Das ist ein durchaus langer Bericht mit vielen Details aber ich wollte mich einfach nicht kürzer fassen

Die 10 Wochen für die direkte Vorbereitung liefen dieses Jahr sehr gut, überhaupt das ganze Jahr lief bisher toll mit ca.1700 Kilometern. Als Vergleichswert hatte ich vor 2 Jahren vor dem Marathon nur ca. 1100 Kilometer gesammelt , ich hatte also viel mehr Kilometer in den Beinen und bin dadurch körperlich wesendlich robuster geworden. Ab und zu gab es Probleme mit der linken Achillessehne und rechts an der Hüfte aber nicht so stark das irgendeine Einheit hätte ausfallen müssen.
Nach dem ersten Marathon vor genau 2 Jahren den ich in 4:29 h lief wollte ich mir nie wieder einen Marathon antun, allerdings sagte ich mir wenn ich irgendwann mal den Halbmarathon unter 1:50h laufe, besteht eine realistische Chance den Marathon unter 4 Stunden zu beenden. Da ich nun blöderweise diese Marke geschafft hatte, musste ich mein Glück norchmal veruschen. Mit Unterdistanzleistungen von 10km in 46:29 min und HM in 1:46:51 war die angestrebte 3:59:59 fast schon zu passiv. Trainiert hatte ich nach dem Steffny 3:59h Plan und konnte ihn außer 2 getauschten Wochen genauso umsetzen.
Ich habe bei der Anmeldung zum Marathon gelogen, da man sich ja bereits 1 Jahr vorher anmelden muss um einen Startplatz zu ergatter, habe ich als Bestzeit eine Zeit von 3 Stunden 58 min angegeben den ich in Wien "mitgelaufen" bin. Alles nur um in den richtigen Startblock zu kommen, hätte ich meine Ehrlichen 4 Stunden 29 min angegeben wäre ich im letzten Startblock gelandet und hätte mich durch die Massen wühlen müssen ( was sehr viel Zeit, Nerven und Kraft gekostet hätte) . Gottseidank werden diese Zeiten nur Stichpunktartig gerprüft (wenn überhaupt) und ich sollte dann wirklich vom Startblock "G" starten dürfen.
Es gab ein Problem bei der Anmeldung, man entscheidet sich entweder für den Kleiderbeutel im Start/Zielbereich oder man bekommt einen Poncho . Da im Oktober letzten Jahres noch nicht damit zu rechnen war das meine Freundin Isabel auf Kreuzfahrt ist wärend des Marathons habe ich mein Häkchen beim Poncho gemacht, weil ja Isa dabei ist und meine Sachen am Eingang/Ausgang nimmt. Jetzt ließ sich das nicht mehr ändern und ich konnte nicht kurzfristig mehr auf Kleiderbeutel umschwenken, verdammt nochmal was mache ich jetzt? Ich brauche ja ein trockenes T-Shirt und ein Pullover, meinen Hausschlüssel und mein Portmonee wollte ich auch nicht mitschleppen. Hier im Läuferforum habe ich dann den Tipp bekommen mir im Hauptbahnhof ein Schließfach zu mieten. Das tat ich dann auch und bin schon einen tag vorher hin um mir ein Schließfach zu sichern ( weiß ja nicht wieviele auch so ein Problem haben und doch lieber den Kleiderbeutel gehabt hätten) .
Die Startunterlagen mit der Startnummer und dem Marathon-Bändchen was man braucht um aufs Gelände zu kommen hatte ich mir bereits 3 Tage vorher geholt. Außerdem habe ich bereits meine Getränke gemixt für Kilometer 21 und Kilometer 37 wo dann Mum, Sandra und Emma wieder warten werden. Kilometer 21 mit 35g selbst abgefüllter Milchmädchen (Kondensmilch) Tütchen und 0,5 liter "Isostar" Pulver mit Cranberry-Geschmack und bei Kilometer 37 dann nur 0,5l Wasser und ein Himbeer Gel. ( jeweils zusammengeklept mit Tesaband an die Flaschen dran )
Zusätzlich hat sich Sandra noch die Marathon App runtergeladen um zu sehen wo ich gerade bin auf der Strecke, das wir uns nicht verpassen.
Soviel zur Vorgeschichte des eigentlichen Rennens.
Es ist 5:01 Uhr am Morgen des 24.09 , mein Wecker klingelt. War auch relativ schnell wach, die Nacht habe ich schon sehr unruhig geschlafen, war bestimmt 5-6 mal aufgewacht. Die Aufregung war genauso stark wie beim ersten Marathon, schon Wochen und Monate vorher, wie ein Virus im Kopf der sich immer weiter ausgebreitet hat (im positiven Sinne).
