Mein erster Marathon
Zeitziel Sub 4: Von der Vergangenheit, der Planung, dem Ziel und dem Lauf
Liebe „Laufverrückte“
Wie in meiner Vorstellung schon versprochen (oder auch angedroht
Ich wünsche Euch viel Spaß bei der Lektüre und weiterhin viele Gute Läufe. Let`s go.
Der Schlüssel zur Veränderung liegt bei Dir selber
Ich war Zeit meines Lebens nie ein besonders sportlicher Mensch und viele Jahrzehnte zum Teil deutlich übergewichtig. Im Juli 2022 habe ich dann bei einer Präventionsmedizinischen Untersuchung vom Arzt die rote Karte gezeigt bekommen. Erst habe ich mich 2 Tage jammernd ins eigene Schneckenhaus zurückgezogen und jedem und allen die Schuld an meinem Zustand gegeben („der Stress, die Arbeit…. und und und“) um mir dann einzugestehen, dass der Schlüssel zur Veränderung nur bei mir selber liegt.
40 kg runter
Vor allem die typischen Wohlstandserkrankungen (metabolisches Syndrom, hohe Adipositas) und alles was damit einhergeht machten mir zu schaffen. Am dritten Tag nach meinem Arztbesuch habe ich dann damit angefangen, mein Leben von Grund auf zu ändern. Damals mit vielen zunächst sehr kleinen Schritten, auf schnelle Erfolge mit umso schnelleren Jo-Jo-Effekten hatte ich keine Lust mehr, es musste etwas Nachhaltiges her – wenn man so möchte, war das der Startschuss zu meinem ganz persönlichen Marathon, nur wusste ich das damals noch nicht. Innerhalb eines Jahres habe ich dann durch eine konsequente Ernährungsumstellung 40 kg abgenommen. Low Carb, Anleihen aus der Ketogenen Ernährung oder ich mag es lieber so beschreiben: „Eine gesunde und überwiegend Mediterrane Ernährung“. Das war am Anfang alles nicht so leicht, aber mit jedem kleinen Schritt stieg die Motivation weiter an. Außerdem wurde so bereits der Grundstein für eine gewisse mentale Stärke gelegt, die man für einen Marathonlauf ganz ohne Zweifel benötigt.
Meine ersten Läufe
Meine ersten Läufe habe ich in keiner allzu schönen Erinnerung, es waren einfach viel zu viele Kilos, die ich mit mir rumgeschleppt habe und so waren es am Anfang eher zaghafte Versuche, wenige Meter, viel Muskelkater - aber ich wollte das Thema Bewegung dann ja schon in meinen Alltag integrieren. Ich habe mir dann in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Smartwatch zugelegt und konnte mittlerweile 5 km am Stück laufen. Die erste Strecke die ich dann mit einer Uhr aufgezeichnet habe ergaben damals 5,57 km in 47:26 Minuten und einer Pace von 8:30. Mein VO2-Maximum wurde mir damals mit 34,2 und in meinem Alter als „ausreichend“ angezeigt, da arbeitete ich ja immerhin schon einige Monate an der Gewichtsreduzierung, wer weiß, um wieviel schlimmer es noch vorher ausgesehen haben mustte?! By the way: Ich bin heute übrigens knapp 55 Jahre jung.
Mein erster 10 km Lauf
Das neue Ziel war es, 10 km am Stück zu Laufen. Ich habe mich dann auch zeitnah für Mitte 2023 für meinen ersten 10 km Volkslauf angemeldet, habe es vielen lieben Menschen erzählt und mir so den „sanften eigenen Druck verschafft“ dafür auch etwas zu tun und zu trainieren. Mit zunehmendem Training (aber immer noch nicht oft) habe ich mir dann das Ziel gesetzt, wenn alles optimal läuft in weniger als einer Stunde anzukommen. Das habe ich dann auch knapp geschafft und war total glücklich und wahnsinnig stolz als mich meine Familie im Ziel in Empfang genommen hat. Es war nur ein sehr kleiner Volkslauf und ich war unheimlich zufrieden, in meiner Altersklasse Senioren M50 den 16. Platz erreicht zu haben. Was aber zu diesem Zeitpunkt bereits viel, viel wichtiger war: Schon in der Vorbereitung auf den 10 km Volkslauf ist eines ganz deutlich in den Vordergrund gerückt: LAUFEN MACHT MIR UNGLAUBLICH VIEL SPAß!
