Biel - mag mich nicht
Im letzen Jahr ging Biel fast wörtlich in die Hosen , dafür hatte ich mir vorgenommen zum 50. noch mal zu laufen und mich mit einem guten Resultat vom laufen durch die Nacht der Nächte zu verabschieden.
Bei meiner Ankunft kurz nach 17.00 der erste Eindruck, das viel mehr los ist als im letzten Jahr. Schlangenbildung bei den Startunterlagen (Jubiläumsgeschenk war ein Schweizer Taschenmesser, so was soll ein echter Mann ja haben müssen – nun bin ich auch einer). Viel Zeit zu abhängen, rumliegen auf der Wiese im schönsten Sonnenschein, treffen von Foris, beobachten des aufgeregten Ameisenhaufens, etwas Fußball-EM zur Anlenkung. Vorsichtig Essen und reichlich trinken. Mit dem Verzicht auf einheimischer Nahrung wollte ich das Debakel vom Vorjahr vermeiden.
22:00 endlich Start – nach genau 1:12 min begann dann mein zweites Bielabenteurer. Schneller wie 2007 als Minimalziel – aber unter 10 sollten nach der Vorbereitung möglich sein. Auf dem ersten Kilometer (wieder zu weit hinten angestellt) ungleichmäßiges Laufen bei Überholen und einsortieren. Hinein horchen in den Körper, vergleichen von Pace und Puls, wichtig das richtige Tempo zu finden, bevor man Biel verläßt, von der Dunkelheit der Nacht geschluckt wird und das für mich vollkommen ungewohnte Laufen ohne ständige Kontrolle durch die Pulsuhr kommt.
Die ersten Kilometer 5:51, 5:34, 4:55 zu schnell aber Puls im Bereich von 148-152, hellwach trotz später Stunde, ein gutes Gefühl, kein Gedanke an den noch weiten Weg.
5:26, 5:44 das letzte Kilometerschild, von nun an nur noch aller 5 km eine Orientierungsmöglichkeit.
10 km 27:44 / Gesamt 56:27 (inklusive die „verschenkten 1:12 min vom Start) ein Tick zu schnell. 5:40 min/km sollten es in der Anfangsphase sein, wichtig um die zwangsläufigen Gehabschnitte an der Verpflegung und 2-3 größeren Anstiegen zu kompensieren und in Sechser Schnitt zu bleiben.
15 km 26:42 / 1:23:09; – bei langen Läufen die gefährlichste Phase, Du fühlst Dich (sau-)gut, alles funktioniert klaglos, eigentlich könntest Du schneller - je nachdem wie ich mich in Griff habe, hält die Phase länger oder auch kürzer, danach zahlst Du die gewonnen Sekunden in Minuten zurück. Der Kopf sagt langsamer, es ist noch weit und setzt sich selten genug durch.
20 km 27:10 / 1.50:19; nun ist flach vorbei und die Strecke bekommt etwas Profil
25 km 28:34 / 2:18:43;
30 km 28:56 / 2:47:39;
35 km 27:50/ 3:15:29
Km 38,5 erster Wechselpunkt der Staffel, offizielle Zeitnahme 3:35:43 - 15 min plus auf den sechser Schnitt.
40 km 28:26 3:43:55 ......
Game over
Kilometer 40,8 aus heiter Himmel, es ist nur spärlich bewölkt und der halbe Mond spendet Licht – ein stechender Schmerz, am Ansatz der linken Wade zur Achillessehne – ohne Vorwahrung macht der Schollenmuskel zu. Der Schmerz oder die Enttäuschung treibt mir die Tränen ins Gesicht. Zum Glück ist es dunkel. Die Gedanken beginnen zu kreisen - Zeit ade ! Ziel Ade? Zeit ist ohne Ende und ich will ins Ziel. Gehen ist fast schmerzfrei, 60 km durch 6 km/Std. = 10 Std. Als Gegenmaßnahme schlucke ich Kochsalz und nehme das Notgel aus dem Trinkgurt. Beides zur Natriumversorgung – gegen Natriummangel als Auslöser von Belastungskrämpfen. Vorsichtiges antraben, der Schollenmuskel sorgt beim Abdruck des Fußes für kräftiges und schnelles Laufen. Sobald Druck auf den Fuß kommt, macht der Muskel komplett zu. Also Laufen ohne den linken Fuß zu belasten, Mehrarbeit für Rechts, nach 4-5 Versuchen habe ich den Eindruck das es besser geht, wirkt das Natrium?