Es gab 2 Kaffee und dann ab auf Klo um noch Ballast loszuwerden (jedes Gramm zählt) . Gewogen mit 73,9 Kilo bei 1,82m , also absolutes Marathon ideal Gewicht (war aber auch sehr diszipliniert die letzten Wochen um noch 2 Kg runterzubekommen). Gassirunde mit Eddi und anschließend die bereits am abend zurechtgelegten Sachen angezogen. Brustwarzen abgeklebt, Blasenpflaster auf den linken Fußballen, weil's da eine Stelle gab die den Tag über garantiert unangenehm geworden wäre, 2 Gels und einen kurzen, breiten 15cm Strohalm eingesteckt. Gegessen habe ich nichts weil ich morgens keinen Hunger habe und auch den letzten Marathon und alle langen Läufe (30-32km) im Training morgens nüchtern gelaufen bin.
7:11 Uhr fuhrt die S-Bahn , normalerweise absolut untypisch für mich war ich bereits 10 Minuten vorher auf dem Bahnhof. Ich stand auf dem Bahnsteig und dieses kribbeln im Bauch wurde immer Stärker, so eine extrem Positive Aufregung vor einem mörder anstrengendem Tag. Dieses Gefühl hatte ich im Laufe der letzten Woche immer mal wieder und das kann echt süchtig machen.
Gegen 8 Uhr war ich dann am Hauptbahnhof und suchte mein bereits gestern gemietetes Schließfach, es waren noch haufenweise Schließfächer übrig also war der gestrige Trip und die 4 Euro Gebühr umsonst gewesen, aber sicher ist sicher... Rucksack mit Wechselklamotten, Getränken, Portmonee und Schlüssel weggeschlossen und dann los Richtung Startzone. Alter Schwede war das eine Massenwanderung, schon die S-Bahn war rammelvoll.
Man ist recht schnell reingekommen, manche Ordner haben nichts gecheckt und einfach nur durchgewunken, soviel zu den "erhöhten Sicherheitsmaßnamen", natürlich stand ich in der reihe von dem der alles genau durchleuchtete... ging dennoch recht flott und innerhalb von 3-4 Minuten war ich auf dem Gelände direkt vor dem Reichstag.
Was für ein geiles Gefühl, 43 Tausend genauso Laufbegeisterte wie man selbst und für den Großteil war das mit Sicherheit auch der Lauf des Jahres. Das war so eine angespannte, vorfreudige, mystische Stimmung, wobei der leichte Morgennebel dieses Gefühl noch unterstützte.
Leichter Blasendruck war vorhanden und die Dixischlangen im vorderen Bereich waren schon mit ordentlich anstehen verbunden. Auf dem Weg zum Startblock war dann ein Gruppenklo für Herren, da war ich innerhalb von 1 ner Minute drinnen und musste nicht ewig anstehen. So muss es sein.
Startzone
Das war ein ganz ordentlicher weg bis in die Startzone, bestimmt 15 Minuten Fußweg. Meinen Startblock "G" ( Zielzeit 3:50h-4:15h) betrat ich um 8:45 Uhr (Start 9:15 Uhr), es war noch sehr viel Platz im Block, viele saßen auf dem Mittelbordstein und schonten ihr Kräfte, einige dehnten sich am Geländer , ich positionierte mich im vorderen drittel des Blocks, das Starttor war geschätzt in 200m Entfernung , viel weiter vorne als ich beim letzten mal war im "H" Block habe ich das Starttor nichtmal gesehen. ( Übrigends Starten in Block "H" soviele wie von "A" bis "G" zusammen, also um die 20 Tausend nur im hintersten Block)
Temperatur lag bei 13°C und ganz leichtem feinen Nieselregen, heute hatte ich sogar 2 Pullover dabei , die mich bis zum Start wärmen sollten .Wartezeit verging relativ flott, ich genoss diese positive Aufregung total und nach und nach wurde der Block auch voller und voller.
9:00 Uhr Start für die Rollstuhlfahrer oder Handbiker wie man heutzutage sagt. Auf den Leinwänden sind nacheinander Läufer aus allen Nationen zu sehen die in ihrer Landessprache den mitrennenden Chinesen, Mexikaner, Dänen, Engländer, Amis... die letzte Motivation geben (ein deutscher war natürlich auch dabei).
