
Freitag, 18.05.07
Wir machten uns auf, die Gegend rund um Eisenach einmal zu erkunden. Von der Wartburg aus, konnte ich schon sehen, wo mich mein Weg am nächsten Tag hinführen wird. Beeindruckend.
Am Nachmittag statteten wir noch Mühlhausen einen kleinen Besuch ab. Und für alle die mal in der Gegend sind: Hier lohnt sich ein Stopp! Ein wirklich nettes Städtchen. Nach Kaffee und Kuchen in praller Sonne in der Fußgängerzone machten wir uns auf den Weg zurück nach Eisenach, wo ich die Startunterlagen abholen musste. Und als wären sonst keine Leute unterwegs, lief mir Conny über den Weg. Nachdem sie nun schon den ein oder anderen Rennsteig gelaufen ist, bot sie sich als Informationsquelle bestens an.
Nachdem meine Frau gerade ein kleines neues Leben in sich trägt und immer Hunger hat, bekam sie von mir die Klöße. Ich selbst wollte dann lieber bei Nudeln bleiben, schließlich bin ich das andersartige Carbo-Essen nicht sehr gewohnt.

Da wir nun schon den ganzen Tag unterwegs waren, machten wir uns danach langsam auf zurück ins Hotel.
Meinen Wecker stellte ich auf 04.00 Uhr. Abartig! (aber ich weiß wann die Nacht für die Schmiedefeld-Schlafer vorüber war

Samstag, 19.05.07
Als mich der Wecker kurz nach vier Uhr aus den Träume riss, fühlte ich mich widererwartend perfekt. Er konnte also losgehen – der bisher längste Lauf in meinem Leben. Im Frühstücksraum war gegen halb fünf schon richtiges Getümmel. Aber es war anders als bei den „normalen“ Marathons. Ich machte mir wie eigentlich immer vor meinen Wettkämpfen zwei Toasts mit Honig zurecht und hoffte, dass der Kaffee das Thema mit der morgendlichen Toilette in den Griff bekommt. Als ich mich so umblickte, sah ich die anderen fette Leberwurst, Schokokekse, Eiersalat und sonstigen läufer-untypischen Kram in rauen Mengen in sich rein schaufeln. Ich schnappte noch einen Gesprächsfetzen auf, worin ein Läufer seinem Kumpel riet, so fett wie nur möglich zu essen. Naja, es ist halt Rennsteig! Aber ich selbst blieb bei Honigtoast und Banane. Es war ja schließlich noch nicht mal fünf.
Nach kurzem Smalltalk mit einem anderen Läufer, welcher sich an meinen Tisch setzte, ging ich auf das Zimmer um Petra zu wecken!
Als wir uns um 05:10 Uhr auf dem Weg zum Start machten, zeigte das Thermometer 10° C – also für mich perfektes Wetter. Der wolkenlose Himmel war bereits in ein zartes Rot getaucht, was einen sonnigen Tag ankündigte. Meine Bitten auf sonniges Wetter wurden also erhört.
Am Start herrschte so etwa eine dreiviertel Stunde vor dem Start um sechs schon reges Treiben. Überall wuselten Läufer herum, warteten vor Dixies oder machten sich warm. Ich versuchte noch ein paar Minuten abzuschalten und lief ein wenig mit Petra über den Marktplatz.
Nachdem der Start nun unmittelbar bevorstand, ordnete ich mich langsam in den Startbereich ein und zog die überflüssigen Klamotten aus. Eine letzte Umarmung mit Petra, die schon ein kleines Tränchen in den Augen hatte und ich machte mich auf den Weg. Fast 73 Kilometer lagen vor mir - umgeben von Zuschauern, die um diese Zeit schon Beifall klatschten ging es also los und ich war mir sicher: Die Vorbereitung hat gereicht.
Ich erlebte die ersten 20 Kilometer wie in einer Art Meditation. Auf mich wirkten Landschaft, Steigungen und die anderen Läufer wie euphorisierend und ich wusste, dass ich keinen Fehler gemacht hatte, mich auf diesen Lauf einzulassen.
Unterwegs traf ich immer wieder auf mein Begleitteam, die mich gar nicht so stark unterstützen mussten, wie ich es befürchtet hatte. Aber ich war trotzdem jedes Mal froh, wenn ich auf die drei traf, sodass die Gänsehaut nicht ausblieb. Noch immer trank mein Körper aus der Endorphin-Flasche und ich spulte Kilometer für Kilometer herunter.
Auf meiner Reise kam ich immer wieder mit anderen Läufern ins Gespräch und es war mehr als interessant. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht schon mal erlebt hat, aber man ist auf dem Weg 73 Kilometer zurückzulegen und plappert munter mit anderen Mitstreitern. Von Ehrgeiz, Neid oder Egoismus keine Spur. Aber es sind halt auch Läufer!