Bewegung in den Alltag integrieren
In der zweiten Jahreshälfte 2023 bin ich dann so ca. alle 2 bis 3 Wochen Laufen gegangen und verspürte immer mehr den Drang, auch tatsächlich raus in die Natur laufen zu gehen und mich zu bewegen. Gewicht war nicht mehr das 1A-Thema, ich hatte 40 kg abgenommen und jetzt begann die Zeit, dass ich natürlich unbedingt mein Gewicht halten wollte, was ist da schöner als zu laufen, das Hobby mit dem Nützlichen zu verbinden? Parallel dazu bin ich nicht mehr mit Bus und Bahn zur Arbeit gefahren, sondern fahre bis heute bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit – jeden Tag ein schönes, ausgleichendes, kleines Workout.
Aus 10 km werden 15 km wird ein Halbmarathon
Regelmäßigen 10 km Läufen folgte dann Ende Oktober 2023 mein erster 15 km Trainingslauf. Und Ende November 2023 mein erster Halbmarathon Trainingslauf den ich mit einer Pace von 6:49 und einer Workout Dauer von 2:27:05 abgeschlossen habe. Die Freude, das Glück, den Elan den mir das alles gegeben hat könnt Ihr lieben Läuferinnen und Läufer Euch bestimmt gut vorstellen.
Ein neues Ziel muss her – Die Planung für meinen ersten Marathon beginnt
Bis zum Ende des Jahres 2023 bin ich dann insgesamt 5 Trainingsläufe über die Halbmarathondistanz gelaufen, den letzten im Jahr 2023 am 27. Dezember in einer Pace von 07:17.
Am 31.12.2023 habe ich dann den Entschluss gefasst, mich für den Rhein-Ruhr-Marathon Duisburg 2024 anzumelden, ich musste ja schließlich als „Frühbucher“ noch den Startpreisrabatt mitnehmen
Die Vorbereitung auf meinen ersten Marathon beginnt, oder: Anfängerfehler
Am 01.01.2024 habe ich mit der Marathon Vorbereitung begonnen. Der erste Lauf war ein 10 km Lauf. Ich hatte mir einen „Standardplan“ aus dem Internet besorgt und im ersten Monat meiner Vorbereitung so einiges falsch gemacht über das ich heute in der Nachbetrachtung herzhaft lachen kann. Ein paar Dinge liste ich einmal auf (Liebe Marathonis - bitte nicht nachmachen):
- Alle Trainingsläufe in derselben Pace gelaufen (somit keine neuen Anreize für den Körper geschaffen). Kein Intervall- und kein Tempotraining.
- Bei Regen die Brustwarzen nicht abgeklebt – Autsch, alles voller Blut.
- Ernährung eher noch wie Low Carb (Der Körper braucht aber auch Energie in Form von Kohlenhydrathen).
- Die Laufschuhe in meiner normalen Schuhgröße gekauft, die ersten schwarzen Zehennägel ließen nicht lange auf sich warten.
Es war aber nicht alles falsch, ich habe eine sportmedizinische Untersuchung durchgeführt und bin unter diesem Aspekt das Ganze auch vernünftig angegangen. Auch konnten im ersten Monat der Vorbereitung sicherlich gewisse konditionelle Grundlagen gelegt werden, der erste Vorbereitungsmonat war also nicht verschenkt. Mental war das so und so ein Gewinn, da ich gesehen habe, zu welchen Leistungen, Durchhaltevermögen, bei Wind und Wetter los zu laufen ich in der Lage war.
