
nachdem nun zwei Tage vergangen sind und ich ausreichend Zeit hatte darüber nachzudenken, ob ich versagt habe oder einfach nur Pech hatte, sehe ich mich nun berufen euch an meinen bescheidenen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Geteiltes Leid ist halbes Leid oder so.... Aber der Reihe nach. Ich bin 451.er der Herzen in 3h32:39geworden.
Mitten in der Nacht ging es mit dem Läuferbus nach Hörnum. Schon auf der Fahrt hatte ich das Gefühl, daß die Insel seit meinem letzten Besuch im September um etwa 20 Kilometer in die Länge gewachsen sein muß. Im Bus herrschte eine Stimmung, die von unterdrückter Nervosität, freudiger Erwartung bis zu schierer Angst alles zu bieten hatte. Und es war so ekelhaft kalt. Im Bus, im Kinderheim, einfach überall. Die Kälte sollte mich unterwegs auch noch öfter beschäftigen. Der Start. Die ersten 2-3 Kilometer gings auf der STraße lang, dann hatte sich das Feld soweit auseinander gezogen, daß es auf dem Radweg weiterging. Tempo 5:20 war angepeilt, mit Ausnahme des ersten Kiloeters hat das mit dem Tempo auch bis KM 31 gut geklappt, wenn wir den Abstecher über die Kurprommenade und die Verpflegungsstände nicht berücksichtigen. Bei KM 15 das erste Gel, allein schon, daß es mir nicht sofort wieder aus dem Gesicht gefallen ist, war eine große Überraschung für mich, hatte ich nämlich am Vorabend ofensichtlich etwa zu großzügig bei den VK-Spaghettis zugelangt, was zur Folge hatte, daß sich ein steinartiges Gefühl in der Magengegend breit machte. So lief es munter weiter, durch Westerland durch in Richtung Wenningstedt. Und nun sollte der etwas anspruchsvollere Teil der Strecke kommen. Die drei Pässe auf Sylt. Der erste Anstieg von der Asklepios-Klinik bis zum ehemaligen Kurzentrum in Weningstedt, der zweite Paß hinauf nach Kampen bis Höhe Uwe-Dünne, dann der lange Abstieg bis zur Sturmhaube, da nochmal Schwung holen un mit Anlauf hoch auf den dritten Paß in die Dünen. Jetzt kommt, nachdem die HM-Marke passiert ist - so finde ich - der schönste Teil der Strecke. Mittlerweile ist das kollektive Traben dem in-sich-gekehrten-Kurs-auf-List-halten gewichen. Vor dir tut sich eine bizarr anmutende Dünenlandschaft auf. Ein grandioser Anblick, ich meine ich hätte auch schon in der Heide das erste zarte Grün ausgemacht. Mittlerweile steigt auch die Sensibilität, tut irgendwas unangemessen weh? Halten die alten Kriegsverletzungen? Ist das Tempo zu halten? Wann das näxte Gel nehmen? Wie die bescheidenen Wasserreserven einteilen? Kälte verdrängen und ignorieren, genauso wie diese widerliche Nässe. Gore-High-Tech hin oder her, nach zwei Stunden im durchwachsenen Wetter, feucht-kalt mit gelegentlichem Nieselregen, da irgendwo scheint die Leistungsfähigkeit der sündteueren Funktions-Gewänder erreicht.
Inzwischen kam dann auch die obligatorische Frage nach dem "Warum" und ich mußte der These, die ein gewisser Achim A. aufgestellt hat, nämlich daß der HM eine wunderbare Distanz ist (schnell vorbei und tut nich weh) zustimmen. Aber zurück in die Dünen zwischen Kampen und List...., so ab KM 25 habe ich mich doch sehr auf die nächste Wasserstelle gefreut. Es gab Gatorade und Wasser. Gatorade mag ich ja nicht wirklich, aber das Zeug war wenigstens magenfreundlich lauwarm angewärmt, hingegen das Wasser war eiskalt und war geeignet doppelte Schmerzen zu verursachen. An den Zähnen und im Magen.
An der Verpflegungsstelle im Klappholttal gab es - wie zu hören war aufgrund einer großzügigen Spende von Herrn Aldi Nord - nebst den Getränken auch noch Traubenzucker Kekse und Gummibärchen. KM 28 war geschafft, bis jetzt fühlte sich eigentlich den Umständen entsprechend (erwähnte ich eigentlich schon, daß es schweinekalt war?) alles noch sehr gut an und nachdem ich mir nochmal gut zugeredet hab ging es auf die letzten 5 Kilometer. 5 Kilometer, so mein Gedanke, ok in einer knappen halbe Stunde ist es vorbei. Die Kilometer 29 und 30 waren gefühlte 18 Kilometer lang, soweit auch noch alles in Ordnung. Das sollte sich aber in dem Moment, wo es in Höhe Süderheide über die Landstraße ging, schlagartig ändern. Der Garmin sprach von KM 31 als sich Wadenkrämpfe meldeten. Und zwar ziemlich deutlich. Ich hab´s mit Dehnen versucht, das hat immer für 3-400 Meter geholfen. Irgendwann hab ich festgestellt, daß es von den Schmerzen her absolut egal ist, ob ich stehe, gehe, oder laufe. Es tut ekelhaft weh. Und - ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe - es war eklich kalt. Und naß. Insgesamt war ich in diesem Moment eher weniger glücklich. Aufgeben ist zwar Verrat am Projekt, aber in diesem Moment wäre mir das ziemlich egal gewesen. Es war saukalt und ich hatte fiese Schmerzen. Das sit der Stoff aus dem Legenden gemacht werden. Irgendwann ging garnix mehr und ich hab mich zum Sterben in das Bushaltestellenhäuschen gesetzt. Das ist einem aufmerksamen Feuerwehrmann nicht verborgen geblieben, der dann aufgetaucht ist und sich sorgenvoll nach meinem Zustand erkundigt hat. Ich hab mit dem Mut der Verzeiflung, Dehnen und Massieren einen Zustand herstellen können, der es mir ermöglicht hat, die letzten 500 Meter mit einem Lächeln und federleicht ins Ziel zu traben. Ich hab bei KM 31 und nach 2:46:13 den Lauf für tot erklärt und den Garmin abgeschaltet. Dann folgte ein unendliches Drama über 2 Kilometer und knappe 45 Minuten. Irgendwie hatte ich mir das doch etwas anders vorgestellt. Aber, eine kanppe Stunde, 3 große Bier und einen Teller Kartoffelsuppe später stand mein Entschluß fest. Ich habe im hohen Norden der Republik noch eine Rechnung offen. Der näxte Sylt-Lauf kommt bestimmt. In einem Jahr.
Aber, was hab ich gelernt: Die Knochen haben gehalten. War heute schon wieder zu einem lockeren Trab eine Stunde unterwegs. Schreckliche Katastrophen, wundscheuern, Blasen laufen, verhungern, nichts dergleichen, das Tempo gut gehalten. Und ich habe wieder etwas mehr Respekt vor dem großen M. gewonnen. Abegesehen von den *ZENSUR*-Krämpfen würde ich die Veranstaltung doch positiv bewerten.

der dicke Elch