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Edinburgh Marathon 2017: Ein entspanntes Rennen bei einer entspannten Veranstaltung

Edinburgh Marathon 2017: Ein entspanntes Rennen bei einer entspannten Veranstaltung

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Die Veranstaltung:
Dies war meine zweite Teilnahme bei diesem Event, einem der größten Marathons auf den britischen Inseln (mit ca. 8.000 Finishern wohl der zweitgrößte nach London). Seit 2007 führt die Strecke aus der schottischen Hauptstadt die Küste entlang nach Osten und dann zurück bis nach Musselburgh, einem Vorort nahe dem bekannten Portobello Beach. Der Grund dafür war die sehr hügelige Innenstadt von Edinburgh, die bis dahin viele Läufer abgeschreckt hat. Neben dem Marathon gibt es beim emf (Edinburgh Marathon Festival) auch Kinderläufe, Halbmarathon, 10km, 5km und eine staffel - alles aufgeteilt über ein Wochenende Ende Mai oder Anfang Juni. Dass ich hier schon zum zweiten mal antrat, liegt einerseits daran, dass wir gern auf den britischen Inseln urlauben, aber andererseits auch an meinem verkorksten Auftritt 2014, als ich verletzt angetreten bin und ab km31 gehen musste. Die 3:48er Zeit von damals wollte ausgebessert werden!
Hingewiesen sei noch darauf, dass, wie bei den meisten britischen Läufen, "Charities" eine sehr große Rolle spielen - nicht nur Hauptsponsor MacMillan Cancer Support, sondern auch jede Menge andere Sammelvereine sind sehr präsent, mit Ständen und Mitarbeitern entlang der Strecke sowie Laufteams, und es tragen auch extrem viele Läufer Charity-Leibchen (nimmt teilweise schon skurrile Züge an, wenn der Läufer vor dir groß "I fight against inflammatory bowel disease" auf dem Rücken stehen hat). Ebenfalls auffällig: Die tolle Beteiligung der Anrainer an der Strecke - die Kinder sind extrem stolz, wenn ein Läufer ihnen einen Becher selbstgemachte Limo oder Gummibärchen oder sonstwas abnimmt!

Organisation:

Die Anmeldung erfolgt über Internet; im Gegensatz zur Wikipedia-Info kann man sich als "overseas entry" jederzeit selbst und ohne Reisebüro anmelden. Der Preis liegt so im Bereich 70 Euro, sehr dezent für Nordeuropa aber natürlich machen das die Anreise- und Übernachtungskosten mehr als wett!
Die Nummern werden (wie in Großbritannien üblich) per Post zugestellt - hat 2014 bei mir gut funktioniert, diesmal aber nicht. Daher musse ich mir über Internet eine Ersatznummer ordern und diese am Samstag beim Help Desk abholen - war aber unbürokratisch und schnell erledigt. Startpaket gibt es keines, dafür ein kleines Finisherpaket samt Funktionsleibchen - natürlich wird beim Verteilen im Ziel nicht gecheckt, ob der Finisher auch die gesamte Strecke absolviert hat, und dementsprechend dürften auch einige sich ihr Paket nach weit weniger als 42km abgeholt haben!
Im großen und ganzen funktioniert die Organisation, allerdings auf eher spartanische Weise. Ordner und Wasserstellen (positiv: in Flaschen) gab es jede Menge; an Verpflegung gab es aber nur Gels. Auch die Zielverpflegung war ziemlich rudimentär, allerdings wurden die meisten von ihrer Familie begrüßt und versorgt - der Begegnungsbereich im Zielgelände ist sehr großzügig angelegt!
Die Streckenabsperrungen waren eher freundliche Hinweise. Ein Parkverbot entlang der Strecke war ausgeschildert, wurde jedoch nicht exekutiert - gerade auf den ersten km bei dichtem Feld fand ich die geparkten PKW doch eher störend. Die Zeitnehmung erfolgt mittels in die Nummer integriertem Wegwerfchip; es gibt ein paar Zwischenzeiten aber witzigerweise weder Kontrollmatten bei den zwei Wendepunkten des Kurses noch irgendwelche mitlaufenden Uhren z.B. bei der HM-Matte. Auch gibt es keine ausgeschilderten Kilometer, es sind nur Meilen angeschrieben (und das ziemlich dezent).
Sehr positiv finde ich, dass die Laufevents gut getrennt werden: Kinderläufe, 5k und 10k samstags; Halbmarathon sonntags um 08:00 und der Marathon dann mit Start um 09:50 (keine Ahnung woher diese unrunde Zeit kommt). Das heißt, die Marathonis sind komplett unter sich, nur begleitet von den Staffelläufern, die jedoch als Letzte ins Rennen gehen - perfekte Trennung, gefällt mir!
Den Gepäcktransportservice habe ich nicht in Anspruch genommen, da meine Elisabeth mir zum Ziel gefolgt war (zu Fuß, geht sich locker aus). Auf den sehr teuren Shuttleservice, der einen zurück zum Start bringt, haben wir ebenfalls verzichtet - in Musselburgh muss man nämlich nur in den ganz normalen Linienbus (Linie 26) einsteigen und kommt für 1,60 ins Zentrum - die Shuttlebusse sind reine Abzocke.