Mein persönlicher „Gamechanger“ in der Marathonvorbereitung – Beratung einer Lauftrainerin
Schwarze Zehennägel – es mussten neue Laufschuhe her, die anderen die ich habe waren alle zu klein. Ich habe also ein Lauffachgeschäft aufgesucht. Ich bin da total schüchtern reingegangen, die sahen alle so dermaßen sportlich fit und gut trainiert aus, irgendwie war es da mit meinem Selbstwertgefühl noch (immer) nicht zum Besten bestellt. Dann bin ich von einer Verkäuferin angesprochen worden und habe ganz leise gesagt (so dass es außer ihr bloß niemand hören konnte), dass ich im Mai meinen ersten Marathon laufen möchte. Ihre Reaktion war so dermaßen schön, motivierend, begeisternd – das war irre toll, sie hat sich bei diesem Ziel richtig für mich mitgefreut. Ich habe mich schlagartig viel, viel besser gefühlt und eine wirklich Top Beratung erhalten. Laufbandanalyse und mit allem drum- und dran. Bin dann mit 2 neuen Paar Laufschuhen und dem ein- oder anderen was mir sonst noch so gefiel wieder rausgegangen. Mit der supernetten Verkäuferin habe ich mich dann noch etwas unterhalten und auf meine Frage nach Lauftrainern stellte sich heraus, dass sie selber auch Lauftrainerin ist. Einer Laufgruppe wollte ich mich zu dieser Zeit noch nicht anschließen, aber die Chance mal alle Fragen zur Marathonvorbereitung in einem persönlichen Gespräch loszuwerden fand ich genial. Ich habe dann ein 2, 3 – stündiges Laufcoaching bei ihr gebucht, dass ich im Nachhinein als wahnsinnig wertvoll und echten „Gamechanger“ meiner Marathonvorbereitung ansehen würde. Nach einem gemeinsamen Lauf bin ich alle meine gefühlt „1.000 Fragen“ zur Marathonvorbereitung losgeworden und habe so dermaßen viel Hilfreiches, wertvolles, sympathisches, motivierendes, zuversichtliches Feedback und Antworten auf meine noch so ausgefallenen Fragen bekommen, das ich von dem Tag an dachte, „so machst Du das, das wird klappen, da kannst Du zuversichtlich sein“.
Nur noch 3 Monate bis zum Marathon
Nicht das mein ursprünglicher Internet-Trainingsplan schlecht gewesen wäre, aber wenn da Pace-Zeiten drinnen stehen, dann sollte man sich auch danach richten und zum Beispiel die Long Runs nicht unbedingt schneller laufen. Intervalltraining macht ebenfalls durchaus Sinn und so vieles mehr, was ich von nun an auch im Training richtig umsetzen wollte und nicht nur einfach danach, wie es mir zurecht interpretiere. Meine Konsequenzen aus der tollen Beratung waren, dass ich so einiges in meiner Trainingsvorbereitung umgestellt hatte, ich liste einmal ein paar Sachen ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf. Kleine Vorbemerkung: Das war jetzt mein ganz persönlicher Weg, es muss jeder selber wissen, wie sie/er es macht, für mich hat das so gut gepasst.
- 4 Läufe in der Woche. Vorher waren es drei. Meine Schwimmeinheit habe zu Gunsten einer vierten Laufeinheit aufgegeben.
- Zweimal wöchentlich habe ich 45 Minuten Läuferspezifisches Krafttraining, Stabilisationstraining in meine Vorbereitung integriert (das ist mir schwergefallen, da ich ziemlich ungelenk bin).
- Im Laufplan habe ich mich an die Vorgaben gehalten und langsame Long Runs wechselten sich mit Tempoläufen und Intervalltraining ab.
- An die Regenerationsphasen habe ich mich gehalten und ich habe diese immer sehr ernst genommen.
- Nach jedem Lauf gab es aus dem leistungsstarken Mixer einen selbstgemachten Shake „zur Belohnung“ – Hmmmm lecker (bestehend aus Wasser, veganem Proteinpulver, tiefgefrorenen Himbeeren, Leinöl, Leinsaat, Quark, Haferflocken). Ich bilde mir ja ein, dass das auch ein Grund dafür war, dass ich während der Marathon Vorbereitung nie Muskelkater hatte. Den ersten Muskelkater gab es dann erst nach dem Marathon, aber so viel vorweg: Das hielt sich aufgrund der guten Vorbereitung alles in Grenzen.
