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20 Jahre! – Und dann so was Hässliches!

20 Jahre! – Und dann so was Hässliches!

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Ich war mir so sicher gewesen: Das ist der absolut hässlichste Pokal, den es gibt. Schlimmer geht’s nimmer! Das war vor 1 ½ Jahren gewesen. Doch ich sollte mich irren. Es geht noch hässlicher, wie ich heute erfahren musste. Damit nehme ich den Ausgang des Rennens zwar schon vorweg, aber dieses ist auch nicht so wahnsinnig interessant, dass es sich darüber zu berichten lohnte.

Der Anlass für diesen Bericht ist eher eine leichte Perversion, genauer ausgedrückt mein Hang oder Fetischismus für Zahlen. Aber mal ehrlich: 7.305 Tage sind doch wohl einen Bericht wert, oder? Ach so, ja, kann man natürlich auch anders darstellen, dann sind es exakt 20 Jahre! Vor 20 Jahren, am 27.2.1994, durchlebte ich meinen ersten Wettkampf. Es war ein Ereignis zum Abschrecken gewesen: Ich rannte mit den Ersten los, wie ich es von meinem kleinen Lauftreff gewohnt war: nur dass dies hier a) ein Wettkampf war und b) die Läufer auch ’ne ganze Ecke flotter liefen, um’s mal vorsichtig auszudrücken.

Es hatte etwa bis zum ersten km-Schild gedauert, als mir klar wurde, dass das definitiv nicht mein gewohntes Tempo war, bis zu km 3, als ich mich als einzigen Klumpen Schmerz empfand, bis km 5, als ich das Gefühl hatte, dass ich diesen Tag nicht überleben würde, und weitere unendlich sich hinziehende 5 1/2 km, bis ich endlich erlöst war, sowie weitere Stunden, bis ich langsam ins Leben zurückgekehrt war, mit so ziemlich allen Blessuren, die man sich vorstellen kann.

Einzig mein preußisches Pflichtbewusstsein hatte mich gehindert, der ach so zarten Versuchung nachzugeben, einfach stehen zu bleiben. Es war ein Staffelmarathon gewesen, und man hatte mich als Startläufer in das zweite Team gesteckt. Das Ehrgefühl hatte über den geschundenen Körper gesiegt. Mit der ersten Wettkampfzeit meiner Läuferkarriere von 43:30 min für den Viertelmarathon, d. h. knapp über 41 min auf 10 km hatte ich immerhin zum Erreichen des 61. Platzes aller männlichen Staffeln beigetragen.

Dieser Tag, ein Sonntag, der 27.2.1994,hatte ohne Diskussion und langes Hin und Her zu dem unumstößlichen Entschluss geführt: Wettkämpfe sind etwas für Masochisten, also nicht für mich. Das war’s gewesen, so einen Scheiß brauch’ ich nicht, ich nicht!

Immerhin hatte dieser unumstößliche, durch nichts zu beeinflussende Entschluss 3 Wochen überlebt. Aus einem einzigen in meinem Leben wurden dann in den folgenden 20 Jahren 546 Wettkämpfe, und als der 27.2.2014 näher rückte, dachte ich mir, ich sollte an diesem Tag eine Art Jubiläumslauf machen. Indes, ich musste die Erfahrung machen, dass Papst Gregor XIII. einen blöden Kalender fabriziert hat. Denn der 27.2.2014 fiel auf einen Donnerstag, und am Donnerstag gibt es keine Wettkämpfe.

Mein Ansatz, den Jubiläumstag sozusagen einzukreisen, sah dann so aus, dass ich am Wochenende davor und dahinter je einen Wettkampf bestreiten wollte. Unglücklicherweise fühlte sich kurz davor mein Heuschnupfen einsam, suchte nach einem Partner und konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er sich mit dem auf den Bronchien liegenden Schleim, dem daraus resultierenden Quasi-Keuchhusten oder den angekratzten Stimmbändern paaren sollte.

Da ich – der aufmerksame Leser wird dieser Information einen leicht zugänglichen Speicherplatz in seinem Gedächtnis zugewiesen haben – zwar Fetischist, aber kein Masochist bin, beschloss ich, die Umzingelungsstrategie aufzugeben, das Prä-Jubiläum auszulassen und den Fokus auf das Post-Jubiläum zu legen. Die erste Möglichkeit bot sich am Samstag, dem 1. März. Da wären dann aus den 20 Jahren oder 7.305 Tagen eben schon 7.507 Tage geworden. Aber egal: 20 Jahre Wettkämpfe schmückten meine Vita, nur etwas weniger als ein Drittel meines bisherigen Lebens.

