AnneWerkVerzeichnis Opus 1
Anmerkung des Komponisten: Es folgt ein aufwendiges mehrsätziges Werk deren Inhalt es ist, wie Anne ihren ersten Marathon erlebt hat. Der Komponist bittet um Nachsicht für Kompositionsfehler und daß das Werk durchaus Längen aufzuweisen hat. Es ist mehrsätzig angelegt, damit der geneigte Zuhörer es im Zweifel portionsweise über sich ergehen lassen oder vor Langerweile an einer im Ablauf des Werkes sinnvollen Stelle aussteigen kann.
Widmung: Allen anderen Teilnehmern, insbesondere derer am Rande des Geschehens. Vielleicht kann ich mit ein wenig leichter Muse die Mühen und Strapazen, Ängste und sonstige emotionale wie physische Qualen lindern. Ihr seit toll.
Ouvertüre (Oder Der Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit)
Boah was für ein Marathon. Erstmal war es eine gemütliche Waldwanderung und ich habe mich irgendwo hingesetzt und ein Buch gelesen. Irgendwann schaute ich auf die Uhr und fand, es wäre Zeit mal loszulaufen. Nach einer Weile fand ich auch die blaue Linie. Jubelnde Menschen. Aber die jubelten gar nicht, die gaben Zeichen, dass ich am Rand laufen solle, weil gerade das Rollerrennen gestartet worden ist und die Teilnehmer kamen mir nun alle entgegen. Dann habe ich noch einem Mädchen geholfen ihre Schultasche nach Hause zubringen und ihren Helm zu holen. Obwohl ich wußte, dass sie nun keine Chance mehr hatte bei dem Rennen. Es ging weiter an der Blauen Linie. Dann verzweigte sich die Strecke, es waren mehrere Streckenlängen aufgezeichnet. Ich befand mich in einem Foyer mit vielen Ausgängen. 8km, 13km, 17km ... Lauter so komische Angaben nur 42 war nicht dabei. Dann ging ich zusammen mit einer anderen Dame, die auch nicht wußte, wie es weitergeht zum Infoschalter. Die Frau führte uns in einen Nebenraum, schenkte uns jedem einen Rucksack und meinte es würde gleich ein Bus kommen, der uns abholt. Wir dürften nicht mehr weiterlaufen, die Zeit sei um. Stimmt doch gar nicht. Ich war geknickt, weil ich nicht durch eigene Entscheidung aufgegeben habe. Dann bin ich da so rumgeschlendert und fand durch Zufall die Blaue Linie wieder. Da bin ich einfach weitergelaufen. Weil aber durch diese Aktion wirklich viel Zeit weg war, war das Ziel schon abgebaut. Wie schade.
So war mein erster Marathon in der Nacht zwei Tage vor dem eigentlichen Ereignis in Hamburg.
Introduktion (oder Sammlung von Ausreden)
Ja, ich hatte eine Startnummer für den 20. Olympus Marathon in Hamburg. Ich habe teilgenommen und ich bin angekommen. Es ist absolut erstaunlich. Die Vorgeschichte: Ich stellte mir einen Trainingsplan zusammen, als würde dieser Marathon mein Ziel sein. Nicht wirklich im Kopf, dass ich das machen werde. Nur so als Anhaltspunkt, Motivation, Spielerei. Die ersten Trainingswochen liefen klasse, super, megatoll. Also dachte ich mir warum eigentlich nicht und bewarb mich um einen Startplatz. Hoppa. F256 sollte ich am 24.04.2005 heißen, wie mir ein Brief im Januar bescheinigte. Na dann mal los. Schön weitertrainieren. Im Februar kam dann der Winter. Wer hätte das für möglich gehalten? Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt. Anne, Du hälst durch. Keine Schwäche zeigen. Aber es war nicht möglich. Ab -2 Grad war bei meiner Lunge absolut Schluß. Sie pfiff als würde sie für ein Fußballspiel üben oder demnächst eine Stelle als Zugschaffner antreten wollen. Viel gearbeitet werden mußte ausserdem und eine Darmvirusattacke forderte weitere 2,5 Wochen inklusive 3 Tage gar nicht auf dieser Welt sein. Kaum war dann das schöne Wetter da, hoppelte eine hellblaubemützte Anne wieder durch Blankenese. Jedenfalls manchmal. Irgendwie waren die Wochenenden immer mit anderen Zeug voll. Konzerte, Reisen, Müdigkeitssattacken. So kannst Du nicht laufen. Zu gefährlich. Laß es sein. Der Termin rückte näher. In großen Schritten. Einige Hauruckaktionen mit dem "Mal sehen, wie weit ich heute laufen kann." folgten. Super durchdacht die Sache, quasi. Also mein Entschluß war: Ich stell mich erstmal mit in die Masse der Läufer, sauge von der Stimmung auf und kann ja getrost irgendwo zwischen 21 und 30km aufhören. Wäre keine Schande. Bezahlt habe ich für die Strassensperrung, dann will ich sie auch nutzen.
