Eigentlich kann man es nicht in Worte fassen, es wird stets nur ein blasser Abklatsch dessen bleiben können, was ich tatsächlich erlebt habe. Aber ich versuche es einmal, beschränke mich bei der Reiseschilderung dabei weitgehend auf die „laufrelevanten“ Ereignisse

Als Anreisetag hatten wir uns mit Dienstag, 02.11.2004 ausgerechnet den Tag der Präsidentenwahl in den USA herausgesucht. Das wurde uns etwas spät klar, aber wer denkt schon bei einer Buchung im Januar an so etwas? Wir hatten uns also auf entsprechende Wartezeiten und Sicherheitskontrollen eingestellt, aber es ging eigentlich alles deutlich schneller und unkomplizierter als wir erwartet hatten.
Nachdem uns der Helldriver aus Serbien mit seinem Taxi in unserer Luxus-Herberge abgesetzt hatte, erfolgte schon die erste von vielen vielen positiven Reaktionen der New Yorker auf mein Urlaubsziel: als der Belly-Boy auf Nachfrage nach unseren Plänen das Wort: Marathon vernahm, bekam er sich fast nicht mehr ein: „Wow, you are running the marathon, let me shake your hand, fantastic!“
Am Mittwoch Vormittag ging es bei strahlendem Sonnenschein in den Central Park, der nur zwei Querstraßen von unserem Hotel entfernt lag. Hier war schon mit Fahnen die Marathonroute gekennzeichnet, die Avenues waren mit Fahnen geflaggt, die Aufschriften hatten wie: The best Sporting Day of the year in my hometown
Mittags haben wir uns dann mit dem Shuttle-Bus zur Marathonmesse fahren lassen, die kurz zuvor ihre Tore geöffnet hatte. Durch den frühen Besuch hatten wir überhaupt keine Wartezeiten bei der Abholung der Startunterlagen, des goody bag und der Unterlagen für den am Samstag Vormittag stattfindenden Friendship-Run. Auf der Marathonmesse habe ich mir dann erst einmal zwei paar neue Laufschuhe gekauft, die dort als nagelneue Modelle knapp 85$ (ca. 70€ statt 120€ in Deutschland). Auch den Asics GT 2100 gab es dort bereits übrigens zu diesem Preis.

Am Freitag abend waren wir zu einem Vortrag von Dr. Thomas Wessinghage eingeladen, den ich recht gut fand. Der z.T. etwas negative Eindruck, den man von ihm im Rahmen der 0 auf 42 Sendung gewinnen konnte, wurde dabei deutlich ins positive relativiert. Interessant fand ich auch seine Ausführungen zu einer kostenlosen Beigabe auf der Marathonmesse, ein Produkt namens Tylenol 8-hours. Das Zeug wurde kostenlos verteilt wie Smarties, aber aus dem Flyer zu diesen Pillen wurde ich nicht ganz eindeutig schlau: Man sollte es vor dem Marathon einnehmen und es sollte irgendwie Muskelschmerzen verhindern??. Wessinghage betätigte, dass es sich um ein Schmerzmittel (Paracetamol) handelt, sozusagen der „American Way of running“, es gibt schließlich für alles Medikamente.

Am Samstag morgen traf sich die Welt dann vor dem UNO-Gebäude zum Continental International Friendship Run, ein lockerer Dauerlauf von knapp über 6km mit deutlich über 10.000 bunt verkleideten und alle Landesflaggen schwenkenden Läufern. Eine schöne Einstimmung auf den Marathon.
Nachmittags haben wir dann noch einen Ausflug an die 1st und 5th Avenue, jeweils Ecke 92 Straße unternommen, um die Stellen zu besichtigen, an denen Anke am nächsten Tag stehen wollte. Eine sinnvolle Maßnahme, ein Treffen hätte sonst niemals funktioniert!
