Banner

Berlin 2005 - Man kann Jubiläen auch...

Berlin 2005 - Man kann Jubiläen auch...

1
Nach einer Woche Urlaub und Internetabstinenz - und der ausgiebigen Lektüre der übrigen tollen Berichte hier (offensichtlich ging es Einigen ähnlich wie mir...) will ich Euch noch meine Erfahrungen schildern...

- AAAABER OBACHT! - Es wird ausführlich...

AAAAAALSO:

Man kann Jubiläen auch... in den Sand setzen.

2
Oder: mein persönliches Waterloo endet kurz hinterm Brandenburger Tor

In meiner Jugend gab’s mal eine Gruppe, die hieß Anyone’s Daughter. Das Kind von irgendjemandem also. Und als ich die zum ersten Mal live sah, spielten sie brandneu ein Lied namens „Viel zuviel“. Warum ich das erzähle? Ich weiß auch nicht. Oder doch. Naja, vielleicht kennt’s ja noch jemand. Falls nicht, dann muss ich hier mal ganz kurz vorsingen. Das Intro ging ungefähr so: „Laaalalah laaaaalalalalaaa – laaalala lalaaalalah...“ (Keyboard) Oder so. Ist auch egal.
Wie gesagt: gehiessen hat es „Viel zuviel“ – und genau das kann man jedenfalls nicht über den Service und die Freundlichkeit des Lokals sagen, in welchem sich am Abend des 24.09.2005 einige Forianer trafen, um sich dort für den bevorstehenden Merlin-Barathon zu stärken. Denn soviel steht fest: es war zwar nett, Einige der hier eventuell Mitlesenden einmal persönlich kennenzulernen, gestärkt bin ich aber aus dieser Veranstaltung nicht wirklich hervorgegangen (so rein kulinarisch kohlenhydratgesättigt meine ich).
Aber eigentlich fing das Verhängnis ja bereits viel zuviel früher an. Im Training vielleicht. Beim traumhaft schönen Testmarathon auf den idyllischen Hunsrückhöhen vielleicht. Am 23.09. auf dem Geburtstag meiner werten Frau Mama vielleicht. Ganz bestimmt aber am Samstagmorgen, als sich nämlich, der Bus fuhr gerade in meiner meistungeliebtesten Stadt mit den vielen Banktürmen ein, ein zuvor kaum wahrnehmbarer Erkältungshauch schlagartig manifestierte. (Oder war es doch nur meine Allergie gegen Krankfurt?). Naja, „Wohlfühlen“ geht jedenfalls anders... – ohne ständig viel zuviel laufende Nase eben.
Dabei verlief die Anreise in die Bundeshauptstadt insgesamt eigentlich ganz entspannt – wenn man bedenkt, dass ich mit der Bahn unterwegs war. Die Abholung der Startunterlagen: ebenfalls problemlos. Nur schwante mir da schon so was von „viel zuviel“ – viel zu viele Leute irgendwie. Und viel zu viele Stände natürlich. Die ganze Veranstaltung war derart unübersichtlich, dass mir sogar der Stand des Veranstalters des schönsten Marathons in der schönsten Stadt der Welt entging. Und das, obwohl ich noch nicht für den Gutenberg 2006 angemeldet war und die dort Anwesenden allzu gerne noch mit einem dreifach donnernden HelauHelauHelau begrüßt hätte...
