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Der Trompeter in der Gallusstraße - Mein Bericht aus FFM

Der Trompeter in der Gallusstraße - Mein Bericht aus FFM

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Der Trompeter in der Gallusstraße

Mein Akku war schon lange leer. Die erstmalige Vorbereitung auf einen zweiten Marathon im Jahr schien mein Körper nicht so recht zu akzeptieren. Das große Ziel war ja schon erreicht. Eines fehlte aber noch: Eine Mannschaftsleistung der LG Kreis Ansbach. Also doch noch mal…

Der Hammermann am Messeturm schwang seinen Hammer nicht mehr. Hat er seine Tätigkeit eingestellt oder nur seinen Wirkungskreis verlegt? Peter Müller-Wechsler. Ralf Kladny und ich standen gemeinsam im Startblock. Wenige Sekunden vor dem erlösenden Schuß drängte sich noch ein Ordner und verwies Ralf etwas weiter nach hinten, bevor er sich selber in Sicherheit bringen musste. Es ging los. Ein Gruß in die Kamera (wurde in Brandenburg gesehen), dann begann der Weg ins Ungewisse. Peter und ich blieben zusammen, beide wollten wir unter 1:30 angehen. Sehr schnell stellte ich aber fest: der Nebel löste sich schnell auf, es versprach warm zu werden. Im Vorfeld habe ich noch gefroren und daher noch etwas langärmliges unter. Zu zweit liefen wir so unsere Kilometer, durch den Norden und zurück zur Messe: 21:14 bei km 5, genau im Soll. An der Gallusstraße stand er, der Trompeter. Er spielte sein Lied, schickte uns auf die lange Reise. Melodien zum Träumen, zum Hoffen. Dann stieß der Heilsbronner Wilhelm Maußer zu uns. Wir beide kannten uns sehr gut, Peter ihm nicht, also mussten wir uns erst einmal vorstellen. Wilhelm blieb dann auch bei uns, auch er hatte die Drei-Stunden-Marke als Ziel. Aus seine Sicht war es genau die richtige Entscheidung, alleine wäre er wohl zu schnell angegangen. Weiter gings, nun zu dritt, über den Main nach Sachsenhausen. Und es wurde warm… Gemeinsames Ausziehen überflüssiger Oberteile bei 14 km/h. Es nahte der Bahnhof Niederrad. Wie schon vor Jahresfrist erwarteten uns dort Ute, Ralfs Schwester und ihrer Arbeitskollegin Gabi. Zwei rote Luftballons zeigten uns schon von weitem ihren Standort an. Überflüssige Kleidungsstücke flogen auf die Straße, ich übernahm mein Aldi-Iso. Peter brauchte nichts, er hatte ohnehin an jedem Verpflegungspunkt seine Eigenverpflegung deponiert (Geheimtipp: alkoholfreies Bier) und fand es im Vorbeilaufen auch sofort. Weiter gings zur Halbzeit. Ich hatte zunächst Seitenstechen, das legte sich aber dann wieder. 1:29:08 nach der Halbmarathondistanz, für Wilhelm waren es sogar 1:28:29 – er stand beim Start etwas weiter hinten. So richtig locker fühlte ich mich aber nicht. In Hannover kam die Lockerheit ja auf der zweiten Hälfte, diesmal aber… Kilometer 25, kurzer Stopp, um etwas zu trinken, den wenigen Meter zu Peter und Wilhelm konnte ich dann nicht mehr zulaufen. Nicht mal gute Wünsche konnte ich ihnen mehr mit auf die Reise geben. In Nied stand er dann – der Hammermann. Jetzt, bei km 27, dort, wo ich vor Jahresfrist an Peter vorbeilief, begann der Kampf. Spätestens in Höchst begann dann das Überholtwerden. Am Bahnhof Nied gab es noch einmal Iso und gute Wünsche. Ab und an überholte ich aber auch noch, anderen ging es also noch schlechter. Im Fünferschnitt ging es so zurück nach Frankfurt . In Gallus, nach 36 km schien, dort, so ich im vergangenem Jahr auf Ralf traf, schien wieder etwas zu sein. Will der Körper nicht mehr? Noch geht’s aber. Platz der Republik, alles voller Menschen, die letzte Runde durch die Stadt. Plötzlich, an der Taunusanlage: Schmerzen in der linken Wade. Krampf? Kurzes Dehnen an einer gelben Telefonzelle (die gibs noch?), Weiterlaufen, noch mal Dehnen, kurz massiert… dann wurde es wieder besser. Überlegungen über Nahverkehrsverbindungen zur Messe waren noch zu früh. Dann wieder die Gallusstraße, kurz vor dem 40. Kilometer. Der Trompeter spielte wieder sein Lied. In meinen Ohren war es diesmal fast das Lied vom Tod. Die schwermütige Melodie zwischen den Häuserwänden gab mir wohl den letzten Kick – ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Im vergangenem Jahr wären es bei dieser Zwischenzeit Freudentränen gewesen (später kamen sie dann auch), in diesem Jahr war es wohl die Enttäuschung. Andere wären aber bestimmt froh gewesen, um diese Zeit an diesem Ort zu sein. Ist es immer Frankfurt, wo meine Emotionen freien Lauf suchen…? Endlich zurück zur Messe. Einen Kilometer vor Schluß kam Ralf auf der Gegenfahrbahn von vorne, das könnte auch noch unter 3:20 beim ihm werden. Messeturm – dann rein in die Festhalle. Jetzt die Tränen verdrücken, hier stehen die Fotografen. Bei 3:07:46 blieben die Uhren für mich stehen – was diese Zeit wert war, sollte sich sehr schnell zeigen. Peter verbesserte seine Bestzeit um über 7 Minuten und verfehlte mit 3:01:56 nur knapp die begehrte Schallmauer, Ralf kam in 3:17:57 ins Ziel. Dann sprach es sich herum: Rudi Proske hatte sich kurzfristig nachgemeldet und lief 3:03:32, er muß mich also irgendwo in Höchst überholt haben. Das bedeutete 9:12:59 für die Mannschaft der LG Kreis Ansbach in der Besetzung Müller-Wechsler, Proske, Behrendt – wieder einmal im letztem Rennen des Jahres die Führung in der Kreisbestenliste. Also hat sich der Kampf gelohnt. Für den Clou sorgte übrigens Wilhelm Maußer. Ebenfalls in Höchst setzte er sich von Peter ab und lief in 2:57:20 erstmal unter der Drei-Stunden-Schallmauer. Er wird die bremsende Tätigkeit der Ansbacher bestimmt in angenehmer Erinnerung behalten…

