hier mein furchtbar langer Laufbericht -seht es mir nach, es war mein erster HM und ich bin noch so richtig euphorisch
Das Training
Die Vorbereitung lief toll - bis zum 30.03.
Mit einem Mal ein dicker Knöchel und Schienbeinprobleme.
So bin ich die letzten 5 Wochen im Schnitt 6 km die Woche gelaufen. Ich hätte heulen können, meine schöne Vorbereitung.
Dann Freitag die Entscheidung - egal, ich laufe doch. Und wenn ich drei Stunden brauche, was solls! Und wenn es nicht geht, breche ich eben ab. So! Von dem Moment an war ich supernervös.
Samstag konnte ich aber komischerweise super schlafen.
Der 02.05.
Sonntagmorgen, halb 8… bei einem Laufkollegen ins Auto gestiegen, gezittert wie Laub… den armen Kerl hab ich die ganze Fahrt zugetextet, weil ich so nervös war. Er hat es mit Humor genommen und mich gut abgelenkt.
Als wir ankamen liefen sich gerade die Marathonis warm, an uns vorbei sausten mehrere schwarze „Gazellen“ – nur Beine, unglaublich, höchstens 50 kg und ein Warmlauftempo, was ich keine 20 Sekunden halten könnte- aber unglaublich schön anzusehen!!
Wir haben dann die Startunterlagen und meinen Leih-Chip geholt und befestigt, Tshirt abgeholt. Peter hat mir erstmal alles erklärt, was wann wie wo. Wir haben noch den Startbereich angesehen, Franky auf der Bühne „bewundert“ usw.
Die Marathonis sind gestartet und wir hatten Zeit. Viel Zeit! Also Schuhe, Shirts usw. begutachtet, Leute angeguckt, rumgestanden, gezittert, überall mal ein Schwätzchen gehalten. Die Zeit kroch. Ehrlich, da ging aber auch gar nichts voran.
Mir wurde immer schlechter, die Nervosität immer schlimmer.
Oh man, und die sehen hier alle so aus, als wüssten sie, was sie tun! Was mache ich hier???
Ich will nach Hause, das war eine Schnapsidee!
Wer rennt hier unvorbereitet mit?Irgendwann war Zeit zum Umziehen, endlich!
Die wichtige Frage derzeit: was ziehe ich an??? Shirt und Weste? Nur Shirt? Irgendwo muss ja die Startnummer drauf… hmmm. Es war kalt, aber man wird ja warm… also erstmal Shirt und Weste angezogen, Jacke drüber, meinen Mann, der inzwischen auch da war, gesucht. Der ging nichts ans Handy und ich musste doch noch mal Richtung Toiletten…Herrgott! Minuten werden zu Stunden wenn man wartet - was mache ich nur, wenn ich ihn nicht erreiche, hier sind so viele Leute!
Endlich erreicht, getroffen, meinen Rucksack und den Laufbeutel in die Hand gedrückt und strikte Anweisung gegeben, genau da stehen zu bleiben *g*– Dixie, ich komme!
Mein Mann hat super mitgedacht und in der Zeit schon mal meine Startnummer mit Nadeln versehen. Dann Nummer aufs Tshirt und durch die Unterführung (bloß nicht die Stufen verfehlen!) in den Startbereich.
Ganz hinten eingereiht, meinem Schatz meine Jacke und Weste in die Hand gedrückt und dann erstmal den Zieleinlauf der ersten Marathonis bewundert. Die laufen nicht, die fliegen! Und können noch lächeln auf der Zielgeraden! Man, sehen die toll aus beim Laufen!
Aber das war super, alle im hinteren Bereich waren am Anfeuern (das nimmt auch die Anspannung raus!!) und dass deshalb der Start verschoben wurde, fanden alle –zumindest hinten- völlig iO. Wurde ja was geboten zur Ablenkung!
Noch ein Schwätzchen mit völlig Fremden, die alle supernett waren, das war richtig Klasse: „schon mal gemacht?“ „Nö, du?“ "Nein. Nervös?" "Jaaaa!"
