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26.2 Miles to Hell an Back

26.2 Miles to Hell an Back

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So Leutle,

der NY-Marathon 2007 ist nun hinter mir und was soll ich sagen ich bin von mir und der Leidensfähigkeit meines Körpers aufs extremste überrascht!

Aber jetzt erstmal von vorne, zunächst waren die Umstände nicht gerade hervorragend
• Die Anmeldung erfolgte 2006 während einer Verletzungspause, Überbelastung des Knies (länger zurückliegende Kreuzband-Meniskus- und Innenbandriss-OP)
• Gemäß meinem Arzt hätte ich mir eine andere Sportart suchen sollen
• D.h. 2006 war nach/während dem Stuttgart-HM erstmal OFF
• Langsamer Trainingseinstieg Januar 2007
• Und permanentes hoffen, denn die Reise war ohne Reiserücktrittversicherung abgeschlossen, NORMAL
• Ziel: Ankommen, aber irgendwie in 3:30 bis 3:45

Aber es lief ganz gut und ich konnte mich in den ersten Wochen in langsamen Schritten auf 10-12K Läufen steigern und dies ohne größeren Problemen mit dem Knie.
So kam es das ich mich im Mai, wieder "voll" aufs Laufen konzentrieren konnte!
Allerdings habe ich mein Fokus weg von vom reinen Laufen auf mehr Variabilität gelegt! Ich bin regelmäßig Schwimmen gegangen, viel BMX gefahren und konnte so die doch einseitige Belastung des Laufens ein wenig verhindern!
So konnte ich mir während meiner Vorbereitung auf den Marathon einige Wünsche erfüllen, wie meinen ersten Triathlon (Kornwestheim), der zwar von den Distanzen nicht so groß ist, aber mir unglaublich viel Spaß bereitet hat!
Zudem konnte ich zum 5x den BMX Veteranen-Cup in Weiterstadt gewinnen, es ist immer eine Freude mit den Jungs von früher ein wenig rum zufahren ;-)
Diese „Spaßveranstaltungen“ fanden alle im September statt, so dass die richtige Vorbereitung auf NY ein wenig gestört wurde. Jedoch konnte ich die 2 geplanten >30K Läufe dazwischen schieben, der erste war dann schon heftig zumal er am Tag nach dem BMX Rennen stattfand und diese sprinterrei für den Körper doch eine ganz andere Belastung ist.
Aber das Knie hielt und so freute ich mich in der Woche darauf in Köln auf den HM Start.
Der Plan meiner Laufpartnerin und mir war hier, in einem 5er Schnitt zu Laufen, wir hielten uns sogar eine Weile daran, aber unmerklich nach 2 Pinkelpausen von mir fanden wir uns im Ziel mit 1:37:30. Ohne großen Stress und vor allem Schmerzen was mir weitere Zuversicht gab.

