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Rennsteig-Marathon am 25.05.24

Rennsteig-Marathon am 25.05.24

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Für dieses Jahr haben Gigi und ich uns den Rennsteiglauf ausgesucht, ein seit 1973 stattfindender Landschaftslauf, laut Wikipedia der größte in Europa. 15.000 Menschen, die unterschiedliche Distanzen laufend und wandernd zurücklegen, machen den Lauf zu einer wahren Massenbewegung. Und ich muss vorausschicken: So richtig entflammt wurde ich nicht. Sind wir letztes Jahr mit ein paar Dutzend anderen Läufern gemütlich zum Start des Fichtelgebirgsmarathons geschlendert, quetschten wir uns nun zu Tausenden durch den abgesperrten Startbereich, an thüringischer Blasmusik vorbei. Die ersten fünf Kilometer ging es auf der Straße entlang und ich empfand das Feld, in dem ich lief, als sehr unruhig. Es war voll, aber auch recht schweigsam, was vielleicht an den bald auf uns wartenden Höhenmetern lag. Dafür pfiffen und brodelten Lungen vor und neben mir, einige beförderten Erstaunliches aus ihren Tiefen zutage und zwangen zum ein oder anderen Ausweichmanöver. Ich hatte zunächst ein wenig Schwierigkeiten meinen Rhythmus zu finden. Irgendwann ging es dann endlich in den Wald, doch richtig entzerren tat sich das Läuferfeld erst deutlich später. Bei Kilometer 17 registrierte ich erstaunt ein Gefühl, das ich bislang noch nicht bei einem Marathon empfunden hatte: Ich war genervt. Dabei liefen wir gerade einen schönen Waldweg entlang, das Wetter war perfekt, nicht zu warm und trotzdem blickte ab und zu Sonnenschein zwischen den Wolken hindurch. Teile des Thüringer Walds sahen sogar satt und grün aus, kein Vergleich zur postapokalyptischen Ödnis, die den Harz leider mittlerweile vielerorts kennzeichnet. Das Logo vom Rennsteig-Lauf mit seinem im Halbkreis gebogenen Pfeil, das ich hie und da auf der Strecke erspähte, wisperte immer wieder: Kehr um! Los, mach‘ einen U-Turn! Irgendetwas stimmte nicht.
Doch Genervtheit hin oder her, ein Marathon ist – zumindest für Gigi und mich – nie der Wettkampf allein. Es ist die Vorbereitung, das Drumherum, das nicht nur dazugehört, sondern die Sache erst so richtig rund macht. Und dieses Jahr sind wir mehr schlecht als recht in das Training gestolpert. Gigi hat gleich im Februar, nachdem er sich bereits zuvor bei Glatteis mit dem Fahrrad langgelegt hatte, beim Fußball einen Pressball aufs Knie gepfeffert bekommen, das daraufhin auf die Größe des Kopfes unseres Fünfjährigen anschwoll und ihn nahezu acht Wochen lang lahmlegte. Zum Glück war die Hardware unbeschadet geblieben, aber der Erguss war zäh und ich hatte meine liebe Not, Gigi davon abzuhalten, selbst mit dem Küchenbesteck daran herumzuoperieren. Während wir also schon unsere ersten Tempoläufe hätten machen sollten, war Gigi noch dabei, das Bein hochzulagern, was – das kann hier sicher jeder nachvollziehen – auch gemütsseitig seinen Niederschlag fand. Wir sind eben beide nur dann so richtig gut erträglich, wenn wir in Bewegung sind. Bewegung bedeutet Zeit für sich zu haben, nicht erreichbar zu sein, mal wieder ganze Alben oder Podcasts anzuhören und vor allem runterzukommen. Alles lässt sich leichter nehmen, wenn man vorher drei Stunden durch den Wald gejoggt ist. Die Ansprüche sind danach einfach andere (Trinken! Snacks!) und das kommt nicht nur einem selbst, sondern meistens auch den Menschen um einen herum zugute. Ist einer ausgeschaltet, betrifft das alle. Aber viel Zeit für Introspektionen blieb uns nicht. Denn auch wenn die fehlenden Laufrunden nach Adam Riese eigentlich Zeit hätten schenken müssen, wurde das, was da war, sofort von Arbeit und Alltag absorbiert. Dazu kamen unzählige Infekte, welche die Kinder in regelmäßigen Abständen zu Hause einschleppten und die dann fröhlich zwischen uns zirkulierten. Vielleicht war es wirklich, wie Gigi meinte, der erste Winter, in dem man vollständig auf irgendwelche coronabedingten Schutzmaßnahmen verzichtete. Es war jedenfalls furchtbar anstrengend und noch im Frühling wollte die Krankheitswelle nur widerwillig abflauen. Zumindest konnte Gigi im April wieder mit dem Laufen anfangen und es keimte langsam Vorfreude auf den Rennsteiglauf auf.