Dann Start. Und …. Nichts passierte. Klar, bis die Menge in Bewegung ist… Mehrere Minuten nach dem Start gings dann auch bei uns los.
Der Lauf:
Matte überquert, Uhr angestellt, los geht’s.
Schon cool mit so einer riesigen Masse zu laufen. Dauerte etwas, bis sich alle so sortierten.
Neben mir lief einer jungen Frau die Nase, ich hab sie erstmal mit Tempos versorgt und wir kamen ins Reden. Sind dann auch die ersten 12 km gemeinsam gelaufen. Das war schön, danke nochmal an Kathi!
Es waren so vieleLeute an der Strecke, Bands, und und und. War echt tolle Stimmung! Km 1, 2, 3 … hm, das dauert aber noch bis ins Ziel… aber das ist gut so, das macht Spaaaß!
Nichts tat weh, trotz etwas Nieselregen fand ich es super. Mir war warm, aber ich konnte meine Zeit prima laufen und war echt gut drauf. Immer wieder etwas Tempo rausgenommen, damit ich die Strecke auch schaffe. Man bin ich langsam… hätte ich geahnt, WIE langsam ich noch werde, ich hätte gedacht, ich bin schnell
Erster Verpflegungspunkt – oh, schon 4 km?? Cool! Nur noch (haha) 17! Nichts getrunken, das ging noch so.
Am Maschsee runter, schöne Kulisse… viele Kinderhände abgeklatscht, Schilder gelesen, mit Kathi unterhalten, war lustig. Km 5, 6, 7, 8 … super, da sind wir in der Stadt und alle feuern an wie wild. Das bringt richtig was. Mir geht’s gut, das ist toll hier! Becher geschnappt, gegangen, damit ich mich nicht verschlucke, Restwasser über den Kopf und weiter.
KM 9, 10… es geht in eine Unterführung. Gruselig. Nach nicht mal 100 m und einer halben Panikattacke wieder am Licht, puh! Oh, die Hälfte hab ich! -Hey, 1:06, gute Zeit! Und es geht mir guuuut! Zeit ist toll, alles ist prima.
11 km – definitiv mehr als die Hälfte! Ha! Ich schaffe das!
Bei km 12 verabschiedet sich Kathi, sie kann nicht mehr und muss gehen. „Lauf! Wir sehen uns im Ziel!“ ruft sie mir hinterher, und ich laufe allein weiter. Schlussendlich kommt sie 3,5 min nach mir ins Ziel.
Hannover hat ja schöne Gegenden, aber die hier ist gerade nicht schön… Bäääh, da steht einer im königsblauen Bademantel vor der Tür, ne Flasche Schluck in der Hand, brrrr.
Überall noch viele Leute an der Strecke, die brüllen und feiern und anfeuern. „Kommt schon, ihr schafft das!“ „Bravo!“ „Super“ „Lauf "Socke", du kannst das!“ Grinsend bedankt man sich und läuft weiter.
13, 14 .... Läuft gut. Nichts tut weh und aaah super, da ist das Schild 15 km!!!
Das nächste Hindernis
20 m hinter dem 15er-Schild ein Schmerz in meinem Knöchel-Schienbeinbereich – ich dachte, ich falle um. Mein Kreislauf verabschiedete sich sofort in den Fuß. Die Luft blieb mir weg. Sch...!
„Lauf bloß weiter, lauf weiter, lauf weiter….“ dachte ich nur. Aber das war soooo fies.
„Nicht gehen!!!!“ Und irgendwann ging es halbwegs im Fuß, ich hätte sonst aufgehört.
Die folgenden 6 km waren grausam, echt. Vor allem, weil der Kreislauf nicht wieder hoch kam und ich nur noch schnecken konnte. Tempo bis 15 km war angenehm anstrengend, danach kroch ich irgendwo bei 7:50 rum. Egal, lauf weiter.
Hatte ich vorher noch lockerflockig Kinderhände abgeklatscht, war jetzt nur noch ein verkrampftes Umklammern meiner Packung Tempos drin. Bedanken fürs Jubeln? Keine Kraft mehr.
