Prolog
Vor einem Jahr hätte ich mir den Zeigefinger auf den Kopf getippt, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich im 2012 zum Lauf-Junkie mutiere und an Wettkämpfen teilnehmen würde. Doch wie oft im Leben, wird man mit Sachen beglückt, die vorher nicht vorstellbar waren. Gut, etvl. ist dies jetzt ein wenig übertrieben formuliert. Denn in der Vergangenheit machte ich schon die eine oder andere Lauf-Runde. Und so unsportlich war auch nicht. Doch Läuferisch war ich höchstens einmal in der Woche unterwegs, gefolgt etlichen Wochen mit Nichtstun.
Nach meiner OP (Entfernung von Metal aus meinem Rücken) konnte ich auf Ende Jahr 2011 nicht mehr machen, als mich körperlich zu schonen. Die OP nutzte ich als Zeitpunkt für meinen endgültigen Raucherstop – was bis jetzt zum Glück so geblieben ist. Doch als Suchti musste da natürlich Ersatz her: So griff ich abends häufiger zu Bier und Wein und durfte zusehen, wie sich mein Körper mit einigen Fettpolstern bedankte.
Ende Dezember 2011 missfiel mir die Anzeige meiner Waage und da ich von der OP genesen war, entschied ich mich, meinem Übergewicht den Kampf anzusagen. So kaufte ich mir eine Trainingsjacke und lief in Eiseskälte fast tagtäglich meine kleinen Runden ab. Zeitgleich achtete ich auf mein Ess- und Trickverhalten – schwupps, schon schwanden meine Kilos (von 83 auf nun 74.5 kg).
Natürlich blieb dies nicht unbemerkt und mein Arbeitskollege ermutigte mich, am Berner Grand Prix teilzunehmen. Anfangs dachte ich noch, dass ich nie und nimmer da teilnehmen werde – 16 km an einem Stück ist der Tod! Doch schon bald änderte sich diesbezüglich meine Meinung und hatte von da an endlich ein Laufziel. So durchstöberte ich die Weiten des Internets nach brauchbaren Informationen, landete u.a. hier in diesem Forum, kaufte mir eine Laufbibel, diverse neue Laufkleidungen, eine Pulsuhr, Schuhe und Lauf-Magazine.
ChäsitzerLouf 2012
Nur ein paar Kilometer von Bern entfernt liegt die Gemeinde Kehrsatz, bei der, bei hochsommerlichem Wetter, der 28. ChäsitzerLouf stattfand. Mehr als 1000 Teilnehmer nahmen am 28. April 2012 am Wettkampf teil – die Meisten rannten die 12 km lange Strecke und liessen keine Wasser-Verpflegungsstelle aus, sowie ich es auch tat. Die Orga war meines Erachtens top. Denn dies war mein erster WK und dient als Vorbereitung zu meinem eigentlichen Ziel, den Berner Grand Prix.
Bisher trainierte ich fast immer bei kühlem Wetter. Mehrmals lief ich eine 12 km lange Strecken ab und unterbot dabei einige male meine gesetzte WK-Zeit. Doch diesmal war es anders. Ich spürte eine leichte Nervosität und die Hitze beeinträchtigte mein körperliches Wohlbefinden zusätzlich.
Nachdem ich mich von Frau und Kind verabschiedete und meinem Arbeitskollegen viel Glück wünschte, reihte ich mich dem 60 Minuten Startblock ein. Staunend nahm ich meinen relativ hohen Puls von 120 HF war. Der Startschuss fiel und ich orientierte mich anfangs an meinem Pacemaker, welcher mit einem Ballon gekennzeichnet war und das Tempo vorgab. Der erste Kilometer auf der Strasse war dicht gedrängt von Mitläufern – überholen war schwierig, dennoch kämpfte ich mich an die Spitze des Blocks und rannte einige Meter neben meinem Pacemaker her.
Die Rennstrecke ist grösstenteils flach – anfangs gibt es einen Abhang, welcher am Ende wieder erklommen werden musste. Die Strecke erstreckt sich rund um den Flughafen Bern-Belp und war grösstenteils einem zügigen Wind ausgesetzt, welcher Anfangs frontal kam und nach der Hälfte im Rücken lag. Ca. 1.5 km weit rannte man am Fluss, die Aare, entlang und das Blätterdach der Bäume schützte einem vor den fiesen Sonnenstrahlen. Erst beim Verlassen der Fluss-Strecke fiel mir auf, dass der Wind auch seine positive Seite hatte – dankend nahm ich die kühle Brise wahr, welcher einem bei der windgeschützten Flussroute untersagt wurde. Doch bald schon entzog sich die wohltuende Brise meinen Sinnen. Schleichend benebelte die Sonne mein Geist, sowie mein Wohlbefinden.
