runningdodo hat geschrieben: Und weil er letzlich auch aus heutiger Sich das Richtige tat und sich seiner Moral höher verpflichtet sah als dem eigennutz.
Möglicherweise ist für die Bewertung Stauffenbergs entscheidender, dass er zu lang das falsche tat. Aus christlicher Sicht natürlich nicht, da ist der verlorene Sohn auch dann willkommen, wenn er um kurz vor 12 oder eher um 5 nach 12 nach Hause findet.
Aus politischer Sicht kann ich mit Leuten wie Stauffenberg eben offensichtlich keine Nazi-Diktatur verhindern, bevor der Schaden extrem groß ist.
runningdodo hat geschrieben: Den Spitzensport verfolge ich kaum.
Das merkt man. Um bei der Dopingproblematik mitreden zu können, sollte man den Spitzensport aber verfolgen.
runningdodo hat geschrieben:
Aber nochmals für alle anderen, an Ethik ernathaft Interessierten zweierlei:
„Im Namen aller Athleten verspreche ich, dass wir an den Olympischen Spielen teilnehmen und dabei die gültigen Regeln respektieren und befolgen und uns dabei einem Sport ohne Doping und ohne Drogen verpflichten, im wahren Geist der Sportlichkeit, für den Ruhm des Sports und die Ehre unserer Mannschaft.“ Meineidige Sportler, nein, die sollen nicht rumjammern, wenn sie ihre gerechte Strafe erhalten.
Und die olympischen Spiele, bei denen der Eid geschworen wird, sind sponsored by Bitburger? Carlsberg? Coca-Cola? Wahrhaft gesundheitsfördernde Firmen ...
Für viele SportlerInnen dürfte der Eid so etwas sein wie die AGB oder EULA für viele Kunden: Man klickt auf "gelesen", damit man was bestellen oder Software benutzen kann. Man muss es eben unterschrieben, wenn man dabei sein will, hofft aber, dass der Inhalt nie relevant wird.
Du kannst natürlich da einen Fundamentalismus, ein Glaube an die Buchstaben der Eidformel einfordern. Möglicherweise ist das aber unrealistisch. Denn du solltest in der Lage sein zu erkennen, dass der Eid und die Ideale aus einem Amateursportideal resultieren, aus Zeiten, in denen die Umsätze auch inflationsbereinigt verglichen mit heute lächerlich waren.
Man kann glauben dass der Profisport heute nach diesen Prinzipien aus dem Amateursport funktionieren kann. Ich halte das für unrealistisch. Der Gedanke ist vielen unangenehm, aber mal sollte sich nicht in eine Utopie flüchten, sondern sich mit den realen Bedingungen heutigen Profisports auseinandersetzen, wenn man was ändern will.
Gibt es einen Weg zurück zur "heilen Welt" des echten Amateursports? Wohl eher nicht. Also muss man irgendwie mit den aktuellen Bedingen klar kommen.
Zentrale Ethikkommission hat geschrieben:
"Aber Doping fügt dieser Chancenungleichheit eine weitere hinzu und wird dadurch zu einem Musterfall von Unfairness."
Die Unfairness wird dadurch extrem vergrößert, dass die Einhaltung der Regeln nicht kontrolliert werden kann. Ändert man die Regeln so, dass deren Einhaltung kontrolliert werden kann, wird es fairer. Dieses Ziel habe ich formuliert, aber seltsamerweise werde ich dafür hier nur angegriffen, von Menschen die behaupten, für Fairness zu sein.
Zentrale Ethikkommission hat geschrieben:
Beim Doping nutzen einige wenige die Normtreue vieler zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils und verzerren die Wettbewerbsbedingungen. Sie bringen andere entweder um ihre Gewinnchancen oder zwingen sie, sich ebenfalls dieser Praktiken zu bedienen. Im professionellen Sport besitzt diese Unfairness auch eine wirtschaftliche Komponente. Sie kann zu illegitimen wirtschaftlichen Vorteilen dopender Sportler und zu Vermögensschäden bei Dritten führen (z. B. Sportförderer/Sponsoren, Veranstalter)." (Zitat aus:
Zentrale Ethikkommission - Doping und ärztliche Ethik
Du solltest eine Erklärung wie diese als das sehen, was sie ist: Teil eines Lügensystems. Mittel zum Zweck, Sponsoren- und Staatsgelder zu sichern und zu rechtfertigen. Die Vorstellung, dass einige wenige die Normtreue vieler nutzen, ist bestenfalls naiv. Weil es im Spitzensport realistisch betrachtet in vielen Sportarten wohl eher so ist, dass die Normtreue einiger weniger ein Wettbewerbsnachteil der "ehrlichen dummen" ist. Die dann auch aus der Staatsförderung fliegen, weil ihre Leistungen nicht gut genug sind.