9:10 Uhr , die Elite wird vorgestellt, dank der vielen Leinwände sehr gut zu sehen, Kipchoge, Bekele, Kipsang, Philipp Pflieger, Anna Hahner. Ein absolut hochkarätig besetztes Rennen und ich darf dabei sein, ich bin gespannt ob es einen neuen Weltrekord gibt oder welcher von den 3 Hauptprotagonisten gewinnt. Tolle Stimmung im Feld, fast alle klatschen, einige sind wie ich zb. relativ ruhig und fixiert und genießen nur.
9:15 Uhr Startschuss für die Elite und die Startblöcke "A" bis "E" , riesen Beifall im Feld, 100 blaue Luftballons gehen in die Luft, die man wegen dem Nebel von hinten aus nur leicht erspähen kann.
9:30 Uhr Startblock "F" und "G" wandern langsam nach vorne , ich ziehe einen meiner beiden Pullover aus und werfe ihn auf den 1,5m breiten durchgehenden Mittelsteg, wo sich bereits hunterte Pullover und Plastiktüten tümmeln. Auf den Leinwänden wurde die Spitzengruppe übertragen, die bereits bei Kilometer 5 war und 4 Sekunden unter Weltrekord-Tempo liefen. Alle verfolgen gespannt die Livebilder, die allerding nur für 30 Sekunden eingespielt wurden. Danach wurde der Start der 2 ten Welle übertragen.
9:35 Uhr Startschuss Welle 2 , langsam aber sicher gehts immer näher zum Start, Uhr ist schon angeschaltet und verrät das mein aktueller Puls bereits bei 140 liegt und ich habe mich noch nicht 1 m angestrengt, so unfassbar hoch ist die Anspannung bei mir. Pullover 2 wurde nun auch auf dem Mittelsteg entsorgt .
9:40 Uhr, es geht endlich los.
Km 1-5
Geil, 13°C und leichter Niesel, genau mein Wetter. Geplant war unter 4 Stunden zu bleiben, also 3:59:59 . Rechnerisch reichte ein Tempo von 5:42min pro Kilometer da ich aber nicht Optimallinie laufen kann, werden am Ende wieder 400m mehr auf der Uhr stehen, das sind ca. 2,5 Minuten, also muss ich die 2,5 Minuten rauslaufen um dann nicht bei 4:02:30 zu landen. Heißt also ich musste im Schnitt 5:38min pro Kilometer laufen. Jeden 5 Kilometer Abschnitt möchte ich also in 28:30 min laufen. 50-100 m vor mir war ein 4 Stunden Pace Läufer, an dem werde ich mich schön Orientieren können dachte ich. Allerdings entfernte sich die Fahne des 4 Stunden Pacer's immer weiter und selbst auf langgezogenen abschnitten hab ich ihn nicht mehr sehen können, ab Kilometer 3 war er dann auf und davon und das obwohl ich absolut perfekt angelaufen bin. (wie kann so jemand Paceläufer werden, wenn er viiieel zu schnell anläuft? jeder der sich auf so jemanden verlässt wird am ende einbrechen wegen einem zu schnellen Start)
5km Zeit 28:31 min (perfekt)
Km 6-10
Ich hatte mir eine 0,5l Flasche zurechtgemixt mit "Isostar" Pulver mit Zitronengeschmack um mir von Anfang an Zucker und Flüssigkeit zuzuführen und um die ersten beiden Getränkestellen durchzurennen, das hat auch sehr gut funktioniert. Tempo war im Block sehr gut, konnte gut mitrennen ohne ständig überholen zu müssen, habe aber auch niemanden gefunden an den ich mich hängen konnte, jeder lief seins aber exakt gleich war keiner. Sehr negativ aufgefallen sind mir die Jubileumsläufer ( alle die schon mindestens 10 mal beim Berlin Marathon gestartet sind) , die waren echte Hindernisse, mir ist ein Rätsel wie sich so "erfahrene" Läufer so falsch einsortieren können. Die waren ja nicht mal annähernd auf 4Std 15 min Kurs, eher Richtung 5:30-6 Stunden und hätten ans Ende des Feldes gehört. Was auch noch aufviel war, das extrem viele Mexikaner und Chinesen im Feld waren und auch am Streckenrand, zusätzlich vielen mir auch ein haufen Läufer auf, die beim Laufen Telefoniert haben, das habe ich in dieser Dichte auch noch nicht erlebt. Tempo lief weiterhin absolut ohne Anstrengung im anvisierten Bereich.
10 km Durchgangszeit waren 57:00 min.
