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Loch Ness Marathon - es ist erst vorbei wenns vorbei ist

Loch Ness Marathon - es ist erst vorbei wenns vorbei ist

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Nachdem ich längere Zeit lauftechnisch und hier im Forum nicht mehr so aktiv war, hier ein Bericht von meinem Wiedereinstieg beim Loch Ness Marathon.

Im November 2010 bin ich beim Zeiler Waldmarathon meinen vorerst letzten Marathon gelaufen. Danach begann eine aufregende Zeit mit Hausbau, Jobwechsel und Hochzeit und eingeschränktem Lauftraining. Aber irgendwann war das Haus fertig, im neuen Job hatte ich mich eingelebt, ich war verheiratet und 5 Kilo schwerer.

Unsere Hochzeitsreise 2012 führte uns nach Schottland und zwangsläufig auch zum weltberühmten See, dem mit dem Monster drinnen. Bei einer Bootsfahrt auf dem See sah ich im Boot zufällig ein Plakat das auf den Loch Ness Marathon hinwies, der Ende September stattfinden sollte. Halb im Spaß sagte ich zu meiner Frau, dass es sicher toll sein muss, hier einen Marathon zu laufen – aber im Moment bin ich einfach zu fett.

Irgendwann zu Hause schaute ich aus reiner Neugierde ob auch 2013 ein Loch Ness Marathon stattfindet, was er auch tat. So beantragte ich bereits im Januar für Ende September entsprechend Urlaub und begann mein Lauftraining langsam wieder zu intensivieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten machte ich schnell Fortschritte und schaffte im April wieder Halbmarathonzeiten von unter 1:40. So begann ich langsam mit dem Marathontraining und damit meine Frau auf einen erneuten Urlaub in Schottland einzustimmen.

Als letzter Formtest sollte der Fürth Marathon im Juni herhalten, welcher mit 3:35 besser lief als gehofft und so versuchte ich meine Form über den Sommer in den Herbst zu retten, denn mittlerweile war auch meine Frau davon überzeugt nach Schottland zu fliegen.

Durch Hochzeiten im engsten Freundes- und Familienkreis, Dorf- und Gartenfeste gingen etliche Wochenende drauf, ohne, dass ich lange Läufe absolvieren konnte und ich zweifelte ob es überhaupt Sinn macht in Schottland zu laufen und ich zögerte die Anmeldung bis zum letzten Termin hinaus. Ende September habe ich mich dann doch angemeldet, die Arschbacken zusammengekniffen und die langen Läufe eben unter der Woche nach der Arbeit absolviert.

Plötzlich war es Samstag 5:00 – der Wecker klingelte und es ging ab zum Flughafen nach München. Nach einem langen Tag erreichte ich am Nachmittag endlich den Zielbereich in Inverness um meine Startunterlagen abzuholen. Es war alles bestens organisiert, so dass ich nach wenigen Minuten bereits meine Startunterlagen in der Hand hatte und konnte mich endlich in unser B&B nach Fort Augustus aufmachen.

Die Besitzerin des B&B machte uns ausnahmsweise bereits um 7 Uhr Frühstück, so dass ich in aller Ruhe frühstücken und mich fertig machen konnte. Anschließend ging es zum Dorfplatz von wo aus uns der Shuttle-Bus zum Startbereich bringen sollte. Der Bus fuhr mit uns auf einer schmalen und steil ansteigenden Single-Track-Road durch die Highlands Richtung Startbereich. Nach etwa 20 Minuten Busfahrt hatten wir ca. 250 Höhenmeter geschafft und waren im Startbereich angekommen. Hier war weit und breit nichts, außer der kleinen Straße, den LKW für den Kleidertransport und die üblichen Dixis, vor denen sich wie üblich eine lange Schlange bildete. Da es aber um uns herum genügend Botanik gab bildete sich schnell eine stille Übereinkunft heraus: Mädels links – Jungs rechts der Straße.