Abends haben wir uns dann trotz einiger Bedenken auf die Pasta-Party gewagt und waren positiv überrascht. Da wir von der „falschen“ Seite zu den Zelten im Central Park kamen, sind standen wir unbeabsichtigt plötzlich direkt vor dem Eingang. Keine Ahnung, wie lange man eigentlich in der langen Schlange vor dem Zelt hätte anstehen müssen. Die Qualität der verschiedenen Barilla-Gerichte war für eine Pasta-Party erstaunlich gut, nicht das verkochte Zeug, was einem sonst so angeboten wird. Außerdem gab es zwei Sorten Bier, Gatorade- und Wasser-Flaschen, :drink: sowie noch zwei Schokoriegel und eine Art Sorbet als Nachtisch.
New York City ist zwar „the city that never sleeps“, aber an einem Sonntag morgen um 5:15 Uhr frühstücken ist dann doch nicht so möglich. Da der Bus zum Start am nächsten Morgen pünktlich um 6:00 Uhr starten sollte, habe ich mir abends also noch einen Bagel und einen fatfree Muffin besorgt.
Dann war er also da, der lang ersehnte Tag.

Nach dem kargen Frühstück ging es relativ pünktlich um los, unterwegs nach Staten Island schien es nur Marathonbusse zu geben. Nach der Ankunft erst einmal orientieren und den zu meiner Startnummer passenden orangen Start- und Aufenthaltsbereich (Runners Village Grete Weitz) suchen (das gab es dann auch jeweils für die grünen und blauen Startnummern).
Nachdem wir an den Vortagen schönes Wetter, Platzregen und heftigen Sturm erleben durften, zeigte sich der Marathongott heute gnädig. Die angesagten Temperaturen von bis zu 20°C und kaum Wind waren mir persönlich fast zu warm, aber man will ja nicht meckern. Morgens war es schon ganz angenehm, aber die Vorstellung, hier auf dieser Wiese drei Stunden im Regen oder in klirrender Kälte warten zu müssen, nun ja.
Bild 1 und 2
Die Organisation im Wartebereich ließ keine Wünsche offen. Dixies ohne Ende (nicht, dass da vor dem Start keine Schlangen gewesen wären), Bagel, Gatorade, Wasser, Powerbar-Riegel, Fruchtsäfte, Tee, Kaffee, alles war kostenlos und reichlich erhältlich. Ich hatte mir eine große Plastiktüte und etwas zu lesen mitgebracht und versuchte bei den immer größer werdenden Menschenmassen meine Nervosität etwas in den Griff zu bekommen. Um wenigstens ein paar Live-Fotos zu haben, habe ich mir eine Einwegkamera gekauft, da meine Digitalkamera doch etwas zu massiv für 42km ist.
Start war um 10:10 Uhr, gegen 9:50 machte ich mich auf zum Startbereich, Block 30.000 bis 34.999. Vor mir jemand mit einem Schild „Pace-Team 4:30“ auf dem Rücken, das war ja schon einmal gut, so etwa diese Zeit wollte ich „gemütlich“ anstreben. Er sei aber kein offizieller Pacer, die ständen woanders. Ah ja. Dieses System ist mir, wie ich weiter unten noch schildern werden, nie klar geworden. Aber offenbar konnte man sich auf der Marathonmesse für ein solches Pace-Team melden. Über uns kreisen die Hubschrauber, wir winken freundlich.
Es ist warm. Ich ziehe meine Wegwerfklamotten aus und laufe jetzt in kurzer Tight, T-Shirt und Singlet drüber. Das Singlet, damit mich Anke erkennt, das T-Shirt, weil an den Seiten mein Name drauf steht und es könnte ja windig werden und überhaupt.
10:10 Uhr dann der große Kanonendonner. Außer heftigem Jubel passiert sonst natürlich erst einmal nix. Dann „geht“ es langsam los.
Bild 5
Vor mir Tausende Menschen, hinter mir Tausende Menschen, Kaiserwetter, Partystimmung, ein absolut unglaubliches Gefühl. Wir nähern uns der Startmatte, links sehen wir einen Block, der in die Zwischenetage der Verrazano-Brücke geleitet wird, wir dürfen oben drüber laufen.
