Selbst die Wettervorhersage von 14 °C und Regen konnte die Vorfreude nicht trüber, ich dachte mir halt "Normales Wetter in Bretagne". Also alles an Laufklamotten eingepackt, kurz, dreiviertel und lang inkl. Regenjacke und los ging's am Freitag ab Paris mit meiner Freundin in Richtung Bretagne. Dank Rush-Hour und kilometerlangen Staus um Paris sind wir dann erst nach Mitternacht angekommen, aber egal, die Vorfreude war immernoch gross.
Samstags Morgens dann schnell frühstücken, Startunterlagen abholen und noch ne Runde ins Bett legen. Wie vorhergesagt hat der Himmel pünktlich samstags Morgens seine Schleusen geöffnet und es hat den ganzen Tag geschüttet wie aus Eimern. Wir haben uns daher entschlossen erst knapp vorher zum Start zu fahren um nicht zu lange im Regen stehen zu müssen. Wir pennen also gemütlich ne Runde, gehen noch was essen, packen langsam unsere Taschen und tuckern so gegen 16 Uhr in Richtung Start los. In der Nähe des Starts Auto abgestellt, die "Wäschesäcke" mitgenommen und ab ging's in Richtung Start. ca. 500 m vorm Start kamen uns dann jede Menge Leute entgegen, Zuschauer, die sich vom Start wegbewegten.
Ich so zu meiner Freundin:"Wieso gehen die denn alle vom Start weg?"
Sie: "Ach, die werden sich irgendwo entlang der Strecke platzieren wollen..."
Wir gehen also so an den Leuten vorbei, einige schauen uns etwas perplex an un ich denk mir "Warum schauen die denn so komisch?"

Als wir dann an nem Werbeschild für den Marathon vorbeigegangen sind wurd's mir schlagartig klar: die haben den Start dieses Jahr ne Stunde vorverlegt und wir hatten den Start in genau diesem Moment um 9 Minuten verpasst!!!!!
Ich zu meiner Freundin:" Du, SCH***** wir haben den Start verpasst!!"
Panik machte sich breit ...
Wir sind dann schnell zum Start gehetzt, wo man schon am Abbauen war und haben uns erkundigt ob denn das Gepäck der Läufer schon weg is. Antwort: "Ja"
Wir natürlich total wütend ob unsrer eigenen Dummheit, nurnoch am Rumfluchen

Ein netter Mensch von den Offiziellen hat uns dann freundlicherweise angeboten, unsere Säcke mit in den Zielbereich zu nehmen. Die bange Frage: würden unsere Chips noch auslösen? Wir schnell über die Ziellinie geschritten und hören ein erleichterndes "biiieeep" ...
Glück gehabt

Allein auf weiter Flur sind wir dann unser lockeres Tempo gelaufen und haben uns über unsere eigene Dummheit schlapp gelacht


Der Applaus der an der Strecke verbliebenen Zuschauer war uns natürlich sicher

Zischen Km 4 und 5 liefen wir dann auf die Ersten auf: zwei Deutsche, die mal schnell gewalkt, mal langsam gelaufen sind. Beide mit ordentlichen Atomwaden ausgestattet fragte ich mich was die wohl am Ende des Feldes zu suchen hatten? Training für Ultra vielleicht? (Falls die Beiden den Bericht hier lesen, an diser Stelle noch schöne Grüsse

Zischen Km 7 - 8 sind wir dann auf die Nächsten aufgelaufen und haben langsam begonnen das Feld von hinten aufzurollen.
Immer mehr und mehr haben wir im strömenden Regen überholt, es lief wie geschmiert. Trotz des Regens standen an der Seite massenweise Menschen, egal ob jung oder alt, ganze Dörfer waren auf den Beinen und haben den Läufern zugejubelt

Bei Km 17 konnte man bereits das Ziel sehen: den Mont Saint Michel, wie er in weiter Ferne aus der Bucht ragt. Letztes Jahr hat mich dieser Anblick demotiviert, dieses Jahr hab' ich ihn überhaupt nicht beachtet

Bei 21 Km haben wir dann den Tempoläufer für die 4h30 der eine ganze Schar von ca. 100 Läufern um sich geschart hat eingeholt. Die Stimmung in dieser Gruppe war super, die waren fast mehr mit lachen, als mit laufen beschäftigt

Bei Km 23 wurde das Ganze dann für knappe 7 Km zu einem Crossmarathon: aufgeweicht vom Regen war's dort recht matschig, ging aber noch zum laufen.
Die Beine fühlten sich gut an und wir konnten das Tempo etwas steigern. Das Wetter wurde zusehends besser, ein paar Sonnenstrahlen kamen durch, es wurde wärmer. Zwischendurch noch zwei, drei kleine Schauer, aber das war's dann mit dem Regen.
Meine Freundin hatte leider ziemlich Magenprobleme, hat sich aber durchgebissen

Langsam wurde die Zahl derjenigen, die nurnoch gehen konnten immer grösser, mehr und mehr haben aufgegeben.
Ab Km 34 haben wir dann n bisschen Tempo rausgenommen, schliesslich wollten wir den Marathon zum geniessen laufen und erst bei Km 39 nochmal leicht angezogen.
Kurz vor der Zielgeraden, die immerhin knapp 2 Km lang ist, nochmal eine kleine Cross-Sektion, runter in einer Senke und auf der anderen Seite wieder hoch. Der Sand war aufgeweicht, die Schuhe sind locker bis über die Dämpfung eingesunken. Das hat nochmal richtig Kraft gekostet und nicht Wenige haben an diesem Punkt endgültig jegliche Motiviation verloren. Wir gehen auf die Zielgerade, das Ziel vor Augen (zwar noch weit weg, aber trotzdem vor Augen

Wir werden wieder schneller, die Beine sind gefühllos, funktionieren nurnoch, das Hirn ist abgeschaltet. Einen einzigen Gedanke kann ich noch fassen "Letztes Jahr is mir die Gerade nicht so lang vorgekommen

Dann ist es geschafft, ich laufe Hand in Hand mit meiner Freundin über die Linie

Ich geniesse nochmal den Anblick des Mont St. Michel und dann geht's schnell zum Umziehen. Unsere Säcke sind Gott sei Dank auch heile im Ziel angekommen. Leider gibt's dort keine Umkleiden, daher is umziehen unter freiem Himmel und noch ein letztes Mal Zähne klappern angesagt. Als wir dann in unsere warmen Sachen gehüllt sind, holen wir unsere Thermoskannen raus und giessen uns wunderbar heisse Fertigsuppen von Knorr auf. Die Wärme von innen war herrlich, das Salz tat gut. Nicht wenige zitternde Gestalten um uns herum haben uns neidvoll angeschaut wie es da aus unseren Gefässen dampfte

Wieder einmal ein toller Marathon, der auch für nächstes Jahr wieder fest eingeplant ist: organisatorisch Spitzenklasse, tolle Landschaft (allein schon wegen dem Mont St. Michel, aber auch der Rest der Bretagne


edit: gewonnen hat übrigens Patrick Tambwe in 2:16:38
Vielleicht kann sich ja auch der ein oder andere Fori für diesen Lauf nächstes Jahr begeistern, es lohnt sich echt


Grüsse aus Paris,
Michael
P.s: Am nächsten Tag war ürbigens strahlender Sonnenschein