- In der Ernährung habe ich auf abwechslungsreiches, gesundes Essen, Ausgewogenheit und eben auch ausreichend Zufuhr von Kohlenhydrathen geachtet. Das ist mir Anfangs schwergefallen, da ich Angst davor hatte wieder zuzunehmen, was sich aber als unbegründet herausstellen sollte.
- Supplementiert habe ich veganes Omega-3 Öl, Vitamin D und Magnesium.
- Beim Laufen habe ich versucht darauf zu achten, mehr mit dem Mittelfuß als mit der Ferse aufzukommen, das ist mir aber noch nicht nachhaltig gelungen, da fehlt es mir an Technik.
- Wenn ich schneller Laufen wollte habe ich meine Schrittfrequenz erhöht und nicht die Länge des Schrittes.
- Und so weiter und so fort.
Mein erster Vorbereitungswettkampf – Halbmarathon in Köln-Porz
Den Tipp meiner Lauftrainerin folgend und recht spontan bin ich Mitte Februar meinen ersten Halbmarathonwettkampf bei der Winterlaufserie in Köln-Porz gelaufen. Das hat mir trotz Regen und teilweise matschigem Untergrund sehr viel Spaß gemacht und war eine richtig gute Probe und Standortbestimmung für alles was jetzt noch folgen sollte. Ins Ziel kam ich nach 2:00:51 und hatte damit eine Zeit von unter 2 Stunden nur knapp verfehlt. Es war dennoch ein herrliches Gefühl, denn ich weiß ja wo ich herkomme und verglichen mit 2:37 oder 2:27 waren diese Trainingszeiten aus 2023 geradezu pulverisiert.
Literatur und Social Media - Ich sauge so ziemlich alles zum Thema Laufen auf, was mich interessiert
Das Laufen-Virus hatte mich nun also völlig infiziert. Ich habe dann sehr viel gelesen, weil es mir einfach Spaß gemacht hat und mich interessierte. Tolle Fachzeitungen wie zum Beispiel Runners World, Running, Aktiv Laufen usw. Danach habe ich dann auch angefangen Bücher zu lesen wie zum Beispiel: „Marathon kann jeder“ (war mir eine sehr, sehr gute Stütze), „Marathon unter 4 H in 6 Monaten“, „Lauf Wigald lauf“ und „Im Land des Laufens“ (da bin ich noch dran, es gefällt mir wahnsinnig gut). You Tube Videos und Instagram gaben ihr übriges dazu und motivierten mich noch noch heute und on Top. Die vielen kleinen Laufvideos mag ich extrem gerne. Die Lauf-Community ist schon etwas ganz besonderes.
"Belohnungen" nach den Trainingseinheiten
Nach jedem Training gab es wie weiter oben beschrieben einen gesunden und leckeren Shake. Dazu ein schönes Bad in der Badewanne mit herrlich duftenden Badezusätzen, wie zum Beispiel einem Muskelentspannungsbad – ich liebe das. Dazu habe ich dann Laufpodcasts gehört (zum Beispiel den von Andreas Butz und Franziska Dietz: „Marathon-Podcast“). Abends im Bett ein wenig gelesen – herrlich. Herrlich verrückt, wie mich das Thema Laufen mehr und mehr fesselte und begeisterte. Aber auch die Familie kam nicht zu kurz, das wir mir von Beginn an immer wichtig.
Familie
Die Familie gehört eigentlich an den Beginn dieses Berichtes, leistet sie doch in der Vorbereitung eigentlich auch schon einen Marathon. Sie ist das Wichtigste, haben sie mich in meinem Unterfangen doch immer und vom ersten Trainingstag an phantastisch motiviert und unterstützt. Man darf nicht unterschätzen, wie viel Zeit eine Marathonvorbereitung in Anspruch nimmt. Ich habe die Laufzeiten möglichst immer so gelegt, dass gemeinsame Familienzeit nicht zu kurz gekommen ist. Die Familie hat von leckerem, gesundem Essen profitiert, da ich gerne gesund koche und dann für alle auch schon mal vorgekocht habe. Meine Frau sagt heute noch, dass es ihr so allemal lieber ist, als die Zeit in der ich noch „Couchpotato“ war und mich nur wenig zu irgendwelchen Aktivitäten aufraffen konnte.