Und diejenigen, die diese Normleistungen fordern, wissend, dass sie teilweise ohne Doping nicht zu erreichen sind? Sind die nicht ursächlich an dem Dopingproblem beteiligt?
Sitzen die nicht in den Verbänden, die vorgeben, sich voll und ganz dem Kampf gegen Doping verschrieben zu haben?
Solange der DLV weiter die internationalen Normen intern verschärft, kann ich seinen Kampf gegen Doping nicht ernst nehmen. Solange DLV-Athleten mit den offensichtlich gedopten mithalten können, wundert es mich, dass die "clean" sein sollen.
runningdodo hat geschrieben:Ich bestehe darauf, denn im Sport ist es eben anders als bei der Arbeit. Die "the winner takes it all"-Mentalität würde in einer Sportwelt mit Dopingfreigabe bewirken, dass sportlicher Erfolg weitegend proportional ist zur (letztlich selbstzerstörerischen) Breitschaft, sich rücksichtslos alles und jedes einzuverleiben, was die Leistung steigert.
Im Sport ist gut niemals gut genug, wenn es einen Besseren gibt und das würde zu maßlosen Dopingexzessen führen.
Du kannst darauf bestehen, aber dadurch wird dein Argument nicht schlüssiger. Profisport
ist Arbeit. Das "The Winner takes it all Phänomen" gibt es ähnlich auch in anderen Branchen. Es gibt nur sehr wenige die sehr gut verdienen, der weg dahin ist schwierig. Im Sport und in den meisten anderen Bereichen.
Im Sport ist die Mentalität möglicherweise sogar leichter veränderbar, auch weil ein gewisser Fairness-Gedanke ja nach wie vor verbreitet ist. Ein dopender Spitzensportler hat im Schnitt möglicherweise weitaus weniger "Leichen im Keller" als ein Spitzenmanager oder Politiker.
Aber zur Mentalitätsveränderung: Muss der erste im Frankfurt Marathon bei der Zeit von unter 2:05 und Streckenrekord 95000 $ bekommen? Das möglicherweise schwierig, der Privatwirtschaft Vorschriften zu machen - so schwierig auch wieder nicht: Der IAAF vergibt Labels, zeichnet gewisse Rennen aus. Das Gold Label könnte man unter gewissen Umständen verweigern ...
Denn die Verbände sind ja gegen Doping. Die IAAF könnten ja allen Teilnehmern eines WM-Finales die gleiche Prämie zahlen. Dabei sein ist schließlich alles.

Für die Finalisten geht es dann um die Ehre (und um die Sponsorengelder, denn der Sponsor wird wohl weiterhin für den ersten mehr zahlen als für den 8.)
Und man könnte z.B zumindest bei offiziellen Meetings und Meisterschaften z. B. Prämien für Rekorde begrenzen oder gar verbieten. Wie kann man den eine Prämie für das Brechen eines Weltrekordes ausloben, wenn man genau weiß, dass der alte Rekord mit Hilfe von Doping erzielt wurde und eine "cleane" Steigerung nicht möglich ist? Man kann das nur, wenn man nicht ernsthaft für einen dopingfreien Sport ist!
Und jetzt schau dir an, wer alles noch Prämien für Rekorde in welchen Disziplinen in Aussicht stellt, und dann hast du vielleicht eine Ahnung, wie ernst viele den Kampf gegen Doping wirklich nehmen.
Und was machen die Medien? Worauf legen die den Fokus, auf den fairen Wettbewerb oder auf Leistungen und Rekorde? Was fordern die Zuschauer, die Fans?