Durchführung 1 (oder Unmittelbare Vorbereitungen)
Das Marathonwochenende beginnt. Samstag zum Unterlagenabholen und Messegucken. Mein Gottchen, wie aufregend. Ich bekam einen großen Beutel mit einigem Zeugs drin, der und dessen Inhalt mich zur Teilnahme im Läuferfeld und somit zur offiziellen Nutzung der Fahrbahnen ohne Räder für den nächsten Tag authorisierte. Nun noch den für 31 Euro erworbenene Zettel bei einer jungen Dame mit Computer abgeben, sie scannte meine Startnummer und auf dem Bildschirm erschien meine Name. "Sind Sie das?" Ich nickte erstaunt und aufgeregt. Ein Wort kam mir nicht über die Lippen. Es war zwar vom Hirn losgeschickt worden, ist aber nur bis ins motorische Zentrum gekommen und auf dem Weg zum Sprachzentrum irgendwie verloren gegangen. Peinlich. Ich denke, sie wird sich nicht mehr an mich errinnern. Ja ich bekam jedenfalls so einen lustiges gelbes Kunststoffgebilde. Das ist er also, der allseits beliebte, bekannte und gelobte ChampionChip. Der weiß jetzt wie ich heiße und morgen weiß er, wann ich wo rumlaufe. Irre.
Noch ein wenig Messeschau, war mir aber alles zu viel Getrubel. Ein wenig Klimbim haben wir gekauft, den einen oder anderen Prospekt eingesteckt, aber eigentlich habe ich mich nur irgendwie zwischen den großen und mehr als zahlreichen Marathonis durchgedrängelt. Es kam mir vor, als könnte ich eigentlich zwischen den Beinen der anderen rumlaufen und die würden das gar nicht merken. Plötzlich bin ich fast gegen Steif und fidi gelaufen. Huch? Ein Hallowiegehtsbegrüßungsdrücken und ein Bisgleichgruß. Dann gings zum Forumstreffen ins Cafe September. Auch spannend, aber leider trübte sich meine Stimmung mächtig, da mich schreckliche Kopfschmerzen mich zum schweigen brachten. steif und till, die mich nicht so schweigsam kennen, guckten ganz besorgt. Bin dann los und zur Apotheke. Kaum hatte ich die Packung Tabletten in der Hand, ging es mir prima. Nun stand ich bei strahlendem Sonnenschein vor dem Rathaus. Links der Eingang zur S-Bahn Richtung Couch. Rechts der Eingang zur U-Bahn Richtung Foris. Habe mit Hin- und Herlaufen während der Entscheidungsfindung eine tiefe Schneise in den Gehwegplatten vor dem Rathaus hinterlassen. Entscheidung fiel auf September, wo ich dann noch viele nette Gespräche führen und bisher unbekannte Foris kennen lernen konnte. Am Abend zu Hause habe ich noch ein wenig telefoniert, weil ich angerufen worden bin. Brach das Telefongespräch dann aber mit "Ich muß heute mal zeitig schlafen gehen, weil ich morgen schrecklich früh aufstehen muß, um mit mehreren tausend anderen Leuten durch die Stadt zu rennen." Betretenes Schweigen am anderene Ende. Klappt doch immer wieder *grins*.
Anmerkung: Läufer grüßen nicht nur, wenn sie deutlich weil laufend als solche zu erkennen sind, sondern auch, wenn sie einen bestimmten Platikbeutel mit sich rumtragen. Was für eine Spezies.
Durchführung 2 (oder Liebe Kinder, bitte nicht nachmachen!)
Der Morgen am Tag des ??? Was auch immer.