Es wird ernst: Nur noch wenige Wochen bis zum ersten Marathon
Meine Taperingphase hatte ich im Trainingsplan schon frühzeitig von 2 auf 3 Wochen ausgedehnt, das sollte gut passen. Die langen Läufe hatte ich in ausreichender Anzahl immer sonntags absolviert und meine mittlerweile neu zugelegte erste richtige „Läuferuhr“ zeigte mir an, dass die eigenen persönlichen Bestzeiten über 10 km oder die Halbmarathondistanz gleich mehrmals geknackt wurden. Nicht das der falsche Eindruck entsteht, es ging mir nur um Zeiten, Pace etc. das Laufen hat und macht mir wahnsinnig Spaß und ich hoffe, das kommt im Bericht auch so rüber. Gleichwohl ist es auch so, dass Zeiten mich zusätzlich motivierten und ich es spannend empfand, zu sehen was alles möglich ist und was geht (erst recht in dem Wissen wo ich mit ursprünglich 40 kg Übergewicht herkomme) . In der letzten Woche vor dem Marathon gab es mehr Kohlenhydrate auf den Teller (Carboloading) und in den 3 Tagen zuvor habe ich mehr getrunken als sonst üblich um gut hydriert an den Start zu gehen. Beide letzten Nächte vor dem Marathon bin ich früher ins Bett gegangen und habe beide male trotz der Aufregung wirklich gut geschlafen (Lesen im kuscheligen Bett macht müde). Am Tag vor dem Marathon haben wir die Starterunterlagen abgeholt und natürlich zahlreiche Fotos vor der Rhein-Ruhr-Marathon 2024 Fotowand („Ich bin dabei“) geschossen.
Mein Wettkampfplan
Mittlerweile wusste ich, was ich in der Vorbereitung geleistet habe und somit war ich recht zuversichtlich, meinen ersten Marathon auch zu schaffen. Andererseits fehlte mir die Erfahrung und so wusste ich wiederum nicht wirklich, was mich konkret erwartet bzw. ob und wann der vielbeschworene „Mann mit dem Hammer“ kommt. Ich konnte auch überhaupt nicht einschätzen, ob mein Plan insgesamt aufgeht und dennoch hatte ich mir einiges Vorgenommen und zuvor vorbereitet und zurecht gelegt. Ich wollte nicht nur meinen ersten Marathon finishen, sondern hatte mir auch eine „Zielzeit Sub 4“ vorgestellt (eher „gewünscht“) und das konnte ich so gar nicht einschätzen, ob das wirklich realistisch ist oder doch etwas zu optimistisch gedacht war (auch wenn mein Trainingsplan auf eine Zielzeit von unter 4 Stunden ausgerichtet war). Was hatte ich mir also vorgenommen, zurecht gelegt und gedanklich vorbereitet?
- Zielzeit unter 4 Stunden.
- Ich wollte mich für die erste Streckenhälfte den Pacemakern Sub 4 anschließen und dann entscheiden, ob ich dieses Tempo mitgehen kann oder ob ich die zweite Streckenhälfte langsamer laufen muss.
- Laufkleidung: Extra für meinen ersten Marathon angefertigt mit vielen kleinen Details versehen habe ich mir mein Shirt und die Laufhose schon Monate vorher anfertigen lassen (Sinnspruch: „Am Anfang eines langen Weges steht immer ein erster Schritt“, mein Geburtsjahr auf die Lauf-Shirt Rückseite gedruckt, eine „Forrest-Gump Schwarz-Weiß Zeichnung“ an der Hose, das Stadtwappen meiner Heimatstadt, meine Initialen und und und).
- Die Laufsachen bin ich natürlich in der Vorbereitung auch gelaufen, genauso wie ich mit den eingelaufenen Laufschuhen den Marathon laufen wollte.
- Ich wollte jeden Versorgungsstand ansteuern und somit ca. alle 3 KM einen halben Becher Wasser trinken. Keine Experimente, alles so, wie zuvor auch geübt und einstudiert.
- Gelstrategie: Alle 7 km ein Gel, morgens 3 Stunden vor dem Lauf ein Toastbrot mit Erdnusscreme.
