Vor 3 Jahren hatte ich wieder zum x-ten Mal in meinem Leben die ersten Laufschritte gemacht. Immerhin war ich schon so "fit", dass ich nicht mehr mit abwechselndem Gehen und Laufen anfing, sondern meine 3,5 km-Runde direkt innerhalb von 30 Minuten laufen konnte. Als ich damals -angetrieben von mehreren Gründen- meine Runden mühsam drehte, ahnte ich nichts davon, dass der Laufvirus dieses Mal langsam, aber unbarmherzig zuschlagen würde.
2008 -nach fast anderthalb Jahren- lief ich den ersten Volkslauf meines Lebens, den Bietigheimer Silvesterlauf, animiert durch einen marathonlaufenden Lehrer meiner Tochter und bolk hier aus dem Forum. Jetzt war's passiert, ich war absolut angefixt! Was eine geile Stimmung, was ein Spaß und es keimte der Gedanke, ein HM wäre doch auch mal schön. Inzwischen war ich in der Liga der Radiergummis aufgenommen worden, was jede Menge zusätzliche Motivation bedeutete.
2009 folgten also mehrere HM, 2 10er, 1 5er, natürlich wieder der Silvesterlauf, neue Bekanntschaften und damit auch Veränderungen in meinem Privatleben.

2010 wusste ich nach 35 km bei einem Benefizlauf, dass auch 42 km vielleicht irgendwann mal im Bereich des machbaren sein könnten, aber mir war es damit gar nicht eilig. Bis mir die Ausschreibung des Königsschlösser-Romantik-Marathons in Füssen in die Finger fiel: Da wollte ich hin.

Nachdem die Verletzung verheilt war und ich über den Sommer schon wieder einige sehr schöne und auch längere Läufe machen konnte, schwelte immer noch der Gedanke Marathon in mir und so entschied ich mich, am 17.10. den Bottwartal-Marathon zu laufen. Ich hielt mich ziemlich dicht an einen Plan von schoaf, wie es mir eben so möglich war. Es lief gut, in der Vorbereitung konnte ich auch noch meine 10er PB deutlich drücken und so ging es sehr motiviert und in Begleitung von ganz vielen Foris und natürlich Gutenberg1964

Am Abend vorher kamen schon running-rabbit und Charly aus dem Forum zum gemeinsamen Carbo- und Schokiloading zu uns und so fuhren wir nach einem sehr netten Abend und schönem Frühstück gemeinsam ins Bottwartal.
Schon ab dem Parkplatz fing der tolle Service an, Shuttlebusse fuhren ununterbrochen zwischen den Parkplätzen und dem Start hin und her. Naja, da uns vermutlich die 42,2 km später reichen würden, nahmen wir das Angebot dankend an.
Angekommen an der Halle, machten wir uns auf die Suche nach der Startunterlagenausgabe, die wir dann auch im hintersten Winkel fanden. Dort fanden wir ausserdem bolk, philippé, gero, zanshin, Waldläufer66 und auch Charly und runnig-rabbit wieder, die wir beim Parken irgendwie verloren hatten. Quatschen, umziehen, Taschen wegbringen, aufgeregt sein, x-mal auf Toilette gehen, frieren etc., die Zeit bis zum Start ging wieder mal schnell um.
Wir suchten unseren Startblock, stellten uns auf und Gutenberg stellte leider fest, dass sein Garmin gerade den Dienst verweigerte: Batterie schwach. Also nahm er meinen, denn ich wollte eigentlich nicht immer auf die Uhr und das Tempo schauen und war wirklich froh, keine Möglichkeit zur Kontrolle zu haben und einfach laufen zu können. Es gab Blockstarts, wir starteten im dritten und pünktlich um 10:40 Uhr ging es los. Wir hatten ausgemacht, bewusst langsam zu starten und so rollten wir mit 5:50 bis 6:00 los. Aus dem Augenwinkel sahen wir nach ca 1 km rechts ein großes Plakat mit Jolly Jumper und einem Allgäuer Hirtenjungen, der Jolly Jumper hinter sich her ins Ziel mit der Aufschrift "sub4" zog. Wahnsinn! Bolks Frau und Töchter hatten sich da was ganz tolles ausgedacht und sich soviel Mühe gegeben. Irre.

