Bislang hatte ich mich zu Samuel Wanjirus Tod nicht zu Wort gemeldet. Auch zu Wouter Weylandt habe ich bisher geschwiegen. Ebenso wie zu Peter Seiferts Unfall.
Das hat aber nicht, wie weiter oben schon allgemein gemutmaßt wurde, mit mangelndem Interesse ("nur ein Radfahrer") zu tun oder daß mir solche Geschehnisse nicht nahe gingen. Im Gegenteil. Es erschreckt mich zutiefst, daß ein Menschenlegen derart jäh zu Ende gehen kann wie das einer Fliege, die man an die Wand klatscht. Aber es gibt eben Dinge, zu denen man vielleicht besser schweigt und stattdessen einfach nur in die nächste Kirche geht und eine Kerze anzündet oder was man sonst für wortlose Gesten pflegt.
Trotzdem noch ein paar Gedanken:
Bei Samuel Wanjiru haben wir erlebt, wie dicht sportlicher Ruhm und privates Elend oft beieinander liegen. Was ich jetzt so grausam finde, ist, daß es keine Chance mehr gibt, das Leben wieder in den Griff zu kriegen und wieder auf die Beine zu kommen. Sportlich ist Samuel Wanjiru ein Vorbild für viele Menschen gewesen, die an ihm gesehen haben, wie man es aus einfachsten Verhältnissen ganz nach oben schaffen kann. Aber auch als jemand, der hinfällt und wieder aufsteht, hätte er zum Vorbild werden können. Auch wenn man das bei uns nicht recht versteht, weil Leute, denen man derart deutlich anmerkt, daß sie auch nur Menschen sind, als Vorbilder normalerweise nicht akzeptiert werden. Schon gar nicht, wenn sie ihre Frau mit der Kalaschnikov bedrohen. Niemand von uns ist besser, und wahrscheinlich neigen wir alle mehr oder weniger dazu, auch enge Beziehungen einfach in die Tonne zu treten. Samuel Wanjiru mag hier als Zerrspiegel gewirkt haben, aber auch ein Zerrspiegel ist nun einmal ein Spiegel.
Wer allerdings diese schillernden Vorbilder aushält, hat vermutlich bereits zu einer persönlichen Reife gefunden, bei der er/sie gar keine Vorbilder mehr benötigt. So jemand sollte es aber auch nicht nötig haben, den Toten auch noch hinterherzutreten. Andernfalls ist das vielleicht ein Indiz dafür, daß es an der besagten Reife noch mangelt.
Wie auch immer - mit ihm als (oft allzu-)menschlichem Vorbild ist es nun leider vorbei. Und es ist mir völlig egal, ob da irgendetwas spontan über ihn gekommen ist oder ob es ein saudummer Unfall war. Den Begriff "Selbstmord" halte ich für überholt. Er stammt aus einer Zeit, in der die Kirche noch dekretieren konnte, daß es eine Todsünde ist, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, aber nach wie vor haftet dem Begriff etwas stark Unmoralisches an. Wer ihn verwendet, spricht damit also oft ein moralisches Urteil, das ihm nicht zusteht.
Aber jetzt habe ich schon mehr geschrieben, als ich wollte. Eigentlich habe ich zu alldem nur eins zu sagen:
[font="]إِنَّا لِلّهِ وَإِنَّـا إِلَيْهِ رَاجِعونَ[/font]