Wobei ich überrascht feststellen muss. Nachtläufe liegen mir anscheinend und haben für mich zwischenzeitlich ihren ganz eigenen besonderen Reiz. Dieses Mal hatte ich zwar zwischen km 30 und 50, d.h. von 2:30 bis 5:00 Uhr, das Verlangen nach Schlaf, aber mit dem Erwachen des Tages war das weg. Dazu hatte ich mal wieder Glück mit dem Wetter. Keine durchregnete, kalte Nacht wie befürchtet, sondern trocken, windstill und ein fast vollkommener Vollmond. Natürlich war es psychologisch trotzdem eine harte Nummer, direkt im Start/Ziel Gebiet, nach jeder der 4 zu absolvierenden Runden anzukommen. Da dort auch mein Auto relativ ortsnah geparkt war. Ich beschloß nach der Hälfte diesem einen kurzen Besuch abzustatten und meine Schuhe zu wechseln. Wobei ich ja zwischenzeitlich eigentlich wissen sollte, das dies nur ein kurzer mentaler Erfolg sein wird um dem Schweinehund Paroli zu bieten.
Bis dahin hatte ich schon einiges an Eindrücken zu verarbeiten. Ein bombastischer Start mit dem von Vangelis untermalten Feuerwerk. Die Runde auf der Laufbahn, begleitet vom Rauch bengalischen Feuers. Leider ging es irgendwann raus auf die Strecke und über 100 Wagemutigen 100er laufen mit dem Feuerwerk im Rücken. Immer nach vorne blickend, über den Parkplatz zur Straße, die ersten Meter raus aus der Stadt. Um kurz darauf die erste Straße zu queren. Trotz Streckenposten, nicht ratsam diese blindlings zu passieren, weil der Verkehr nicht aktiv angehalten wird. Hier hätte ich mir mehr Selbstbewußtsein vom Veranstalter gewünscht, die Straße kurzfristig nur für die Läufer freizugeben. Etwa nach 1,5 km kommt der Teiler. Links abbiegen bedeutet, 30 km Runde (1. und 3.), Rechts, 20 km Runde (2. und 4.). Von oben betrachtet ähnelt die zu absolvierende Strecke einer liegenden Acht, mit mittigem Start-/Zielbereich. Bedeutend einfacher war meine heutige Anreise. Genau 100 km vermeldete mein Navi, für die Fahrt von der heimischen Garage bis zur Blausteiner Sporthalle. Jetzt unterwegs auf den zweiten 100 Kilometer. Ohne Navi. Verlaufen oder verirren sind Attitüden, die der Herr Schauläufer für's Erste aus seinem Repertoire streichen kann. Die vorbildliche Streckenmarkierung mit blinkenden farbigen Hütchen, Knicklichtern und reflektierenden gelben Richtungspfeilen, ist ein Garant dafür die Strecke nicht unfreiwillig künstlich zu verlängern.
Noch ist die Strecke topfeben und zieht sich gegen den Uhrzeigersinn in das Tal der Blau. Zeit die Nacht auf sich wirken zu lassen. Noch fühlt sich alles gut an. Psyche und Physe sind im Flow. Die Teilnehmer dicht beisammen und gut sortiert. Mir wird schon einige Kilometer später gewahr, dass ich heute kein Fersengeld geben werde. Denn besagte Fußbereiche sind schon jetzt dabei mich zu ärgern. Schweinehund ist zufrieden. Dieses Mal, so hofft er, kriegt er mich dazu ein vorzeitiges Ende in Erwägung zu ziehen
Nicht nur im Mondschein, auch im zarten morgendlichen Sonnenlicht, war es erneut das Blautal, das meinen Sinnen die Energie gab um den schmerzenden Beinen Paroli bieten zu können. Warum hatte ich mir nur nicht mein Smartphone mit aus dem Auto geholt. Diesen wunderbaren Anblick, wie der Tau aus Wiesen und Feldern aufstieg, dass versuchte ich nun notgedrungen im Gedächtnis abzuspeichern. Danach ging es stetig wieder bergauf. Dieses Mal wanderte ich frühzeitig. Ich futterte bereits mein 4. Gel und an den VPs hatte ich einige der angebotenen Müsliriegel verputzt. Trotzdem hatte ich mittlerweile ein ziemlich flaues Gefühl im Magen. Hungerast? Mein Tempo nahm nun merklich ab. Die Müdigkeit wich nur langsam und die Beine rebellierten gefühlt schon seit über 20 km. So ging - oder lief - Kilometer für Kilometer, schleppend dahin. Alle 5 km ein Schild, das im Abgleich mit der eigenen Messung am Handgelenk, mitterweile um über 2 km differierte.