Hochmotiviert mit meinem persönlichen Begleiter, Tempomacher, Trainingspartner und Carepaketträger an meiner Seite, war ich nun unterwegs auf meinem ersten Marathon. Ich konnte es selber kaum glauben, hatte ich doch noch 2009 verkündet, ich würde nie einen Marathon laufen... Es war damals auch wirklich unvorstellbar und ich bin mir sicher, meine Knochen danken es mir, dass ich ihnen so viel Zeit gelassen habe.
Kurz danach stand holle mit Kamera schon da und machte das erste Foto. Seinen Bericht mit einigen sehr netten Fotos kann man hier lesen.
Nach ca 3 Kilometern zogen wir langsam das Tempo an und trennten uns von running-rabbit und Charly, die bis dahin noch bei uns waren. Es lief. Wir verließen Großbottwar und kamen nach Oberstenfeld, einem uns bekannten Terrain, waren wir im Juli hier doch auf einem Halbmarathon unterwegs gewesen. Es ging durch Oberstenfeld hindurch, an der Sporthalle bei einer rockenden Jugendband vorbei, weiter nach Gronau. In den Ortskernen tobte der Bär, obwohl es richtig kalt war. Wir wurden mit Namen angesagt und bejubelt, Bands spielten, Trommlergruppen waren unterwegs und die Laola-Wellen trugen uns weiter. In den Orten waren wir immer gleich ein wenig schneller.

Weiter ging es an zum Glück noch nicht abgeernteten Maisfeldern vorbei

Zwischen den Orten war es ruhig, mir machte das aber nichts aus, konnte man so mal einen Blick in die Landschaft, auf die Weinberge und Burgen werfen. Es waren noch recht viele Läufer unterwegs, wir waren ja mit den Nordschleifen-Halbmarathonis zusammen gestartet. Viele von denen kämpften jetzt, hatten sie ja doch eine ganz andere Renneinteilung als wir, wir hatten ja noch 24 km oder so zu laufen und dementsprechend ein für uns entspannteres Tempo gewählt.

Jetzt ging es eine ganze Weile über die Felder. Klingt langweilig? War es aber nicht, denn hier begegneten uns zum einen schon die schnellsten Marathonläufer, zum anderen kamen uns hier die Südschleifen-HM-Läufer entgegen und wir hielten Ausschau nach zanshin, die wir auch prompt erblickten. Sie strahlte und schien einen richtig schönen Lauf zu haben. Klasse! Hatte ich zwischendrin mal hier oder da ein Zwicken gespürt, war davon nichts mehr zu merken. Bei km 15 hatten wir das erste Gel zu uns genommen, irgendwann mal Salz, bei km 25 gab es das nächste Gel. Ich schaffte es, mein Wasser immer im Laufen in den Mund zu bekommen, ohne alles über mich drüber oder in meine Nase zu schütten, was mir bisher beim HM eigentlich noch immer gelungen war.

Km 30: Da stand Holle wieder am Rand, machte Fotos und wartete auf seine Staffelläufer, für die er als Schlussläufer unterwegs sein würde. Das war schön, wir hatten nochmal richtig Spaß. Irgendwann kam mir der Gedanke: Ich hab mal gelesen, ab km30 fängt der Marathon erst an. Hm, ich stellte mir lieber vor, gerade zu meiner 12 km-Runde aufgebrochen zu sein. Es lief immer noch erstaunlich locker. Unser Mitläufer erfragte sich bei uns etwas Salz, kein Problem, wir hatten genug.
Bei km 33 nahmen wir unser letztes Gel zu uns, danach würde es ja sowieso nichts mehr bringen.
Bei km 34 wollte Gutenberg mal kurz ins Gebüsch, wir liefen weiter, er ist ja sowieso schneller und bei Läufen, bei denen er mich begleitet, handhaben wir es immer so, dass ich einfach weiterlaufe und er wieder aufschließt. Verlaufen kann man sich ja schlecht. ;o)
Bei km 36 fing ich mich aber langsam doch an zu wundern. Wo blieb er nur? Wir passierten wieder die Wendestelle der Dreiviertelmarathonis und kurz danach hörte ich noch, wie Gutenberg angesagt wurde. Gut, dann würde er ja bald bei uns sein.
Km37: Keiner da.