45 km 35:39 / 4:19:35 – ich drücke die Uhr nur noch mechanisch ab, die Zeit ist gegenstandslos geworden. Jeder gelaufen Kilometer wird zum Geschenk. Mein Handicap und ich belauerten sich gegenseitig. Zuviel Abdruck zwingt mich sofort in den Gehschritt.
50 km 33:30 / 4:53:06.
55 km 31:32 / 5:24:37.
Bei 56,1 km ist die leichtere Hälfte geschafft, sagt man. Offiziell 5:31:13 – kein Gedanke mehr daran nicht in das Ziel zu kommen. Der berüchtigte Emmendamm ist erreicht. Ich nehme die Stirnlampe aus dem Trinkgurt und laufe immerhin 34 min früher wie 2007 in diesen Abschnitt. Der Damm ist kaum wiederzuerkennen. Die schlimmsten Wurzelstolperstellen sind ausgebessert. Mittlerweile kann ich wieder ohne ungewollte Unterbrechung durchlaufen, die Konzentration auf die Strecke lenkt ab.
60 km 30:44 / 5:55:31. Meine Uhr schreibt automatisch aller 5 km eine Zwischenzeit, an den Kilometertafel setze ich eine manuelle Zwischenzeit. In diesem Bereich gibt es einige Ungereimtheiten. Beide Werte weichen bis zum 800 m voneinander ab. Bei gleichmäßiger Differenz wäre die Kalibrierung die Ursache, aber bei Schwankungen von 100 bis 800 m stehen die Schilder nicht exakt. Im Ziel werde ich dann 100,1 km auf der Uhr haben.
65 km 30:21 / 6:25:51,
70km 31:38 6:57:29 Irgendwo zwischen 70 und 75 km überholt mich Burkhard. Zuletzt gesehen irgendwo bei Km 20 und da er für mich viel zu schnell war, ziehen lassen. Was verlaufen? ! Auch das gibt’s – nun ja wenn 100 km nicht genug sind. Auf der Jagt nach den 10 Stunden entschwindet er schnell in der Ferne.
Neue Ziele
Noch 3 Stunden für 30 km, normalerweise ein Klacks. Aber das einseitige Laufen macht langsam Probleme auf der rechten Seite – durch bewußt eingelegt Gehabschnitte versuche ich für Entlastung zu sorgen. Wenn ich versuche links mehr Kraft auf den Boden zu bringen, blockiert der Muskel und aus dem Abdruck wird ein schmerzhafter Hopser. Unter 11:04 ist realistisch und wenn kein weiter Verschlechterung eintritt auch gut zu erreichen. 11:04 was ist das für ein Quatsch. Eigentlich ganz einfach. Bei dem gewählten Speicherintervall von 5 sek, Höhen- und Pulsaufzeichnung behauptet meine Uhr 11:04 Std. Lauf aufzeichnen zu können. 2007 hatte ich sicherheitshalber 15 sek eingestellt, was sich bei 11:23:41 als weise erwiesen hat.
75 km 33:24 7:30:53 bis hier habe ich mich tapfer gewehrt aber nun ist der Sechser Schnitt überschritten
Bei km 76,6 die letzte offizielle Zwischenzeitnahme, Staffelwechsel und Ausstiegsmöglichkeit, kein Gedanke mehr daran. 7:44:27 gegen 8:39:10 im Vorjahr trotz aller Probleme ein Grund zu optimistisch sein. Gleich nach der Zeitmatte beginnt einer der steilsten Anstieg. Ich versuche erst gar nicht zu laufen. Nach knapp 1 km gehen, verflacht der Anstieg und es geht noch einen Km mäßig nach oben, danach der Abflug ins Tal.
80 km 35:36 8:06:30 Laufender/hopsender Weise bin ich wieder ganz ordentlich unterwegs. Mittlerweile peile ich die 10:30 an.
