Trotzdem gibt es da so etwas wie einen geistigen Link: 333 - bei Issos Keilerei. Wer kennt ihn nicht, den alten Spruch aus dem Geschichteunterricht, mit dessen Hilfe man sich leichter merken konnte, dass in diesem Jahr die Perser unter Darios III. von den Griechen (Alexander der Große) eine ordentliche Tracht Prügel bezogen haben.
Was das ganze mit Ulm zu tun hat? Nur so viel, dass ich für meinen zweiten Einstein-Marathon die 333 als Startnummer gezogen hatte.
Angemeldet hatte ich mich zur zweiten Auflage bereits im Juni. Meine Frau Gudrun wollte den HM laufen. Da es uns schon im Vorjahr in Ulm so gut gefallen hatte, waren wir also voll der Vorfreude.
Meine Vorbereitungen liefen gut - bis zum 14. August, als mich eine Virusinfektion erwischte, die mich für mehr als eine Woche außer Gefecht setzte. Danach lief einen Monat lang alles wie gehabt - bis zum 14. September. Beim letzten Tempolauf am Wiener Sportzentrum Marswiese sprang so ein Vollidiot drei Meter vor mir auf die Innenbahn, auf der ich gerade mit gut 16 km/h daherkam. Notbremse gezogen



Am Samstag kamen wir in Ulm an, holten auf der Marathonmesse unsere Startnummern ab und ließen uns am Nachmittag zuerst im Cafe Mohrenköpfle (hach diese guten Torten

Sonntag, 09.00 Uhr: Gudrun ist mit knapp 4.000 anderen beim Halbmarathon gestartet und ich sende ihr noch 1.000 gute Wünsche hinterher

Ich fühle mich wohl, aber ich habe meine Bedenken. Werde ich heute eine Grieche sein, oder doch ein Perser?
Ein paar Minuten später stehe ich am Haupteingang der Donauhalle und treffe mich wie vereinbart mit Udo und Fräse. Eine knappe Dreiviertelstunde Zeit zum ein wenig Kennenlernen und zum Plaudern. Die Minuten bis zum Start vergehen wie im Flug.
Wir wünschen einander noch alles Gute und um Punkt 10.00 Uhr geht es los.
Fräse macht seinem Namen alle Ehre und "fräst" sich gleich durch den Läuferpulk

Udo läuft mit mir die ersten drei Kilometer, bleibt dann aber etwas zurück, da er den Einstein Marathon als Trainingslauf in zirka 3.45 finishen will. Ich leg es trotz allem auf den 3.30er an. Wenn es mühsam wird kann ich immer noch auf die Bremse latschen, denke ich da noch optimistisch.
Bei Kilometer sieben hab ich etwas über eine Minute Vorsprung auf die 3.30 und bin eigentlich recht zufrieden.
Der 3.30er Pacemaker ist mit einer ganzen Horde an mir vorbeigezogen. Der Mann war mit seiner Gruppe - zumindest zu diesem Zeitpunkt - viel zu schell unterwegs.
In den Dörfern bei Ulm und in Neu Ulm herrscht bei jeder noch so kleinen Ansiedlung beste Stimmung. Die Zuschauer genießen die Sonne und spenden jedem Einzelnen Applaus.
Bis km 14 geht es mir gut. Aber: Weiß der Teufel warum, habe ich plötzlich einen Einbruch, die Energie ist wie weggeblasen, mein Kopf ist leer und ich trabe lustlos weiter. Bei km 16 denke ich mir: Aus, Ende, Scheiß drauf!

An der Iller entlang, durch den Auwald, ist die Strecke wunderschön schattig. Der feine Schotterboden ist ein Genuss. Aber nicht für einen, der im Geist schon längst aufgegeben hat. Ich denke an Gudrun und hoffe inständig, dass es wenigstens ihr gut ergangen ist.
Knapp vor dem Kloster Wiblingen holt mich Udo ein, der locker und konstant läuft wie ein Uhrwerk. Wir unterhalten uns kurz, aber ich muss ihn ziehen lassen, da ich einfach nicht mithalten kann. km 22, km 23, km 24 - just an der am weitesten vom Ziel entfernten Stelle hau ich den sprichwörtlichen Hut drauf. Ich fühle mich leer und mindestens auch so zerknittert wie eine ausgepresste Zahnpastatube

Was ich befüchtet hatte: Heute war ich ein Perser und musste meine erste echte Laufniederlage einstecken. Das tut weh, da ich noch nie aus einem Rennen ausgestiegen bin

Nach einer kurzen Rast mache ich mich zu Fuß zurück in die Stadt, kürze durch den Auwald ab und fluche den ersten Kilometer so vor mich hin. Dabei hole ich einen anderen Marathonläufer ein, der ebenfalls aufgeben musste. Jürgen hat es am Knie erwischt und wir wandern gemeinsam Richtung Ulmer Münster. Es sind über 4 km, die wir laufen müssen, ehe wir im Zielraum ankommen. Ich verziehe mich gleich an den mit Gudrun vereinbarten Treffpunkt und setze mich eine Weile in die Sonne.
Beim Kleider-LKW treff ich noch mal auf Udo. Er hat ordentlich Gas gegeben und ist mit einer Zeit unter 3.40 ins Ziel gekommen

Nach dem Duschen und einem guten Essen (bezeichnenderweise bei einem Griechen

Ich fühle mich gerädert und frustriert und hab auch keine Lust mehr zu weiteren Analysen. Aber eines weiß ich schon jetzt ganz sicher: Im nächsten Frühjahr steht der nächste Marathon am Terminkalender - und wenn ich gesund bin, ist eine neue Bestzeit fällig. Und danach gehe ich mit Gudrun zum Perser essen

Liebe Grüße
El Corredor
PS.: Kurzer Nachtrag: Beim Kleider-LKW hat mir ein Läufer spontan gratuliert!!! Wegen meiner tollen Startnummer!!! Und er hat neidvoll gefragt: "333 - kriegt man die nur mit Beziehungen?"