Man ist mir schwindelig, wo geht’s lang, ach da!
Wo sind die Schilder? Ich sehe nur noch die Marathonschilder.....
Jeder Verpflegungsstand ist meiner, ich trinke nicht mehr, weil mein Magen bockt, aber ich gieße mir das Wasser über und kann mal 20 m gehen, Gott ist das gut!
16 km, oh Gott, ich kann nicht mehr. Nie wieder! Ich mache das nie wieder!
17 km (nur noch 4, nun komm schon, denk an die ersten 4, die waren so locker!! Locker? Was ist das? Gut, die Muskeln in den Beinen sind noch ok)….
Die haben eindeutig die Markierungen falsch gesetzt, das ist viiiiiel länger als ein km! Reiß dich zusammen! Ich gebe also Kette so gut das eben geht, wenn man Schnecke ist.
Das hier mache ich NIE wieder. NIEMALS! Kein Mensch wird mich je dazu kriegen, so was noch mal zu laufen! Die sind hier doch alle irre, mich eingeschlossen!
„Los, 3 km noch!“ ruft es von der Seite. Hä? Das rufen die schon seit hunderten von Metern! Die verar***en uns hier!
18 …. Vor mir eine Frau zu ihrem Laufpartner: „Da müssen wir nochmal abbiegen!“ Und er: „Neiiiiin, ich kann nicht mehr, ich laufe da nicht lang!“ hihihi. Ist er dann aber doch.
Aber der dachte wohl auch, dass er das nie wieder macht. Ich auch nicht!
Witzigerweise hab ich mit meinem Schneckengang echt noch ein paar überholt, wurde überholt und habs echt noch geschafft, einigen von den Fat Fighters den erhobenen Daumen zu zeigen. Echt, Respekt, für die war das viel härter!
Komm, los, alles was geht, auch wenn das fast nicht ist, aber dann bist du 1 min eher da und kannst dich irgendwo hinsetzen und 3 Stunden nicht aufstehen! Nie wieder!
Ein Blick in die Gesichter neben mir sagte „Ok, denen geht’s auch nicht besser.“ War aber kein Trost ;o)
Nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder nie wieder!!!
Das ist mir in dem Moment sonnenklar. Das ist aber auch das Einzige, was klar ist, ansonsten sehe ich nur noch Schemen an der Seite, brüllende Schemen, was wollen die von mir?
Wenn ich tatsächlich mal gedacht habe, wie peinlich, wenn die alle sehen, dass du so langsam bist – nicht mehr in dem Moment, das war ja so was von egal. Überleben war nur noch das Ziel.
Nie wieder!
Km 19.. da ist das Rathaus! Eine Kurve? Hallo, nein, warum denn? Wieder weg vom Rathaus? Mir schoss durch den Kopf, einfach zu den Zelten zu laufen und das Ziel Ziel sein zu lassen… Aber ok, das eine Mal, danach NIE WIEDER!
Dann kam mir ein Mann entgegen mit einem riesigen Schild, der von Jesus redete. Ob mit oder ohne Jesus, ich komme nie im Leben an - und ich mache das NIE WIEDER!
Interessant: ich konnte nicht mehr lesen. Echt nicht – da war Gewusel, aber Buchstaben? Nö. Kein Schild war mehr mit dem versehen, was ich hätte erkennen können. Nur noch Salat drauf. NIE WIEDER!
Bei km 20 saß mein Mann mit Tochter auf einer Bank. Im Wahn, ich könne noch lächeln, habe ich rübergeguckt, er fotografiert…. Auf dem Bild sehe ich aus, als wollte ich ihn beißen
1 km noch, komm schon, ein lächerlicher km! Und dann musst du nie wieder so weit laufen, nur noch 5- 10 km Läufchen aber so einen Sch**ß machst du nie wieder! Du bist in höchstens 10 min im Ziel, sogar gehend– komm schon! Oder doch stehen bleiben? Nur 5 min stehen bleiben?!