- Armband gebastelt mit den geplanten KM-Zwischenzeiten, die KM-Angaben zu den Versorgungsständen mit „G“ wie Getränk gekennzeichnet.
- Die Familie, Freunde und Arbeitskollegen mit einer Tabelle versorgt, zu welcher Uhrzeit/Ankunftszeit ich an welchem KM, an welcher Straße und wann ich bei einer möglichen Pace zwischen 5:40 und 6:40 bei jedem einzelnen KM des Laufes ankommen werde.
- Zur Motivation mental mir vorgestellt wie es sein wird, wenn ich ins Ziel einlaufe.
- Mental auf den Mann mit dem Hammer vorbereitet: Komm ruhig vorbei, dann werde ich sagen „Da bist Du ja“ und „Na, ich habe mich echt gut vorbereitet, was?“
Und dann kam er endlich, nicht der Mann mit dem Hammer, sondern mein erster Marathonlauf.
Rhein-Ruhr-Marathon Duisburg 05.05.2024 – Mein erster Marathonlauf
Der Start war für 8:30 Uhr geplant. Ich war rechtzeitig angereist und habe die ganze Stimmung in mich aufgesaugt wie ein Schwamm. Die Zeit vorher habe ich genutzt um mich warm zu machen. Vorher hatte ich immer gedacht: Wie können die Leute knapp vorher noch auf die Toilette gehen, das wird mir nicht passieren. Was soll ich Euch sagen? 2 Minuten vor dem Start musste ich auf die Toilette.
Dann war die Strecke noch nicht freigegeben und der Start verzögerte sich so ca. um 40 Minuten – was ich da nicht bedacht hatte war, dass mein ausgedruckter Plan für die Familie hinfällig war, da dieser von einer Startzeit bei 8:30 Uhr ausging. In der Vorbereitung habe ich die Long Runs übrigens auch immer um 8:30 Uhr gestartet, das hielt ich für eine gute Idee (war es glaube ich auch). Dann hieß es also sich warm zu halten, damit es keinen Kaltstart bei der Startverzögerung gab.
Im Startbereich habe ich mich hinter den 4 Stunden Pacern einsortiert. Ich war sehr darauf bedacht nicht zu schnell loszulaufen. Bevor dann endlich von 10 auf 1 rückwärts gezählt wurde und der Startschuss für ich glaube knapp 1.000 Marathonis erfolgte gab es noch göttlichen Beistand mit Gesang und einer kurzen Ansprache von Pfarrer Jürgen Muthmann, ehe es von der Kruppstraße in Duisburg (ganz in der Nähe des MSV Duisburg Stadions, der Schauinsland Arena, losging).
Leider war der MSV Duisburg am selben Wochenende in die viertklassige Regionalliga abgestiegen, was aber nicht davon abhielt, dass einige Marathonis im MSV Duisburg Trikot ihren Marathon absolvierten – wahre Liebe kennt keine Liga.
Während des Laufes wechselten sich zuschauerstarke Bereiche mit weniger zuschauerstarken Bereichen ab. Städtische Gegenden und eher ländlich geprägtere Ortschaften folgten aufeinander. Zahlreiche Samba-Bands und eine tolle, lautstarke und sehr familiär-freundliche und herzliche Unterstützung der Duisburger an der Laufstrecke sowie zahlreiche selbstgebastelte Schilder, abzuklatschende Kinderhände – alles das war für meinen ersten Marathon sehr besonders und phantastisch. Ein herrlicher Ruhrpott-Charme und das meine ich anerkennend und dankbar.
Hier und da ertappte ich mich dabei, dass ich doch sehr auf meinen Lauf konzentriert war und nicht immer alles am Straßenrand so mitbekommen habe. Mir ging es darum, möglichst sauber zu laufen und mich „einzugrooven“, in den für mich nötigen und guten Flow zu kommen. Das gelang doch recht schnell und auch ziemlich gut.