Dann am Abend die bereits besagte viel zuviel lange dauernde Aufsessenwarterei und ein abschließender Versuch der viel zuviel unfreundlichen Bedienung, bei den letzten zahlenden Foristen (zu denen, wer hätt’s gedacht?, natürlich auch ich zählte) für entgangenes, da nicht verdientes Trinkgeld einen Salat zusätzlich abzuziehen. OK, versuchen kann man’s ja mal. Nur geklappt hat’s nicht.
Dann also mit knurrendem, da mit maximal 400 g Pasta nur notdürftig versorgtem Magen zu meiner Unterkunft, die mir ein hochgeschätzter Anverwandter dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hatte. Auf dem Sofa liegend aus purer Verzweiflung noch eine Dreiviertel Schachtel Kekse reingestopft, alles für morgen Früh zurechtgemacht, im Fernsehen den bitteren, da späten (aber wohl verdienten) Ausgleich irgendsoeiner Dortmunder Bohr-Russia bei meinen im Stich gelassenen Buben am Bruchweg verfolgt. Und: wider Erwarten hervorragend geschlafen.
Bis – ja, bis: der Wecker natürlich viel zuviel früh mich aus süßem, allerdings verrotzten Schlummer riss. Sonntagmorgen. Kein Bock aufzustehen. Zum Bäcker gehen vielleicht. Nen Kreppel holen und die Sonntagszeitung. Oder so. Aber auch keinen Fall: zum Marathon gehen. Und den dann auch noch mitlaufen. Und das auch noch mit der Absicht, persönliche Bestzeit hinzuzaubern. Scheiss Idee das.
An der Französischen Bäckerei, äh Botschaft wünsche ich noch mal kurz den Aktuellen Läufern alles Gute, und begebe mich auf die Suche nach einer gemütlichen Ecke mit Rheinblick und nem schönen Schoppen Riesling. Gibt’s hier nicht? Ja, wo simmer denn? Ich dachte, das sei hier die Hauptstadt? Wie soll das denn die Hauptstadt sein, wenn hier nicht einmal der Rhein entlangfließt? Wahrscheinlich haben die hier noch nicht mal was von Fassenacht gehört (zumindest deuten die viel zuviel befremdlichen Blicke darauf hin, die ich auf ein allgemein aufmunterndes frühmorgendliches „Am Rosenmontag bin ich gebohoorähn“ ernte...). Komische Hauptstadt!
Also bleibt mir nichts anderes übrig: ich gebe meine sieben (oder mehr) Sachen bei irgendwelchen Kids ab, die in umherstehenden LKWs herumlungern und so aussehen, als hätten sie im Leben noch nie eine richtig gute Fleischwoscht gegessen. Jetzt stehe ich da. In meinen Laufklamotten und im wunderschönen roten Oberhemd mit den Zahlen „0“ und „5“ vorne wie hinten. Ich gehe Richtung Startblock. Startblock? Das soll wohl so eine Art Berliner Kalauer sein, oder was? Diese Menschenmenge hier kann man doch nicht ernsthaft als „Startblock“ bezeichnen. Viel zu viele 40.000 Menschen, die alle – das muss ich zugeben – ziemlich geordnet in Bewegung versetzt werden.
Dann musses eben sein. Naja, was soll’s? Irgendwie werde ich schon im Verlaufe der nächsten 42,195 viel zu vielen Kilometern ins Rollen kommen. Hoffentlich. Auf dem ersten Kilometer gelingt das jedenfalls noch nicht. Woran ich aber ganz alleine Schuld bin. So wie an diesem ganzen verkorksten Sonntagmorgen hier. Ich brauche viel zuviel lange, gebe also Gas. Irgendwann wird’s ja mal anfangen, zu rollen.