5km Zeit 28:29 min (perfekt)
Km 11-15
Wasserstelle bei Kilometer 12. Meine mitgenommene Flasche ist bereits ausgetrunken und ich hatte hier ein Gel eingeplant, es gab Geschmacksrichtung Himbeere, schmeckt ekelhaft aber ich vertrage es ganz gut. Meinen Strohalm aus der Tasche geholt und einen Becher Wasser geschnappt, absolut genial übrigends, man verschluckt sich nicht und kann ganz entspannt trinken. Blöd war, das man gezwungen war kurz zu stoppen weil Läufer kurz vor einem rübergezogen sind um auch ans Wasser zu kommen, ist allerdings nicht zu vermeiden wenn so eine Masse an die Getränkestände will. Dennoch verliert man bestimmt 5-10 Sekunden an diesen stellen.
Es machte so viel Spaß hier mitzulaufen, ich saugte die Stimmung, die Läufer, das Lauferlebnis in mich auf und schwebte wie auf einer Wolke vor mich hin, dennoch immer in Versuchung etwas schneller zu laufen um mir einen kleinen Zeitpuffer aufzubauen um leicht nachlassen zu können auf den letzten 10 Kilometern. Aber NEIN!!! jede Sekunde die man auf der ersten hälfte rauslaufen will, büßt man auf der zweiten hälfte doppelt ein!!! "Am Anfang gewinnt man Sekunden, am Ende verliert man Minuten" diesen Satz hatte ich irgendwo mal in diesem Forum aufgeschnappt und nach diesem Mantra laufe ich also weiterhin dieses absolut unanstrengende Tempo von 5:38min/Km . Kilometer 15 kam eine Wasserstelle die wieder ein paar Sekunden gekostet hat, dennoch wollte ich lieber einmal zu viel als zu wenig trinken, was mit dem Strohalm auch wieder super funktionierte.
5km Zeit 28:25 (perfekt)
Km 16-20
Dieses mal überhole ich Asterix, Obelix und Cesar erst bei Kilometer 16, die natürlich alle 3 schön nebeneinander auf der Mitte der Straße in einem viel zu langsamen Tempo vor sich hin rannten und Massen an läufern ausbremsten. Natürlich ist es schön wenn solche Verkleideten mitrennen aber dann bitte auch da wo sie tempotechnisch hingehören, ich finde sowas immer respektlos den anderen gegenüber, so wird man ausgebremmst muss enge Überholmanöver durchführen und dann wieder beschleunigen, was auf dauer auch einfach Kraft kostet, die man am Ende braucht. Außerdem negativ zu erwähnen sind die Rücksichtslosen Passanten die einfach die Strecke überquerten und 2 mal fast zu einem Sturz von mir führten.
Das klingt jetzt so negativ aber dennoch war der Spaß immernoch präsenter und ich hatte einfach unglaublich bock zu Laufen, vor allem unangestrengt zu Laufen. Für einen Kilometer bahnte sich ein Gefühl an als wolle meine linke Wade verkrampfen, Gottseidank ist das nicht eingetreten. Den Erfrischungspunkt bei Kilometer 17 habe ich mir erspart und den bei 20 auch, obwohl ich leichten Durst hatte wollte ich mir die Sekunden sparen weil ja Mum, Sandra und Emma bei km 21 stehen und mir dann das zurecht gemixte Getränk geben.
5km Zeit 28:00 ( 30 sek zu schnell )
Km 21-25
Unter den Yorkbrücken durch. Ich scannte den linken rand ab um Sandra, Emma und Mum frühzeitig zu erspähen ( ca. Km 20,9 ), was sich schwer machte, da viel Publikum am Streckenrand war, dennoch kam dann der Hellweg Baumarkt und genau gegenüber stehen sie, also ja , Sandra und Emma mit einem Pappschild in der Hand das ich aber nicht lesen konnte weil ich Mum suchte, die mir mein Isostar Cranberrygeschmack+Milchmädchen-Gel überreichen sollte, ich fragte: " wo ist Mum mit dem Iso?" und deutete mit Handzeichen an das ich Durst habe " Sie ist weiter vorne" schrie Sandra, hm ok, merkwürdig, vermutlich weil es so voll war hat sie sich eine neue Stelle gesucht wo mehr Platz ist. Ich kam zum Halbmarathonpunkt den ich bei 1:59:31 durchlief, absolut perfekt, ich musste nur das Tempo halten, hatte keinen Zeitpuffer rausgelaufen. Körperlich fühlte ich mich noch absolut gut, nur der Durst wird größer.