Frank Sinatra schmettert aus großen Boxen: „New York, New York“. Yes! Genauso muß es sein. Da die Sonne immer noch scheint, müssen das wohl Tränen auf meiner Brille sein. Dann das Piepen der Startmatte und um 10:26 Uhr beginnt auch mein New York Marathon.
Die erste Meile (26,2 Meilen klingt doch irgendwie weniger als 42,195km, oder??) geht es ganz ordentlich aufwärts. Auf der linken Seite sieht man die weeeit entfernte Skyline von Manhattan, unten die Feuerlöschboote, über einem Hubschrauber, vor einem nur Läufer, ein tolles Panorama.
Bilder 4+3
Jede Meile ist ein entsprechendes Schild aufgestellt, darüber jedes Mal eine laufende Uhr mit der Bruttozeit. Außerdem stehen alle 5km noch km-Schilder, ebenfalls mit Uhr, sehr übersichtlich, perfekt.
Etwas versetzt läuft jemand mit einem „Pace-Team 4:00“-Schild neben einem „Pace-Team 5:30“-Läufer. Erwähnte ich, dass ich das System nicht ganz verstanden hatte. Nach dem Scheitelpunkt der Brücke (Meile 1 mit 6:45min/km, der besseren Übersichtlichkeit wegen habe ich für den Bericht meine „Geschwindigkeit“ von min/mile auf min/km umgerechnet) geht es auf der anderen Seite wieder herunter, mit einem tollen Blick auf Brooklyn, wo wir bis zur HM-Marke durchlaufen werden. Unten an der Brücke (Meile 2 mit 5:52 min/km) geht es durch die ersten Häuserreihen und das Publikum ist von der ersten Minute an unglaublich.
Welcome in Brooklyn, was für ein Spektakel! Tausende Zuschauer schreien sich die Seele aus dem Leib, gute Bands spiele, schlechte Bands spielen, eine Predigerin versichert uns, dass uns Jesus ins Ziel bringen wird, ein japanisches Streichorchester spielt auf, Dutzende Musikzonen mit Riesenboxen, und laut sind sie alle. Bis Meile 8 laufen wir über die riesige 4th Avenue, jede Meile ist ein Getränkestand mit Wasser, alle zwei Meilen gibt es zusätzlich noch Gatorade.
Bild 6
Die jubelnden Zuschauer können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Strecke sehr anspruchsvoll ist. Sie ist recht „wellig“ mit langgezogenen An- und Abstiegen, die Bodenbeschaffenheit mit Kanaldeckeln, Löchern und geflickten Passagen erfordert einiges an Aufmerksamkeit. Auch die Angewohnheit sehr vieler Mitläufer, Getränkebecher zu nehmen, in die Mitte der Straße zu laufen und dort gehend zu trinken sind für einen gleichmäßigen Rhythmus tödlich. So laufe ich die ersten 10km zwar planmäßig in etwa 1:04, die km-Zeiten liegen aber bis zu 1,5min auseinander.
Etwa bei Meile 9 (km 14,5) fragt eine Läuferin etwas außer Atem einen Zuschauer, ob wir denn schon in Queens wären. Fun fun fun, die Pulaski-Bridge, die uns nach Queens führen wird, ist mit der HM-Matte versehen.
Vorher erwartet uns aber noch ein ganz interessantes Brooklyner Viertel: Williamsburg ist der Stadtteil der chassidischen Juden. Hier ist die Zuschauerunterstützung die geringste auf der ganzen Strecke, da die Leute weitgehend unbeeindruckt mit ihren schwarzen Anzügen, ihren Hüten und ihren Schläfenlocken vor ihren Häusern stehen und sich miteinander unterhalten. Nach dem Tosen auf der 4th Avenue hat die Szenerie irgendwie etwas Surreales.