In der Ferne ragt eine Kirchturmsspitze über die Wiesen hinaus. Aha, es geht Richtung Ulm. Noch einen Anstieg, gottseidank nicht so langandauernd wie die erste Steigung der 30er Runde, dann ist es bald geschafft. Wieder der Einlauf ins Stadion. Diesmal verweile ich nur kurz dort. Raus in die letzte Runde. Wieder nach rechts. Kurz danach geht es mitten durch den Friedhof von Herrlingen. Beim ersten Mal, in der mondhellen Nacht, hatte das ganze etwas unheimliches, gespenstisches und unwirkliches an sich. Nun das es heller ist, erschaudert es mich plötzlich auch. Hier ruht Ernst Rommel lese ich auf einer Gedenktafel. Düstere Zeiten, an die ich gerade nicht denken möchte.
Drum verpasse ich wohl auch den nächsten VP. Und nach diesem kommt wieder die gemeinste Steigung des Rennens. Ewig zieht sich die asphaltierte Straße bis zur Hocheben von Bermaringen. Dort bin ich ziemlich platt. 90 km. Unverhofft werden von den freundlichen Helfern am VP Würstchen offeriert. Ja, das könnte meinen Magen ruhig stellen. Ich beschließe eine längere Pause zu machen. Die SUB 12 sind eh nicht mehr zu machen. Und die Mission für heute lautete ursprünglich: Trainingslauf. Das war mir auf den ersten Kilometern, im allgemeinen Wettkampfgetümel, irgendwie abhanden gekommen. Und zwischenzeitlich musste ich für die frühzeitig, leichtfertig, verschossenen Körner büßen. Weiter über ein morastiges Wiesenstück. Hier hatte ich in der Nacht meine Hokas eingesaut, dank der erstmalig getragenen wasserdichten Socken, aber keine Kellerfeuchte bekommen. Über stark übelriechende, überdüngte Felder ging es weiter zu einer Schafsfarm. Auch dort ländlich idyllischer Geruch tierischer Abfallprodukte. Dann endlich - abwärts.
Am Schluss, nochmals dieses nicht enden wollende Tal der Lauter und die Realisierung der Tatsache, dass es bis zum ersehnten finalen Stadioneinlauf wohl mindestens 2-3 km mehr werden würden, als es der Garmin verhieß. GPS-Abweichung hin oder her, andere Teilnehmer hatten hinterher auch die Mutmaßung, das heute etwas mehr Kilometer im Angebot waren als Sie bezahlt hatten. Das war mir Prüfung genug für heute. Mal sehen was die müden, schmerzenden Beinen dazu sagen werden, wenn es nächsten Samstag bereits zum nächsten nächtlichen Wahnsinn nach Karlsruhe geht. Ich denke diesmal werde ich das Zeitlimit (16 Stunden) mehr auskosten als 2015 (7:57) und für einige der 80 km besser rechtzeitig das Wandern, als bevorzugte Gangart entdecke. Bevor ich mich ganz abschieße in Hinblick auf Berlin.
Was ich immer wieder erstaunt feststelle. Nach so einer durchlaufenen Nacht sind nur die Beine müde. Ich nicht. Nach dem emotionslosen Zieleinlauf konnte ich im Bad in Blaustein alles kostenfrei nutzen. Also bin ich nach dem Duschen in die Sauna, ein paar Bahnen geschwommen und dann sogar noch auf die Röhrenrutsche geklettert. (1-mal hochsteigen hat mir komischerweise gereicht

Zuhause angekommen bin ich weiterhin frisch, nur die Gangart war schon eleganter und der Geschwindigkeitsschnitt zwischen Couch und Kühlschrank schon sportiver. Ich gehe dann abends, so spät wie immer schlafen und stehe nach gut 8 Stunden ausgeruht wieder auf. Bis auf die Beine. Frei nach einem Horrorstreifen erinnern Sie mich: „Wir wissen was du letzte Nacht getan hast.“ Nicht zum letzten Mal. Fortsetzung folgt. Demnächst in Karlsruhe, Dettenhausen, Bretten? Und dann Berlin.