Ich scannte weiterhin den linken Rand ab und wunderte mich wo denn Mum bleibt, "soweit kann sie doch nicht vorgelaufen sein" geht mir immer wieder durch den Kopf. Es strengte auch ganz schön an konzentriert die Hunderten Gesichter abzuleuchten ,wenn man jemanden sucht.
Kilometer 22 ist vorbei und Mum war immernoch nicht da gewesen. "Das gibt's doch garnicht,soweit ist sie garantiert nicht vorgelaufen" ging mir durch den Kopf. Ich wurde richtig wütend und verstand nicht warum sie nicht da stand wo es abgemacht war, vorallem weil ja Sandra und Emma da waren, wenigstens die hätten mir doch die Flasche geben können, ich verstand die Welt nicht mehr...
Mental war ich jetzt richtig runtergezogen und enttäuscht von Mum mir fehlte ja auch logistisch das Iso Getränk und das Milchmädchen-Gel. Kilometer 23 kam ein Getränkepunkt den ich mir schon herbei gesehnt habe weil ich furchtbar durstig war ( hatte ja Km 17,5 und km 20 schon leicht durstig ausgelassen), die Wasseraufnahme hatte richtig Zeit gekostet , der erste Becher ist mir aus der Hand gerutscht nach 2 Metern, also musste ich nochmal an den Tisch mir ein neues holen. Ich musste jetzt generft umdisponieren, ein Himbeer Gel hatte ich noch in der Tasche, was eigendlich für Km 32 gedacht war. Das hatte ich nun schon bei km 25 genommen, weils da auch nochmal ein Wasserstand gab und wollte mir dann bei Kilometer 28 zwei Gel's mitnehemen die es an der Strecke gab von Multipower.
5 km Zeit 28:17
Km 26-30
Jetzt mit dem neuen Gel-Plan wurde ich entspannter und dachte mir das sich Mum bestimmt genauso ärgert wie ich und war einfach nur neugierig wo sie war und wie das passieren konnte, zusätzlich machte ich mir Gedanken was auf dem kleinen Pappschild stand das Sandra hochhielt, da ich auf der Suche nach meiner Iso Flasche war konnte ich das nicht lesen.
Jetzt kam der "bergigste" Abschnitt mit ein paar Höhenmetern (insgesamt 245 m auf den ganzen Marathon laut meiner Uhr) und ich war Körperlich so langsam schon im "spürbaren Bereich" mein Durchschnittspuls war nun bei 188-190 (89%Hf max) aber im direktem vergleich zum Berlin Marathon 2 Jahre zuvor ging's mir blendent.
Kilometer 28 kam der Verpflegungspunkt mit den Gel's, normalerweise muss man ein Gel vorher im Training ausprobieren um sicher zu gehen das man das auch verträgt, nur war ich diesmal wegen der "missglückten" übergabe dazu gezwungen es ohne Test zu nehmen. Ich griff in die erstbeste Packung und krallte mir 2 Gel's. Da es an der Stelle immer kein Wasser gibt und man das pur nicht runterbekommt habe ich bis Km 30 gewartet und dann das recht flüssige "Multipower" mit Orangengeschmack runtergeschluckt mit einem Becher Wasser (vergleichbar süß wie wenn man Sirup unverdünnt trinkt).
Kilometer 28 war wegen den Höhenmetern und dem Gel besorgen der mit Abstand langsamste im Rennen mit 5:55min/km, ansonsten pendelten die Zeiten immer konstant zwischen 5:33 und 5:40 min/km . Bei Km 29 kommt wieder das Banner mit dem "noch 13 km bis zum Bier", an diesem Punkt hatte ich letztes mal schon richtig gelitten, diesesmal war ich noch recht gut in Form und freute mich das ich bereits 29 km weit gekommen bin.
Ich hatte mir einen Zettel mitgenommen mit den Durchgangszeiten für KM 30, 35 und 40. Km 30 sollte ich bei 2:50:00 passieren, gebraucht hatte ich 2:50:10, also nur 10 Sekunden drüber, ich freute mich total über diesen gleichmäßigen Lauf und rief mir den 4 Stunden Pacemaker vom Start nochmal in Erinnerung der seit Kilometer 3 außer Sichtweite war, obwohl ich die perfekten Zeiten getroffen habe für einen 4 Stunden lauf. Auch wenn die einzelnen Kilometer immer mal um 10-12 Sekunden abwichen war der durchschnitt auf die 5 km dann absolut perfekt.