Trotz Sonnenscheins war es auf der Anhöhe über dem See ziemlich windig und empfindlich kühl. Nach langem Überlegen entschied ich mich aber doch für das Singlet und zögerte die Kleiderabgabe soweit wie möglich hinaus und ließ die Szenerie auf mich wirken. Etwa 3000 Marathonstarter, inmitten der Abgeschiedenheit der Highlands, fernab jeder Zivilisation in einer Mischung aus Anspannung und Vorfreude. Ich reihte mich ungefähr mittig zwischen den Schildern 3:30 und 4:00 in den Startbereich ein. Kurz vor dem Start kam plötzlich Bewegung ins Starterfeld – eine Pipeband marschierte von hinten durch das Feld Richtung Startbogen. Endlich erfolgte der Startschuß und die Pipeband schickte uns mit „Scotland the Brave“ auf den Weg.

Da es auf den ersten 12 km 200 Höhenmeter abwärts zum Ufer des Loch Ness ging wollte ich dort mit einem 5er Schnitt ein kleines Polster herauslaufen und den Rest in 5:20 zu Ende laufen um dann bei 3:45, aber auf jeden Fall unter 3:50 zu laufen. Es ging auch gleich zu Beginn wie geplant bergab und nach kurzem Gedränge auf den ersten Metern hatte ich schnell mein Tempo gefunden. Schnell war die erste Meile geschafft. War ich froh, dass ich meinen FR dabei hatte und mich nicht mit diesen Meilenschildern auseinandersetzen musste. Nachdem wir denen Wald verlassen hatten, war es in der Sonne wurde es mittlerweile richtig warm und ich war froh, dass ich mich für das Singlet entschieden hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass es Ende September in Schottland noch so warm sein kann. Nach 4 km kam auch schon die erste Wasserstelle, dort wurde das Wasser nicht wie üblich in Pappbechern, sondern in 0,33-l-PET-Flaschen ausgegeben, was ich gar nicht so unpraktisch fand.

Kilometer für Kilometer spulte ich in knapp unter 5:00 ab und genoß das Wetter und die Landschaft in vollen Zügen. Keine Häuser, keine Menschen nur die Hügel um uns herum und natürlich Schafe. Schnell musste ich feststellen, dass das Streckenprofil nicht so einfach ist, wie es auf dem Papier aussieht. Es ging zwar überwiegend leicht bergab, jedoch enthielt die Strecke immer wieder kleine Steigungen, an denen man aufpassen musste das Tempo nicht zu verbummeln. Nach 8 km kam der erste größere Anstieg, gefolgt einer Gefällestrecke und einem erneuten Anstieg nach Foyers hoch, wo uns nach 10 km die nächste Verpflegungsstelle erwartete und nach einem weiteren Kilometer endlich das Ufer des Loch Ness. Dort sollte es bis km 30 flach und entspannt weiter gehen.

Die ersten 12 km waren in 59 Minuten absolviert und damit minimal schneller als geplant. Die Beine fühlten sich noch gut an und auf der schattigen bewaldeten Uferstraße waren die Temperaturen zum Laufen optimal. So trat ich auch nicht auf die Bremse, sondern lief locker weiter und genoss die Aussicht auf den See und hielt Ausschau nach dem Monster. Allerdings war auch hier die Strecke nicht so flach wie erwartet, sondern ziemlich wellig. Diese kleinen Anstiege kosteten zwar noch nicht wirklich viel Kraft, gingen einem aber doch langsam auf die Nerven. Bei der nächsten Verpflegungsstation wollte ich mir einen Schluck Iso gönnen, und wurde dabei böse Überrascht. Ich griff mir einen Becher Iso, trank ihn aus, und wollte mit Wasser nachspülen um den Geschmack im Mund loszuwerden – aber es gab kein Wasser – richtig gelesen KEIN Wasser. Es gab nur Iso-Drinks, Gels und Riegel. Also blieb mir nichts anders übrig als mit diesem pappigen Geschmack im Mund ca. 2 km bis zur nächsten Wasserstation zu laufen. Anscheinend wurden die Stationen von 2 verschiedenen Sponsoren – einem Wasserkonzern und einem Gel-Produzenten – betrieben und jeder wollte wohl seinen eigenen Stand haben. Mir auch egal, ich beschloss bis auf weiteres auf Experimente zu verzichten und nur Wasser zu mir zu nehmen. Außerdem sollte ich mich wieder um mein Tempo kümmern. Im flachen purzelten die Kilometer teilweise in 4:45 – 4:50 – eigentlich viel zu schnell, aber es fühlte sich noch gut an und machte richtig Spaß. So passierte ich die Halbmarathonmarke in 1:43. Wenn ich die 2. Hälfte in 1:47 laufe, könnte ich sogar knapp unter 3:30 ins Ziel kommen – die Zeit der Hochrechnungen beginnt. Die nächsten Kilometer plätschern locker um die 5:00 dahin – alles im grünen Bereich, wenn nur diese fiesen kleinen Anstiege nicht wären.

