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Z wie Ziel - Freiburg Marathon

Z wie Ziel - Freiburg Marathon

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Die letzten Tage vor dem Lauf. Ich fühle mich krank. Das kann doch wirklich nicht wahr sein. Die beiden letzten kurzen Trainingsläufe lasse ich ausfallen. Möchte nun wirklich keine ernsthafte Infektion riskieren. Was sind schon 9 km Trainingslauf. Das wird keinen großen Unterschied ausmachen. Es gilt jetzt Ruhe zu bewahren und kräftig Kohlenhydrate reinschaufeln. Eigentlich bin ich ja ein leidenschaftlicher Nudelfreund, aber mittlerweile hängen mir die Teigwaren zum Hals heraus. In meiner Not esse ich sogar Reis, den ich sonst das ganze Jahr über verschmähe.

Am Samstag marschiere ich zum Freiburger Messeplatz. Startunterlagen abholen, auf der Marathonmesse rumschlendern, eine Gratisportion Nudeln essen. Die große Masse geht zu den Anmeldestellen für den Halbmarathon. Damit habe ich nichts zu tun. Ich gehe mit den richtigen Marathonläufern. Das Wetter ist feucht und kühl und ich fühle mich zwar etwas besser als an den Vortagen, aber immer noch recht schlapp. Abends dann ein Bier zur Sportschau. Dieses passive Sporttreiben ist doch wirklich sehr entspannend. Irgendwie vergeht auch der Rest des Abends und gegen zehn Uhr geh ich in die Falle. Lese dann noch ein paar Seiten über einen polnisch – deutschen Berufsrevolutionär und entschwebe dann ins Traumland.

Lange vor sechs Uhr erwache ich. Eine ausgiebige Dusche und eine Tasse Kaffee machen mich munter. Gehe etwa zwei Kilometer mit dem Hund spazieren. Horche dabei in mich hinein. Wie geht es Dir? Na es geht. Wahrscheinlich genauso wie an jedem anderen Sonntagmorgen. Doch noch nie war es so wichtig wie heute. Was solls denn sage ich mir. In acht Stunden ist alles vorbei. Das wirst du doch irgendwie rum bekommen.

Endlich kann es losgehen. Meine Frau fährt mich zur Neuen Messe. Die Laufkleidung habe ich bereits angezogen, so dass ich nur noch den Kleiderbeutel abgeben muss. Überall wird die Frage diskutiert ob man lange oder kurze Kleidung anziehen soll. Im mache einen Kompromiss und lasse die lange Hose an und entferne aber die Ärmel der Laufjacke. Dabei unterhalte ich mich länger mit einem Läufer aus der Schweiz. Ein Mann mit viel Lauferfahrung. Da kommt überhaupt kein Neid auf. Das ist einfach nur anzuerkennen.

Beim Weg zur Startaufstellung treffe ich auf den Zugläufer für 4:00 Stunden. Geplant war ja ein Anschluss an der 4:15 – Pacemaker. Spontan entscheide ich mich jedoch um und gehe mit der 4 Stunden – Gruppe. Ob das klug ist wird sich noch zeigen. Die meisten hier sind zwar 10 – 20 Jahre jünger und sehen auch gut trainiert aus, aber ich will doch mal sehen wie lange ich. mithalten kann. Gut trainiert habe ich schließlich auch. Nur wenige Minuten müssen wir im Startbereich warten.

Nur 1 Minute nach dem offiziellen Start laufe ich über die Zeitnehmermatte. Hoffentlich funktioniert mein Zeitnahmechip. Sonst glaubt mir das nachher kein Mensch. Es gehen knapp 2.000 Läuferinnen und Läufer auf die Strecke. Die Straße ist breit und schon bald ist ein gleichmäßiges Laufen möglich. Unser Pacemaker hat uns erklärt dass wir die ersten 10 km in 56 Minuten laufen werden. Da darf nicht gerade gebummelt werden. Meine Beine sind leicht und spüren kaum den Asphalt. Nach 3 km stehen mehr Zuschauer am Straßenrand. Sie feuern uns begeistert an. Dabei genehmigen sich Einige ein Gläschen Sekt (wohl für den Kreislauf) oder ein Tannenzäpfle.

An der ersten Verpflegungsstation bei km 4 laufe ich vorbei. Das Gedränge ist mir zu groß und Durst verspüre ich noch keinen. Wie oft habe ich denn gelesen, dass man bereits vor dem Durst trinken soll. Aber ich lasse das sein, so wie ich das schon immer gelassen habe.