Bild 7
Die HM-Marke passiere ich bei etwa 2:16h. Das ist zwar einen Tacken langsamer als geplant, interessiert mich aber eigentlich überhaupt nicht. Irritierender finde ich die Tatsache, dass hier schon viele Läufer die Brücke hochgehen. Und daß sich das nicht mehr sehr viel ändern wird, im Gegenteil. Ein „go-with-the-flow“ ist mir denn doch deutlich zu langsam und so kommt es zusammen mit den „trinkpausengehendinderstrassenmittemachenden“ auf der zweiten Streckenhälfte zu einem recht unrhythmischen Slalomlauf.
Aber die Stimmung am Straßenrand steigt wieder deutlich: Welcome in Queens. Fast bekommt man den Eindruck, die einzelnen Stadtteile würden sich gegenseitig im Anfeuern der Läufer überbieten wollen. Es ist unglaublich. Vor eine Brücke hat Nike ein Riesenplakat gespannt: You run this City! 11,2 Miles to the finish.
Dann geht es auf die Queensboro Bridge. Ein fantastischer Blick auf Manhattan, aber es geht auch fast eine Meile zügig aufwärts.
Bild 8
Ich wedele durch die Reihen. Dann eine Linkskurve und es geht hinab ins Inferno. Die Ecke 59th Straße/First Avenue stellt an Zuschauerbegeisterung alles in den Schatten, was man sich in seinen wüstesten Vorstellungen ausmalen kann. So etwas Beschreiben? Mission Impossible!
Die First Avenue, sie ist breit, sie ist „hilly“, sie ist voll und sie ist laut. Die Zuschauer stehen hier dicht gedrängt z.T. in Zweier- und Dreierreihen. Es ist fantastisch.
Von der 59 bis zur 92 Strasse genieße ich diese Zuschauermassen und schaue ab und zu auf die Straßenschilder, 76th Street, 85th Street, ich laufe nach links an den Rand, 90th Street, hier ist die Wasserstelle, gut, dann ist sie nicht direkt an Meile 18, 91th Street, da vorne ist die 92th Street, jetzt ganz langsam und Augen auf und da steht Anke. Ich laufe auf sie zu, wir reden etwas miteinander, fotografieren uns gegenseitig.
„Ich habe Paula für Dich fotografiert, meine Güte war die schnell“. Anke weiß nicht, ob sie es bei dieser Menge schafft, wie verabredet auch an der Ecke 5th Avenue/92th Street zu stehen, wir werden sehen.
Weiter gehts Richtung Norden, da war doch noch etwas. Richtig: das Meile 18-Schild. Uhr gedrückt, ein fetter 7er Schnitt/km, das geht noch für diese Pause

Nach ein paar Minuten dann die 30km-Markierung. Wir nähern uns East-Harlem und die Zuschauer werden etwas weniger. Eigentlich ein recht ungünstiger Zeitpunkt dafür, denn für viele Läufer wird es jetzt doch recht hart. Immer mehr müssen gehen und die 1st Avenue geht weiter und weiter geradeaus, hügelauf und hügelab.
Dann (endlich?) die Williams-Avenue-Bridge, die uns in die South-Bronx führen wird. Auch eine Brücke bei ca. km 32 hat die Eigenschaft, dass sie erst einmal ansteigt


Welcome to the Bronx. Auch hier geben die Zuschauer wieder alles, das tut nach der kurzen Durststrecke in East-Harlem sehr gut. Bereits seit einigen Meilen meint mein Körper, ich müsste doch etwas mehr Flüssigkeit loswerden, als durch Schwitzen möglich ist. Allerdings stehen vor den alle paar Meilen aufgestellten Dixies immer Schlangen, das kann es wohl nicht sein.
Kurz vor der nächsten Brücke, wieder ein Riesenplakat von Nike: You run this City! 5,2 Miles to the finish. You will do it!
Yes, I will aber da hier links wenig Zuschauer stehen, muß ich mir den Brückenpfeiler doch einmal etwas genauer anschauen. Danach geht es wieder „leichter“ bergauf auf die letzte Brücke, aber das Ralfen hat doch etwas Zeit verbraucht, Meile 21 hat den schlechtesten Schnitt mit 7:24min/km.