Nach 28 km und 2:17 erreichten wir das Dorf Dores, was bedeutete, dass wir jetzt das Ende des Sees erreicht hatten und der letzte Anstieg auf uns wartete. Nach einer ersten Hochrechnung könnte ich sogar unter 3:30 bleiben – aber dazwischen lagen noch 14 km und ein Anstieg. Nach 31 km war auch der letzte Anstieg überwunden und ab jetzt sollte es bis zum Ziel nur noch bergab gehen. Aber das Gelände blieb wellig und bei den kleinen Anstiegen kostete es jetzt richtig Kraft das Tempo zu halten und es war der ein oder andere Kilometer dabei der zwischen 5:15 und 5:30 wegging. Nach 36 km und 2:59 war klar, dass es wohl nicht mehr ganz reichen würde, aber ich war guter Dinge das Ding in einer vernünftigen Zeit heimzubringen.

Kilometer 37 absolvierte ich flott in 4:45 und so langsam wurde aus dem Landschaftsmarathon ein Stadtmarathon. Die letzten 5 Kilometer führten uns durch Inverness – Zielort und die Hauptstadt der Highlands. Wie es schien kamen wir durch die Hintertür in die Stadt, denn das erste was wir passierten war ein großer Supermarkt und ein unattraktives Gewerbegebiet. Bis jetzt hatte die Strecke immer ein leichtes Gefälle und so lief ich Kilometer 38 in 5:18. Jetzt, in der Stadt war plötzlich die Luft raus. Vom Kopf her, war der Landschaftsmarathon beendet, aber ich musste noch 4 km durch die Stadt. Für den 39sten Kilometer benötigte ich jetzt schon 5:30 – aber irgendwie werde ich die 3 km schon schaffen.

Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere änderte sich alles. Meine Oberschenkel schmerzten und ich hatte wahnsinnig schwere Beine, so dass ich die letzte Wasserstelle als Vorwand benutzte um eine kurze Gehpause einzulegen. Ich war platt. Wie peinlich ist das denn – ich laufe 3 Stunden durch die Highlands und kein Mensch schaut zu – und jetzt wo ich auf dem Zahnfleisch daher komme stehen plötzlich jede Menge Zuschauer am Streckenrand. Das Anlaufen fällt mir extrem schwer – jetzt reiß dich mal zusammen, nur noch 2,5 km – so trabe ich wieder an. Die 3:30 sind futsch, was solls – Ziel war 3:40 – 3:45 – so versuche ich mich zu trösten aber es funktioniert nicht. Nach über 6 Minuten erreiche ich endlich die 40-km-Marke. Bei meinen bisherigen Marathons hatte die 40 km Schild etwas magisches – nur noch 2:195 km – ein Klacks. Aber hier fehlt das Schild – ich befinde mich irgendwo zwischen dem 24 und 25 Meilen Schild – und ich weiß nicht wie ich es bis ins Ziel schaffen soll. Auf der anderen Seite des River Ness kann ich schon das Ziel erahnen, aber ich muss noch ca. 1 km bis zur Brücke und am anderen Ufer zurück zum Ziel. Meine Beine zwingen mich zu einer erneuten Gehpause. Ich trabe wieder an, erreiche nach 7 Minuten die Brücke bei km 41. Bei meinen bisherigen Marathons waren die letzten 2 Kilometer immer die schönsten und entspanntesten und ich freute mich aufs Ziel - aber das hier ist der reinste Krampf. Wütend auf die Welt und mich selbst und verzweifelt kämpfe ich mich weiter Richtung Ziel.