Für mich begann erst einmal der zweite Kampf. Etwas trinken – dann revoltierte der Magen. Der Körper wollte Wasser – der Magen nichts. Ute und Gabe kümmerten sich aufopferungsvoll um mich. Nach einer reichlichen Stunde mussten wir dann zunächst den Weg zum Bahnhof logistisch durchdenken und inklusive Taschenholen umplanen. Mit einer Zwangspause auf dem Tiefbahnsteig am Hauptbahnhof klappte es dann doch und im Zug, irgendwo zwischen Frankfurt und Würzburg kehrten die Lebensgeister dann langsam wieder.

Irgendetwas war diesmal wohl zu viel für meinen Körper. Ob er mich im kommendem Jahr dann wieder sicher über die Strecke bringt…?

Glückwunsch an Euch alle, Danke für die Hilfe!

Meine Marathonhistorie:
1. 3:44:20 Berlin, 24.09.1995
2. 3:26:20 Berlin, 28.09.1997
3. 3:36:33 Berlin, 10.09.2000
4. 3:18:34 Berlin, 30.09.2001
5. 3:12:21 Berlin, 29.09.2002
6. 3:06:33 Frankfurt, 26.10.2003
7. 2:56:21 Hannover, 02.05.2004
8. 3:07:46 Frankfurt, 31.10.2004

Die Statistik des Rennens:

Platz Gesamt (Männer) 583
Platz Altersklasse (M40) 135

Zwischenzeiten
5 km: 0:21:14
10 km: 0:42:04 (0:20:51)
15 km: 1:03:26 (0:21:23)
20 km: 1:24:28 (0:21:02)
Halbmarathon: 1:29:08
25 km: 1:45:33 (0:21:06)
30 km: 2:07:24 (0:21:52)
35 km: 2:31:00 (0:23:36)
40 km: 2:57:11 (0:26:11)
Zielzeiten
Brutto-Zeit: 3:08:01
Netto-Zeit: 3:07:46



*** Laufen in Ansbach ***
*** www.joergbehrendt.de ***

[ Dieser Beitrag wurde von joerg-roadrunner am 01.11.2004 editiert. ]

Der Trompeter in der Gallusstraße - Mein Bericht aus FFM

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Uiuiui, rasanter Bericht von einer tollen Leistung. Da kann ich nur staunen wie man so rennen kann. Und krieg so auch mit dass auch andere mit feuchten Augen rennen :) )

Gratuliere zu eurem Erfolg

Lieber Gruss

Sigi - der den Panda reitet

...Erfahrung ist die Summe der Erkenntnisse aus Fehlern, welche man machen durfte, ohne sich das Genick zu brechen...

Startnummer EuroCityMarathon 3241

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Klasse Zeiten - ein richtiger Ansporn. Man ist wohl kein richtiger Marathoni, solange man nicht solche Strapazen am Ende durchgestanden hat. Die Prüfung fehlt mir noch.

:respekt:



"Laufen ist Leben."

Marathon:

1. 3:57:56 Karlsruhe, 19.09.2004
2. 3:43:36 Frankfurt, 31.10.2004

10 Km:

1. 0:44:29 Wiesloch, 10.10.2004

Der Trompeter in der Gallusstraße - Mein Bericht aus FFM

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Klasse! Solche Zeiten zu laufen und das auch noch mit Beschwerden....wie man solch einen Willen aufbringen kann, werd ich wohl nie kapieren... :respekt: :respekt:

Lieben Gruß von flinki
Bild

Es gehört mehr Mut dazu,
seine Meinung zu ändern,
als ihr treu zu bleiben
(oder man muss nur bekloppt genug sein)
Gesperrt

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