Den ersten KM wollte ich etwas langsamer angehen, hatte aber Sorge zu schnell die Sub 4 Pacemaker zu verlieren, so dass ich in dieser sehr großen Traube an Marathonis mitgelaufen bin. Ich habe den kompletten Lauf gelächelt und die ersten 3 km waren für mich Gänsehaut pur. Mir ging durch den Kopf, das heute der Tag der Belohnung für alle meine Vorbereitungen ist und dass ich heute etwas schaffen werde, wovon ich vor zwei Jahren nicht im Traum daran gedacht hätte einmal auf einer Marathonstrecke zu stehen.
Samba-Bands, 2 Altenheime, Private Partys, Kinder, Familien, die Mitarbeiter der städtischen Reinigungsbetriebe, die zahlreichen ehrenamtlich organisierten Versorgungsstände – alles phantastisch, ich war begeistert und dankbar, dankbar, dankbar. Etwa alle 3 KM gab es einen Versorgungsstand der vorher mit einem großen Transparent angekündigt wurde. Zahlreiche helfende Hände. Wasser, Isotonische Getränke, Bananen und vieles mehr. Ein großes, großes Dankeschön an alle freiwilligen Helferinnen und Helfer, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre: Für mich seid Ihr alle Helden. Danke sehr. Ich fand die Veranstaltung ohnehin durch die Bank weg sehr gut organisiert. Für einen Erstläufer eine Top Adresse.
Dann ging es also weiter mit meinem Lauf. Die ersten beiden Getränkestände wurden angesteuert und mir viel auf, dass eines der wenigen Dinge die ich im Training nur suboptimal trainieren konnte das Trinken aus Bechern war. Zweimal habe ich mir das Wasser beim Laufen erstmal ordentlich ins Gesicht geschüttet. Vielleicht wussten das die Versorgungsstände, denn ich hatte den Eindruck die ersten Becher waren voller als die an den kommenden Versorgungsständen. So war trotz verschüttetem Wasser noch genügend zum Trinken übrig. Auf jeden Fall klappte es danach deutlich besser, indem ich die Trinkbecher leicht zusammengedrückt hatte und ich das Wasser so wie durch einen Trichter besser zu mir nehmen konnte.
Die ersten etwa 17 bis 18 km bin ich sehr gut in der großen Traube der Sub 4 Marathonis mitgelaufen. Ich musste mich in der etwas engen Gruppe konzentrieren, dass ich niemanden anrempel oder in die Hacken laufe, den anderen Marathonis ging es wohl ebenso. Dann habe ich vor der nächsten Getränkestelle den Entschluss gefasst, etwas vor die Pacemaker zu laufen, denn da war sehr viel Platz und es waren dort nur vereinzelt Marathonis unterwegs. Mein Gedanke war, dass ich bei meinem Zeitziel einfach nicht von den 4 Stunden Pacemakern überholt werden darf und dann sollte alles gut klappen mit meinem Traum.
Im Flow war ich, fühlte mich spritzig und gut, habe wirklich jeden KM genossen und war mir auch sicher nicht zu überpacen. Zwischen dem 20. und 30. KM habe ich mir dann eher unbewusst einen gewissen „Vorsprung“ vor den Sub 4 Pacemakern herausgelaufen. Das Kopfrechnen viel mir trotz KM-Anzeige am Streckenrand, meiner noch recht neuen Laufuhr am linken Handgelenk und meinem Laufarmband mit den geplanten Zwischenzeiten am rechten Handgelenk etwas schwer, aber ich dachte, so ca. 1 bis 2 Minuten flotter unterwegs zu sein. Das war aber letztlich auch egal, denn ich konnte den Lauf und die Anfeuerung der vielen lieben Zuschauer sehr genießen.
Bei KM 32 bis 34 dachte ich kurzzeitig, dass die Beine etwas schwerer wurden, aber davon habe ich mich nicht so richtig beeindrucken lassen, zu schön war der Lauf bei perfektem, nicht zu warmen, trockenen Wetter und etwa 10 bis 14 Grad.
An den KM 19, 22 und 37 waren Freunde und Arbeitskollegen am Streckenrand, die ich Gott sei Dank alle gesehen habe um mich für den Support mit in die Höhe gestrecktem Daumen zu bedanken. Diese Unterstützung hat mir echt nochmals zusätzlichen Schub und Kraft gegeben. Die Gelstrategie, mir alle 7 km ein Gel zu nehmen ging auch sehr gut auf.