85 km 30:28 / 8:36:58 hatte ich mich 2007 auf Grund des Durchfalls nur mit Banane, Cola und Wasser begnügt, hatte ich diesmal bei jeder Gelegenheit zu den angeboten Gels gegriffen. Mittlerweile kam mir das süße Zeug zu den Ohren raus.
90 km 31:16 / 9:08:15 obwohl jetzt der letzte Anstieg kam, wollte ich nun die 10:15, aber erst Mal war gehen angesagt
95 km 34:54 / 9:43:09 noch knapp 32 min – von nun an bewegte ich mich unmittelbar auf der dünnen Linie von beginnende Schmerz und blockierenden Muskel. Vermutlich hätte ich keine Sekunde schneller laufen können.
100 km 31:21 / 10:14:30 endlich im Ziel, mein bisher härtestes Lauf, ich fülle mich total ausgelaugt, trotz 69 min besserer Zeit will sich die Freunde nicht einstellen. Zu weit bin ich unter meiner Erwartungen geblieben.
Als ich dann nach 35 min Anstehen meine Urkunde in der Hand halte, bin ich einigermaßen überrascht. Lag ich nach 38,5 km auf Platz 419, bin ich nicht wie gefühlsmäßig angenommen nach hinten durchgereicht wurden, sonder habe mich über Platz 411 bei 56,1, Platz 370 bei 76,6 auf Platz 349 im Ziel verbessert.
Ursachenforschung und Spruch des Tages
beim Rennsteig hatte ich schon deutlich Signal aus genau diesen Bereich bekommen, allerdings hat dort der Muskel nie vollständig zugemacht. Da danach weder in Mannheim, Heilbronn noch in Fellbach ähnliche Problem auftraten aber als Einmaligkeit abgetan. Als ich mit Laufen anfing, hatte ich ein regelmäßiges Strechingprgramm, das ganz eingeschlafen ist. Auch die salzarme Ernährung, wenigste für solchen Extremläufen wäre zu überdenken. Besser ist es die Krise zu vermeiden als sich daraus zu retten.
Als ich dann einigermaßen zu frieden mit einem feuchtwarmen Wadenwickel vor dem Fernseher die Fußball-EM ertrage, betrachtet meine Frau die Urkunde/ schweizerisch Diplome und äußert: „so ein langer Lauf und bloß
so eine kleine Urkunde“ (A5). Weiber
Einigermaßen zufrieden, weil sie mir nach dem kuchenlosen Dilemma in Fellbach einen Erdbeerkuchen gebacken hat. Allerdings war dessen Halbwertszeit extrem gering. Die Hälfte war gleich weg und der Rest hat den heutigen Tag auch nicht mehr überlebt.
Eine Frage stellt sich nun. Muß ich noch mal nach Biel oder lieber ein anderer Hunderter die netter zu mir ist.
Frett
Biel mag mich nicht
1Wettkämpfe: Ultra-40x; Marathon-38x; HM-3x; 10 km-3x;
PB: U-116,1km/12Std, Biel 10:14, 65km/6Std; M-3:22; HM-1:35; 10 km-44:48
2010 Senftenberg HallenDoppelmara. 3:43/3:47, Rodgau 50 km 4:24, Marburg 50 km 4:24, Kandel-M 3:26, Eschollbrü. 50 km 4:12, Dt.Weinstr. 3:35, Rennsteig-SM 7:24, Bad Waldsee 3:27, 12-Std. Fellbach 112,9 km, 80km-Fidelitas 7:50, Ermstalmara. 3:46, Immenst-Gebirgsmara. 6:16, Allgäu-Ultratrail 9:02, ebm-Papst 3:39, Wörterseetrail 6:08
PB: U-116,1km/12Std, Biel 10:14, 65km/6Std; M-3:22; HM-1:35; 10 km-44:48
2010 Senftenberg HallenDoppelmara. 3:43/3:47, Rodgau 50 km 4:24, Marburg 50 km 4:24, Kandel-M 3:26, Eschollbrü. 50 km 4:12, Dt.Weinstr. 3:35, Rennsteig-SM 7:24, Bad Waldsee 3:27, 12-Std. Fellbach 112,9 km, 80km-Fidelitas 7:50, Ermstalmara. 3:46, Immenst-Gebirgsmara. 6:16, Allgäu-Ultratrail 9:02, ebm-Papst 3:39, Wörterseetrail 6:08