Hallo Lena,
herzlich willkommen im Forum
Aus den Zeilen deiner Nachricht spricht ein ziemlicher Informationsbedarf und - lass es mich dir offen sagen - auch ein bisschen Blauäugigkeit. Einiges von dem, was ich dir schreibe, mag "hart" in deinen Ohren klingen. Aber es ist sinnlos deine Illusionen weiter zu nähren und dich auch künftig dem Prinzip "Hoffnung" als einzige "Orientierung" zu überlassen.
Zunächst zum leidigen Thema Abnehmen: Du wirst nicht Abnehmen nur weil du läufst. Es ist eine Fehlinformation oder Legende, auf jeden Fall Unfug, dass man durch Sport allgemein oder Laufen abnimmt. Bewegung kann das Abnehmen unterstützen. Aber nur das. Wirklich nachhaltig, dauerhaft und umfänglich Abnehmen wirst du nur unter einer Voraussetzung: Du änderst dein Verhalten! Und zwar jenes Verhalten, das für deine Überkilos verantwortlich ist, das sie dir eingebracht hat.
Warum du durch Laufen scheinbar zunächst ein paar Kilo abnimmst und dann nix mehr, habe ich in meiner zweiten
Stellungnahme in diesem Postingdargestellt und will es hier nicht wiederholen.
Noch mal ganz klar: Du kannst bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag laufen und hoffen, dass du Gewicht verlierst. Es wird nicht passieren. Definitiv nicht. Erst wenn du dein (Ess-) Verhalten änderst, wird das klappen.
Jetzt zu deinem Training. Die folgenden Zeilen schreibe ich, weil du schneller werden willst. Ich akzeptiere jeden/jede, die mit ihrem Trabtempo zufrieden lebt. Denn Laufen muss vor allem Spaß machen. Das ist im Grunde die einzig zählende Motivation zu laufen. Aber du bist enttäuscht, dass du nicht schneller wirst. Und deshalb die klare Ansage: Von Nix kommt nix. Oder in Läuferdeutsch: Nur wer schnell läuft, wird auch schneller.
Der dir individuell auf den Leib geschneiderte Trainingsplan ist jedenfalls nicht dazu geeignet, deinem Lauf mehr Dynamik und damit letztlich mehr Tempo zu verleihen. In deiner Beschreibung dürfte für keinen der Läufe die Bezeichnung "schnell" auftauchen. Sie sind allesamt langsam.
Zunächst solltest du deinen Blick vom Pulsmesser nehmen. Der stört deine läuferische Entwicklung und zwar enorm. Der suggeriert dir immer, dass du einen "zu hohen" Puls hast und damit zu schnell läufst. Aber auf welche Werte beziehst du das? Kennst du deinen wahren maximalen Puls (der im übrigen nur genetisch bedingt ist und vom Alter abhängt und ganz sicher nicht vom Gewicht).
Ab mit dem Pulsmesser in die Schublade. Das, was du beim Laufen empfindest, reicht um zu beurteilen, ob du langsam oder schnell unterwegs bist. Vor allem die Atmung ist ein wichtiger Parameter.
Ich sage nun nicht, dass du zum Beispiel 45 Minuten mit irrwitziger Geschwindigkeit und ebensolchen Empfindungen durch die Gegend rennen sollst. Es gibt bessere Möglichkeiten. Aber mal der Reihe nach: Eine Trainingswoche besteht grundsätzlich aus drei verschiedenen Läufen:
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- Der längste, mit dem ganz langsamen Tempo (so langsam, dass du dich unterhalten kannst und dabei nicht außer Atem kommst)
- Ein mittellanger, der im Tempo etwas über langsamen liegt. Wenn du jetzt mit einem Mitläufer sprechen würdest, wärst du nach wenigen hundert Metern schon kurzatmig.
- Ein kurzer Lauf, dessen Inhalt die eigentliche Tempoarbeit ist. Dafür gibt es drei Methoden (schneller Dauerlauf [übelste Methode], vorgeplante Intervalle mit höherem Tempo [kann Spaß machen, muss aber nicht] und ein Fahrtspiel [dazu später mehr].
