Der 37. Dodentocht ist vorbei und hier möchte ich euch einen kleinen Bericht abliefern:
Nach der erfolgreichen Teilnahme beim Dodentocht im vergangenen Jahr wusste ich, dass Bornem mich bald wieder sehen würde. Ich rührte unter Kollegen und Bekannten für den Dodentocht die Werbetrommel und schnell waren wir ein Grüppchen von 6 Entschlossenen, die sich allerdings bis zum Tag des Ereignisses wieder auf 3 Wanderer incl. meiner Wenigkeit reduziert hatten. Na ja, zumindest schon eine 50%-ige Steigerung gegenber dem Vorjahr.
Am Donnerstag fuhren wir endlich gegen 23:00 Uhr mit dem Auto von einem Vorort nördlich von München aus durch die Nacht gen Belgien. Rechtzeitig zum Frühstck gelangten wir zu unserem reservierten Quartier im Ferienkomplex "Waesmeer" in Temse, einem Ort an der Schelde, etwa 5km vom Ort des Ereignisses entfernt. Nach dem Frühstck legten wir uns erst einmal schlafen, um ausgeruht an den Start gehen zu können. Um 14:00 Uhr waren wir reichlich ausgeruht und richteten uns unsere Klamotten und Ausrstung für die Wanderung her. Gefährdete Stellen an den Füßen wurden getapet, Wechselkleidung für das wohl zu erwartende Regenwetter packten wir auch gleich in den Rucksack. Seit unserer Einreise in Belgien hatte es bis auf wenige Unterbrechungen unentwegt geregnet. Kismet !
Bornem - 15:00 Uhr: Nun ging es ans Abholen der Startunterlagen im Anmeldezelt der Veranstalter. Wo sind die ganzen Wanderer abgeblieben? Niemand wartete bei den Voranmeldern und bei den Nachmeldern sah es auch nicht anders aus - perfekt, keine Wartezeiten! Nun noch schnell ein paar Fotos vom Zielbereich gemacht und wir hatten zusätzlich noch das Glück, von freundlichen Menschen vom Wanderverein "wandelmee.be" zwei obergeile T-Shirts zu dieser Veranstaltung zu ergattern. Eine Frau aus diesem Verein hatte auch im Mai am "Hollenmarsch" teilgenommen. Darauf angesprochen, schnellte ihr Daumen sofort in die Höhe. Dieser Marsch ist bei den Belgiern also in bester Erinnerung geblieben.
Wir vertrieben uns die Zeit noch in einem Restaurant/Bar mit einem Riesenteller Spaghetti (Eiernudeln) mit sehr schmackhafter fleischloser Sauce. Ein Belgier - ein stiller Zecher - wollte uns sofort eine Runde Schnaps ausgeben, die wir aber dankend ablehnten. Gegen 19 Uhr machte wir uns auf den Weg in den Startbereich. Wir wanderten etwa 1 km bis zu der Stelle, wo er sich im vergangenen Jahr befunden hatte - Fehlanzeige! Heuer war der Start an anderenorts! Nun wieder 1 km zurck und in einer kleinen Schleife von hinten in eine Seitengasse, wo bereits etwa 1000 Personen am Boden saßen und dem Start entgegen fieberten. Wir setzen uns nun auch auf unsere Rucksäcke und genossen die Stimmung, während sich hinter uns die Straße ständig weiter mit Wanderern füllte. Man konnte nicht sehen, wie viele es noch wurden, weil die Schlange 100m hinter uns einen Bogen machte. Ich denke aber, dass sie bis zum Startzeitpunkt sicher mehr als 500m lang gewesen sein wird.
