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Running in Islamabad

Running in Islamabad

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Nach all den Debatten über Laufen in Hitze möchte ich doch gern einmal einen Laufbericht aus Islamabad schreiben. Seit einer Woche bin ich nun in Pakistan unterwegs um hier Politiker zu interviewen. Glücklicherweise kann ich mir den Tag gut einteilen und somit bereits vor der großen Hitze (bis zu 45Grad) laufen. In der Regel geht es um 5.30 - 6.00 Uhr in der Früh los. Dann haben wir hier um die 30 Grad. Ich bin unterwegs mit langer Schlabberhose und ärmellosem Top. Mein Körper fragt sich zwar, was um Himmels Willen ich als Student um die Zeit von ihm will, aber was muss das muss. Vorm Haus schrecke ich erst einmal den Sicherheitsmann hoch, der unser Tor bewacht. Dann geht es nur ein Stück die Strasse hoch zum Highway. Dort sind bereits die bunt bemalten Minibusse unterwegs und Menschen aus den umliegenden Dörfern, die zu Fuß nach Islamabad zum Arbeiten kommen. Der eine oder andere springt auch mal eben während des Fahrens auf die Ladefläche eines Lasters auf oder sitzt auf dem Dach. Manch eine Nobelkarosse eines Politikers oder der Jeep eines ausländischen Diplomaten schlängelt sich durch den chaotischen Verkehr. Es gilt das Recht des Stärkeren. Wer bremst hat verloren.
Neben der Strasse gibt es einen Radweg. Der zeichnet sich zwar durch scharfkantige, hohe Bordsteinkanten aus, aber beim Laufen ist das ja egal. Am Wegesrand haben einige Männer ein paar Laken zu einem Zelt aufgebaut. Warum sie hier im Gras herum sitzen, wer weiß. Nach ein paar Minuten erreicht man den Shalimar Cricket Ground. Ein großes Oval, welches die Rennstrecke schlechthin ist. Hier gibt es einen kleinen Platz an der Seite, der zu verschiedenen Übungen anleitet. Bildertafeln mit lustigen Piktogrammen erklären, wie man die Metallgestänge zu Kräftigungsübungen und zum Stretching nutzen kann. Auf dem Platz sind stets früh und abends einige Pakistanis und auch Ausländer unterwegs. Die Mehrzahl der Sportler hat sich allerdings dem Walking verschrieben. Kein Wunder, treiben die Pakistanis doch meist in normaler Alltagskleidung Sport. Die Frauen tragen den traditionellen Shalwar Kamiz, eine weite Hose mit langer Tunika und dazu die Dupatta, ein dünnes Tuch über den Schultern. Das einzige was eindeutig signalisiert, dass hier Sport betrieben wird, sind die Laufschuhe. Nike und Adidas haben eine spezielles Sportgeschäft in der Innenstadt. Ich habe mich umgeschaut und die Verkäufer mit meinen Fragen, ob dies denn Cushion oder Stability Schuhe wären, oder gar wie denn das Modell hieße, schier zur Verzweiflung getrieben. “Good for running, Miss” sagt er und hält mir fuchtelnd den Nike Shox unter die Nase. Ähm, ja klar. Trotzdem, “Slimming” ist der neue Trend im bisher wenig gesundheitsbewussten Pakistan. Was einige nicht davon abhält sich nach dem Sport direkt am Platz erst mal eine Kippe anzuzünden.
Ich könnte jetzt noch einige Runden auf den Platz drehen, doch mir wird warm und außerdem öde.