Ab dem KM 34 habe ich die KM runtergezählt und mir meine heimischen Laufrunden vorgestellt und wieviel oder wie wenig ich jetzt noch vor mir hatte. Auf den letzten KM haben mich gefühlt 3 Marathonis überholt, umgekehrt hatte ich aber auch das Gefühl mindestens 30 Marathonis selber zu überholen. Viele Marathonis waren unterwegs, die Gehen mussten oder bei denen der Oberkörper weit nach vorne gebeugt anzeigte, dass keine Rumpfstabilität mehr vorhanden war. Ich hatte das Gefühl kräftig und stark zu sein und habe zahlreiche Marathonis angefeuert, motiviert: „Du schaffst das“, „Umdrehen macht jetzt keinen Sinn mehr“, „das schaffen wir jetzt auch noch“, „Sieht gut aus“ usw. 2 Kinder und seine Ehefrau feuerten ihren Papa an. Ich rief ihnen zu, dass das gut aussieht beim Papa und er das auf jeden Fall schaffen wird. Was für eine schöne, herzliche Atmosphäre, wir Läufer müssen zusammenhalten.
Dann kamen die letzten KM. Ich wusste das es nicht mehr lang ist. Ich konnte den ganzen Lauf ohne Gehpausen durchlaufen und bekam bei der Vorstellung bald ins Stadion einzulaufen wahnsinnige Gänsehaut. Je näher das Stadion kam um so größer empfand ich die Zuschauerpräsenz und deren unentwegte Anfeuerung. Phantastisch, unglaublich schön. Dann kam der Einlauf ins Stadion, im Stadiontunnel mit bunter Beleuchtung, die letzten 400 Meter auf der Stadionlaufbahn, Anfeuerung, Zuschauer, Lautsprecherdurchsagen, ich konnte meine Familie nicht entdecken, Anfeuerung meiner Lauftrainerin und Ihres Mannes, die sich spontan entschlossen hatten auch zu laufen und schon lange vor mir im Ziel angekommen waren.
Dann der Zieleinlauf. Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn. Geschafft. Du hast es echt geschafft. Du hast es sogar unter 4 Stunden geschafft. Ich war absolut überwältig und wusste ehrlich gesagt zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, wann ich angekommen war, leider habe ich vergessen meine Laufuhr auszuschalten. Ein kurzer Plausch hier, ein kurzer Plausch da und dann habe ich meine Familie auf der Tribüne gesucht, inklusive meiner pflegebedürftigen Mutter, die es sich nicht nehmen lassen wollte, samt Rollator mit dabei zu sein. Als ich sie alle dann auf der Tribüne entdeckte und insbesondere als ich meine Frau und meine Tochter sah flossen die Tränen, ich konnte nicht mehr innehalten und meiner Familie ging es genauso. Was für ein wunderschönes Erlebnis, mein erster Marathon wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Bei der Zeitgravur meiner Finisher-Medaille habe ich dann auch meine Zielzeit erfahren, eine tolle Schnapszahl, die ich ebenfalls nicht so schnell vergessen werde: 3:54:45. Ich bin zwei tolle Hälften mit 01:58:00 in der ersten Hälfte und 01:56:45 in der zweiten Hälfte gelaufen. Glücklich, stolz und voller Demut einfach sehr, sehr dankbar, dass ich diese Reise erleben durfte.
Friede, Freude, Freiheit
Das Laufen gibt mir so viel. Friede, Freude, Freiheit. Manchmal denke ich mir, ich bin 20 oder 30 Jahre zu spät zum Laufen gekommen und dann denke ich mir „Besser spät als nie“ (so entstand mein Forumsname). Die nächsten Pläne sind ins Auge genommen und beinhalten 10km Läufe, Halbmarathon- und Marathondistanzen. Danke dass ich gesund bleiben durfte und ich hoffe ich darf das weiterhin. Meine großen kommenden Ziele sind der Generali Köln Marathon am 06.10.2024 und der Uniper Düsseldorf Marathon am 27.04.2025. Natürlich bin ich da bereits angemeldet.
Alles Liebe, alles Gute, für Euch alle schöne Lauferlebnisse - Frau/Mann sieht sich