Hallo Liesabetha,
herzlich willkommen im Forum
Ich bin mit meinem Beitrag zwar spät dran, aber vielleicht ja nicht zu spät. Und da du in einigen Punkten einigermaßen auf dem Holzweg zu sein scheinst, ist da genug Raum für Betrachtungen, die auch andere Läufer deiner Leistungsstärke interessieren dürften.
Zunächst stelle ich fest, dass du ein Ziel hast, sogar ein exakt umrissenes: 10 km unter 55 min und das bis Anfang Oktober. Was ich mich aber nun frage - und du solltest dir die Frage natürlich auch stellen: Ist dieses Ziel realistisch, d.h. erreichbar? Diese Frage kann niemand beantworten, so lange er deine momentane Leistungsfähigkeit nicht kennt. 4,5 km in 25 min kann man zwar auf 5 km umrechnen, aber das ist sicher nicht dein letztes Wort. Will heißen: Wenn du alle Kraft in einen Lauf über 5 km legst, wie schnell bist du dann? Wenn man diesen Wert kennt, kann man ein realistisches Trainigsziel für Oktober festlegen ... viel Zeit ist da nicht mehr ... gebe ich zu bedenken.
Angenommen die 55 min bis Oktober sind realistisch. Was dann tun? Wie vorgehen? Viele (vielleicht die meisten) Trainingspläne basieren auf Herzfrequenzbereichen als Intensitätsangaben für die Dauerläufe. Aber eben nicht alle. Das Netz ist voll mit Trainingsplänen für 10 km und dabei sind auch welche, die ohne den Pulsmesser auskommen.
Zum Pulsmesser: Unrecht hat jeder, der ihn uneingeschränkt befürwortet, so wie jeder unrecht hat, der ihn uneingeschränkt verdammt. Das ist sachlich schlicht Blödsinn. Es gibt Situationen, in denen der Pulsmesser nichts bringt, sogar (sachlich belegbar) eher schadet. Es muss eine Grundausdauer vorhanden sein, damit man aus den Messwerten eines Pulsmessers tatsächlich sinnvolle Werte für das Training ableiten kann. Darüber hinaus müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, die über den bloßen "Besitz" eines Pulsmessers weit hinaus gehen. Erstens muss man mit dem Ding umgehen können, damit vertraut sein, seine gelegentlichen Fehlmessungen erkennen können. Zweitens sollte man Erfahrung mit der eigenen Herzfrequenz gesammelt haben. Zwar repräsentiert ein bestimmter Pulswert ein bestimmtes Lauftempo und wenn man das um 10% erhöht, dann erhöht sich grundsätzlich auch der Puls um 10%. Aber nur bis zu einer bestimmten Grenze - erstens. Und zweitens kann der Puls von Woche zu Woche, von Tag zu Tag, sogar an einem Tag von früh zu abends variieren. Je nach Befinden, Stoffwechselsituation, Tageszeit, eventueller unerkannter Infektion, Außentemperatur, Laufdauer und einigen anderen Einflüssen, kann ein Lauftempo von 10 km/h heute der Herzfrequenz von xxx entsprechen, während es gestern xxx +/- ein paar Schläge war und morgen vielleicht wieder anders ist. Schlussendlich muss eine Läuferin, die den Pulsmesser nutzen will ihre maximale Herzfrequenz kennen. Die will in einem Leistungstest ermittelt sein. Alles in allem ein Prozess der ein paar Wochen in Anspruch nimmt. Erst dann ergibt es einen Sinn einen Trainingsplan auf der Basis der Pulsmessung abzuarbeiten.
"Professioneller" trainieren ... du setzt das Wort in Anführungszeichen. Nimm dafür die Vokabeln systematischer oder mit mehr Methode, dann kannst du die Gänsefüßchen weglassen. Und nun eine Sünde, die sich mit systematisch und methodisch überhaupt nicht vereinbaren lässt: Aus dem 4,5 km-Einerlei heraus rennst du plötzlich viel weiter, willst fast die doppelte Strecke überwinden, brichst schließlich ab, weil es zwickt. Warum zwickt es? Weil dein Körper eine solche Distanz/Dauer nicht gewöhnt ist. Systematisch wäre die Dauer eines Laufes schrittweise, in verträglichen Dosen zu verlängern. Und genau das solltest du als Sofortmaßnahme anpacken.