Runter von der Brücke und Welcome in Harlem. Hier auf der 5th Avenue ist es fast wieder wie auf der 1st Avenue. Kein Weißbrot ist zu sehen, die Zuschauer sind schwarz, aber sie sind wirklich gut. Kleine Hände reichen Getränkebecher. Thanks, wie viele Stunden machst Du das denn schon mit diesem Lächeln?
Mein Puls bewegt sich nach meiner Marschtabelle relativ weit unten. Ich könnte jetzt eigentlich noch einmal zulegen, aber warum? Für ein paar Minuten schneller im Ziel? Dafür einen Tunnelblick riskieren und diese Stimmung verpassen? Ich verabschiede mich von den 4:3x h und genieße nur noch meinen Slalomlauf.
Looking great, you will do it, you are fast, great job, its not far any more, go, you will finish, you´re running perfect, hey Deutsche Post, go Peter, do it usw.
Die Strecke wird von immer mehr Zuschauern gesäumt, hat sich Anke da durchwühlen können? Bei Meile 22 umrunden wir erst noch einen kleinen Park bevor es wieder schön bergauf Richtung Central Park geht. Dann, auf Höhe der 116th Street, beginnt zu unserer Rechten die grüne Lunge der Stadt. Nicht mehr weit bis zur 92th Street. Hier wird die 5th Avenue zur „Museum Mile“. Meine Güte, was für ein Trubel. Wie kann man denn bei diesen Zuschauern überhaupt gehen?
Dann die 92th Straße. Die Leute stehen hier in Dreierreihen. Als ich mich schon damit abgefunden habe, dass Anke hier nicht sein wird, sehe ich sie plötzlich ein Stück weiter ganz vorne stehen. „Hey, Du läufst ja noch und siehst richtig gut aus. Ich laufe ein Stück mit Dir“. Wir plaudern während des Laufens, ein irres Gefühl. Dann geht es kurz rechts und wir laufen von der 5th Avenue in den Central Park hinein. Anke schert in der Kurve aus. „Wir sehen uns in der Family Reunion Area“. Ein Polizist wird sie ansprechen, wie sie mir später erzählt: „Hey, why don´t you just run with him?“
Auch im Central Park ist die Hölle los. Wie will man so etwas beschreiben, wie kann man Superlative steigern? Auf der linken Seite eine Oranje-Wand. Das müssen Hunderte Niederländer (

Die 40km Marke. Ich habe die Meilen nur noch der guten Ordnung halber gestoppt, Zeiten interessieren mich nicht, ich habe jedes Gefühl dafür verloren, ich laufe.
Meile 25, ein Blick auf die Uhr zeigt 4:27h. Keine 2km mehr, das müsste man doch in 12min schaffen können. Ein kleiner Funke Eitelkeit steigt von irgendwo her auf. Ich laufe schneller, obwohl es wieder bergauf geht. Dann vor uns das Plaza-Hotel, es geht aus dem Central Park heraus, rechts um die Kurve auf die „Central-Park-South“. Ich laufe ganz links, hier ist Platz, rechts tummeln sich die Geher. Aber das werden von Meter zu Meter weniger, alle riechen das Ziel.
In Polizist ruft in sein Megafon: „You will all finish, come on, everybody has only three minutes to run, hold on!“ Drei Minuten? Naja, falls er das Paula zugerufen hat, könnte er damit richtig gelegen haben. Columbus Circle, Rechtskurve, wieder in den Park. Hier stehen meterhohe Tribünen links und rechts. Und die sind voll. Und die sind laut.
Theoretisch weiß ich, dass es hier jetzt wieder bergauf geht, aber davon merke ich nichts. Meile 26, fast alle laufen jetzt. Ich renne. Da vorne ist das Ziel, meine Uhr zeigt 4:39:10, datt langt. Ich nehme wieder einen halben Gang heraus und genieße dieses letzte Stück. Dann bin ich wirklich im Ziel. Ich habe es geschafft. Was für ein Gefühl.