Noch ein guter Kilometer – jetzt ziehen wir aber noch einmal voll durch – aber meine Beine zwingen mich erneut zum langsam machen – 800 m vor dem Ziel. Ich kann schon den Zielbogen erahnen, den Sprecher hören, lächelnde Menschen laufen an mir vorbei, die Zuschauer feuern die Läufer an – und ich – stehe hier und kann kaum noch laufen. Ich laufe wieder los – mit dem festen Vorsatz nicht anzuhalten bis ich im Ziel bin – und wenn es mich zerreißt. Ich laufe mit aller Kraft die ich noch habe, vor mir sehe ich schon das leuchtend gelbe 26-Meile-Schild – von da ab sind es noch 0,2 Meilen – es kommt nicht näher. Meine Beine sträuben sich, aber ich kämpfe weiter – nicht für eine Platzierung, nur gegen mich selbst. Ich laufe weiter, Meter für Meter und dann ist es endlich geschafft.
27.09.2009 10 km von Röthenbach (10 km) - 38:58
05.04.2010 Osterlauf Scheßlitz (HM) - 1:26:09
11.10.2009 München Marathon (M) - 3:21:47

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Schöner Bericht, danke! Könnte ich mir auch vorstellen, dort einmal zu laufen, weil wir allgemein gern in Schottland sind (bin schon gemeldet für Edinburgh 2014).
Deine kaputten Beine am Schluss waren sicher eine Kombination aus etwas zu schnellem Tempo und den Gefällestrecken - wenn die Muskeln eh schon müde sind tun diese Bergab-Stücke gar nicht gut!
"Only that day dawns to which we are awake." - H.D.Thoreau
Meine Wettkämpfe in der km-Spiel Tabelle
Meine Lauf-Fotoalben (mit vielen Tiroler Laufstrecken)

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Habe den Bericht erst jetzt entdeckt und erkenne meine eigenen Erlebnisse beim diesjährigen Lochness Marathon sehr gut wieder ;-)

Für mich als absoluten Schottland-Fan war es schon seit längerer Zeit ein Traum, mal diesen Marathon zu laufen. 2013 war dann auch terminlich alles machbar für einen kleinen Kurz-Trip mit Frau, aber ohne Kinder. Leider war es um meine Form in diesem Jahr aber nicht zum Besten gestellt, da ich augenscheinlich bis Ende letzten Jahres hinsichtlich Pensum und Tempo ein wenig übertrieben habe und der Körper wohl mal Regeneration brauchte.

Insofern war dann in auch in Vorbereitung bald klar, dass meine bisherige PB von 3:23 bei diesem Marathon außerhalb der Möglichkeiten liegt. Ich habe mir daher vorgenommen, den Lauf möglichst ohne "Druck" zu genießen und mal so grob eine realistische Zeit zwischen 3:40 und 3:45 ins Auge gefasst.

Der Lauf ist bei mir dann ähnlich gewesen, ich musste zum Schluss in Inverness auch ganz schön "beißen" und auch rd. 1 km vor Ziel noch eine kurze Geh-Pause einlegen, was mir bis dahin noch nie in einem WK passiert ist. Und entgegen auch meiner bisherigen Erfahrung, die letzten Meter mit dem Ziel vor Augen nochmal zuzulegen bzw. genießen zu können, war ich einfach nur froh, als ich "drin" war. Immerhin konnte ich trotz der Probleme zum Schluss mit 3:41 mein eingeschätztes Zeitfenster gut treffen und war insofern hoch zufrieden (auch wenn man insgeheim ja immer auf mehr hofft).

Alles in allem war es für aber ein Super-Erlebnis mit super Organisation, einem schönen Umfeld und idealem Laufwetter.

Gruß
Arndt
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