nachdem hier keiner über lange Berichte meckert, nehm ich mir einfach mal die Zeit:
Meine Vorbereitung auf den Ruhrmarathon begann nach einem ziemlich faulen Winter erst am 9.März. Ich hatte mich zum Ruhrmarathon entschlossen, weil ich erstens mal wieder systematisch trainieren wollte und zweitens der Termin noch im Bereich des Möglichen zu liegen schien. Später wollte ich nicht laufen, da es ja in Richtung Sommer leicht zu warm werden kann.
Die Vorbereitung lief überraschend glatt, ich habe alle Belastungen locker weggesteckt und fühlte mich absolut super. In de letzten Woche vor dem Marathon hat mich dann irgendwas in den Knöchel gestochen, sodass ich nur ein einziges Mal ganz locker laufen konnte.
Die Startunterlagen habe ich am Freitag schon geholt. Meine Startnummer 7735 sollte an dem allerkleinsten Tisch sein, was mir doch sehr komisch vorkam. Ich also hin, meinen Spruch aufgesagt und als Antwort dann: "7735? Da hört sich nicht gut an. Sie gehören zu dem Bereich, dessen Daten verloren gegangen sind. Sie bekommen eine neue Startnummer." Und wo gibt`s die? Natürlich da, wo die vielen Leute stehen!
25min später werde ich dann sehr nett gefragt, ob mir 10666 recht wäre. Klar, für sixlegs eine echte Glückszahl.
Auf der Fahrt nach Münster, wo meine Freundin schon sehnsüchtig auf mich wartete bin ich total begeistert, wie schnell das alles gegangen ist. Keine Staus, alles top ausgeschildert. Aber komisch, der ORGA-Bereich ist ja so viel kleiner als der Messe-Bereich mit all den Ständen mit schicken sportlichen Menschen.
Die Anreise am Sonntag beginnt mit einer halben Stunde Verspätung. Aber die Autobahn ist leer und ich kann brettern - zumindest bis zur Ausfahrt. Da staut sich alles. In den Autos sitzen Leute mit Sportbrillen, in Laufshirts und mit den Ruhrmarathon-Rucksäcken die etwa so aussehen wie ein schwarzer Smart mit Trägern dran. Auf der Standspur drängelt sich die Presse und das Fernsehen vorbei.
Wir biegen in die erste Seitenstrasse ein und stellen das Auto ab. In welche Richtung laufen wir denn jetzt? Erstmal bis zum Strassenschild an der Ecke. Nach 10m werde ich aus einem Auto angesprochen: "Hey, Ihr seid verkehrt, ihr müsst in die andere Richtung!" Bochum, ich steh auf Dich. Dann die ersten schwarzen Rucksäcke. Nix wie hinterher!
Nach ein paar Minuten wird es dann schn bunter, man hört Hubschrauber und die echte Tour-de-France Atmosphäre stellt sich ein.
Am Strassenrand wird gelacht, gedehnt und gepinkelt. Ich könnte ja auch mal...
Um 8.53h bin ich am vereinbarten(?) Treffpunkt vor dem Check-in. Noch niemand zu sehen, aber ich bin ja auch früh dran. Ich habe eine kurze Hose an, Laufshirt und Sweatshirt drüber und mir wird warm. Gut, dass ich eine Mütze aufhabe, denn die Sonne sticht schon ganz ordentlich.
Es wird immer voller, der Hund wird unruhig und lässt sich kaum noch beruhigen und meine Freundin quengelt. Um 9.07 mache ich mich auf den Weg Richtung Startbereich.
Ich stand übrigens auf der linken Seite vor der Apotheke, habe immer nach UDo gesucht und muss jetzt sagen, dass Du auf dem Photo mit Fräse ganz anders aussiehst als auf dem Thumb bei Deinen Beiträgen. Vielleicht beim nächsten Mal...
Also Richtung Start. Im Teilnehmerbereich wimmelt es nur so von Zuschauern, ich finde meinen LKW nicht und meine Freundin findet sowieso, dass es keine gute Idee wäre, den Rucksack einem LKW anzuvertrauen: "Glaubst Du denn wirklich, die kriegen das im Ziel auf die Reihe, bei dem Chaos?" O.K., überzeugt, dann nimmt sie den Rucksack eben an sich.
Ich kämpfe mich durch die Starter, bis zu einer Hecke, an der ca. 20 Läufer stehen und die letzten Vorbereitungen treffen. Noch ein kurzer Blick zu den Apollo-Toiletten, die "in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen" - ich entdecke insgesamt acht Häuschen, die ich gerne den wartenden Frauen überlasse. "Die armen Anwohner" denke ich noch und entgehe mit Mühe einem Fotographen, der Spass an ungewöhnlichen Aufnahmen hat.
Ein Küsschen noch und ab ins Getümmel. 9.28
Der Starter quasselt, die Musik spielt, die Zeit verstreicht, Grönemeyer ist noch nicht da.
"Ideales Wetter" meint der Sprecher. "Nur nicht für die Läufer" denke ich.
Mit 10 min Verspätung dann der Startschuss. Ich höre ihn nicht vor lauter Hubschrauberlärm, sehe keinen Herbert und brauche 5min bis zur Startlinie.
Ich habe eine Mütze auf, Laufshirt mit kurzen Ärmeln und kurze Hose. Im Laufgurt stecken 2 Fläschchen (1 mit Wasser für die Not, das andere mit 2 Squeezies), ein Schwamm und mein Handy als Beruhigung. Mir ist jetzt schon warm.