Es gab einen kleineren Volkslauf in der Nähe:in einer Stadt mit einem Fußballverein, der vor langer, langer Zeit den heutzutage übermächtigen Bayern ebenbürtig Konkurrenz gemacht hatte. Richtig zuversichtlich war ich nicht, was die erzielbare Zeit anbelangte, denn der auserkorene Lover, der Husten, hatte es sich gemütlich eingerichtet und fast sogar den Heuschnupfen aus seinem Heim verdrängt. Wie ein richtiger Macho hatte er in den letzten Tagen nach den Läufen meistens ordentlich auf den Putz, sprich die Lungen gehauen.

Praktischerweise begann es kurz vor dem Start auch noch zu regnen. Eine kleine (1,9 km) und 3 große (2,7 km) Runden sollten zusammen die 10 km ergeben. Auf der kleinen Runde liefen erstmal zig Läufer an mir vorbei; juckte mich aber nicht, denn nach dem Desaster vor 20 Jahren habe ich mir angewöhnt, möglichst gleichmäßig meine km abzuspulen, und so wollte ich es auch heute zum Jubiläum halten. Nicht ganz unerwartet lief ich dann in den folgenden Runden so nach und nach wieder auf die Vorgepreschten auf. Irgendjemand muss wohl den Wolken zugerufen haben: „Ey, ihr da, da is’n Jubi-Läufer dabei, lasst den mal in Ruhe“, denn es war nun doch wieder trocken geworden und eigentlich auch ganz gutes Laufwetter.

Immer so zwischendurch hatte ich mal auf die Uhr geschielt und gesehen, dass ich sogar knapp unter einem 4-er Schnitt lag. Zur Hälfte waren es ca. 10 sek unter 20 min, und ich dachte mir, dass es wohl ratsam sei, den Lauf unter 40 min zu beenden. Zum Glück hielt sich mein Husten brav zurück, und um es vorweg zu nehmen, auch im Ziel belästigte er mich kaum. Er war wohl schon vorher geschwächt gewesen und akzeptierte offensichtlich, dass er nix mehr zu melden hatte.

Schon nach den ersten Metern dieses Laufes hatte ich spekuliert, ob ich einen meiner Konkurrenten wohl wieder einfangen würde. Das war nämlich so: 2 Wochen zuvor war ich einen Cross gelaufen, der aber dem Streckencharakter nach eher ein hügeliger Waldlauf gewesen war. Dort hatte ich gemutmaßt, dass besagter Läufer meiner Altersklasse angehörte, ihn nicht zu weit weg laufen lassen und nach der Hälfte der Strecke passiert. War alles gar nicht notwendig gewesen, denn er gehörte der AK M50 an. Dieser Läufer war nun heute auch dabei, hatte sich wohl so 100 bis 150 Meter abgesetzt, und das kam mir doch recht weit vor.

Wie es aber in die letzte Runde ging, wurde der Abstand kürzer und kürzer, bis ich vollends aufgeschlossen hatte. Wir liefen in einer 5-er Gruppe, und als das km-Schild 8 passiert war, gedachte ich, nun flott durchzulaufen, sah mich auch leicht vorne. Das Keuchen hinter mir wollte aber nicht verstummen. Ich wähnte einen der Läufer knapp hinter mir, bis irgendwann plötzlich mein Cross-Waldlauf-M50-er von vor 2 Wochen sich knapp vor mich setzte. Und nun wurde der Lauf doch noch einmal spannend. Wir beschleunigten beide, der Rest der Gruppe fiel zurück. Die letzten 1,5 km spielten wir Ziehharmonika. Hatte gerade noch ich Tempo gemacht und mich an die Spitze gesetzt, zog mein Konkurrent wieder an und ging vorbei, woraufhin ich nochmals beschleunigte, mich nach vorn bewegte, und das Spielchen begann von neuem.

Die letzten 600 m ging es auf schnurgerader, ebener Straße dem Ziele zu, das schon von weitem zu erkennen war. Wir hetzten uns gegenseitig, keiner wollte den Zweikampf verloren geben. Etwa 100 m vorm Ziel, bei einer erneuten Attacke meines Mitbewerbers konnte ich nicht mehr kontern und musste einen kleinen Abstand lassen. Zu allem Ungemach musste ich erkennen, dass wohl einer aus der Gruppe hinter uns sich heran gekämpft hatte und ebenfalls vorbeigehen wollte. Na, das ging aber nun doch nicht! Also gab ich den letzten Rest, hielt den Abstand, und mit einer Zeitdifferenz von je einer Sekunde liefen wir 3 durchs Ziel.