Zeitschnitt.
Kilometer 21,1. Bin schon 2 Minuten hinter dem Soll. Viel zuviel. Und rollen tut’s immer noch nicht.

Zeitschnitt.
Kilometer 30. Verliere immer mehr an Zeit. Rollen tut’s immer noch nicht.

Zeitschnitt.
Kilometer 35. Jetzt endlich merke ich, wozu dieser Lauf hier gut ist. Nicht etwa, um meine Bestzeit zu atomisieren (wie geplant), sondern: um eine alte Bekanntschaft aufzufrischen. Und wie das so ist mit alten Bekannten, die man mal kennengelernt hat, ihnen dann viel zuviel lange nicht mehr begegnet ist, und sie dann viel zuviel vergessen hat: sie können richtig böse sein. So auch mein alter Bekannter, den ich nun wiedertreffe, und der kurzerhand beschließt, mich auf den nächsten sieben viel zu vielen Kilometern zu begleiten. Das Gerücht, er wäre mit einem Hammer unterwegs, kann ich nicht bestätigen. Er ist ganz der alte. Genau der, dem ich seinerzeit bei meinem zweiten Marathon begegnete. Nur, dass er heute irgendwie tatsächlich so richtig sauer zu sein scheint. Seinerzeit hat er mir einfach eine rostige Ritterrüstung übergestülpt. Mit kaum beweglichen Scharnieren und so ungefähr 7,8 Zentner schwer. Ach ja: die Lüftungsschlitze waren/sind auch zu klein. Genau dieses Ding bekomme ich heute auch wieder aufgesetzt. Gesehen hat’s zwar vermutlich Keiner, aber gespürt hab ich’s viel zuviel. Dumm nur, dass sich dieser alte Sack noch was Neues dazu ausgedacht hat: er hat irgendwelche Dinger in den Oberschenkeln installiert, die sich anfühlen wie hartgekochte Straußeneier (so müssen sich diese jedenfalls anfühlen, denke ich) und die hartnäckig jeden der folgenden viel zu vielen Schritte Richtung Ziel zu einem unvergleichlichen Erlebnis machen. Er will wohl vermeiden, dass ich ihn wieder vergesse. Und auch die Hoffnung, ihn irgendwann doch noch abzuhängen, muss ich begraben. Mann, bin ich froh, dass ich wenigstens meine Sonnenbrille dabei hab, hinter der ich mich verstecken kann, damit diese ganzen Berliner, die wohl heute alle nix besseres zu tun haben, als ihren Sonntagvormittag hintereinandergestapelt an Straßenrändern zu verbringen, nicht auch noch durch meinen jämmerlichen Anblick belästigt werden. Berliner, Berliner, Berliner... – alles voller Berliner. Und kein einziger Kreppel (Tufftä! Das war ein Scherz! Nur zur Erläuterung: Kreppel werden außerhalb von Meenz auch als Krapfen oder eben Berliner gebacken, verkauft und vermutlich aber nicht mit solcher Hingabe berspeist wie bei uns...). Naja, aber eigentlich ist mir auf diesen letzten 7.195 Metern gar nicht zum Scherzen zumute. Irgendwie gar nicht. Aber gepienzt wird hier nicht!

Deshalb: Zeitschnitt.
Kilometer 42. Brandenburger Tor. Der Tor bin doch eigentlich ich. Gehe nicht ausreichend kohlenhydratisiert, vollkommen übertrainiert, unzulänglich motiviert und viel zuviel verbissen auf diese Strecke, quäle mich bei viel zuviel Temperatur folgerichtig mit anhaltenden Krämpfen herum und...
Tja, und komme trotzdem irgendwie an. Irgendwie halt. Bin zum erstenmal während eines Marathons gegangen (und zwar viel zuviel) und habe auf den letzten fünf Kilometern satte sieben Minuten verloren. Die Rüstung ist auf den Fotos wieder einmal nicht zu sehen (das kann doch keine Einbildung gewesen sein...!). Ich lasse mir ein Blechschild um den Hals hängen und eine schicke Einkaufstüte um die Schultern wickeln.

Tja, das war wohl nix, mein lieber Herr Gesangsverein, äh Humba-Täderä.

Aber wenigstens lerne ich jetzt noch die Vorzüge dieser großen, unterwegs eher lästigen Lampe am Himmel kennen: sie ermöglicht mir ein zugegebenermaßen nicht vollkommen entspannte Nickerchen vor dem Land-, äh Reichstag und lässt mich wenigstens in urplötzlich angenehmer Wärme meine wohlverdiente Kippe beim vorsorglich bei meinen Klamotten deponierten koffeinhaltigen Zuckergetränk genießen.

So, und was hatte das jetzt alles mit Anyone’s Daughter zu tun? Ich weiß auch nicht. Ich weiß nur, dass ich mir mein Jubiläum irgendwie anders gedacht hatte (der elfte Marathon – ich weiß, ich weiß: Nichtmeenzer hätten wahrscheinlich den zehnten zelebriert...)