5km Zeit 28:32 (perfekt)
Km 31-35
Ich fühlte mich immernoch recht gut aber merke den schleichenden Prozess der Erschöpfung, ich kann das nicht an einer bestimmten Stelle ausmachen, es wurde langsam aber sicher immer anstrengender. Der Puls auf den ertsen 21 Kilometern lag etwa bei 180 (85% hf max) inzwischen liegt er konstand bei 188 bis 193 (89% -91% hf max). Irgendwo habe ich mal den Satz aufgeschnappt : "Die zweite Hälfte eines Marathons beginnt bei km30 - und ist länger als die erste " und danach richtete ich mich auch, vom Gefühl her gehts jetzt erst richtig los.
Die Stimmung an der Strecke war wieder absolut Weltklasse, obwohl es ab und zu mal geregnet hat war die Strecke sehr gut besucht und auch diesesmal habe ich wieder haufenweise Kinderhände mit meinen klebrigen und Gelverschmierten Händen abgeklatscht

Bei den 35 Km Kontrollmatten habe ich wieder meinen Zettel rausgekramt mit den Durchgangszeiten. Laut Plan sollte ich bei 3:18:20 durchlaufen, geworden sind es 3:18:28. "Hammerhart" dachte ich mir nur wie das funktioniert, obwohl ich für mich nach Gefühl lief und niemanden hatte an den ich mich ranhängte traf ich die Zeiten fast sekundengenau.
5km Zeit 28:18
Km 36-40
Ja doch, so laaaangsam war die Luft raus. Es wurde richtig hart und jeder Blick auf die Uhr machte es noch schlimmer. Km 36 habe ich mir das zweite Gel von "Multipower" mit Orangengeschmack reingezogen. Die Zeiten bewegten sich nun bei 5:42min/km bis 5:48min/km also um die 6-8 Sekunden zu langsam pro Kilometer für meine Sub 4h.
Kilometer 36,8 . Ich freute mich auf Sandra, Emma und Mum und der Ärger von der nicht stattgefundenen Getränke/Milchmädchen Übergabe bei Kilometer 21 war mir inzwischen auch total egal. Diesesmal rechnete ich fest damit das es klappt. Wieder war verdammt viel los an der Stelle, ich scannte die rechte Seite entlang der Strecke ab und hatte Probleme auf die rechte Seite zu kommen weil dort immer mal wieder ein Läufer war der nurnoch ging und wollte nicht auflaufen oder abbremsen.
Sehr gut, alle 3 früh erkannt und auf einmal hielt mir Mum beide Flaschen entgegen, ich war kurz überfordert und nahm dann doch die richtige Flasche, also die mit Wasser und einem Himbeer Gel drangeklebt, weil ich einfach zuviel von dem süßen kram hatte und das Isogetränk nicht mehr runter bekommen hätte. Man das ging schnell, ich wollte doch diesesmal das Pappschild lesen und erfahren ob es einen Weltrekord gab. Ok egal, wenigstens hatte ich meine Flasche und konnte die letzten 5 km ohne an einen Wasserstand zu müssen durchlaufen.
Inzwischen wird mir kalt, mich fröstelte es richtig wenn mal eine Windböe vorbei kam.
Kilometer 37. Scheiße, mein Rücken schmerzt wie Hölle, links mittig, genau an der Wirbelsäule, ich bekomme nur schlecht Luft, weil das so ein Stechender, krampfartiger Schmerz ist und minutenlang anhält, ich beiße mich durch bis der Schmerz dann langsam aber sicher weniger wird. Meine Kraft ist am Ende. Mental bin ich müde und versuche mir einzureden, dass nicht mehr geht. Die Anstrengung ist zu hoch, ich bin gefangen in einem mentalen Tief, wie in einem Tunnel, und komme da irgendwie nicht raus. Die Sub 4 entgleitet mir gerade Sekunde für Sekunde.
Vor mir läuft eine kleine, fast schon leicht pummelige Frau mit einem Shirt, wo hinten eine Großbritannien-Flagge drauf ist. Sie verfolge ich nun schon ein paar Minuten und frage mich, wie sie das mit der Statur und zusätzlich noch als Frau so stark durchhält. Die meisten im Feld sind langsamer geworden und können das Anfangstempo nicht mehr halten und so arbeiten wir uns, obwohl ich selber langsamer geworden bin, durch das Feld durch. Irgendwann kurz vor Kilometer 40 muss ich abreißen lassen, weil ich nicht mehr kann. Aber die gute Frau hat mir einige Sekunden gerettet, denke ich, als Zugmaschine.