Kurz vor der Versorgungsstelle „Ebertswiese“ kam ich an einem Schild vorbei, welches mir verriet: 37,5 Kilometer – Die Hälfte ist geschafft (zwar etwas mehr als die Hälfte, was mich aber nicht störte

Als dieser Zustand etwa bei Kilometer 50 noch immer anhielt, machte ich mir langsam Sorgen. Ich lief zu diesem Zeitpunkt mit einem Läufer, der nahezu alle wichtigen Marathons die es auf der Welt gibt, bereits gelaufen ist und ihm ging es nicht mehr gut. Ich überlegte, ob meine Wahrnehmung in irgendeiner Weise verschoben ist und ich die Tatsachen einfach nicht mehr richtig wahrnehme, so wie Magersüchtige sich immer noch als zu fett empfinden. Aber ein Check meines Körpers und meiner Psyche erbrachte mir keine Hinweise auf dieses Phänomen. Also nahm ich es einfach als gegeben hin: Du hast ausreichend trainiert! Fertig.
Und so kam ich Kilometer für Kilometer dem Zielort „Schmiedefeld“ näher.
Erst ab etwa Kilometer 55 kam leichter Druck in der Beinmuskulatur auf. Allerdings war es mittlerweile auch schon Mittag und die Sonne brutzelte ganz schön vom Himmel herunter. Daher war ich froh, dass ich mein langes Shirt ausziehen konnte. Nach kurzer Auffrischung meines Kohlenhydratspeichers mit „Hammer-Gel“ begab ich mich auf den Weg ins Ziel.
Nun kamen auch leichtere Muskelbeschwerden in den Beinen auf. Ich bemerkte, dass es mir immer schwerer fiel, die Wurzeln richtig zu überlaufen. Aber nun musste ich einfach die Zähne nochmal zusammen beißen.
Bis Kilometer 70 zog es sich noch mal ganz schön und die Unebenheiten machten meinen Beinen Mühe mich stabil zu halten. Rings um mich herum stürzten viele meiner Mitstreiter, da sie einfach ihre Beine nicht mehr über die Unebenheiten bekamen. Mir blieb dies Gott sein Dank erspart, denn ein Sturz zu diesem Zeitpunkt hätte vielleicht das Aus bedeutet.
Schnell noch ein paar Bilder vom Kilometer 72 gemacht und dann ab ins Ziel.
Ich nahm schon von weitem den Stadionsprecher und die jubelnden Menschen war und konnte meine Emotionen kaum noch im Griff behalten. Ich konzentrierte mich nun nur noch auf jeden Schritt, genoss den Jubel und bog auf die Zielgerade ins Stadion ein. Und da war sie: die Ziellinie. Die Uhr blieb bei 8:39:49 stehen.
Ich hatte es geschafft – es war unfassbar. Ich nahm die Situation ganz anders war. Ein Mädel beglückwünschte mich und hängte mir eine Medallie um den Hals. Es war reell – die 73 Kilometer gelaufen.
Leider gelang es mir nicht meine Begleiter im Getümmel zu finden, aber das lag eher daran, dass sie durch das Navi ins falsche "Schmiedefeld" gelotst wurden.

Als Fazit bleibt: Ein berauschendes Erlebnis, was nach Wiederholung lechzt. Aber nun werde ich mich erst einmal erholen, denn in Biel gibt es auch nette „Läufchen“.

Nun habe ich bis heute in meinen Körper hineingehört, ob da irgendeine Stimme sagt: "Lass es...es tut Dir nicht gut und ist nichts für Dich!" Doch es ist still - keine Schmerzen, kein Muskelkater an den Tagen nach dem Lauf...komisch!

Ui, jetzt ist er aber doch ganz schön lang geworden, mein kurzer Bericht. Dafür gibt's dann aber auch meine Bilder.

Ihr bekommt sie HIER zu sehen.