burny hat geschrieben:Das ist der Punkt!
Solche Methoden suggerieren eine Exaktheit, die aber definitiv nicht gegeben ist. Wir sind in der Regel zahlenfixiert: Er wiegt 70 kg - das ist eine exakte Größe, losgelöst davon, ob der Eine damit zu dürr, der andere zu korpulent ist. Das Auto hat 80 PS, die Wohnung 104 qm, Tempolimit ist 80 km/h. Da das Gefühl für den Körper oft fehlt, wird nach scheinbarer Exaktheit gedürstet: "Der Arzt ermittelt meine HFmax." (oft so gelesen), die Leistungsdiagnostik errechnet HF 135 - 145, prognostizierte Marathonzeit 3:09:35 h usw.
Hier möchte ich dir nicht nur zustimmen, sondern fast zujubeln.

Und: Ganz abgesehen davon, dass es diese Genauigkeit nicht gibt, so brauchen wir die auch gar nicht zwingend.
burny hat geschrieben:
Bei der aerob-anaeroben Schwelle gibt es genau genommen 2 Fehlerquellen:
1. Sie wird nicht bestimmt, sondern nach einem Algorithmus berechnet. Je nachdem welcher Algorithmus zugrunde liegt, ergeben verschiedene Programme verschiedene Werte.
2. Es gibt keinen allgemein gültigen Wert für alle Personen. Die Werte sind individuell verschieden. 4 mmol/l wird oft als so eine Art Durchschnittswert über alle betrachtet.
Ja, es ist oft eine Raterei, die sich einen hochwissenschaftlichen Anstrich gibt. Und ganz abgesehen davon, dass die sogennannte Schwelle nicht immer bei 4 mmol liegt, gibt es noch zwei andere sehr wichtige Punkte:
3. Es gibt keinen Punkt, an dem der Körper von 100% aerob auf 100% anaerob umschaltet. Im Körper laufen bei fast allen Intensitäten aerobe und anaerobe Stoffwechselprozesse ab. Insbesondere können wir die Intensität einer Einheit nicht nur an "aerob" und "anaerob" festmachen. Vor allem bei Tempowechseleinheiten sehr schwierig, weil die Gesamtintensität stark von den Pausen abhängt.
4. Die sogenannte anaerobe Schwelle ist ein Ausdauerparameter von vielen. Nicht überbewerten.
Bei den meisten Läuern hier liegt das HM-Tempo deutlich über dem Stundenlauftempo. Das Ergbnis einees HM-Wks ist in den meisten viele viel aussagekräftiger für die Berechnung der Marathonzeit als die "anaerobe Schwelle". Besser noch ein 25km oder 30km Wettkampf, ist noch näher dran an der M-Distanz.
Wenn jemand 5000m in 18' laufen will, kann ich mehr sinnvolle Hinweise aus seiner 3000m und seiner 10k Zeit bekommen als aus der ominösen "Schwelle".
burny hat geschrieben:
Wenn aus der Leistungsdiagnostik Trainingsempfehlungen abgeleitet werden, und das ist der eigentliche Sinn, dann kommt noch hinzu: Die HF ist abhängig von mehreren Einflüssen wie Stress, Müdigkeit, Alkohol, Infekt etc. Kommt so etwas beim Test vor, können die Trainingsbereiche arg verfälscht sein.
Und die gleichen und andere Faktoren verfälschen ja noch die Trainingsergebnisse: Wind und Wetter, Untergrund, Schuhe, Kleidung, Streckenprofil. Wie kriegen wir da nur unsere Genauigkeit?
burny hat geschrieben:
Im Spitzensport, wo Tests beliebig häufig gemacht und Werte bzw. ihre Veränderungen kontinuierlich ausgewertet werden, macht das auch noch Sinn.
Im Spitzensports werden die Test oft auch sehr anders gemacht als bei den Amateuren. Für die Pros wird sowas oft sehr genau auf die Disziplin und die Leistungfähigkeit des Sportlers abgestimmt. Melanie Kraus als Marathonläuferin macht 4*4k im MRT, aber ich glaube kaum, das ein Robin Schembera (800m) den gleichen Test macht, auch ein 3000/5000m Mann wie Arne Gabius würde wahrscheinlich schon einen anderen Test machen.
Übrigens machen auch Spitzensportler seltsamerweise oft Testwettkämpfe ...
burny hat geschrieben:
Im Hobbybereich ist das zwar überflüssig, aber ein lukratives Geschäft.
Laufen war ja mal billig und einfach. Unterwäsche hatte man, T-Shirts und Sweatshirts meistauch, noch einige Sporthosen angeschafft, das war es schon fast. Trainingsanzug, Laufschuhe, Digitaluhr udn gut.
Heute erstmal Spezial-Unterwäsche, Funktionskleidung für alle Jahreszeiten extra, Gore-Tex-Jacke, Pulsmesser, GPS, Trinkgurt, Gels, Riegel und NEM, Laufanalyse, Einlagen, verschiedene Laufschuhe für jede Distanz und Jahreszeit, und da die Kaufkraft der Läufer dann immer noch nicht abgeschöpft ist, bieten wir eben die Leistungsdiagnostik an.
Gruß
C.