„Du schaffst das, du bist gleich daaaa!“ brüllte eine Gruppe vom Rand. „Ehrlich????“ konnte ich nur noch antworten, was ein „Jaaaa, "Socke" kommmm, ziiiiieh!“ zur Antwort hatte. Ok, jetzt KANN ich nicht stehen bleiben, also weiter. Alles, was geht. Ist nicht viel, aber alles was drin ist, das muss jetzt, gleich bin ich da!
Da, da ist sie! Die Zielgerade!!!! Noch nie so was Schönes gesehen! Und hinter dem Ziel der Johanniter-Wagen, ok, da kannst du zusammenbrechen, nun lauf schon!! Wild anfeuernde Leute am Rand, die 10km-Läufer im Endspurt, das Ziel nähert sich….
Endlich
Auf die Zeit über dem Tor geguckt: 2:32:50 und Piiiiiiiiep! Bin ich da? Ich bin da!!!! Ich habe es geschafft!!!
Der Kreislauf sackt vom Fuß in den Keller, ich latsche langsam weiter, rechts höre ich meinen Mann (ein Wunder in dem Gebrülle) und laufe kurz zur Absperrung. „Ich habs geschafft!!!!“ Jubelnd falle ich ihm um den Hals und könnte heulen. Ok, wir treffen uns an der Treppe wie vorhin, geh weiter.
Mit einem Megagrinsen trotte ich in der Masse weiter. Neben mir heult jemand, laut, aber glücklich.
Oh, Wasser! Trinken ist ja so was Feines! Und da – Banane! Her damit!
Alkfreies E**inger? Klar! Man, schmeckt Banane mit eiskaltem E**inger lecker! Besser als jedes 5-Sterne-Essen!!
Überall breites Grinsen und alle klopfen allen auf die Schultern „Toll gemacht!“ „Super!“ „Wir haben es geschafft!“
Geht’s mir gut! Kreislauf ist voll wieder da. Wo warst du, du doofes Ding!? Ach, egal, ich bin da, wen kratzt es.
Der Fuß muckt ganz schön, aber sch.. drauf! Die Endorphine fluten alles und deckeln den Schmerz und alles ist einfach toll, die Leute, das Wetter, ich..
Ich watschele weiter durch die Masse und treffe hinter dem Rathaus Peter, der in einer Traumzeit 1:45:XX angekommen ist. Kurzer Schnack, dann ist mir doch mit einem Mal kalt. Klar: das dünne Shirt ist durchgeschwitzt und ich trinke eiskaltes alkfreies Bier, huah, ist das kalt…
Den besten Mann der Welt gesucht und gefunden. Jacke an. Glücklich!
„Willst du nicht deine Medaille gravieren lassen?!“ Medaille? Oh, ja, wann hat mir die denn einer umgehängt??
Ok, mache ich! Und dann der nächste gute Moment: die Zeit auf der Medaille ist die Nettozeit. Die Uhr zeigte natürlich die Zeit des Starts an, aber nicht die, zu der ich über die Matte bin. Ich konnte echt nicht mehr denken im Ziel und hab das total verdrängt.
2:27:11!!! Unter 2:30 – und das mit quasi mit einer Nullvorbereitung und trotz Fuß-Kreislauf… ich bin so stolz auf mich!
Gott, mir geht’s sooooo gut!! Ich hab es wirklich geschafft! Unglaublich… die letzten 6 km waren so fies und ich hab nicht mehr geglaubt, dass ich echt ankomme, aber ich bin da! Das ist so cool – ich bin ein Held
Für andere saulangsam, aber ich hab das Gefühl, ich hab gewonnen. Besser kann sich das auch nicht anfühlen!
Hab die ganze Rückfahrt nur gegrinst. Den ganzen Tag noch.
Dieses Grinsen hab ich immer noch!
Und psssst: den Chip, den hab ich mitgenommen.
Dann muss ich mir beim nächsten Mal keinen mehr leihen
// M ; 02.05.10 - 
