Es gibt ja zwei Theorien zur Marathonvorbereitung. Die eine besagt: viele lange Läufe von mindestens 30km. Die andere begrenzt die Zeit der langen Läufe auf drei Stunden.
Bisher hatte ich mich nach Theorie 1 vorbereitet, fand aber seit meinem ungeklärten Leistungsknick, der ab 2007 sich breit machte, diese „Langen“ sowas von ätzend, dass ich für die Vorbereitung auf den BM 2009 die andere Variante wählte: die längsten Läufe im Plan hatten nur 25 km (die ich aber auf knapp 27 aufstockte). Bei meinem Schleichtempo brauchte ich auch gute drei Stunden dafür.
Dabei war ich immer wild am Rumzweifeln, ob das auch wirklich reicht. Na, man würde ja sehen. Mein Ziel war, endlich mal wieder einen Marathon ohne diesen starken Einbruch zu laufen, der die zweite Hälfte bei nunmehr vier Marathons viel langsamer gemacht und mir Zeiten deutlich über 5 Stunden gebracht hatte.
Der 20.9. rückte heran. Ruth B. und ich fuhren via Zoo mit der U-Bahn zum Potsdamer Platz, da die S-Bahn ja ausfiel. Es wurde entsetzlich voll! Am Ziel dauerte es ewig, bis die Massen überhaupt vom Bahnsteig runter und auf der Straße waren, auch hatten wir den falschen Ausgang erwischt, so dass wir zurück über die Straße mussten. Die Ebertstraße hoch; am Brandenburger Tor gab es wieder einen Stopp, da wir die Rollis passieren ließen, die zum Start vor wollten. So kamen wir erst um 8.05 h am Reichstag an und verpassten den Fototreff der Foris, schade.
Sachen abgeben und in den Startblock H rein. Bisschen rumstehen. Startschuss, den man nicht hörte. Es stieg eine Traube gelber Ballons auf, die wegen der Windstille lange zusammen blieb und schließlich aussah wie ein riesiger gelber Vogelschwarm ganz hoch oben im Blau. Das gefiel mir!
Da es bei dem einen Startschuss blieb, kamen wir bald ins Laufen. Das gefiel mir auch. Diese drei verschiedenen Starts hatten die Sache immer so hinausgezögert… Ich fand bald ein Wohlfühltempo, aber sprach zu mir: jetzt bleibst du da noch etwas drunter. Lieber noch langsamer, aber gleichbleibend. Steady pace wins the race!
Es war scheußlich voll. Ich hatte kaum Gelegenheit, in die Gegend zu gucken oder auf die Zuschauer; es war um mich rum ein rechtes Gedränge, ein paarmal trat mir jemand unter den Fuß , streifte beim Überholen mit den Ellbogen, schnitt quer rüber – einige tausend Läufer weniger täten dem BM sehr gut, dann wäre alles wesentlich entspannter und auch die Falscheinordner wären problemlos zu überholen. Dieses „Auf-alles-achten“ ist mental so anstrengend, man kommt nicht in ein ruhiges Dahintraben.
Am Kottbusser Tor stand mein Neffe und feuerte mich begeistert an. Am Kottbusser Damm vermisste ich, wie schon 2008, die „Vier Jahreszeiten“ die dort von irgendwo links oben in den anderen Jahren herausgedröhnt hatten. Ruth hatte erzählt, das sei eine ältere Dame gewesen, die dort aufgelegt hatte. Ist sie gestorben? Weggezogen? Auf jeden Fall fehlt jetzt was! Sie hätte testamentarisch verfügen sollen, dass ihr Nachmieter…
Dann die lange Gerade vom Herrmannplatz bis Potsdamer Straße, die ich immer nicht leiden kann. Das Stück ist einfach doof, und man hat noch nicht mal den HM geschafft. Diesmal fehlte auch die Freundin meiner Tochter, die sonst immer am Mehringdamm zum Anfeuern stand.
Ab dem Rathaus Schöneberg komme ich in „heimatliche“ Gefilde. Das Getöse am Innsbrucker Platz ist ohrenbetäubend, und ich frage mich, ob die Trommler eigentlich Ohropax haben, ansonsten trommeln die sich doch nen Tinnitus?!
Und nun unser lieber kleiner Forumsstand mit liebem großen Göga, der mir ein Bier einschenkt und lieben Foris, die Aufmunterndes von sich geben. Ich hatte beim Laufen noch nie Bier, aber das tut ja sowas von gut! Hätte ich bloß noch einen Becher getrunken, sinniere ich im Weiterlaufen. War das jetzt eigentlich das Hefeweizen oder das Erdinger alkfrei gewesen?
So langsam bekomme ich „Luft“ um mich rum. Aber es wird warm und immer wärmer. Auf der Lentzeallee bietet jemand noch Oettinger Bier an, schnell nehme ich davon auch noch was. Es „schlabbert“ nicht so im Magen wie Wasser, und Basica oder diese süßen Tees finde ich eh fies.