Die Strecke:

Die Streckeist angeblich (laut runnersworld.uk) die schnellste im UK - gemeint ist damit vermutlich, dass der Start 40m über dem Ziel liegt, und dass der größere Teil der Strecke so liegt, dass man eher Rückenwind zu erwarten hat. Das hat dazu geführt, dass die Anmeldezahlen gestiegen sind, dafür ist die Strecke nun zum Großteil ein außerstädtischer Küstenlauf, von Einheimischen scherzhaft "East Lothian Marathon" genannt. Und ob sie wirklich so schnell ist, wage ich ernsthaft zu bezweifeln - allein der Mai-Termin verheißt schon nichts Gutes, und dazu kommen das windige Wetter, der leicht wellige Verlauf sowie teils unangenehmer Untergrund (sehr unebener Asphalt und sogar 1km Schotterpiste). Die Finisherzeiten und Streckenrekorde sprechen ebenfalls eine deutlich Sprache: Dies ist keine Hochgeschwindigkeitsstrecke!
Positiv möchte ich dagegen die Zuschauer und Atmosphäre hervorheben - eine sehr relaxte Veranstaltung mit zwar nur punktuell versammelten aber sehr engagierten Zuschauern und Helfern. Schottische hemdsärmelige Freundlichkeit gemischt mit britischem Humor, eine feine Mischung!

Mein eigenener Lauf:

Die Vorbereitung ist mehr oder weniger wie geplant abgelaufen (ein wenig zu viel Arbeit was zu einigen Lauf-Ausfällen geführt hat); der Halbmarathon vor zwei Wochen war auch gut absolviert - ich ging sehr entspannt an den Start; nach dem Trainingsstand sollte eine 3:05 möglich sein, bei idealen Bedingungen auch schneller. Ideal war's allerdings nicht ganz, Temperaturen bis 20°C waren aber immerhin besser als die Hitzewelle, die Schottland in den Vortagen überrollt (und uns nette Sonnenbrände beschert) hatte. An den Füßen meine neuen NB RC1400, die ich schon im Halbmarathon erprobt hatte.
Der Start war gemütlich, kein Gedrängel, das Feld setzte sich sehr vernünftig in Bewegung - britische Zurückhaltung, ein angenehmer Unterschied zum Gerempel bei mitteleuropäischen Marathons!
Die ersten Kilometer suchte ich nach meinem Rhythmus und so ca. ab km3 hatte ich einen schönen gefunden und begann das Feld aufzurollen. Ca. bei km5 kam ich bei unserem Hotel vorbei, wo mich die Wirtsleute und meine Elisabeth anfeuerten und auch die erste Wasserstation war - angesichts des Wetters habe ich diesmal jede einzelne Wasserstelle am Kurs ausgenützt!
Die 10km-Marke passierte ich laut Chip bei 42:58, wobei die ersten drei km wohl die langsamsten waren, danach das Tempo sehr stabil.
Das Laufen machte richtig Spaß - wir sind ja schon seit über einer Woche unterwegs und auch viel gewandert, aber dies war mein erster Lauf seit eben mehr als einer Woche! Immer wieder blieb ich für ein paar hundert Meter mit einem Kollegen zusammen, plauderte evtl ein paar Worte, aber es dauerte bis ca. km 15 bis ich einen jungen Sheffielder Debütant überholte (naja, 33 sind von meiner Warte aus jung), der mein Tempo aufnehmen und halten konnte. Ab da waren wir bis ca. km 32 gemeinsam auf der Überholspur. Die Halbmarathonmarke passierte ich mit einer 1:30er Zeit (verriet mir der Kerl, ich war wieder ohne Uhr am Weg - laut Chip waren's genau 1:30:34) - das klingt jetzt schnell angesichts meiner erwarteten 3:05, allerdings war es auch so dass wir bis km30 Rückenwind hatten und es immer wärmer wurde - in so einem Fall kann man nicht hirnlos an der Pace kleben, sondern muss ein bisschen strategisch laufen, und so kam es dann auch:
Die Matte bei km30 passierte ich bei chipgestoppten 2:09:14, ab km 31 blies uns aber ein strammer Wind ins Gesicht - dazu kam das Problem, dass das Feld jetzt schon sehr dünn war. Ich versuchte immer wieder ein paar hundert Meter hinter irgendeinem Kollegen einen Windschatten zu finden, aber das ist eine Taktik, die meinem auf Rhythmus ausgelegten Stil widerspricht; sobald ich dagegen überholte war ich komplett solo und die Pace brach ein. Ich begnügte mich einfach damit, mein Rennen "gemütlich" ins Ziel zu bringen - in dieser Phase überholten mich einige Läufer (auch ich überholte immer wieder andere so dass meine Position im Rennen hier wohl recht stabil war). Auf den letzten zwei Kilometern trieben einen die Zuschauermengen noch einmal zu einer Schlussanstrengung, und ich erreichte das Ziel mit 3:05:23, als 130. und 11. der M45, nicht wirklich fertig aber mental einigermaßen müde - das lange Sololaufen gegen den Wind war enervierend!