Nach km 5 steigt die Strecke ein wenig an. Aber ich bin noch frisch und spüre es kaum. Wir nähern uns der Innenstadt und ich freue mich darauf durch bekannte Straßen zu laufen. Mit weiten Schritten laufe ich auf der Kaiser – Joseph – Straße. Dies ist die Haupteinkaufsstraße in Freiburg. Konzentriert laufe ich zwischen den Straßenbahnschienen. Ein unbedachter Schritt auf den nassen Pflastersteinen kann üble Folgen haben. Auf dem Schloßbergring kommt uns bereits die Spitze des Feldes entgegen. Die haben nach 9 km bereits 4 km Vorsprung. Bei km 10 zeigt die Uhr exakt die geplanten 56 min. voraus. Zügig laufen wir und ich bin mit fast sicher dass ich dieses Tempo nicht 42 km halten kann. Aber ich fühle mich gut und lasse die Beine fliegen.

Wir erreichen den Wendepunkt der Strecke. Nun ist die Hälfte der ersten Runde geschafft und es geht nun lange Zeit leicht bergab. Mittlerweile trinke ich an jeder Verpflegungsstation. Ich spüre wie es mir gut tut. Die Zeit vergeht jetzt wie im Fluge und schon sind wir bei km 15 im Stadtteil Herdern. Dies ist der stimmungsmäßige „Alpe d’ Huez“ des Freiburg – Marathons. Die Zuschauer vollführen ein Höllenspektakel. Automatisch werden die Füße schneller. Beschwingt geht es weiter zum nördlichsten Punkt der Strecke in Zähringen. Nach einer erneuten Wendemarke sind es nur noch 2 km auf der ersten Runde.

Kurz vor dem Zielbereich höre ich von links Andy und Michael. Ich bin völlig von den Socken. Damit hatte ich nicht gerechnet. Im Innenstadtbereich hatte ich immer wieder vergebens Ausschau gehalten und jetzt wusste ich auch den Grund dafür. Ein kurzer Schrei und ich eile weiter. Will natürlich zeigen was ich drauf habe.

Nun sind wir wieder vor dem Messegelände. Einige Läufer brechen ihren Lauf ab und biegen rechts ab ins Ziel. Für die Anderen geht es links weiter auf die 2. Runde. Für den Halbmarathon habe ich 1 Std. 58 gebraucht. Das ist eine neue persönliche Bestzeit. Ich quetsche ein Energiegel aus und trinke gierig. Die letzen 4 km bin ich noch schneller gelaufen und habe nun sogar einen kleinen Vorsprung auf die 4 Stunden – Gruppe. Das dies nicht von Dauer sein würde spüre ich bereits.

Die Gegend ist nun bereits bekannt und ich achte kaum noch auf das was am Straßenrand geschieht. Immer wieder stehen schon Läufer an der Seite und dehnen sich. Eigentlich noch zu früh für solche Probleme. Ich bin nun wieder in der Gruppe und weiß nun schon sicher dass ich das Tempo nicht halten kann. Allzu sehr bin ich nicht enttäuscht. Ich gebe mein Bestes und mehr kann ich von mir nicht verlangen. Beim Laufen durch die Innenstadt spüre ich nun jeden Einzelnen der Pflastersteine. An der Dreisam entlang durch den Stadtteil Wiehre. Ganz in der Nähe habe ich einst einige Jahre gewohnt. Gerne denke ich an jene Sturm- und Drangzeit zurück. Kurz vor km 30 höre ich durch einen Lautsprecher dass gerade der Halbmarathon gestartet wurde. Gerne hätte ich vor dem Sieger des Halbmarathons das Ziel erreicht. Dazu bin ich jetzt aber zu spät dran. Meine Füße werden schwerer und sehne den Wendepunkt der 2. Runde herbei. Bei der Verpflegungsstation kurz vor km 33 halte ich zum ersten Mal kurz an. Einige Schritte gehe ich und trinke dabei. Nun bin ich schon so weit gelaufen wie noch nie in meinem Leben. Aber noch liegen 9 lange km vor mir. Am Schloßbergring sehe ich auf der anderen Straßenseite Läufer, die rund 5 km hinter mir liegen. Viele gehen nur noch. Wie sollen die nur das Ziel erreichen? Warum laufen die nur bei einem Marathon mit? Im Training macht man doch auch schon mehrere Läufe über 30 km. Nun gut – ich habe genug mit mir zu tun. Aber rund 200 Läuferinnen und Läufer werden nicht ins Ziel kommen. Ich habe ich schon immer gewundert, dass man darüber nie etwas liest.