Um 21:00 Uhr hatte die Warterei ein Ende und es ging los. Erst ging es mal "zur Begrüßung" durch Bornem und dann in einer ca. 15 km langen Schleife in die Nacht hinein, um wieder nach Bornem zurück zu kehren und den Ort dann auf der anderen Seite wieder zu verlassen. Irgendwie kam man sich wie im Tierpark vor, ganz anders als bei großen Marathon-Laufveranstaltungen. Die Anteilnahme und Anzahl der Zuschauer war zwar groß aber gerade euphorisch waren sie nicht. Sie nahmen diesen Tag einfach wahr, um zu feiern und dazu als Kulisse einen endlosen Strom von Wanderern um sich zu haben. Angesichts der Größe der beteiligten Orte war die Beteiligung jedenfalls riesengroß. Nach 17km kam dann die erste Kontrollstelle und größere Verpflegungsstation. Dort wurde der Barcode des Teilnehmerausweises gescannt und es gab Getränke und palettenweise leckere Törtchen. Es ging dann wieder hinaus zum Scheldeufer und oben am Deich entlang in herrlicher Atmosphäre. Das Regnen hatte mittlerweilen aufgehört, Wolkenfetzen zogen noch herum und der Vollmond tauchte die Szene in herrliches Licht. Hier brauchte man keine künstliche Beleuchtung, dennoch benutzten ein paar "Blinde" ihre Stirn- und Handlampen und störten durch das Wackellicht mehr, als dass sie zu besserer Sicht beitragen konnten. Die Weg- und Straßnbreiten wechselten von Feldwegen, auf denen man nur in Zweierreihen hintereinander gehen konnte, zu breiteren Strassen in Orten, auf denen dann kräftig berholt wurde. Der Untergrund bestand dementsprechend aus festen Fahrspuren, asphaltierten Wege, Kopfsteinpflaster und auch betonierten Streckenabschnitten.
Unser Schnitt betrug etwas weniger als 6 km/h. Angenehm für mich, aber für meine Begleiter wurde es dann langsam doch zu schnell. Urplötzlich, von einer Sekunde auf die andere, sprte Peter einen starken Schmerz in seinem linken Fuß, der für ihn kaum auszuhalten war. Peter ist ein eisenharter Kerl und dass er ins Ziel kommen würde, stand für mich von Beginn an außer Zweifel. Mehr schlecht als recht schafften wir es bis zu Brauerei "Duvel" bei km 39. Dort wollte Peter dann Fußflege betreiben, denn mittlerweilen gab es ihm bei jedem Schritt einen Stich bis in die Wirbelsäule hinein. Die Bierprobe bei Duvel hob das Allgemeinbefinden auch nicht. Unser einstimmiges Qualitätsurteil über das ausgeschenkte Bier war: ungenießbar! Peter versuchte noch, Erleichterung der Druckstelle durch Unterlegen mit Tempotaschentüchern zu erzielen, aber nichts half. Wir verließen Duvel und machten uns auf die nächste Etappe. Peter litt und immer kürzer wurden die Abstände, bis er wieder stehen bleiben musste. Bald schickte er dann mich und Stefan weiter und meinte, dass er sich bis zur nächsten Station quälen werde und sich dort vom Besenwagen mitnehmen lassen würde. Ich bedauerte seinen Zustand sehr.
Nun waren wir nur noch zu zweit, Stefan und ich. Wir beschlossen, etwas langsamer zu gehen, weil auch Stefan bereits anfing, über leichte Muskelschmerzen zu klagen, die er auf etwas zu hohes Anfangstempo schrieb. Langsam aber stetig schienen sich bei ihm alle Beinmuskeln zu verhärten (was aber nicht stimmte, wie sich im Nachhinein herausstellte). Bei Streckenmitte in der Palmbrauerei stand bereits ein Fragezeichen über Stefans Ziel, den Dodentocht zu finischen. Auch bei ihm hatten die Schmerzen bereits einen Grad erreicht, wo man eher daran denkt abzubrechen, als sich mit aller Gewalt bis ins Ziel zu schleppen. Wir reduzierten unser Tempo soweit, dass es für Stefan noch einigermaßen erträglich war - es ging bis Kilometer 60 in einem Schnitt von etwas unter 5 km/h. Von Kilometer 60,9 bis 68,8 mussten wir noch weiter auf 4,3 km/h runter gehen. Dadurch verlängerten sich auch Stefans Qualen. Er beschloss nun auszusteigen, was ich mehr als vernünftig fand, weil er ja als guter Allroundsportler bestens in der Lage ist, Warnsignale seines Körpers analysieren zu können. Er entschied sich, die Hilfe der Rot-Kreuz-Helfer in Anspruch zu nehmen und sich massieren zu lassen. Stefan schickte mich nun weiter und sagte mir, dass er dann im Ziel auf mich warten werden würde (Besenwagentransport). Wie sich bei der Massage dann heraus stellte, waren die Muskeln nicht verhärtet. Aufgrund des tauben Gefühls im Zehenbereich ging die Diagnose eher in Richtung Bandscheibenvorfall. Wie ich dann später mitbekommen habe, tauchte auch Peter eine halbe Stunde später noch bei km 68,8 auf und ließ sich dort versorgen. Unglaublich !!!