Zu Trainingsplänen und "sklavischem Gehorsam": Ein Trainingsplan ist eine Art vorgezeichneter Weg zum Ziel. Wenn man das Ziel erreichen will, darf man nicht zu weit von diesem Weg abweichen. Aber man darf, kann, muss sogar gelegentlich abweichen. Der Ersteller eines Trainingsplans baut Puffer in den Plan ein, damit nicht gleich das Ziel gefährdet ist, wenn mal ein Training ausfällt, oder wenn eine Trainingseinheit verschoben werden muss, oder wenn eine Trainingseinheit mal verkürzt werden muss, weil an einem Tag einfach nix geht. Ein Trainingsplan bietet nötige Orientierung und zeigt, was man ungefähr alles laufen muss, um das Ziel zu erreichen. Er gibt selbstverständlich keine Garantie, dass es auch so kommt. Das funktioniert ja nicht mal immer, wenn ein Trainer seinem Schützling einen Trainingsplan auf den Leib zuschneidert. Siehe zum Beispiel die unerklärliche Leistungsschwäche der Schwimmerin Britta Steffen bei der WM vor kurzem.
Nun noch etwas Begriffliches: Wenn du in einen Dauerlauf 3 Steigerungsläufe über 200 m reinpackst, dann hat das nichts mit Intervalltraining zu tun. Steigerungsläufe verfolgen unter anderem die Absicht das durch langes Traben "verschliffene" Bewegungsmuster "Laufschritt" wieder zu restaurieren, damit das Nervensystem sich nicht den Schlappschritt zu eigen macht. Intervalltraining verfolgt dagegen das Ziel mit Tempo die Ausdauer zu verbessern. Dazu sind aber deutlich mehr 200 m-Intervalle erforderlich. Zudem werden die nicht als Steigerungsläufe absolviert, sondern mit gleichbleibend schnellem Tempo, dazwischen trabt man zur Erholung.
Und was nun tun?
Im Grunde solltest du einen Leistungstest über 5 km machen und feststellen, ob das gesetzte Ziel realistisch ist. Wenn das nicht geht - allerdings verursacht mir der Vorschlag etwas seelischen Druck

und ich mache ihn nur, weil du eine "gestresste Mutter" mit eingeschränkten Möglichkeiten bist - also, wenn das nicht geht, dann nimm an, dass das mit den 55 min nicht zu hoch gegriffen ist. Google dir einen Trainingsplan, der auf Tempoangaben für die Dauerläufe basiert und halte dich an den. Dann ergibt sich unter Umständen aber das Problem, dass darin zu lange langsame Dauerläufe enthalten sind. Versuche dich schrittweise diesen Laufdauern anzunähern, steige also möglichst sanft in den Plan ein.
Zum Schluss zwei wirklich ernst gemeinte Hinweise: Nirgendwo steht, dass jemand nur dann Läufer/Läuferin ist, wenn er/sie in der Lage ist 10 km in 55 min zu laufen. Laufen macht auch unter diesem Leistungsniveau Spaß und selbst wenn du mit über einer Stunde bei deinem Volkslauf das Ziel erreichst, werden noch einige hinter dir sein. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass die hinteren Läufer/Läuferinnen meist auch bewundernd und heftig beklatscht werden. Kann gut sein, dass ich einer dieser Beifallspender bin, weil ich weiß was Laufen bedeutet und jede Leistung zu würdigen weiß.
Nummer zwei: Ein läuferisches Ziel ist wie ein Ehemann, es erhebt Ansprüche. Es verlangt ein Mindestmaß an Zuwendung. Wenn du das Ziel zwar liebst, ihm diese zeitliche Zuwendung aber nicht geben kannst, dann wird es dich verlassen ... Mit klaren Worten: Von weniger kommt auch weniger. Nur mit ausreichend Training erreichst du dein Ziel. Wenn du diesen Aufwand wegen Stress nicht treiben kannst, dann ist es besser und viel befriedigender, mit einem weniger anspruchsvollen Ziel zufrieden zu sein.
Ich wünsche dir Erfolg und Spaß beim Laufen
Gruß Udo