Wie fest hatte ich mir vorgenommen, dass ich keine Gehpausen machen würde. Es ist doch alles nur eine Frage des Willens habe ich mir gesagt. Das Adrenalin treibt dich nach vorne haben mir Leute gesagt. Einen Marathon ist keiner von denen je gelaufen. Und nun gehe ich doch. Ein paar Meter nur und dann laufe ich weitere 3 km. Bei der Verpflegungsstation bei km 35 trinke ich zwei Becher Isostar. Vielleicht hilft es weiter. Dann geht es wieder durch den Stadtteil Herdern. Die Menschen hier sind großartig. Sie bilden ein Spalier und machen einen unglaublichen Lärm. Ich will sie nicht enttäuschen und laufe wieder schneller. Danach wird es ruhiger und wir laufen auf den letzten 5 km. Fast jeder hat nun Probleme. Aber es geht weiter – immer weiter. Die Kilometer werden länger und länger. Eine Zuschauerin muntert mich kurz vor dem Wendepunkt in Zähringen auf. Sie hat wohl gesehen dass ich Hilfe brauche. Die km 39 – 41 gehen nochmal leicht aufwärts. In der 1. Runde hatte ich das überhaupt nicht bemerkt. Gleich seid ihr oben schreit eine Zuschauerin. Ihr schafft das. Eine Läuferin neben mir sagt, dass wir dann immer noch nicht im Ziel sind. Aber wir werden es ins Ziel schaffen rufe ich ihr zu. Zur Not auf allen Vieren.

Auf dem letzten Kilometer ziehen die Spitzenläufer des Halbmarathon an uns vorbei. Ganz abgelenkt davon vergesse ich meine Leiden. Die Organisatoren haben kurz vor dem Ziel noch eine Wasserstation aufgebaut. Das ist gut so. Ich trinke noch einmal und laufe weiter. Die Zuschauer stehen jetzt dichter und feuern uns an. Vor mir eine scharfe Kurve nach rechts und ich kann es kaum glauben, dass ich das Ziel vor mir sehe. Ich spüre keine Schmerzen mehr. Andy und Micha – die beiden treuen Seelen – feuern mich an. Meine Familie höre ich, aber ich sehe sie erst als ich schon fast vorbei bin. Es sind vielleicht die schnellsten Meter des Laufes. Und dann im Ziel. Welch ein Gefühl. Mein Gedanken sind so klar. Nichts tut mir mehr weh. Ich bekomme eine Medallie um den Hals gehängt und hilfreiche Menschen bringen etwas zu trinken.

Im Zielbereich frage ich einen Mann, der irgendwie nach Presse aussieht, wer denn nun den Marathon gewonnen habe. Und da bin ich doch platt: der Gewinner steht neben ihm. Es ist Ulrich Benz, der bereits 2004 Sieger war. Wir unterhalten uns ein wenig. Die Umstände seien etwas schwierig gewesen, aber wenn man gewonnen hat ist alles gut. Bei mir ist auch alles gut, obwohl ich nicht gewonnen habe. Ich glaube er versteht was ich meine.

In der Halle erzähle ich einem erfahrenen Läufer aus dem Kaiserstuhl von meinen Schwierigkeiten auf der 2. Runde. Das ist völlig normal meint er – das ist Marathon. Als ich ihm erzähle, dass ich zum ersten Mal dabei war gibt er mir die Hand zur Gratulation. Das ich es in einer Zeit von 04:09 geschafft habe findet er richtig gut.

Ein Jahr der Vorbereitung mit rund 2.000 Trainingskilometern ist zu Ende.

Nach dem Marathon ist vor dem Marathon.

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Juhu - noch ein Freiburg-Bericht! :bounce:
Danke dafür! :daumen:

Ich bin in der Ka-Jo auch höchst konzentriert zwischen den Straßenbahnschienen gelaufen. :wink:


Beim HM warst du mit 1:58 noch schneller als ich, ich hab die HM-Marke bei ziemlich genau 2 Stunden erreicht. Wäre echt mal interessant zu wissen, wo genau ich dich dann überholt habe. :)


Ich wurde übrigens nur wenige Meter vor dem Ziel von Halbmarathon-Sieger überholt. Boah, war das beeindruckend, wie der an mir vorbeigerast ist. Irre! :beten2:

Und jetzt aber nochmal Glückwunsch zum ersten Marathon, die 4 Stunden sind bei dir auch nur noch eine Frage der Zeit!
:winken: Hase


I am vegan because I feel that other sentient beings are not mine to use.

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@hase

der Überholvorgang muss irgendwo zwischen km 26 (bis dahin war ich noch bei den 4 Std. - Läufer) und der Kajo erfolgt sein.