Bei km38 kam holle von hinten angelaufen und erzählte mir, Gutenberg hätte große Probleme mit den Knien oder der Muskulatur und würde nicht mehr ranlaufen können. Ich solle mein Ding zu Ende durchziehen.
Sch....!


Aus der Traum vom gemeinsamen Zieleinlauf, aber ich wusste genau, wenn ich jetzt nicht weiterliefe, wäre er stinksauer und noch wütender auf sich, als er es ohnehin schon sein würde. Ich lief weiter und es kam mir alles schon ein wenig komisch vor. Einerseits waren die Kilometer jetzt lang, andererseits machte ich mir so Gedanken, dass ich gar nicht mehr alles mitbekam.
Bei km 40 sagte der Mitläufer, er wäre jetzt 3:46 unterwegs. Hm, eigentlich konnte nichts mehr schiefgehen. Ich zog nochmal richtig an, wahrscheinlich waren das sogar die schnellsten Kilometer vom ganzen Marathon. Es tat weh, aber egal. Dann tat es halt noch ein bisschen mehr weh, was sollte das denn noch ausmachen.

Bei km 41 kam ein echter Depp von hinten, schaute mir provokant ins Gesicht und lief mir dann gezielt immer vor die Füße.

Dann kam km42 und ich fragte mich, wo eigentlich das Ziel wäre, das war irgendwie so unspektakulär und vor mir lief gerade keiner. Es ging noch einmal links um die Kurve und dann erspähte ich die Uhr. Jetzt war klar: Die sub4 ist im Sack! Plötzlich Jubel von rechts an der Zielgeraden: bolk, gäu-läufer, gero und co freuten sich mit mir! Und wieder "mein" Plakat. Soo schön!
Nach der dritten Zeitmessmatte riss ich die Arme hoch: Geschafft!

Ohne Einbruch, ohne große Schmerzen, in der Wunschzeit, aber ohne meinen Liebsten. Ich musste kurz nach Luft ringen, plötzlich war der Hals wie zugeschnürt und da waren sie: die Emotionen, die 10 Sekunden vorher noch weit weg gewesen waren.

Ich musste mich erstmal sammeln, die Tränchen verdrücken, mich in eine Isofolie einwickeln, meine Medaille und Rose abholen und dann einsehen, dass ich erfrieren würde, wenn ich hier noch auf Gutenberg warten wollte. Ich ging runter zur Verpflegung, wurde auf dem Weg noch von schauläufer indentifiziert, aber ich wollte eigentlich nur noch einen heißen Tee, den es aber leider nicht gab. Ich trank irgendwas anderes und machte mich schnell auf in die heiße Dusche. Göttlich! So heiße und luxuriöse Duschen gab es noch bei keinem Lauf. Ich wollte gar nicht mehr raus. Danach genoss ich die reichhaltige Zielverpflegung, traf noch ein paar der Übriggebliebenen, irgendwann auch endlich wieder meinen armen humpelnden Begleiter, dem es jetzt, 2 Tage danach, aber wieder einigermaßen gut geht. Ich suchte meine Zielzeit auf der Liste und da stand es schwarz auf weiß:
3:57:57!
Ein fast perfekter Lauf! Allmählich realisiere ich, was ich da geschafft habe. Klasse! Ich bin ja schon auch stolz, aber peinlich ist eigentlich, dass ich schon 2 Tage danach keinen Muskelkater mehr in den Beinen habe. 

Nein! Alles richtig gemacht und meinen ersten Marathon genossen!