Der eine Wecker sollte um 5:30 der andere um 5:40 klingeln. Nur um wirklich sichergehen, weil solche Uhrzeiten in meinem Universum eigentlich nicht vorhanden sind. Der andere klingelte um 5:25, aber das war dann auch egal. Ich war ja schon auf und das erste Mal auf der Toilette. Tee und Wasser, Weißbrot mit Honig, Joghurt. Mein Magen mußte das jetzt aufnehmen, obwohl er nicht wollte. smse mit "ogottogott" oder "Ich friere!" oder "ogottogott" oder "Ich muß schon wieder." oder auch "ogottogott" gingen in die Welt. Weitere Toilettenbesuche folgten. Inwzwischen kenne ich nicht nur die Namen jeder einzelnen Fliese in meinem Bad, sondern auch die komplette Lebensgeschichte. Nun aber los. Lieber ein wenig zu früh da sein, als als letzte eintrudeln. Das war gut, weil nämlich am Jungfernstieg, wo ich umsteigen wollte eine Bahn ausfiel, die nächste mich nicht mitgenommen hat, weil sich schon zu viele Beutelträger darin befunden haben. In die übernächste bin ich dann mit der größer werdenden Masse mitreingedrängelt worden. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob meine Füße eigentlich den Boden berührten. Umfallen war jedenfalls ausgeschlossen. till am besprochenen Treffpunkt auch gefunden. Wo wollen die ganzen Leute hin. Die Groupiemannschaft gedrückt, Fototermin und zum Startblock geschlendert. Gemeinsam mit till und runningturtle gab ich meinen Beutel ab und wir standen uns quasselnd und kichernd warm vor der Reihe Dixies - nein in den Unterlagen stand die heißen HANSEBAUSTAHL-Toiletten. Als wir alle drei diese Einrichtung genutzt hatten ging es auch gleich los. Die Massen applaudierten plötzlich und es ging ein wenig vorwärts. Es dauerte dann noch gefühlte 10 Minuten, bis wir dann auch die Startlinie erreichten. Wir waren frohen Mutes und kullerten so mit den anderen mit. Nach kurzer Zeit trennte ich mich von den beiden, weil ich wußte, dass ich da nicht mithalten könnte. Der Plan irgendwo zwischen 21 und 30km aufzuhören war immernoch fest in meinem Bewußtsein verankert. Ich hatte am Abend vorher extra auswendig gelernt, wie das geht. Nun dröppelte ich da also durch die Gegend. Wie toll ist das denn, so viele jubelnde Menschen und dieses Mal jubelten sie sogar wirklich mir (und natürlich den vielen anderen) zu. Dann die Anfeuerungsrufe der Forumsgroupies, meine eigenen hatte ich unterwegs gar nicht gefunden, die Beschreibung, wo sich sich befinden werden, war einfach nicht ausreichend. Es war toll. Bei jeder Samba oder sonstwas-Band bedankte ich mich höflich sozusagen stellvertretend für alle anderen. Bewunderte den Herren, der nur mit einem Krankenhaushemdchen und einem Tropf für zwei Wasserflaschen bekleidet lief. Nun ja er war auch nicht mehr so ganz jung und sah ihn von hinten. *räusper* Dann einer der Tigerpantoffeln statt Laufschuhe anhatte. Und ich lief, nahm gerne das von Jugendlichen in viel zu großen Feuerwehruniformen angebotene Wasser und Bananenstückchen an und lief. Nach 3:30 war ich bei 30km angekommen. Hmm? Und jetzt? Geistiges Hin- und Herlaufen, wie auf dem Rathausmarkt. Die Entscheidungsfindung war mangels Fähigkeit auf Gehirntätigkeit nur eingeschränkt möglich und km 31, 32 und 33 waren dann auch vorbei. Jetzt umkehren ist blöd, dachte ich und einen Moment später stand genau dieser Satz an einem Baumstamm befestigt und eine lustige Truppe feierte davor. Also dann. In meinem Kopf geisterte jetzt nur noch dieser Satz rum. Leider nicht in meinen Beinen. Iihhh, was ziept denn da so blöde in den Oberschenkeln. Panik! Ich bin von Parasiten befallen, ungesunde Strahlung schwächt meinen Körper. Quatsch ein Krampf, wow und in beiden Oberschenkeln. Eine völlig neue Erfahrung. Ich versuch es mal mit gehen. Das half. Später nochmal so ähnlich wieder gehen und zwar wollte ich das genau bis zum nächsten Sanitäterwagen. Als der in Sicht war, alles prima und ich lief locker fluffig an selbigem vorbei. Allerdings auch nur bis zum nächsten Wasserstand. So zog sich km 35 bis 40 hin. Laufen konnte man das nicht nennen, aber eigentlich lief zu dem Zeitpunkt so gut wie keiner. Bei 40 nochmal in ganz kleinen Schlucken Wasser aufgefüllt, um von den letzten 2 und ein wenig Kilometern möglichst viel gehen zu dürfen. ;-) Nun aber, Du hast es gleich geschafft, die 5 Stunden Marke war überschritten, aber was solls ... ich, Anne von der Couch, schaffe es bis ins Ziel. Das motivierte mächtig und ich lief los. Sehr langsam aber laufend überholte ich noch den einen oder anderen noch immer in der Gehpause befindlichen. Uuuuuuuuuuuuuuuuuund daaaa ganz große Buchstaben kennzeichneten eine Linie auf der Strasse als das ZIEL. Meine Arme gingen unweigerlich nach oben, ich hoffe ein strahlendes Lächeln für das Zielfoto hinbekommen zu haben. Die Frau, die mir die Medaille umhängte, habe ich erstmal gedrückt und zu Boden geknutscht. Die wird sich auch nicht mehr an mich errinnern. Mit der Medaille um, kamen die Tränen. Wow.