Ich möchte lieber weiter und hoch hinaus. Denn Islamabad grenzt direkt an die sogenannten Margalla Hills. Direkt an die platte Tiefebene erhebt sich hier ein Höhenzug, der bis auf 1500m hoch geht. Geographisch gehören die Margallas bereits zum Himalaya. Steile Hänge sind es, bewachsen von kargen, anspruchslosen Gräsern und Büschen.
Hier gibt es einige Pfade, die sich den Berg hinauf schlängeln.
Ich nehme den ersten, kleineren Pfad. Nach einem kurzen Anstieg kommt dann der Hammer. Der Weg geht über in einen Geröllpfad mit Stufen. Laufen ist jetzt nicht mehr drin. Eher hüpfe ich wie eine unbegabte Bergziege über Stock und Stein. Allerdings habe ich letztens gelesen, dass Sprungübungen ja ein intensives Ausdauertraining sein sollen. Also eine Stufe nach der anderen. Ähnlich des Weges geht der Puls in die Höhe. Je weiter man nach oben kommt, desto höher sind auch die Chancen einem der tierischen Bergbewohner zu begegnen. Meist handelt es sich nur um eine wilde Ziege oder ein Reh. Aber auch Leoparden, Vipern und Kobras soll es hier geben. Ich denke mir jedoch, dass selbst wenn ich einem dieser Tiere begegnen sollte, diese vermutlich mehr Angst vor mir haben werden, als ich vor ihnen. Selbst die fiesen kleinen Affen, welche sonst jedes Auto an der Strasse belagern, verbergen sich in den Bäumen. Bei der Hitze schläft es sich da wohl ganz gemütlich.
Langsam geht hinter mir die Sonne richtig auf und ich sehne den Gipfel herbei. An einer kleinen Holzhütte halte ich kurz an und schaue hinunter ins Tal. Der Ausblick ist schon recht schön und entschädigt für die 30min Anstieg. Nur der See in der Ferne, welcher die Wasserversorgung der Stadt sicher stellt, zeigt sich bedenklich ausgedörrt. Wird Zeit, dass der Monsun kommt. Erste Anzeichen in Form heftiger Gewitter gab es bereits. Allerdings, wer weiß, ob ich dann noch laufen kann.
Nun geht es einen anderen Pfad bergab. Hier kann wieder gelaufen werden. Man muss zwar vorsichtig sein, aber es geht. Gerade da ich normalerweise gerne in Schlurfschritt verfalle, eine gute Übung, die Füße ordentlich zu heben. Nunja, zweimal habe ich den Boden bereits ausgemessen, aber es war nicht ganz so tragisch. Nur Miniröcke sind erstmal nicht drin. Da dieser Weg etwas breiter, flacher und damit auch beliebter ist, trifft man einige Pakistaner. Normalerweise grüßen sie von sich aus keine Ausländer. Aber ein fröhliches Assalam Aleikum, die universale Begrüßungsformel der Muslime, bringt immer eine Antwort. Nur die Gesichter zeigen gelegentlich das Erstaunen, warum diese Langnase hier wie angestochen den Berg runter rennt. Einmal rannte mir ein junger Bursche plötzlich hinterher, nachdem ich ihn passiert hatte. Ob er mir nur auf den Hintern schauen wollte oder sich plötzlich zu einer Laufeinlage animiert fühlte oder gar was böses im Schilde führte, wer weiß, ich habe ihn jedenfalls abgehängt. In alten Sandalen läuft es sich halt auch nicht so schnell in den Bergen.
Nach weiteren 15 Minuten bin ich dann wieder am Fuß des Berges angelangt. Mittlerweile ist es ganz schön heiß geworden. Nun nur noch schnell nach Hause, denn dort wartet meist schon das Frühstück. Frisch geerntete Mangos und Grüner Tee. Eigentlich lässt es sich doch ganz gut aushalten, hier in Islamabad.