Ich wollte nun auch so schnell es ging das Ziel erreichen und nahm etwas Schritt auf. Ich spulte die folgenden Etappen gleichmäßig in einem Durchnittstempo von über 7 km/h herunter. Ich überholte noch Hunderte von Wanderern - aber es war ja kein Wettkampf, nur ein kleiner Selbsttest. Unterwegs gab's immer wieder leckere Törtchen und motivierte Helfer. Das Wetter war mittlerweilen auch besser geworden und die restliche Zeit wurde dann schön in der Sonne gewandert. Teilweise war's schon beinahe heiß Die letzten 3 km waren einzeln durch witzige Comic-Zeichnungen auf großen Tafeln besonders hervorgehoben und der Stallgeruch wehte mir schon entgegen. Zügig Langschritt gehend wanderte ich durch Bornems abgesperrte Hauptstrasse gen Ziel und erntete auch vereinzelt Applaus. Ich erhielt meinen "Orden", die obligatorische Ananas und die Urkunde mit den Durchgangszeiten und meiner Zielzeit: 17:14 h.
Es war eine bestens organisierte Veranstaltung, die mir wieder sehr großen Spaß gemacht hat. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei, Peter und Stefan auch, das steht fest! Dass das Bier nichts für unseren Gaumen ist, macht mir nichts aus, vollwertige Verpflegung erwarte ich nicht an den Ständen, es ist aber reichlich und vielseitige Kost vorhanden. Gut genug, um über die Runde zu kommen. Mir schmecken die Törtchen! In der ersten Häfte wäre vielleicht noch ein zusäzlicher Verpflegungspunkt angebracht, aber das lässt sich vielleicht aus logostischen Grnden nicht verwirklichen. Ich wiederhole deshalb mein Urteil vom letzten Jahr: "Eine internationale Wanderveranstaltung über 100km (weltweit die größte!), die hervorragend organisert ist und keine Wünsche offen lässt (zumindest bei mir nicht)!"
Meine Freunde Peter und Stefan warteten dann beim Auto auf mich und wir fuhren zurück nach Temse, wo wir dann - hin und wieder kurz aufwachend - 17 Stunden lang durch schliefen. Am nächsten Morgen trafen wir dann beim Frühstck 3 jüngere Teilnehmer, die sich extrem verkrampft bewegten und die ich im lockeren Vorbeigehen mit einem freundlichen: "Guten Morgen!" begrüßte und mich dabei mit einem inneren Lächeln an das Jahr zuvor erinnerte, als es mir noch ebenso ergangen war.
Vielleicht sehen wir uns im nächsten Jahr in Bornem - Foris!
Hier noch ein paar Zahlen:
8.413 Teilnehmer insgesamt:
632 Teilnehmer im Ziel nach 16h 53 min
2.805 Teilnehmer im Ziel nach 21h 25 min
Nächster Dodentocht am 10. August 2007
Anmeldung unter http://www.dodentocht.be
37. Dodentocht vorbei - 38. Dodentocht am 10.August 2007
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Schöne weißblaue Grüße ...
Kurt
Wenn Du ein Ziel nicht erreichst, solltest Du überprüfen, ob Wille und Vorstellung nicht gegeneinander arbeiten.
(Emil Coué)
http://www.laufsport-liga.de/web/profil.html?u=8597
Kurt
Wenn Du ein Ziel nicht erreichst, solltest Du überprüfen, ob Wille und Vorstellung nicht gegeneinander arbeiten.
(Emil Coué)
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