Reprise (oder Und jetzt?)
Ich bin nun 5 Stunden und 17 Minuten nach dem Start schluchzend hinter dem Ziel rumgelaufen und versuchte mich zu errinnern, was nun zu tun sei. Achja, da war eine weiße 5 auf rotem Untergrund. Gedankensplitter: In Halle 5 können Sie den Kleiderbeutel dann wieder abholen. Oh welches ist denn jetzt meine Schlange, prima ganz am anderen Ende der Halle. Dort stellte ich mich an. Eine Frau ist während des Wartens umgekippt, ein Herr mußt sich draußen übergeben. So horchte ich ganz aufmerksam in mich hinein, während etwa 7 Sanitäter mit noch mehr Equipment sich um die Frau kümmerten. Mir gings gut. Dann entdeckte ich eine Bastmütze, dass konnte nur einer sein. MAAARTIN! Gegenseitiges Glückwunschgeknuddel und ich bin dann fast umgekippt, als er mir von seiner Zeit berichtete und der ist nicht gelaufen "nur" gewalkt. Eigene Orientierungsfähigkeit stellte sich nicht ein, aber sonst ging es mir ganz gut. Ich bettelte Martin an, dass er mich mit zum nachmarathonschen Treffpunkt nimmt. Hat er auch bereitwillig getan. Dort angekommen hiefte ich meine Knochen zwischen wen auch immer auf einen freien Platz auf der Bank. Oh ja richter Tisch ist es schon mal. Die Gesichter kannte ich. Den meisten stand der Heldenhafte Glanz zeimlich gut. Die, die nicht gelaufen waren, kümmerten sich rührend um die, die nicht mehr von der Bank aufstehen konnten. So wurde mir von einem Engel fast unverzüglich ein leckeres Alster serviert. Noch nie hat mir das Zeug so gut geschmeckt, wie in dem Moment. Hoffentlich haut mich das jetzt nicht von der Bank, dachte ich während ich immer wieder auf das golden glitzerde Ding schaute, was mir vor dem Bauch baumelte. Immer wieder platze mir während eines Gespräches der Satz "Gott, ich bin gerade einen Marathon gelaufen raus." Das war wie ein Reflex. Sehr unangenehm für den Gesprächsfluß, aber ich hoffe man sieht mir dieses Unhöflichkeit nach.
Finale (oder Die Abrechnung am nächsten Tag)
Mein linkes Knie tut weh und irgendeiner von den kleineren Zehen rechts. Habe letzteres nur noch nicht genau untersucht aus Furcht. Wenn ich an mir runterschaue sieht man nichts. Die Zehen sind in ausreichender Anzahl vorhanden und sehen auch nicht wirklich anders aus als sonst. Laufen/Gehen geht die ersten Schritte nach Bürostuhl nur sehr langsam mit einem Eierkartonbalanceaktgefühl, dann aber nicht weiter beeinträchtigend. Ansonsten versuche ich immernoch alle Eindrücke und Gedanken zu ordnen. Meine Telefonrechnung wird so hoch sein, wie nie, weil ich Sonntagabend noch fast mein gesamtes Telefonbuch durchtelfoniert habe. Nach diesem Marathon kann sich Unicef über 42 Euro freuen, die der Wetteinsatz waren, bei dem ich das Wettobjekt war. Achja und ich bin nun stolzer Besitzer diese oben erwähnten ChampionChip, den habe ich versehentlich erworben, weil ich nicht wußte, wo ich ihn zurückgeben kann.
Finale 2 (oder Nachsatz)
Bitte keine Gratulationen mehr. Bin mit denen aus dem Sammelthread schon genug bejubelt worden. Eigentlich gehört hier der große Zeigefinger her. So was Dummes tut man nicht. Ich hatte einfach Glück. Aber wer trotzdem mit mir jubeln möchte, darf das auch tun *armeindieluftreck*
Eure Anne von der Couch
M-Debüt in HH oder Wie man versehentlich ein ChampionChip bekommt (lang)
1Musik hören ist Lesen im Kochbuch. Selber Musizieren ist Genießen, ist „Auf der Zunge-Zergehen-Lassen“. (Hermann Lahm)
:in tuepfels küche :tuepfel in Bewegung :tuepfel im bilde
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