Liebe Grüße und Salam.
Cathleen

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Hallo Cathleen,

sehr interessanter Bericht, es muss wahnsinnig spannend sein andere Länder durch das Laufen für sich zu entdecken. Vielleicht mal abgesehen von den Sicherheitsrisiken die mir bei deinem Bericht spontan in den Sinn gekommen sind. Es gibt einen zu denken über das eigene eintönige Lauftraining, denn trotz leichter Variationen läuft man doch mehr oder weniger Woche für Woche die gleichen Strecken. Umso faszinierender sind dann die Laufberichte aus fernen Ländern. Mich treibt es im August nach Hammerfest (Norwegen), die Laufschuhe haben schon einen festen Platz im Gepäck.

Viele Grüße,
Jörg

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Jetzt also doch schulterfrei in Pakistan? :confused:

Danke für den Bericht :daumen: und weiterhin viel Spaß "da drüben"...
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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Toller Bericht, bin ganz mitgenommen.
Keine Ahnung, ob ich dich jetzt bewundern oder bedauern soll.
Weiterhin viel Erfolg auf dem Planeten :D

Gruss

Rallek
Meine Laufhighlights:
11.09.05 Münster Marathon
Mai 2006 Riesenbecker Sixdays
15.10.06 Essen Marathon
07.10.07 Köln Marathon
April 2008 Riesenbecker Sixdays
Oktober 08 Frankfurt Marathon
Mai 2010 Riesenbecker Sixdays
11.09.2011 Münster Marathon
06.11.2011 New York Marathon

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Danke für den Bericht und die Fotos :daumen:

Ein paar mehr Absätze hättem dem Auge gut getan :nick:

Ich würde mich wohl nicht so raustrauen, aber du bist alt genug um zu entscheiden und deshalb wünsch ich dir, das du unversehrt nach Hause kommst :)
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

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Interessanter Bericht. Viel Spaß noch

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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:daumen:

Streak 3: Beginn 10.10.2009

Es ist nichts Großartiges daran, besser zu sein als jemand anderes.
Wahre Größe zeigt sich darin, besser zu sein, als man selbst vorher war
(Plakat in einer Klasse)

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Assalam Aleikum ;)

Danke für diesen interessanten Bericht und die tollen Bilder - das war jetzt ein richtiges Augen- u. Gehirnvergnügen.

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Wunderbar - ich finds immer wieder schön, wenn man mal zu was anderem mit auf die Reise genommen wird.

Ich Schissbotz tät ja da auch nicht laufen aber Du bist im Land und wirst das einschätzen können. Sehen wir das hier mal alle wieder zu eng?

Anja :hallo:
He says things that annoy me. He gives me good advice. (Oscar Wilde)
Bild

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Shukria (Dankeschön).
Ja man kann hier tatsächlich im Top laufen, zumindest taten dies noch andere Sportler die ich gesehen habe, also habe ich mich daran orientiert. Ansonsten geht auch ein T-Shirt, sogar im Alltag. Aber ich glaube, selbst langärmelig bringt einen nicht um, ich hab sonst immer lange Sachen an und wenn die aus dünnem Stoff sind ist das sogar angenehm, denn es hält die Sonne ab.

Gefährlich ist es hier nicht. Es sind dermaßen viele Diplomaten und NGOs vor Ort und ich weiß nur von einem Zwischenfall vor 3 Jahren. Höchstens wird mal demonstriert.
Aber sonst sind viele Leute sehr freundlich gegenüber Ausländern und die, die vielleicht sehr konservativ sind gucken einen halt nicht an und sprechen nicht mit einem. In anderen, ländlichen Gegenden würde ich auch nicht rumrennen, aber die Städte hier sind schon modern. Also z.B. treffen sich Jugendliche abends zu Hip Hop auf dem Parkplatz mit ihren aufgemotzten Autos und trinken Pepsi und schauen den Mädchengruppen hinterher.
Das gefährlichste ist echt der rutschige Weg, wie ich heute mal wieder feststellte, als es mich mit Karacho hinlegte.
Ach und wenn es tagsüber 40 Grad sind und man dann in einen Raum kommt und dort sind 28 Grad denkt man sich glatt, ui, hier ist ja kalt. Frieren werde ich wenn ich wieder in Deutschland bin, jawoll :P
LG,
Cathleen
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