Schon ab Kilometer 3 lief ich meinem Pacemaker davon. Irgendwie war mir sein Tempo nicht ganz geheuer, resp. zu langsam – aber gleichzeitig hatte ich auch Angst davor, dass mich ein Einbruch ereilen würde. Die Pulsanzeige auf meinem Wecker unterstützen meine Bedenken: eine HF von 190 ist schon recht heftig. Doch Geschwindigkeit konnte ich nicht rausnehmen. Denn mein Pace betrug um die 5 Minuten pro Kilometer und ich wollte ein zeitliches Polster für den Schluss-Aufstieg haben.
Zum Glück waren regelmässig Trinkstationen vorhanden. Ohne diese hätte ich sicherlich einen Einbruch erlitten. Stets nahm ich einen kleinen Schluck Wasser aus dem Becher und goss mir den Rest über mich. Zweimal lief ich unter einer Duschstation durch – die Abkühlung weckte meine Lebensgeister und so konnte ich die nächsten hundert Meter im schnelleren Tempo absolvieren.
Ab Kilometer 6, also ab der Hälfte der Strecke, überholte ich kontinuierlich Läufer um Läufer. Dabei begegnete ich um die 5 Läufer, welche eingebrochen sind. Und wieder verfolgten mich meine Bedenken vor einem eigenen Einbruch. Was ich am wenigsten wollte, war, dass ich von Läufern überholt werden, welche ich zuvor überholte. Dieser Pein wäre wohl mein Ende des Wettkampfes gewesen. Doch zum Glück lief mein überhitzter Motor flüssig und meldete keine kommende Aussetzer. "Nur nicht schlapp machen" lautete meine Devise und sehnte mich nach einem kühlenden Pool.
Vor lauter stetigem, aber gemächlichen Überholen achtete ich mich nicht mehr gross auf meine Zwischenzeiten. Das Gefühl sagte mir, dass ich wohl locker mit Sub 60 Minuten das Ziel erreichen würde. Schliesslich hatte ich bei den ersten beiden Kilometer eine deutliche 4.30 min/km gemacht. Bei Kilometer 11 betrachtet ich meine bisherige Gesamtzeit und erschrak innerlich. Die Uhr zeigte 54.30 min an. Somit hatte ich noch 5.30 min zur Verfügung – meine Kräfte waren am Ende und der letzte Kilometer ging aufwärts. Was natürlich moralisch eine tolle Kombination ist. Andererseits musste ich nur noch einen letzten Kilometer machen. So drückte ich nochmals auf Tube... schneller wurde ich nicht, doch auch nicht langsamer. Meter um Meter kämpfte ich mich die Anhöhe hinauf. Meinem Pulsmesser würdigte ich keinen Blick mehr – die hohe Pulsanzeige hätte mich nur zusätzlich demoralisiert (bei der Auswertung sah ich, dass da mein Puls die 200er Marke überschritt!) . Ich saugte die feurigen Zurufe der Zuschauer auf und konnte sogar auf die letzten paar hundert Metern den eine und anderen überholen. Auf der Zielgeraden hätte ich dies weiterhin machen können, doch ich unterliess es – die Forumsdiskussion "Ob es Erlaub sei, auf der Zielgeraden jemanden zu überholen" kam mir da in den Sinn. Zudem wusste ich schon vor dem Durchlaufen des Zieles – die Sub 60ig waren geknackt!
Strecke: http://www.chaesitzer-louf.ch/pdf/K_2012Strecken.pdf
28.04. : 12 km - 59:46 min - ø Pace 4:59 min/km - ø HF 187
10.04. : 12 km - 57:28 min - ø Pace 4:48 min/km - ø HF 178
16.03. : 12 km - 57:32 min - ø Pace 4:48 min/km - ø HF 178
Fazit
Der erste WK hat mich einiges gelehrt. Und hoffentlich werde ich diese Erfahrungen am Berner Grand Prix verwenden können. Doch ich denke, dass an diesem WK neues auf mich zu kommen wird. Am meisten Schiss habe ich vor der Hitze. 27° Grad ist für mich momentan noch zu heftig. Am WK kreisten meine Gedanken meistens nur um diese beschissene Hitze. Da fragte ich mich einige male, ob ich so den Grand Prix mit Sub 1.20 h prestieren würden. Und wie machen es die Ultarläufer, welche tagelang in brütender Hitze durch die Wüste rennen? So was ist doch einfach unmöglich! Doch Rückblickend ist mir auch bewusst, dass ich es nicht für möglich gehalten hätte, jemals einen 12 km WK zu meistern. Ergo heisst es: abwarten und Tee trinken. Denn die Antwort werde ich in 2 Wochen erfahren. Und noch was positives: kein Muskelkater, kein Wehwechen erinnert mich jetzt an meine vergangene WK-Premiere! Das Training hat sich ausbezahlt und kann bis zum Berner Startschuss weiter verfolgt werden.
ChäsitzerLouf - meine WK-Premiere
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