Ich denke der Zeitanreiz ist schon wichtig aber nicht alles. Das hängt ja auch stark vom Streckenprofil ab. Im Herbst will ich in Bräunlingen starten. Bei über 300 Höhenmetern wäre ich auch mit 4:20 zufrieden.

Aber spätestestens nächstes Jahr in Freiburg müssen natürlich auch die 4 Stunden fallen.

In diesem Sinne: ein schönes WE. Freu mich auch meinen ersten Lauf nach dem großen Lauf.

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mani99 hat geschrieben:
Ich denke der Zeitanreiz ist schon wichtig aber nicht alles. Das hängt ja auch stark vom Streckenprofil ab. Im Herbst will ich in Bräunlingen starten. Bei über 300 Höhenmetern wäre ich auch mit 4:20 zufrieden.

Das sehe ich auch so. Und wichtiger als alles andere ist sowieso der Spaß an der Sache.
Charly und ich werden am 21. Juni den Elsass-Marathon mitlaufen, auf den freue ich mich schon ganz besonders. Und das wird ein reiner Genusslauf, da wird mir die Zeit sowas von schnuppe sein.
Kennst du den? Ist ja nicht weit von dir weg.
Falls es dich interessiert, hier der Link.
mani99 hat geschrieben:
Aber spätestestens nächstes Jahr in Freiburg müssen natürlich auch die 4 Stunden fallen.

Apropos nächstes Jahr: einige haben wohl dafür gestimmt, dass Marathon und Halbmarathon wieder zusammengelegt werden, damit auch für die früher startenden Marathonis schon mehr Stimmung ist. Ich fände das eine Katastrophe - es ging ja so schon furchtbar eng zu, wie sollte das dann erst werden? :haeh:

Falls sie das echt machen, laufe ich in Freiburg nicht mehr mit :baeh: .
:winken: Hase


I am vegan because I feel that other sentient beings are not mine to use.

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Ich kenne nur einen Lauf am Grand Ballon. Muss mir das mal näher ansehen. Ist sicher ziemlich anspruchsvoll.

Ich habe der Orga vom Freiburg-Marathon schon eine mail geschickt wegen des gemeinsamen Starts. Da mache ich auch nicht mit. Für einen Max Frei der vorneweg läuft macht das ja nichts. Das ist schon klar. Überhaupt finde ich die ganze Veranstaltung zu sehr vom HM dominiert.

Nicht falsch verstehen: Aber die Leute bei uns sagen, dass Sie beim Freiburg - Marathon mitmachen - meinen aber den HM. Das sind halt zwei paar Stiefel. Wobei ich nichts gegen HM - Läufer sagen will. Irgendwann werde ich sicher auch mal einen laufen.

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mani99 hat geschrieben:Muss mir das mal näher ansehen. Ist sicher ziemlich anspruchsvoll.

Wahrscheinlich schon, ja. Als Bestzeitenlauf sicher nicht geeignet. Aber als Spaßlauf. Und die Verpflegung unterwegs ist sicher auch nicht zu verachten, und die Spätzleparty am Vorabend auch nicht. Ich freu mich riesig darauf!
mani99 hat geschrieben:Für einen Max Frei der vorneweg läuft macht das ja nichts. Das ist schon klar.

Genau so ist es - und der Sieger war es wohl auch, der diesen Vorschlag gemacht hat. Klar. Dem kann das Gedrängel sowas von egal sein. :rolleyes2
mani99 hat geschrieben:Überhaupt finde ich die ganze Veranstaltung zu sehr vom HM dominiert.

Nicht falsch verstehen: Aber die Leute bei uns sagen, dass Sie beim Freiburg - Marathon mitmachen - meinen aber den HM. Das sind halt zwei paar Stiefel.

Da hast du recht. Ist mir auch aufgefallen.
Wobei es wohl auch ein bisschen normal ist, dass der HM dominiert - da liefen immerhin fast 10.000 mit, und beim Marathon nur 2000.
Aber ich fühlte auch irgendwie auf nette Weise elitär, dass ich zu der ausgewählten Marathon-Teilnehmerschaft gehörte und nicht zur HM-Masse. :zwinker4:
mani99 hat geschrieben:Wobei ich nichts gegen HM - Läufer sagen will. Irgendwann werde ich sicher auch mal einen laufen.

Ja, mach das. HM ist eigentlich meine Lieblingsdistanz. Immer noch schön lang, aber nicht soooo arg schmerzhaft lang wie ein Marathon.
Aber wenn Marathon und HM geboten wird, dann laufe ich einfach lieber den Marathon, wenn ich kann - Grund siehe oben. :wink:
:winken: Hase


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