aghamemnun hat geschrieben:Demnach war es ein fataler Fehler von Marquardt bzw. seinem Verleger, das Buch ausgerechnet als "Bibel" zu bezeichnen. Gaaanz schlecht für den Absatz auf dem deutschen Markt (und einen anderen gibt es m.W. mangels Übersetzungen nicht)!
Wahrscheinlich eher andersherum: Es gibt die Übersetzungen nicht, weil es keinen relevanten Markt gibt. Es gibt ja viele gute englischsprachige Laufbücher - der entsprechende Markt ist schon mal eher uninteressant. Dann lässt sich englisch wohl noch eher billiger übersetzen, es gibt zig bessere englischsprachige Laufbücher als Marquardts - so werden andere Märkte auch eher uninteressant.
Der Prophet im eigenen Land kann aber durchaus erfolgreich sein.
Bei den deutschen (teils selbsternannten) Laufexperten ist es allgemein eher so, dass die in erster Linie im eigenen Land und vielleicht noch im deutschsprachigen Raum was gelten. International ist das interesse meist eher gering - warum lässt sich schnell herausfinden.
Manfred Steffny wurde afaik mal übersetzt - in einer Zeit, in der es noch deutlich weniger Laufbücher gab als heute.
Aber Marquardt, Steffnys, Greif- alle international weitgehend irrelevant.
Zu Recht.
International wirklich stark beachtete Laufexperten aus D gab es aber auch:
Ernst van Aaken (Mediziner) - der "Dauerlaufpapst" (LSD - long slow distance)
Herbert Reindell (Mediziner) und Woldemar Gerschler - die "Urväter des Intervalltrainings"
Das sind diejenigen, mit denen sich wohl fast jeder ernstzunehmende Lauftrainer mal beschäftigt hat - und das nicht nur in D, sondern nahezu weltweit.
Was eben auch mit den internationalen Erfolgen von einem Harald Norpoth oder einem Rudolf Harbig zu tun hat.
aghamemnun hat geschrieben:
Nun gut - auch bei Greif gehört der verkannte Prophet zum Repertoire. Aber bei ihm ist das oft reine Koketterie ("jetzt werdet ihr wieder auf mich einprügeln und mich verfluchen..."), und drum macht's Spaß. Außerdem weiß ich bei dem Mann doch immerhin noch, daß er ziemlich genau weiß, wovon er redet.
Greif redet auch immer mal wieder großen Unsinn, aber Greif ist immerhin ein richtiger Trainer, Marquardt ist Arzt. Das führt bei einigen offenbar zu der Annahme, dass er auch wirklich Ahnung vom Laufsport haben muss, was aber für seine Ausbildung als Orthopäde nur sehr bedingt haben muss. Alle Trainingspläne von Marquardt, die ich bisher gesehen habe, weisen eher darauf hin, dass er nicht viel Ahnung vom Laufen hat.
aghamemnun hat geschrieben:
Zuerst zu den Buchtiteln: Vorne drauf gehört normalerweise einfach nur der Name des Autors ohne Spitznamen oder gar akademische Grade (zumal Marquardt auch noch über ein Thema promovierte, das mit natural running eher randständig zu tun hat). Vor allem letzteres ist normalerweise autoritätsheischendes Gehabe.
In Deutschland glauben eben noch viele an die Macht der Weißkittel. Siehe Schwarzwaldklinik, siehe Strunz.
aghamemnun hat geschrieben:
Natürlich kann man jedes x-beliebige Buch eine Bibel nennen ("Der Kofler ist die absolute Linux-Bibel"). Normalerweise ist die Verleihung solcher Weihen aber Sache von Rezensenten, nicht aber von Verlagen oder Autoren. Es sei denn, letzterer fühle sich zu irgendetwas Höherem berufen, wie das bei Propheten gemeinhin der Fall ist.
Hybris ist weit verbreitet. Und anders kann man die Bezeichnung Lauf-Bibel nicht werten - gerade wenn man in Betracht zieht, dass z. B. auch ein Werk wie Noakes "Lore of Running" auf dem Markt ist.
aghamemnun hat geschrieben:
Auf natural-running.com lese ich: "Fast 50 % der Läufer haben permanent orthopädische Probleme. Das muss nicht sein. Dr. Marquardt ist der bundesweite Experte für Bewegungsanalyse und Schuhberatung!"
Hehe ... ist übrigens auch eine Gemeinsamkeit mit vielen Religionen: Angstmarketing und Heilversprechen. "Wenn du nicht so lebst wie wir es forden, wirst du arge Probleme bekommen .... in der Hölle landen z B.!"
Oder "ohne Marquard sind die meisten verletzt" (vergl::"ohne Gott wäre der Mensch unglücklich und unvollständig")
mit Marquard glücklich und gesund, quasi im Läuferhimmel.
Heilversprechen hat Marquardt aber natürlich nicht nur mit Religionen, sondern auch mit anderen Autoren und den Schuh- und Pulsuhrherstellern gemeinsam, das sollte man fairerweise sagen.
Wobei nicht alle so dick auftragen wie der selbsternannte Experte.
aghamemnun hat geschrieben:
Woher hat er seine Zahlen? Und wie kommt er dazu, sich als den bundesweiten Experten zu titulieren?
Hybris.
aghamemnun hat geschrieben:
Irgendwie habe ich den Eindruck, diese Neigung zu monokausalen Erklärungen habe mehr mit der Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal für sein Trainingskonzept zu tun als mit tatsächlichem Wissen um die Laufgeschichte der letzten paar tausend Jahre.
Marketing eben.
Schöne Beiträge von dir!
Aber das wird niemanden abhalten dessen Motto heißt: "I want to believe!" (Man denke an die entsprechenden Alien-Plakate).
Gruß
C.