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Wichtig ist nun auch, folgende Wahrheit: Es kostet Schweiß und Anstrengung schneller zu werden. Und es ist auch manchmal oder phasenweise unangenehm. Schnell laufen jagt den Puls hoch, beschleunigt die Atmung und schüttet Milchsäure in der Muskulatur aus. Daneben ändert das Nervensystem durch Impuls- und Hormonsteuerung noch eine Reihe weiterer Körperfunktionen. Insgesamt fühlt sich das für den Läufer nach einer Weile schnellen Laufens unangenehm an. Läufer sagen "es tut weh". Es ist einem Schmerz, wie du ihn durch Verletzung kennst ähnlich und doch anders. Auf jeden Fall ist es unangenehm. Wer nach Einsetzen solcher Gefühle zurück steckt, nimmt dem Organismus den Reiz weg, den er braucht, um sich auf mehr Tempo hin anzupassen. Anders ausgedrückt: Wer dem Laufschmerz immer ausweicht, wird nicht schneller.
Du brauchst vor diesen phasenweise unangenehmen Gefühlen keine Angst zu haben. Die Anstrengung ist weder gefährlich, noch schädigt sie deinen Organismus. Der Puls steigt gewaltig an. Na und? Es wird mehr Sauerstoff benötigt, der vom Blut zur Muskulatur befördert wird. Also dreht das Nervensystem die Blutpumpe auf mehr Schlagfrequenz und Schlagvolumen. Dafür ist es da.
Es versteht sich von selbst, dass diese Bemerkungen sich auf einen gesunden Läufer beziehen. Wenn du Zweifel an deiner Herz-Kreislauf-Gesundheit hast, dann solltest du das überprüfen lassen. Es ist sinnlos, ängstlich auf den Pulsmesser zu starren und darüber zu lamentieren, dass der Puls (angeblich) so hoch ist. Wenn du Angst vor hohem Puls hast, geh zum Arzt und lasse ein Belastungs-EKG machen. Danach bist du sicher auch 200 bpm Puls völlig unbeschadet auszuhalten.
Jetzt zum oben erwähnten Tempotraining: Für den Anfang empfehle ich dir das Fahrtspiel. Es macht am meisten Spaß, weil man dafür nichts braucht als Strecke. Jedes Gelände eignet sich dafür, hügeliges kann noch mehr Spaß machen. Fahrtspiel geht so: Du läufst dich langsam ein, etwa 5 bis 10 min, dann das eigentliche Fahrtspiel, danach 5 min Auslaufen. Während des Fahrtspiels erhöhst du nach Lust und Laune und unter Einbeziehung des Geländes immer wieder dein Tempo. Mal länger, mal kürzer. Zwischen den Tempoverschärfungen trabst du eine Weile bis deine Atmung wieder normal geworden ist. Je kürzer die Tempoverschärfung um so schneller solltest du das Tempo wählen. Ist sie 30 Sekunden lang, kannst du schon sehr schnell laufen. Möchtest du es 2 min durchhalten, dann natürlich nicht so schnell. Du kannst Hügel einbeziehen: Aufwärts schnell, abwärts zur Erholung traben. Das Fahrtspiel selber sollte zu Beginn, damit du dich daran gewöhnen kannst, nicht länger als 20 min sein. Du kannst dann von Woche zu Woche ein wenig verlängern. Aber sicher nicht mehr als 40 min. Für die Phasen schnelleren Tempos suchst du einen Punkt vor dir im Gelände. Vielleicht einen markanten Baum, eine Hütte, einen Felsen, egal was. Und dann ist wichtig die Tempoverschärfung bis dahin zu halten. Es ist deine Entscheidung, was du dir da zumutest. Zu Beginn und auch weil Entfernung schwer zu schätzen sind, solltest du diese Punkte nicht zu weit vor dir wählen ...
Natürlich sind auch die anderen Tempoeinheiten möglich, der schnelle Dauerlauf oder die (vorgeplante) Intervallarbeit. Letzteres erfordert aber die Möglichkeit Streckenabschnitte abzumessen (200, 400, 800, 1.000 Meter). Und der schnelle Dauerlauf sollte keinesfalls bis zu Erschöpfung führen.
Wie lange du das jeweils durchhalten kannst, wirst du selbst am besten wissen.
So, nun ist das auch ein Roman geworden. Das Imperium schlägt zurück

. Selbst Schuld.
Jedenfalls wünsche ich dir die Tempofortschritte, die du dir erhoffst. Und ich wünsche dir, dass du einen Weg findest deine Ernährungsgewohnheiten zu ändern, damit das Laufen dich wirklich auf dem Weg der schmelzenden Kilos unterstützen kann.
Gruß Udo