NY kann also kommen, der letzte 33er Test lief auch noch super, so dass wir uns ziemlich entspannt am 01.11. zum Big Apple aufmachten!
Der Starttag kam dann auch ziemlich schnell.
Das ärgerlich bei dieser Veranstaltung ist, das so viele Menschen nach Staten Island gebracht werden müssen und da es über die Zubringerbrücke Verazano-Narrows Bridge
zu Fuß zurück geht müssen die Läufer entsprechend früh im Startbereich sein damit sie rechtzeitig gesperrt werden kann!
So kam es das wir Jetlag bedingt vor 5Uhr schon wach waren und uns um ca. 7 Uhr im Startbereich einfinden konnten, zu dieser Zeit war es noch recht kühl, sodass ich recht glücklich war das ich meine "wegwerf" Sachen ziemlich lange anlassen konnte! Nach über 3h sinnlosem wartens kam um 10:10 auch schon pünktlich die Startkanone, weitere ca. 12 Min. später hatte ich auch schon die Startmatte erreicht und es konnte losgehen!
Gemäß meinem Plan bin ich mal im 5er Schnitt los! Nach der 1. Meile war ich Verkehrs- und Strecken bedingt 1 Min. hinterher! In den folgenden Meilen konnte ich den Rückstand irgendwann in ein Plus umwandeln und ich begann immer mehr auszubauen. Ich weiß nicht mehr genau wann aber ich denke es war noch vor der 10K Zeitnahme habe ich gemerkt das ich am linken Fuß eine Blase bekam, soweit so gut das passierte mir auch schon beim 1. Marathon, allerdings nicht ganz so früh!
In der folgenden Zeit konnte ich immer mehr Zeit gut machen was mich sehr erfreute! Bei Meile 15 kurz bevor es das erste mal nach Manhatten über die Queensboro Bridge geht ist es dann passiert die Blase ist geplatzt und am rechten Fuß machte sich auch schon seit geraumer Zeit eine bemerkbar! Na toll, allerdings blieb wenig Zeit daran zu denken, da die Stimmung an der Strecke zu diesem Zeitpunkt (wie eigentlich ständig) so extrem war, dass ich mehrere Minuten lang mit Gänsehaut lief! Jeder der dies erleben durfte weiß von was ich rede! Es kam auch schon die nächste Brücke und wenn traf ich, meine Laufpartnerin! Da die Startprozedur in NY sich ein wenig von dem in der übrigen Welt unterscheidet, war sie ca. 10 Min. vor mir gestartet! Wir plauderten ein wenig und logen uns gegenseitig unsere nicht mehr vorhandene Lockerheit vor ;-) Da ich durch die Blasen gezwungen wurde einen merkwürdigen Laufstil anzunehmen bekam ich in den Oberschenkeln immer mehr Krämpfe! Selbst 2 Biolectra Direct halfen wenig, ich musste also versuchen mein Tempo weiter zu Laufen, so konnten wir nicht wie geplant gemeinsam im Central Park einlaufen, was ich sehr bedauere! Ich lief also weiter, langsam völlig erschöpft, von Krämpfen geplagt und die Blasen brachten mich mittlerweile auch um! Das Tempo viel ein wenig ab, zumal es das letzte Stück im Central Park auch ganz schön in sich hat! Eine geschmeidige Steigung und einen satten "Abstieg" wo meine Oberschenkel zu explodieren drohten! Aber das Ziel war nah, die Zuschauer einfach unglaublich euphorisch und ich hatte immer noch die Möglichkeit die 3:30 sogar zu unterbieten! Aber der Park hat es einfach in sich und ich war langsam so geschwächt das ich zwischen Meilen und Km nicht mehr richtig unterscheiden konnte, so kam es das die letzten Yards mich schier haben verzweifeln lassen! Ich wusste das Ziel war nah, aber ich konnte es nicht sehen nur wegen den Zuschauer erahnen. Dann endlich kam es und die Zeitnahme zeigte eine 3:33:xx Brutto an! Ich hatte mein Ziel mehrfach unterboten, aber es blieb mir wenig Zeit zur Freude da die Krämpfe nicht automatisch weg waren und die Blasen mir beinahe Tränen in die Augen trieben! Zum "Glück" musste ich zu meinem UPS-Gepäck Transporter Nr. 55 nicht mindesten 1-2K gehen/humpeln! Ich musste vor Erschöpfung 2 Sitzpausen einlegen, zum Glück sind die massiven Stahlstoßstangen der UPS-Karren genau auf Höhe von meinem Hintern (Danke noch mal an den Designer ;-) sodass ich nicht in die Knie gezwungen wurde.
Irgendwann war ich dann auch mal fertig angezogen, hatte mir nochmals ein Magnesium Direct gegönnt und konnte mich auf den Weg in unser Hotel machen. Leichter gesagt als getan, denn ich hatte keinen schimmer wo ich war! Das einzigste was ich kannte war der Columbus Circle, aber bis auf das Wort "Circle" ist mir nix eingefallen, ich war soooo Platt das mir nicht mal eingefallen war das Metro auf Englisch Metro heißt! Was den hilfsbereiten Menschen bzgl. einer Auskunft echt das Leben nicht einfach gemacht hat! Zum Glück fand ich den max. 50m entfernten Metroeingang (echt war)! Der nächste von mir angequatschte Polizist erklärte mir auch ganz genau wie ich zu meinem Hotel gelangen würde, was auch prima geklappt hat! Sodass ich mich irgendwann völlig erledigt in der Badewanne wieder fand und das erste Mal über die Eindrücke nachdachte, was im nachhinein betrachtet die ganze Nacht dauerte! Ich konnte am Abend nicht einmal das Essen & die Aussicht im "The View" genießen, ich hab ständig über alles mögliche nachgedacht! Die unglaublichen Zuschauer, die Menschen auf den Strassen danach, jeder der einen Läufer sah hat ihm zu seiner Leistung gratuliert! Was ich auf der Strecke gesehen habe, es nehmen ja auch gehandikapte Sportler teil, mache mussten die Steilen Brückenanstiege mit ihren Rollies rückwärts fahren da sie sich sonst nicht haben abstützen können! Ich habe vor diesen Leistungen schon immer mehr Respekt gehabt wie vor den der "normalen", aber seit NY wo ich mich das erste Mal selber quälen musste, weiß ich das noch viel mehr zu schätzen!
Am nächsten Tag, konnte ich auf dem Weg ins Fitnessstudio, in der New York Times lesen, wofür ich eine klaffende offene Blasen bedingte Wunde am linken Fuß und einen abgefallenen Zehennagel am rechten Fuß gelohnt haben: 3:21:10 (# 2668)! Diese Zeit bedeutet mir soviel mehr wie die 3:07:30 in Lissabon ich kann es gar nicht beschreiben bzw. mir selber erklären...Es gibt sicherlich viele Gründe, die Verletzung, der geringe Trainingsumfang (max. 66K/Wo.), die unglaubliche Stimmung an der Strecke und hauptsächlich und das ist sehr persönlich, 2 Tage zuvor bei meinem Dad Krebs diagnostiziert wurde... Während dem Lauf sieht man ja ständig die „Motto-Läufer“, was mir immer wieder Tränen in die Augen trieb.

