Hajo hat geschrieben:Also ich finde das Buch "Ultra Marathon Man" von Dean Karnazes genial.
Hallo,
ich habe das Buch von Dean Karnazes jetzt auch geschenkt bekommen und in einem Stück verschlungen - es hat Spaß gemacht an seinen Erlebnissen ein kleines bisschen teilhaben zu dürfen und ich habe auch einige Parallelen zu mir entdeckt - nicht in der Leistung, aber in den kleinen Nebnsächlichkeiten drum herum.
Ich bin aber heilfroh, dass ich das Buch erst jetzt gelesen habe und nicht vor einem Jahr, als ich vor meinen ersten eigenen Ultraerfahrungen stand! Ich weiß nicht, ob mich seine zum Teil sehr drastischen Schilderungen von den Schmerzen und Qualen beim Ultralaufen nicht ganz davor abgehalten hätten. Zum Glück bin ich damals ganz unvoreingenommen an die Sache heran gegangen - ohne überhaupt ein Buch zu diesem Thema gelesen zu haben, ohne einen erfahrenen Lauffreund, der sich auskennt, ... - und es hat alles viel besser geklappt, als ich selber erwartet hätte.
Heftige Schmerzen, von Krämpfen geschüttelt, nur noch in der Lage zu sein auf allen vieren über die Straße zu kriechen, kurzzeitige Nachtblindheit ... alle diese Erfahrungen habe ich bislang nicht gemacht, aber ich bin auch kein Spitzensportler. Leicht ist ein Ultralauf natürlich auch für mich nicht, ich hatte auch genügend Tiefpunkte, ich bin auch schon beim Laufen kurzfristig eingeschlafen, und Blasen tun auch mir weh ... aber den Grad der Schmerzen kann man offensichtlich selber beeinflussen, wenn man nicht für eine Spitzenzeit verbissen versucht wirklich alles aus seinem Körper herauszuholen.
Zermürbend sind vielmehr die leichten Schmerzen und die ständige Anstrengung in Verbindung mit dem Wissen, dass ein Ende erstmal nicht absehbar ist - es macht sich irgendwann eine Laufunlust breit, man sucht irgendwann nach Gründen fürs Aufhören und die findet man auch, denn davon gibt es ja mehr als genug - dann braucht man entweder "mentale Stärke" oder der "innere Wusch diese Strecke zu schaffen" muss stark genug sein, um diesem eigentlich richtigen Verlangen einfach stehen zu bleiben entgegen wirken zu können.
Mein einfaches Rezept beim Ultralaufen: Ich habe keine große "mentale Stärke", ich laufe mit "mentaler Schwäche" - ich habe zum Glück einen Körper, der eigentlich von sich aus gerne läuft, den ich nicht ständig dazu antreiben muss. Bei einem Ultralauf habe ich die Abmachung mit meinem Körper, dass wir das gemeinsam machen wollen. Er darf das Tempo bestimmen und auch die Entscheidung, ob er lieber laufen oder gehen möchte, darf er selber treffen. Nur die Entscheidung den Lauf abzubrechen, die darf er nicht treffen - also hat er nur die Wahl: laufen oder gehen, was weniger anstregend ist, die ganze Sache dann aber verlängert. Ansonsten kann ich mich selber die meiste Zeit entspannt zurücklegen. Nach einer durchlaufenen Nacht ist man z.B. nach meiner Erfahrung am nächsten Tag viel ausgeschlafener, als nach einer durchfeierten oder durcharbeiteten Nacht.
Wenn der Körper dann doch irgendwann anfängt zu quengeln, dass es jetzt langsam reicht, dann sage ich mir, wir wollten das doch beide, also mach weiter - du bekommst danach auch so lange Ruhe, wie du willst. Daran halte ich mich dann auch und so sind dann 10-14 Tage komplette Laufpause bei mir nicht unüblich, bis sich irgedwann der Körper wieder von selber meldet mit einem "Hej, wie sieht's denn mal wieder mit einer Runde Laufen aus?" Wenn das Quengeln stärker wird, dann hat mir das Argument "Wir sind jetzt schon so weit gekommen, das bringen wir jetzt auch noch zu Ende - sonst waren die ganzen bisherigen Mühen ja umsonst und willst du die später noch einmal durchmachen? Wir wollten das doch beide schaffen und das machen wir auch!"
Wenn es mal gar nicht mehr geht, dann darf man nicht in Panik geraten oder verzweifeln - ich weiß, dass ich noch mehr als genügend Brennstoffvorräte (Fett) dabei habe und dass das nur eine kurze Knappheit in der Brennstoffbereitstellung ist. "Und wenn man denkt es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her ..." - das ist tatsächlich so. Nach einem Päuschen oder einem ganz langsamen Spaziergang geht es tatsächlich irgendwann weiter und jeder Tiefpunkt, den man durchstanden hat, macht einen stärker ...
... eigentlich wollte ich ja nur kurz etwas zu diesem tollen Buch schreiben, also, wer sich für den Ultralauf interessiert, bitte laßt euch durch diese drastischen Schilderungen der Schmerzen und des leidens nicht abschrecken - das sind Schilderungen eines absoluten Spitzenathlets, der Rekordleistungen erbrigen will und dafür seinen Körper alles abverlangt ... Macht einfach eure eigenen Erfahrungen und der erste Schritt zu einem Ultralauf ist auch schon der schwierigste, nämlich sich durchzuringen, sich solch einem Abenteuer zu stellen ... Es lohnt sich ...
Gruß, Manfred
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix