Nur der Wille zählt

Am Samstag stand wieder der Abschlussbewerb meines Lieblings-Laufcups an; sportlich nicht sehr hochwertig aber ich starte dort gerne aus Nostalgie.

Vor dem Start fühlte ich mich recht erholt, beim Einlaufen hab ich gemerkt ich bin gut drauf. Bin zügig auf- und abgejoggt - da hat die Uhr schlussendlich 3:15/km angezeigt. Das fand ich recht in Ordnung; aus Erfahrung weiss ich, dass ich zumindest eine kurze Strecke (ein paar 100m) mal "Gas geben" muss, damit der Motor in Schwung kommt. Leider war der ganze Zeitplan wegen eines Gewitters vorher um 15min verschoben - bin dann nochmal ein wenig unbeschäftigt rumgestanden, aber ok.

Nachdem ich diesen Lauf letztes Jahr gewonnen hatte hab ich mich als sowas wie ein "Favorit" gefühlt und bin entgegen meiner Gewohnheit in der ersten Reihe angestanden; ein kurzer Rundblick hat mir bestätigt, dass - ausser einem Kollegen im grünen T-Shirt - wahrscheinlich keine grosse Konkurrenz da ist.

Tja - und dann ging's los. Normalerweise versuch ich ja nicht zu schnell zu starten ... - aber ich hab mich ja so gut gefühlt. Nach 600m durch den Ort hatte ich auf das Feld gut 100m Vorsprung - was einen der umstehenden Beobachter zu einem "Des is a Wahnsinn" verleitet hat. Da hatte der gute Mann auch Recht; obwohl ich ein bisschen Tempo rausgenommen habe war der 1.km dann in 3:04 fertig!!!!!

Auch der Mann am Begleit-Fahrrad hat mich darauf hingewiesen, dass es jetzt schwerer wird: dann ging's nämlich 2km bergauf (man macht da rund 60HM); ich wollte mich doch nicht total abschiessen und hab bewusst ein wenig Tempo rausgenommen. Nach 3km war der erste grosse Anstieg zu Ende und ich noch immer vorn; von da an geht der Weg fast eben weiter, wenn auch nur mehr teilweise asphaltiert.
Nach 4,5km kommt der schwere Teil: 1km Anstieg auf Feldweg. Und das Gewitter war zwar weg, aber der Wind noch da (geschätzt hat der hier und auf anderen Abschnitten 10sec/km gekostet). Leider zählen "Bergläufe" so überhaupt nicht zu meinen Stärken - und ich habe gehofft, dass der elende Anstieg bald ein Ende nimmt.

Am Ende der Qual bei km 5,5 steht ein Verpflegungposten; das hat mich aber weniger interessiert als die Schritte plötzlich hinter mir - da war ich zuerst Mal schockiert, weil ich doch wusste, dass ich unten "im Tal" deutlichen Vorsprung hatte. Und da waren schon zwei - auch der "Grüne" - auf dem noch immer leicht steigenden Kurs an mir vorbei. Mein Glück war, dass man bei km 6 die höchste Stelle erreicht - Ende der "Kletterei"; ich habe versucht mal dranzubleiben und auf dem nächsten leicht fallendem km hab ich unsere 3er-Gruppe dann wieder angeführt.

Beim km 7 geht's die 2km wieder bergab (die es zuerst als km 2 und 3 hoch ging); als begnadeter Bergab-Läufer (zumindest im Vergleich zu meinen Kletterfähigkeiten) versuchte ich die beiden wieder abzuschütteln, was mir aber nicht nachhaltig gelungen ist - mehr als ein paar Meter war der Vorsprung nie. Blöderweise hatte es dort wieder starken Gegenwind; irgendwie hatte ich dann keine Lust mehr immer die Führungsarbeit zu machen und hab mich hinten eingereiht. Das hat aber nach der Anstrengung als lange Zeit "Tempomacher" nicht geklappt - und plötzlich war ich gut 5m hinter dem neuen Führungsduo.

Ja, und dann. Vielleicht hätte ich das an einem anderen Tag auf einer anderen Strecke akzeptiert. Aber halt! Das hier ist MEIN Rennen! Da geht jetzt keiner vorbei!

Vielleicht haben die es vorne auch ein wenig "verschlafen" (der Grüne hat auch nie Tempoarbeit gemacht), aber 800m vor dem Ziel war ich wieder dran. Ich hab gemerkt ich hab noch Reserven, wollte aber nicht zu früh weg (konnte auch nicht, weil der Weisse mir den Weg versperrte). Ich wusste es macht dann kurz vor dem Ziel eine Rechtskurve und nach weiteren 100m eine Linkskurve in die ca. noch mal 100m lange Zielgerade.
Und dann kam der Zeitpunkt an dem das ganze 20x200m-Training mit unserer Mittelstreckler-Gruppe sich rentierte. Bei der ersten Kurve spürte ich nur den Willen: Hier und heute gewinne ich !! - und dann folgte der Sprint meines Lebens..... Raus aus der ersten Kurve, volle Beschleunigung, Linkskurve und Richtung Ziel. Meine Sorge war noch, dass mir nach dem Antritt die Kraft ausgeht, und der blaue Zielbogen wollte nicht und nicht näher kommen. Am Ende aber dann doch 1sek vor dem Grünen und 5sek vor dem Dritten. Die letzten knapp über 200m in 30s; Usain Bolt wäre da wohl enttäuscht - aber der hat ja auch nicht 9,8km Vorbelastung. Und für uns Langstreckler tönt 2:30/km auch nicht schlecht ;-)

Ein Danke an meine Konkurrenten - so ein Sieg macht dann auch mehr Spass (im Jahr zuvor hatte ich fast eine Minute Vorsprung; ist auch schön aber nicht so spannend). Ein Danke auch an unseren Trainer - jetzt weiss ich wozu wir Bahnläufe machen ;-)

Und was ich noch gelernt habe: wenn man wirklich will dann steckt man auch kleine Rückschläge weg - und hat am Ende doch noch Kraft.