3
Manchmal ist weniger eben mehr. Aber dann würdest du wohl eher Hobby-Sprinter sein und keine Marathons laufen, oder? :D

Sehr schöner Bericht. Scheint irgendwie an der Strecke in Berlin zu liegen das es so anstregend war. :zwinker5:

Und natürlich: Alles Gute zum 11.!

Jetzt habe ich aber Lust auf n Berliner. Mit Marmeladenfüllung.

4
Hey,

da hast Du also doch noch was geschrieben zu dem Lauf in Berlin mit den vielen Menschen. Das allein freut mich ja schon mal.
Das Essen am Vorabend war tatsächlich nicht berauschend und ich schaute eigentlich auch bänglich auf Deinen Teller und dachte so: das soll reichen...ach herje, bringt dem armen Kerl was zu essen.

Aber: Ich glaube, man kann nur gut verreisen, wenn man für diese Stunden auch heimatfrei sein kann. Klar im Herzen kann das Mainz immer leuchten, aber der Kopf...der sollte doch das hübsche Städtchen mal kurz 650 km weit weg sein lassen. Dann klappt es eigentlich auch besser mit dem Spaß und der Freude an einer anderen Stadt, die ganz klar anders sein muss.

Es war der 11. Marathon und er war schwer...ich finde, ein Jubiläumsmarathon muss nicht zwangsläufig leicht sein, er kann auch was vom 1. Mal haben.

Viel Spaß in Mainz und beim 12er

mandy
mein Blog: AmandaJanus

5
@ ahkah:
na, dann lass Dir den KREPPEL mal schmecken...

@ amanda:
tja, ich hätte ja auch noch nen Nachschlag bestellt. Nur wäre ich dann vermutlich nicht mehr rechtzeitig zum Start gekommen.
Und: hach ja - soooo ernst muss man nicht immer alles nehmen, was ich so von mir gebe... - die Entfernung zur geliebten Heimat war nicht wirklich der Grund für die enttäuschende Leistung. Neenee - ich glaub, ich weiss woran's lag - und deshlab habe ich spontan noch in Berlin meine Saison 2005 entgegen aller Planungen für beendet erklärt - jetzt wird erstmal regeneriert und dann wieder ganz neu aufgebaut.
UND: ja... - wäääre der 11. doch wenigstens so gewesen wie der Erste... (der war nämlich einfach nur schööööön)

Gruß und Humbahumbahumbatäderääää

6
humba-täderäUND: ja... - wäääre der 11. doch wenigstens so gewesen wie der Erste... (der war nämlich einfach nur schööööön) hat geschrieben:
Gruß und Humbahumbahumbatäderääää

ich schick Dir noch nen Berliner und grüß den Vater Rhein von mir

mandy
mein Blog: AmandaJanus

7
humba-täderä@ hat geschrieben: amanda:
tja, ich hätte ja auch noch nen Nachschlag bestellt. Nur wäre ich dann vermutlich nicht mehr rechtzeitig zum Start gekommen.
:hallo: hi humba, ja, da muß ich Dir recht geben! Die war`n ja sowas von freundlich und schnell :daumenrun
Und auch, wenn Du nicht zufrieden warst, mit Deinem Ergebnis: Glückwunsch fürs`s Finishen trotzdem! Schade, daß Du nicht nochmal bei "L" aufgetaucht bist, nach dem Lauf!

Kathrin :hallo:
☼ ☼ ☼
Entscheide Dich. Und wenn Du Dich entschieden hast,
vernichte die Alternativen.

8
@Schnatterinchen:
bin nachher nochmal kurz bei "L" vorbeigezockelt - da ich da aber niemanden getroffen hab, hat's mich dann doch magisch zur Liegewiese gezogen... (vollkommen unerklärlich, das)
Gesperrt

Zurück zu „Foren-Archiv“