Fazit:

Mein persönliches Ziel erreicht - wieder einmal einen Marathon gut zu Ende gebracht nach eineinhalb Jahren Pause! Darauf lässt sich für den Herbst aufbauen.
Die Veranstaltung selbst kann man kaum uneingeschränkt empfehlen - für Schottland-Liebhaber jedoch bietet sie eine sehr sympathische Möglichkeit, auch einmal auf den Inseln zu laufen! Zu beachten sind die genannten Organisationsschwächen sowie die geringe Leistungsdichte des Feldes (bei einem flachen Marathon mit 8000 Finishern were ich in Mitteleuropa mit einer 3:05 wohl normalerweise nicht unter den ersten 300 und sicher nicht unter den ersten 150 landen)

Ein paar Bilder:
Vor dem Start und der Startbereich in der London Road: Die letzten 500m und Zielfoto samt Verpflegung (mehr gab's wirklich nicht!) Darum danach in Edinburghs beste Pizzeria (Name auf Anfrage, will hier ja keine Werbung machen)
"Only that day dawns to which we are awake." - H.D.Thoreau
Meine Wettkämpfe in der km-Spiel Tabelle
Meine Lauf-Fotoalben (mit vielen Tiroler Laufstrecken)

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Das mit dem Wasser in Flaschen habe ich auch schon bei einem Lauf in UK erlebt. Meine Gastgeber vermuteten Hygienebestimmungen als Ursache. Ich fand es ehrlich gesagt nicht soooo toll, denn ich konnte schwerlich an jeder wasserstation einen halben Liter trinken, brauchte aber etwas an jeder Station.... die übersichtliche Ernährungssituation habe ich auch so erlebt :) als in allem sehr viel mehr Sport- als Eventorientiert eben. Sehr angenehm. Chirk castle HM war das btw sehr zu empfehlen, wenn man Inder Gegend ist.

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Da bin ich 2012 meinen ersten Marathon gelaufen. Ich hatte in meiner Zeit in Edinburgh traumhaftes Wetter. Gekrönt wurde es von dem schönen Marathon. Wer UK mag und für London keinen Startplatz bekommt, sollte sich das mal überlegen. Ist in jedem Fall eine Reise wert. Habe auch vor da nochmal zu starten.

ps: Wer ne vergleichsweise günstige Unterkunft sucht ... haggishostels ist mitten in der Stadt, nette Besitzer, kostenlose Computer mit Internetzugang,saubere Duschen ...
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