Durch die wilde Hetzjagd war immerhin noch eine 39:23 heraus gekommen. Vor 12 und vor 16 Jahren war ich hier schon mal gelaufen, beide Male mit einer 37-er Zeit. Wenn ich bedenke, dass ich nun, im letzten Jahr der M60, gerade mal 2 Minuten langsamer war als damals in der M45, bin ich eigentlich recht zufrieden mit dem heutigen Ergebnis. Allerdings: vor 16 Jahren war ich 2 min schneller gewesen und auf Gesamtplatz 30 der Männer gelandet, heute reichte meine langsamere Zeit sogar für Platz 16. Schneller sind die Läufer also nicht geworden, seitdem ich vor 20 Jahren meinen ersten Wettkampf gelaufen bin.

20 Jahre und mit dem heutigen 547 Wettkämpfe!
Die Zahl hätte sogar eine runde sein können, aber 3-mal beendete ich einen Lauf vorzeitig: 2-mal zwangen mich Herzrhythmusstörungen dazu, und ein drittes Mal verlor ich an einem Schuh die Vordersohle samt Spikes. Da war nur noch ein würdeloses Hin- und Her-Geeiere möglich.

Die meisten der absolvierten Wettkämpfe waren Zehner, nämlich 164,
gefolgt von Marathons mit 81 Teilnahmen,
Halbmarathon habe ich 63-mal unter die Füße genommen.
Die kürzesten Wettkämpfe waren 800 m-Läufe, die längsten 100 km lang.
Die nächst gelegenen Wettkämpfe waren einige, die fast vor meiner Haustür lagen,
der entfernteste der Sydney City-to-Surf-Fun-Run (ein Zufallstreffer anlässlich unserer Australienreise).
Letzterer war auch der mit Abstand teilnehmerstärkste, den ich je gelaufen bin:
mit über 64.000 Startern und 48.000 Finishern.
Die wenigsten Teilnehmer zählte ein 1.500 m-Bahnlauf mit 5 Teilnehmern und „im Freien“ ein Crosslauf mit ganzen 7 Läufern.

Streckenmäßig habe ich die ganze Palette durch: Bahnläufe, Straßenläufe, Crossläufe, Landschaftsläufe, Bergläufe.
Und auch wettermäßig ist mir in den 20 Jahren nichts fremd geblieben: von Rennen in klirrender Kälte mit Minusgraden bis zu Hitzeläufen mit über 35°, ideales Laufwetter ebenso wie Dauerregen, Schnee mit kaum noch Sicht und Sturmböen, die fast kein Fortkommen mehr ermöglichten.

Bei den Preisen habe ich Brauchbares ebenso wie Schrott mitgenommen, für die Pokale habe ich mir irgendwann ein Regal zugelegt. Bewacht werden sie von einem der klobigsten und hässlichsten Exemplare, die man sich denken kann. Nie habe ich geglaubt, dass dieses Monstrum noch zu toppen wäre. Und doch: nachdem ich einige Zeit gewartet hatte, wurde mir zum 20-jährigen Jubiläumslauf der mit Abstand hässlichste Pokal aller Zeiten überreicht. Wichtiger Warnhinweis: Clicken auf eigene Gefahr!

Nachdem es zum 20-Jährigen mangels Angebot nicht geklappt hat, am „richtigen“ Jubiläumstag zu laufen, habe ich mich erkundigt, wie denn die nächsten Jubiläen so liegen. Aber ich muss feststellen, dass, solange der Gregorianische Kalender vorherrscht, es in diesem Leben wohl nichts mehr werden wird. Erst das 50-jährige Jubiläum fällt lauffreundlich auf einen Samstag. Nur ob ich dereinst die Ergebnislisten der M90 auffülle, da habe ich doch so meine Zweifel.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Gratulation zum Jubiläum und Respekt vor Deiner bisherigen Laufkarriere. :beten: Auf die nächsten 20 Jahre. :prost:
Finde den Pokal übrigens nicht übermäßig häßlich, aber liegt wohl daran, dass ich kaum Vergleichsobjekte besitze und über Geschmack wollen wir auch nicht streiten. :D
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Schönes Ding! Also der Bericht. Auch wenn ich Deinen Fetischismus für Zahlen nicht teilen kann, eine sehr interessante und anschauliche Rückschau. Beeindruckend ist Dein preußisches Pflichtbewusstsein - sowohl Dir als auch anderen gegenüber. Wie bist Du denn zum Laufen gekommen (auch wenn ich mit der Frage Gefahr laufe, mich als unaufmerksamer Leser zu entlarven)?Gruß
Jan
„Wenn man gut durch geöffnete Türen kommen will, muß man die Tatsache achten, daß sie einen festen Rahmen haben." (Robert Musil)