Am Eber sind alle Cheergirl-Gruppen schwer aktiv, die Stimmung ist wieder mal riesig. Seit einiger Zeit schon fällt mir auf, dass ich fast die einzige bin, die an den Wasserstellen nach wenigen Schritten, die ich für’s Trinken brauche, gleich weiterläuft. Fast alle gehen. Ich komme manchmal kaum an den ganzen Wanderern vorbei. Dabei habe ich die trainierten km doch längst überschritten?! Aber trotzdem kann ich immer schön weiterlaufen, wenn auch langsam.
Ich weiß gar nicht, was immer alle auf den Hohenzollerndamm zu schimpfen haben. Zum einen kann man schön im Schatten laufen, auf der rechten Fahrbahn, zum zweiten scheint es mir doch so gaaanz leicht bergab zu gehen, und zum dritten ist man jetzt in den km mit 3 vorne, hat also eine Großteil geschafft. Also, ich mag dieses Streckenstück. Bei m 30km-Schild habe ich 3:30 auf der Uhr.
Ku-Damm ist ja auch okay. Viele Zuschauer, Schatten.
Aber dann! Ab Tauentzien wechselt die Laufstrecke auf die linke Fahrbahnseite. Dort ballert die Mittagssonne; gefühlte 35° (Tatsächlich war dies der zweitwärmste BM überhaupt, der wärmste war 2006.). Bis km 35 sah es noch so aus, als würde ich endlich mal wieder sub 5 schaffen, aber die Wärme und Sonnenbestrahlung schafft mich. Die Strecke gibt keinen Schatten mehr her. Potsdamer Straße, rauf zum P’Platz – es ist sauheiß. Ich werde langsamer. An der Oberwallstraße kurz vor den Linden muss ich einfach mal gehen, ich befürchte, mir wird sonst schlecht. Ich bin auch plötzlich so müde, könnte im Stehen einschlafen, es ist nicht körperlich, sondern irgendwie im Kopf. Soll ich noch ein Gel nehmen? Ach was, das wirkt ja kaum, bis ich im Ziel bin, muss auch so gehen.
Links rum auf die Zielgerade. Na, da ist es ja wenigstens wieder schattig! Ich trabe wieder an. Massen von Zuschauern, Wahnsinnsstimmung. Ich bekomme noch einen eigenartigen Krampf unten im rechten Bein, der gottseidank nicht besonders weh tut, aber den rechten Fuß in der Schwebephase (nunja, räusper, „schweb“ ist bei mir wohl nicht so passend), immer so komisch rumzucken lässt. Ich bange, ob er, wenn es Zeit zum Aufsetzen ist, gerade in der richtigen Position ist, aber das klappt.
Brandenburger Tor gerade voraus! Volle Kraft geht zwar nicht mehr, aber die Leute klatschen und schreien trotzdem. Ein wunderbarer Moment! Die roten Matten, der Zielbogen, es piept, Uhr stoppen nicht vergessen. 5:03:26.
Und nun immer schön weitergehen, Medaille kriegen, Wasserbecher nehmen, aufpassen, dass man sich nicht in den gelben Folien vertüdelt (wozu brauchen die bloß alle diese Folie, is doch so warm! Aber darum haben sie die Dinger wohl alle gleich wieder hingeschmissen, tststs), Verpflegungstüte – die ich gleich weiterverschenke. Ist ja doch alles laktosehaltig, und trinken tu ich jetzt lieber das angebotene Erdinger.
Ich muss mich jetzt erstmal setzen oder legen und abschalten. Bis zur Reichstagswiese und dort rumsuchen schaffe ich gerade nicht mehr, außerdem sind die Foris bestimmt schon weg. Ich treffe aber viele andere Bekannte, Nik, Sylvia von den Crazylegs, Dagmar (die ausgestiegen ist) und Carsten (nicht den mit S).
Fazit: bin zufrieden. Die Vorbereitung kann so schlecht nicht gewesen sein, denn sonst bin ich schon bei km 15 oder spätestens zum HM eingebrochen. Diesmal hat mir wirklich die Wärme dazwischengefunkt. Alle Kritikpunkte an der Veranstaltung haben meines Erachtens eine Ursache: es ist zu voll, die Strecke und der Zielbereich sind überlastet. Im TV sah ich den Andrang zur „Hauptgeschäftszeit“, also um die 4 h, da war ich als 5h-Läuferin schon in etwas gelichteten Reihen, was die Wasserversorgung im Ziel anging.
Danke für's Lesen!

Ulrike
1. Hälfte 2:25:28
2. Hälfte 2: 37:58
5 km 00:33:47
10 km 01:07:51
15 km 01:42:32
20 km 02:17:47
Halb 02:25:28
25 km 02:54:02
30 km 03:30:06
35 km 04:06:57
40 km 04:45:18
GESAMT
Platz (M/W) 5624
Platz (AK) 216
Platz (Gesamt) 30822
Zielzeit (Brutto) 05:14:29
Zielzeit (Netto) 05:03:26