Dies war ein sehr langer Bericht, aber wie bereits mehrfach erwähnt sind die erlebten Eindrücke so nachhaltig gewesen, dass es kürzer nicht ging.
So was habe ich beim Sporteln noch nie erlebt habe und ich habe bestimmt die hälfte vergessen nieder zu schreiben! Ich danke allen die durchgehalten haben und gratuliere allen die ebenfalls die "26.2 Miles to Hell and back" durchgemacht/durchgestanden haben!
Und für jeden der es noch vorhat, es ist gar net so schlimm... :daumen:

Grüße an alle, der Jetlag geplagte

Agi
HM Stuggi 2005: 1:33:39
M Lissabon 2005: 3:08
HM Köln 2007: 1:37:30
M New York 2007 3:21:10
HM Köln 2008: 1:33:16

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Vielen Dank für den mitreißenden Bericht! Alles Gute für Deinen Dad! :daumen:

3
Ein toller Bericht! Ich habe mich total nach NYC versetzt gefühlt...

Alles Gute für deinen Dad.

Grüße
Frank
10km PB 44:32 (2006)
15km PB 1:09:17 (2006)
20km PB 1:32:42 (2004)
HM PB 1:39:55 (2005)
25km PB 2:16:21 (2003)
M PB 3:55:21 (2005)

Es ist nichts großartiges, besser zu sein als jemand anders - wahre Größe bedeutet es, besser zu sein, als man selbst vorher war :hurra:(...wie ich finde, das einzige Motto, dass 95% aller Läufer motiviert)

4
Herzlichen Glückwunsch zum Finish in NY!

Ein toller Bericht, überhaupt nicht zu lang, vielen Dank!

Gruß
Ralph

5
Sehr schöner und eindrucksvoller Bericht! :daumen:
Vielen Dank dafür und alles Gute für deinen Vater.
Gruß aus dem hohen Norden :winken:

Marcel

Bild

7
Danke für die Glückwünsche, ja ich finde die Zeit mehr wie gut :zwinker2:
Und wenn ich wie gesagt die Umstände betrachte scheint das ganze in einem noch viel schönerem Licht :idee:

Ich muss zugeben, wie ich Dein Bericht gelesen hab, dachte ich mir blos: Super, du hättest eine extrem gute Verpflegung erhalten und warst nur zu kaputt danach zu fragen!

Aber ich hab am Ende wirklich nicht mehr viel wahrgenommen :tocktock:

Aber jetzt ist ja eh wieder FriedeFreudeFeuerkuchen, auf ins nächste Abenteuer

Grüße
HM Stuggi 2005: 1:33:39
M Lissabon 2005: 3:08
HM Köln 2007: 1:37:30
M New York 2007 3:21:10
HM Köln 2008: 1:33:16
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