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Also was man an den Pokalen generell finden kann ist mir eh schleierhaft. Eine Bekannte hat lauter Vitrinen im Wohnzimmer - da sind nur hässliche Pokale drin. Mittlerweile kriegst du ganze Serien für unter 100 Euro. Meistens kommen die aus China und so sehen die auch aus. Krumme schiefe Sockel, scharfe Gußkanten und von 12 fallen meistens schon 2-3 von selbst auseinander. Es gibt nicht wenige die die nach der Siegerehrung einfach - äh - vergessen.

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coldfire30 hat geschrieben:Wahnsinn, da kann man nur sagen :respekt: :beten:
Danke!
Ethan hat geschrieben:Wie bist Du denn zum Laufen gekommen (auch wenn ich mit der Frage Gefahr laufe, mich als unaufmerksamer Leser zu entlarven)?
Das ergab sich am Ende eines Urlaubs und war so etwas wie eine Sinnfrage: Schlaff ich mit (damals) 42 ab und lass mich hängen, oder betätige ich mich irgendwie? Also Ziel war zum einen, nicht langsam zu verfetten, und zum anderen, nicht gänzlich unfit zu werden. Daher war das am Anfang ein reines Fitnesslaufen. Ich merkte aber auch, dass mir die körperliche Betätigung Abstand vom beruflichen Stress und mehr Gelassenheit brachte. Erst später, als ich feststellte, dass mir die Lauferei ganz gut lag, kam sportlicher Ehrgeiz dazu, wobei sich Trainingsumfänge im Laufe der Zeit steigerten. Am Anfang hätte ich mir nie vorstellen können, einmal 100 (!) km pro Woche oder sogar noch mehr zu laufen.
Stranger hat geschrieben: Finde den Pokal übrigens nicht übermäßig häßlich,
Siegfried hat geschrieben:nur hässliche Pokale
...
Meistens kommen die aus China und so sehen die auch aus.
Das würde ich jetzt unter der Rubrik Siegfried'scher Rumdumschlag verbuchen. Es gibt viele "neutrale" Pokale (okay, aber nix Besonderes), und dann gibt es einige richtig pfiffige und gelungene Exemplare. Einige wenige hatte ich nach dem bisher hässlichsten als Beispiele mal hier eingestellt (natürlich nicht der ganz rechte).
Essmann hat geschrieben:Vielleicht hat man den Pokal erst herausgeholt ( ... und unten die Plakette aufgeklebt) als sie Bernd gesehen haben?
Tja, hätt vielleicht sein können. Die Monstren waren aber bereits vorher alle aufgereiht - als Abschreckung?

Bernd
Das Remake
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Hallo Burny,

gratuliere dir zum 20. Laufgeburtstag!!! Deine Dokumentationstugend beschert mir ein kräftiges Staunen!!!! Weiter so .... ich freue mich auf den Bericht zum 27.02.2044 ... ;-))))

Viele Grüße
Andrea

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burny hat geschrieben: Das würde ich jetzt unter der Rubrik Siegfried'scher Rumdumschlag verbuchen.
Wieso Rundumschlag? Ich hatte in den letzten 20 Jahren schon genug von dem Kram in den Fingern. Vielleicht mehr als Du ;-)

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burny hat geschrieben:Danke!

...Tja, hätt vielleicht sein können. Die Monstren waren aber bereits vorher alle aufgereiht - als Abschreckung?

Bernd
Hach ja, das Leben ist "hardt" :wink:

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Hallo Burny!
Natürlich auch meinen ehrfürchtigen Glückwunsch zu Deinem -auch noch sehr erfolgreichen- Wettkampfjubiläum (inclusive wunderbaren Berichtes)!
ABER ich finde immer noch, dass der blaue Pokal, der Chef, der absolut ungeschlagene Häßlichste ist! :klatsch:
Tja, Geschmäcker sind verschieden... :D
Grüße,
Sanne

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Da schließe ich mich einfach mal an:

Herzlichen Glückwunsch und riesen :respekt: :hallo:
Viele Grüße

Jürgen

"... its aint over till
it's over ..."
"... es ist nicht vorbei,
bevor es vorbei ist ..."

-Zitat: Rocky Balboa- :wink:

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Toller bericht!!!
Und von mir auch vollem Respekt für diese über jahre hinweg gebrachte Leistung und die Zeiten. Da kann sich so mancher ne Scheibe abschneiden!!!
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