Dies Vorfreude wurde allerdings bald wieder getrübt, da das von uns gebuchte Hotel einen Monat vor dem Lauf pleiteging und unsere Reservierung stornierte. Es war sehr mühselig, so kurzfristig noch eine andere Unterkunft zu bekommen, schließlich hatten die anderen 14.999 Läufer bereits gebucht. Wir fanden dann doch noch ein Hotel in der Nähe von Masserberg, das eine halbe Autostunde vom Start entfernt lag und so aussah, wie wir uns fühlten: die besten Jahre bereits hinter uns. Als wir am Freitagabend dort um viertel vor zehn aufkreuzten, nachdem wir die Startunterlagen aus Neustadt geholt hatten, funkelte uns die Rezeptionistin böse an, gab uns dann aber doch noch den Zimmerschlüssel. Der Lauf selbst war bestens organisiert, es gab Shuttlebusse, welche die umliegenden Orte mit Start- und Zielort verbanden. Doch es waren immer merkliche Distanzen zu überbrücken. Zum nächsten Shuttlebus hätten wir ebenfalls das Auto nehmen müssen, da der Fußweg eine Stunde gedauert hätte. Vom Ziel in Schmiedefeld mussten wir über eine Stunde im Shuttlebus nach Neustadt und dann noch einmal eine halbe Stunde mit dem Auto zu unserem Hotel fahren. In der Summe also viel Umhergegurke, um von a nach b zu kommen. Dabei hatte es mir in den letzten Jahren besonders gut gefallen, nach dem Lauf nur noch ein paar hundert Meter ins Hotel kriechen zu müssen. Ich merke, dass mir das dann doch wichtiger ist, als einen besonders großen Lauf mitzulaufen.
Jedenfalls, Kilometer 17 und ich mies gelaunt, fragte mich, ob es an diesen Begleitumständen liegen könnte und am verstolperten Start ins Jahr. Dann kam eine größere Verpflegungsstation und ich griff beherzt in die Stullenauslage, trank Tee aus Zitronengranulat und merkte, wie ich kurze Zeit später geradezu euphorisch werde. Natürlich! Wie konnte ich vergessen, dass ich eigentlich ab Kilometer fünf das System mit Snacks versorgen muss! Wie töricht, auf Hunger zu warten anstatt vorzusorgen. Wie gut eine butterbeschmierte Weißbrotknifte doch schmecken konnte! Ab jetzt wollte ich alle Konzentration darauf richten, wo es als nächstes etwas zu Futtern gibt.
Damit bin ich dann sehr gut gefahren. Die Strecke war anspruchsvoll und schön mit vielen Trail-Anteilen. Im Wald war es durch den zuvor gefallenen Regen feucht und matschig. Man musste sich also zwischenzeitlich immer wieder fokussieren, aber dadurch blieb es auch abwechslungsreich. Ab Kilometer 30 wurde es dann natürlich anstrengender und die Höhenmeter setzten mir zu, doch es tat alles schön gleichmäßig weh, was ich als gutes Zeichen deutete. Zwischendurch liefen wir immer mal wieder durch kleinere Dörfer, in denen uns Blasmusik und nette Leute am Straßenrand zum Weiterlaufen anspornten. Richtig fies war der letzte Kilometer, der kontinuierlich bergauf führte, bis er einen letztlich über die Ziellinie warf. Gigi war bereits eine halbe Stunde früher angekommen und wartete im Zielbereich, wo ich mich nach 4:26 Stunden glücklich in seine Arme werfen konnte.
Zwei Apfelschorlen, zwei Bier, eine Suppe und eine Bratwurst später ging es uns hervorragend. Es war angenehm sonnig und irgendwann waren wir bereit, den Rückweg mit dem Shuttlebus anzutreten. Anderthalb Stunden später waren wir dann schließlich wieder in unserem Hotel und konnten den Abend bei Chips, Schokolade und Rotwein ausklingen lassen. Alles in allem war es ein wirklich schöner Lauf. Ich würde aber das nächste Mal wohl lieber wieder einen Marathon wählen, der ein paar Nummern kleiner ist. Es hat schon was, mit Tausenden anderen Läufern gemeinsam durch den Thüringer Wald zu streifen, aber mir ist die Intimität kleinerer Veranstaltungen lieber. Ich mag es auch, das Auto am Freitag abstellen zu können und erst Sonntag wieder aufschließen zu müssen. Für Leute, die allerdings ein umfangreiches Rahmenprogram schätzen, ist der Rennsteiglauf sicher ein großartiges Erlebnis. Denn sowohl vor als auch nach dem Lauf gab es Live-Musik, Merchandise in allen Formen und Farben und ordentlich Programm. Gigi und ich lieben es jedoch, uns an diesen kinderfreien Wochenenden auf einem Hotelbett voller süßer und salziger Näschereien zu aalen, Schrott im TV zu gucken, vielleicht nochmal die schweren Körper ins hoteleigene Schwimmband zu hieven, aber ansonsten eher, dem Auge der Öffentlichkeit verborgen, abzugammeln.
Wer von Euch also einen Tipp für einen schönen Landschaftslauf in Deutschland oder den Niederlanden hat, immer gern her damit!
Viele Grüße
Eure Momo

Re: Rennsteig-Marathon am 25.05.24

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Danke für deinen erfrischend ehrlichen Bericht mit allem drum und dran....und schön, dass Essen dann doch noch dazu führte, dass du den Lauf genießen konntest. :daumen: :nick:
5 km - 21:44 (09.09.2023 - Tierparklauf)
10 km - 44:40 (16.10.2022 - The Great 10K)
HM - 1:39:18 (28.08.2022 - Die Generalprobe)
25 km - 02:02:00 (15.05.2022 - S 25)
M - 03:38:13 (25.09.2022 - BM)
50 km - 04:32:07 (17.03.2024 - Werderseelauf)
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