenrum, aber iich musste ja erstmal noch hinfinden ;)

Gruß

André :winken:
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Aaachso. In Bremen. Nee, den kannte ich bislang nicht.

Schön, dass Du den Braker Stadtlauf auch so gut findest! Ich war zweimal dabei, aber es ist natürlich immer ein Akt, aus Berlin anzureisen, und nachdem wir unser Haus dort verkauft haben, muss man auch immer noch ein Zimmer bezahlen...

Schönes Laufen weiterhin im "hohen Norden"!

Ulrike

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harriersand hat geschrieben:HEISST der See Unisee oder ist er auf einem Uni- Campus??
Beides ist korrekt. Schaust du hier. Ich habe dort vor 30 Jahren mit Laufen und Surfen angefangen.

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BerndR hat geschrieben:Beides ist korrekt. Schaust du hier. Ich habe dort vor 30 Jahren mit Laufen und Surfen angefangen.
Ah danke. Nun bin ick jebüldet!

Ulrike

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Hallo Andre!!
Ich lach mich schlapp - bin als 13. angekommen, also "knapp" nach Dir :hihi:
Wenn ich mir dein Avatar so ansehe, hab ich dich auch wohl gesehen-ähnlich wie du bin ich durch einen Bekannten nach Hesel gekommen.
Die Zielverpflegung war übrigens vorhanden (Tee, Cola, Isogetränk, Äpfel und Banane), das war ein kleiner Tisch vor der Cafeteria, direkt vor den Holzbänken - hab ich auch erst gesehen, weil ich mich noch einige Zeit aufhalten musste, da mein Bekannter den Marathon lief.
Ansonsten muss ich schon sagen, dass ich den Ostfriesenmarathon sehr nett fand, eben weil es ein bißchen chaotisch ablief: die Siegerehrung lief wirklich vollkommen ungeordnet ab und der Moderator ließ entweder die Urkunden fliegen (es war wirklich sehr windig) oder mischte sämtliche AK munter durcheinander (bei der Ehrung der 2/3 Marathon Läufer).
Das absolute Moderatoren Highlight war, als der Zielsprecher sein Mikro 2 Teenies in die Hand drückte, die endlich einmal ihren Traum vom Superstar näher kamen...
Hätte ich als Marathonläufer deren Kommentare auf der windigen 500 Meter Zielgeraden gehört, ich hätte die im Ziel gewürgt... :teufel:
Insgesamt eine nette, familiäre Atmosphäre, nette Gespräche, leckerer selbstgebackener Kuchen, weit entfernt von super durchgeplanten Veranstaltungen (aber das war der Reiz!)

Gruß
Domborusse
Die beliebtesten Diagnosen der Orthopäden:

"Da ist nix"
"Das ist nicht schlimm"
"Das haben viele"
"Da kann man nix mehr machen"
"Ja, wir werden alle nicht jünger!"
"Dat krieje me wieder hin!!!":zwinker2:
"Das ist in 2 Wochen wieder weg!"
Von RennFuchs geklaut: "Das dürfte eigentlich garnicht wehtun"
"...ja wenn das schon so lange weh tut, dann muss das eigentlich operiert werden"
gefolgt von: ..."aber nehmen sie zur Sicherheit erstmal noch 14 lang Tage die Tabletten":klatsch:

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Hey,

ich hatte ein hellblaues Singlet an, falls dir das etwas weiter hilft :hallo:

Es stimmt schon, dieses leichte Chaos macht einen großen Teil des Reizes von diesen kleinen Laufveranstaltungen aus. Wenn man eine straffe Organisation haben möchte, muss man nunmal zu den großen Stadtläufen gehen.
Aber zur Abwechslung finde ich diese kleineren Veranstaltungen, in denen so viel Arbeit der Vereinsmitglieder steckt auch sehr schön.
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