Wir haben aber ein paar Unterschiede für den Profisportler zu vielen anderen Jobs, da hast du recht:
Im Profisport ist der Körper das Kapital des Athleten, perfekte Funktion des Körpers viel wichtiger als in vielen anderen Jobs. Der Sportler hat ein viel höheres Interesse, seinen Körper zu erhalten als die Angestellten in den meisten anderen Branchen - körperliche Arbeit ist in westlichen Industriestaaten immer weniger verbreitet, gehört eher selten zu den bestbezahlten Jobs.
Das heißt der Profisportler hat ein hohes Interesse daran, sein gesundheitliches Risiko begrenzen, selbst wenn er ein gewisses Risiko notwendigerweise eingeht, selbst wenn die Dopingregeln ihn nicht daran hindern, diese Risiken auf sich zu nehmen. (Das tun sie jetzt auch nicht, selbst eine totale Freigabe würde daran nur wenig ändern. Ein paar Deppen werden es übertreiben, aber das sind die, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in anderen Job unter anderen Bedingungen auch kaputtmachen würden ). Der Profi hat ein hohes Interesse, dass ein Körper eine längere Karriere durchhält, weil er so erheblich mehr verdienen kann.
Das Gesundheitsrisiko für den Sportler muss also vom Sportler und seinem Team selbst begrenzt werden. Das wussten sogar die Leute im totalitären Systemen, die hatten auch mehr von Athleten, die längere Karrieren hatten, außerdem sollten natürlich Skandale vermieden werden, die möglicherweise doch im Westen bemerkt würden. Natürlich hat man in diesen System eben auch experimentiert, es kam zu Auswüchsen, tragischen Fällen, bedingt durch Pannen, zu großen Ehrgeiz, menschenverachtende Einstellungen.
Aber im wesentlichen will natürlich auch der Doper seine Gesundheit erhalten, er dürfte logischerweise sogar ein höheres Interesse daran haben als die meisten Profis in anderen Branchen. Manche denken hier möglicherweise, man müsse oder könne alle Menschen davor schützen, sich selbst zu schaden. Das wird kaum möglich sein, Menschen müssen Eigenverantwortung übernehmen und tun das auch. Und möglicherweise könnte man sogar eine Art Menschenrecht auf Selbstzerstörung definieren ...
Weiter: Gehen wir mal davon aus, dass im damaligen "Ostblock" systematisch Talente gesucht wurden und systematisch und flächendeckend gedopt wurde. Trainingskontrollen gab es ja keine.
Der Westen konnte meistens einigermaßen mithalten. Also kann man mit einem gewissen Fehler hochrechnen, wie viele Leute im Westen ebenfalls gedopt sein mussten ... eigentlich müssten es im Westen eher mehr Doper gewesen sein, da die Talentrekrutierung in einem freiheitlicheren Systemen wohl meist nicht so gut funktionierte wie in totalitären Systemen, bei weniger entdecktem Talent also der Leistung mehr mit Doping nachgeholfen werden musste.
Und durchaus auch mal darüber nachdenken, wo diese Leute jetzt sitzen, im Westen wie im Osten. Ein Teil ist Trainer, andere sind Sportfunktionäre .... bestimmen die Politik der Verbände mit ...
Auch bezüglich der gesundheitlichen Aspekte ist das ein interessanter Gedanke,sich mal die Menge der ehemals gedopten Ex-Sportler vorzustellen. Wieso soll eine Kratochvilova, die immer stark verdächtigte wurde, die mit ihren 59 Jahren gesund und munter aussieht und als Trainirin arbeitet, so ein Einzelfall sein? Warum hören wir nicht reihenweise Schreckensmeldungen über Spätfolgen der ganzen Doper aus der Zeit in der hemmungsloses Doping möglich war?
Das kann man doch in unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht alles vertuschen, oder?
Und übrigens: Unschuldsvermutung bedeutet nicht, dass es keine Verdächtigungen geben darf. Auch eine Staatsanwaltschaft im Rechtsstaat ermittelt auf einen Verdacht hin.
Den Generalverdacht finde ich auch blöd. Aber wenn es konkrete Indizien gibt, darf man Verdächtigungen im ruhig auch aussprechen. Damit müssen die Sportler eben leben, ist heutzutage quasi teil des Jobprofils.
Gruß
C.