Ich reiße nun das Himbeer-Gel auf, das mir Mum zusammen mit einer schön eiskalten Wasserflasche übergeben hatte, und bekomme nichts von dem süßen Zeug mehr runter. Ich nehme ein bisschen davon in den Mund und muss sofort aufstoßen, mein Körper kann kein Zucker mehr sehen. Ich werfe angewidert das Gel auf den Boden und habe noch eine ganze Minute mit extremer Übelkeit zu kämpfen.
Die Kilometer-40-Messmatten kommen in Reichweite und ich kramte meinen völlig durchnässten Zettel raus, um zu kontrollieren, wie bitter es schon aussieht. 3:46:40 Stunden steht drauf, durchgerannt bin ich bei 3:47:36 Stunden.
5 km Zeit 29:09 (39 Sek zu langsam)
Km 40 - 41,8
Das muss doch möglich sein, jetzt reiß dich mal zusammen, geht es mir durch den Kopf. Ich bin jetzt eine Minute zu langsam, weiß aber nicht genau, ob 12:24 Minuten reichen für die verbleibenden 2,2 km.
Ich ärgere mich jedenfalls Monate lang, wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße und dann 30 Sekunden zu langsam bin. Das ist das (für mich) absolut bestmöglichste Wetter auf der bestmöglichsten Marathon-Strecke. Wenn nicht hier und heute unter 4 Stunden, wann dann?
Ich bin nicht in der Lage auszurechnen, welches Tempo ich brauche, um unter 4 Stunden reinzukommen. Ich weiß nur, wenn ich weiter so vor mich hin leide, wird’s nichts mehr. Ich gebe, was noch im Tank steckt. Jede Sekunde, die ich in der ersten Hälfte gespart habe, kommt mir jetzt doppelt zu gute, rede ich mir ein und laufe Kilometer 41 in 5:30 Min. Kilometer 42 wird der schnellste im ganzen Rennen mit 5:10 Min.
Wahnsinn, was noch geht, wenn der Kopf mitspielt. Es ist wirklich unglaublich, wie viel in einem Rennen Kopfsache ist.
Die kleine pummelige Frau mit dem Britannien-Shirt ist wieder in Sichtweite und wird eiskalt überholt

Die letzte Gerade ist ungefähr 800 m lang. Man biegt links ein auf die Straße "Unter den Linden", man kann das Brandenburger Tor bereits sehen, man rennt am absoluten körperlichen Limit und das verdammte Tor kommt einfach nicht näher. Dieses Stück zieht sich so dermaßen.
100 m vor dem Brandenburger Tor stehen Dana und Katrin mit einer großen grünen Flagge, die anwesend sind wegen Hannes (der übrigens drittbester Deutscher wurde mit einer Zeit von 2:23 Stunden… unfassbar). Ich erkenne die beiden Dank der Flagge und Katrin brüllt rüber "Alles Gute zum Geburtstag, Alex" . Stimmt, Geburtstag habe ich ja auch noch, denke ich mir und will mir jetzt die Sub 4 endgültig als Geschenk holen.
Zieleinlauf (noch 360 Meter)
Da ich wieder wie letztes Mal 400 m mehr auf der Uhr habe, habe ich die 42,2 km eigentlich schon erreicht in 3:57 Stunden, aber damit war ja zu rechnen. Daher bin ich auch jeden Kilometer 4 Sekunden schneller gelaufen, um die Differenz auszugleichen.
Brandenburger Tor, ganz links durch, wieder mal viele Zuschauer auf beiden Seiten, meine Uhr Läuft Sekunde um Sekunde, die Uhr auf der Anzeigetafel zeigt schon 4:24 Stunden (Bruttozeit). Schlussspurt und endlich das ersehnte Ziel durchlaufen nach 3:59:28 (Nettozeit). Ich schreie lauthals: "JAAA GEIL!"
Im Ziel
Und bin total erleichtert, dass es so punktgenau geklappt hat mit 2 gleichschnellen Hälften und ohne Einbruch. Ich bin so froh, dass sich der 2-km-Schlussspurt gelohnt hat, ohne den hätte ich die 4 Stunden nicht geknackt. Daher die Freude, dass das letzte Aufbäumen nicht umsonst war.
Ich kann kaum laufen, mir tun die Beine extrem weh. Ich laufe wie Quasimodo und muss erst mal links rüber zum 1 m hohen Geländer, wo sich bereits haufenweise Läufer aufstützen, um zu Luft zu kommen.