Auch im Zielbereich perfekte Organisation. Medaille, Folie, Wasser, Kleiderbeutel, eine Tüte mit Riegel und Obst, alles funktioniert reibungslos.
Bild 9
Unter „unserem“ Buchstaben steht Anke auf der Central-Park-West, von einem anderen Reiseveranstalter bekomme ich eine Dose Bier in die Hand gedrückt. Alles ist perfekt. Mir tut nichts weh, ich fühle mich erschöpft, aber großartig.
Bild 10
Langsam bahnen wir uns den Weg durch die Massen Richtung Hotel, links können wir noch Hunderte Läufer kurz vor dem Ziel sehen. Auf der Strasse viele glückliche Gesichter in bunten Folien.
Im Hotel steigen wir in den Aufzug. Es ist voll, stickig, komisch. Mir wird komisch. Als ich wieder aufwache, kümmern sich Anke und ein netter Mechaniker um mich. Ich liege auf dem Flur im 21. Stock, eigentlich hätten wir im 19. Stock aussteigen müssen, aber mir fehlt etwa eine Minute meines Finisher-Daseins. Langsam geht es mir besser, ich kann wieder aufstehen, mein Kreislauf erholt sich. Aber die Security hat schon den Krankenwagen verständigt und schneller, als man das bei diesen verstopften Strassen für möglich hält, steht ein Notarzt vor mir. Ich finde mir geht es gut, der Arzt findet das nicht, Anke ist sich unsicher. Ich soll ins Krankenhaus, der Arzt ist sehr energisch. Ich finde das völlig überflüssig, aber nach ein paar Minuten habe ich keine Kraft mehr, mich zu wehren. Dann bekomme ich meine eigene Folge Emergency-Room: Fahrt mit Blaulicht und Sirene ins Krankenhaus, Untersuchung, 1l Nährstofflösung. Ich liege wie im Film auf einem Bett im Flur. Auch eine nette Erfahrung. Um mich herum ein gutes Dutzend Marathonis, alles Finisher, aber einigen geht es wirklich schlecht, sie haben Sauerstoffmasken bekommen. „How do you feel? Fine, I´d like a shower and I´m hungry! Hungry? That´s a good sign!“ Nach knapp über einer Stunde werde ich als Erster entlassen. Das Hotel ist nicht weit entfernt, also gehen wir. „How do you feel? Are you better? By the way: Congratulations for finishing the marathon“ Dann wieder in den Aufzug. Diesmal komme ich wohlbehalten im Zimmer an.
Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Mir geht es gut, meine Beine merke ich nicht mehr, als nach einem langen Lauf. Ich gehe zur Zimmertür, ich öffne sie. Dort liegt wie jeden Morgen die New York Times. Wie jeden Morgen, aber heute wird es anders sein. Im Marathonteil wird mein Name stehen. Ich trage die Zeitung wie den heiligen Gral zum Schreibtisch. Mein Name in der New York Times, in einer Reihe mit den Siegern, mit Paula. Gut, etwas weiter hinten, Platz 22.510 um genau zu sein, aber dort steht er.
Diese Beschreibung kann nur unzulänglich wiedergeben, wie ich New York wirklich erlebt habe, dafür gibt es keine Worte. Ich hoffe, wer sich durch diese lange Geschichte durchgekämpft hat (good job!), dem konnte ich wenigstens einen oberflächlichen Eindruck vermitteln.
Und haben sich nun zigtausend Euro dafür gelohnt? ABER SOWATT VON!
Und muß man (diesen Thread hatten wir ja schon) als Läufer einmal den NYC-Marathon mitgelaufen sein? Nein, man muß noch immer nicht, aber entgeht einem ein Highlight des Lebens. Believe it or not.
Gruß
Peter
If you can dream it, you can do it
(Walt Disney)
07.11.04 ING New York City Marathon (Startnr. 34084)
24.04.05 Olympus Marathon Hamburg