Ein Sanitäter beobachtete das genau und wirkt fast so als wolle er mich ansprechen, weil ich scheinbar so kaputt aussehe. Nach 2 Minuten Ruhe geht‘s zur Medaillen-Übergabe, wo es sich bereits richtig staute, weil gerade so viele reinkamen, die auch die 4 Stunden Schallmauer brechen wollten.
50 m weiter gibt es Plastikumhänge, um nicht zu erfrieren. Ich suche den Punkt, wo ich meinen Poncho bekommen kann (hatte ja schließlich keinen Kleiderbeutel dafür bekommen).
Zuvor muss ich mich erst mal leicht strecken um evtl. so was wie Beweglichkeit wieder herzustellen. Rechts am Rand des Zauns ist eine Lücke von 2 m, wo sich keiner streckte. Da ging ich direkt hin, um mich nach vorne zu beugen und meine Waden minimal zu strecken. Ich verharrte über 2 Minuten in der Position und humpelte dann zur Poncho-Ausgabe.
Poncho bekomme ich und dann geht‘s weiter, Verpflegungsbeutel abholen (den ich später komplett an Sandra verschenkte).
Danach zum wichtigsten Stand, dem Bierstand mit Erdinger Alkoholfrei, 20 gefüllte Becher warteten auf mich und ich griff mir direkt 2 Stück.
Ich wollte eigentlich noch so 20 - 30 Minuten auf dem Gelände bleiben und die Stimmung genießen, aber mir war auch unter dem Poncho einfach nur kalt mit meinen nassen Klamotten. Das Wechselzeug liegt ja im Hauptbahnhof im Schließfach. Also ziehe ich notgedrungen mit meinen beiden Bieren direkt ab in Richtung Hauptbahnhof. Jeder Rentner ist schneller als ich auf diesem Kilometer, ich kann meine schmerzenden Beine kaum bewegen und bin durchgefroren.
10 Minuten später bin ich endlich wieder am Schließfach und kann raus aus dem nassen verschwitzen T-Shirt und mein Basecap wechseln (Wenn das mal kein Erkältung wird...) . Auf einmal kommt Mum um die Ecke. Ich fass es nicht, woher weiß sie, dass ich hier bin? Damit hab ich ja nun überhaupt nicht gerechnet.
Sie hat so ein schlechtes Gewissen wegen der missglückten Übergabe bei Kilometer 21 und entschuldigt sich. Aber ich hab ihr das überhaupt nicht übel genommen, war halt Pech. Klar, im ersten Moment war ich echt sauer, aber das hat sich schnell gegeben. Sie kommen extra wegen mir bei miesem Zuschauerwetter an die Strecke und warten stundenlang und ich stelle auch noch Ansprüche und bin genervt, wenn mal was schief geht. Also wieder mal vielen Dank an Sandra, Mum und Emsen (auf dem Pappschild steht übrigens "LAUF LAUF, ich kann es auch bald“ ).
Nachdem ich einen "schönen" 18 Minuten-Aufenthalt auf dem S-Bhf. Schöneweide hatte, gings nach Hause und bevor ich in die Badewanne stieg, ging ich erst mal Gassi mit Eddi, der schon ungeduldig auf mich gewartet hat.
Bis in den vierten Stock ist es durchaus recht schmerzhaft, noch schlimmer ist es jedoch, die Treppen wieder runter zu kommen. Nach kurzer Runde ging es endlich in die wärmende Badewanne, boah tat das gut!! Aufenthaltszeit war bestimmt eine ganze Stunde, super angenehm.
Ich ließ das Rennen Revue passieren und bekam mein breites Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Inzwischen war es 16 Uhr und ich hatte noch nichts gegessen den ganzen Tag (außer Gel's), also einen Mörder-Kohldampf. Gut, dass ich mir schon Nudeln Bolognese vorbereitet hatte und die dann bei der Nachbetrachtung des aufgenommenen Berlin-Marathons essen konnte.
Es war ein absolut fantastischer Tag, null gravierende orthopädische Beschwerden, außer Muskelkater aus der Hölle, aber das ist in 2 - 3 Tagen erledigt. Ich habe meine Marathonzeit um 30 Minuten verbessert und wesentlich weniger gelitten dabei.
In 2 Wochen gibt‘s dann den Great 10K und in 4 Wochen den Müggelsee-Halbmarathon.
War es der letzte Marathon? Ich weiß es nicht, evtl wenn irgendwann mal eine 3:45 realistisch ist ?!
danke fürs lesen
mfg Slot