Es ist eng, es ist ungemütlich und alles schiebt und drängelt. Der Pulsmesser zeigt 120 Schläge. Etwas wenig für einen WK, aber es geht nicht schneller. Nach 10 Minuten bekomme ich von hinten einen Stoss: Der 3:45 Läufer zwängt sich energisch durch die Massen nach vorne. Schluck, ich muss mich ranhalten!
Die ersten 15km sind stressig, das Tempo passt sich der Umgebung an, der Puls schwankt zwischen 120 und 150, je nachdem ob man fast stürzt oder in Gruppe eingezwängt wird. Rhythmus oder Renneinteilung kann ich vergessen.
Dann die erste Steigung. Ich geniesse es zuerst, da ich nun das Gefühl habe, endlich mal mein Tempo laufen zu können, aber bald schon habe ich Mühe, den Schnecken und Gehern auszuweichen. Irgendwann wird mir klar, dass das wohl die HMler sind. Dann müsste es ja bald besser werden!
Wird es auch! Nach der Hälfte öffnet sich die Landschaft und ich geniesse den Gegenwind und das Gefälle. Endlich kann ich Gas geben, bringe den Puls auf gut 150. Das Tempo passt mir schon besser, aber ich laufe immer noch Schlangenlinien um Läufergruppen, die die halbe Strasse versperren. Mir ist unglaublich warm. Mein rechter Schuh ist zu eng. Ich habe eine Falte in der rechten Socke. Mein rechter Fuß schmerzt. Bei km25 der erste Notarzt am Rand.
Im nächsten Ort halte ich kurz an. Ich lockere die Schnürung des rechten Schuhes, ziehe den Socken wieder glatt und werde sofort angequatscht:"Krampf? Brauchst Du Hilfe?" Ich lache entspannt und wohl sehr überzeugend zurück und mache mich wieder auf den Weg.
Ich bekomme Appetit. Am nächsten Verpflegungsstand schnappe ich mir eine völlig zermatschte Banane. Eklig. Egal. Ausserdem habe ich ja noch meine Notration Energiegel. Beides rein und weiter gehts. Obwohl ich an jedem Stand - alle 2,5km - getrunken habe, werde ich das Gefühl nicht los, dass es zu wenig war. Meine Beine werden schwer und ich bin mir nicht mehr so sicher, ob ich noch durchkomme.
Also in Ruhe an den nächsten Verpflegungsstand. Ein Becher ISO - eklig! - ein Becher Wasser und noch ein Becher über den Kopf. Sofort wird mir besser und schnappe mir noch eine jungfäuliche Banane mit Schale.
Während ich die mit Genuss futtere, höre ich dauernd "Mahlzeit" und "Guten Appetit" von den Zuschauern. Die Schale wandert in den nächsten Abfalleimer damit keiner drüber fällt. Jetzt hätte ich noch gerne einen Riegel, erwische aber aus Versehen ein Tütchen mit Gel. Egal, rein damit. Ab jetzt bin ich nicht nur völlig verschwitzt, sondern auch noch eklig verklebt. Ich schwöre mir, dass das endgültig das letzte Gel meines Lebens war. Die Strecke bis zur nächsten Wasserstelle dehnt sich unendlich, alles klebt, ich habe Durst und die Sonne sticht. Ich glaube nicht mehr an das Finish. Erst 29km!
Dann, endlich, Wasser! Ich bleibe wieder stehen, wasche mich, trinke zwei Becher und laufe weiter.
Dann kommt km 35. Neben mir keucht einer: "Jetzt wirds hart, der Marathon beginnt bei km35".
Ich sehe auf die Pulsuhr: 154 Schläge.
Beine? O.K.
Kein Durst, kein Hunger. Mir gehts wieder besser.
Ich gebe Gas, bis ich 160 Schläge habe und finde zum ersten Mal in diesem Lauf meinen Rhythmus. Das Publikum ist fantastisch, feuert jeden Läufer an, ist freundlich, Kinder lassen sich abklatschen. Zum ersten Mal sehe ich vor mir das riesige Läuferfeld.
Am Rand häufen sich die Krämpfe, es wir gedehnt, gestreckt, geweint, zugeredet. Immer mehr Geher. Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde in die falsche Richtung laufen. ich kämpfe mich wieder kreuz und quer durch die Menge.
Ich fühle mich gut, die Kilometer fliegen vorbei. Ich bin sicher nicht superschnell, aber ich überhole und überhole!
Manche Leute habe ich schon 10 Mal abgehängt, aber sie tauchen immer wieder vor mir auf.
Einer - Senior mit verkrümmtem Rücken - trinkt nie, taucht nur den Schwamm ins Wasser und trinkt dann diese Brühe. Eklig, aber bringt ihm ne Menge Zeit.
Die anderen werden von Radfahrern begleitet. Sie laufen an jeder Verpflegungsstation durch und bekommen dann ihre Flaschen angereicht. Komfortabel, spart Zeit, aber doch etwas unfair!
Zum Schluss spare ich mir das Trinken und hänge diese Plagegeister endgültig ab! Man gönnt sich ja sonst nix.
Auf den letzten 500m muss ich dann doch noch kämpfen. Das Publikum jubelt frenetisch, es geht ganz leicht bergauf und ich will im Ziel eine gute Figur machen!
Die Zeit ist dann ein echter Schock für mich!
3:53:23 brutto, 3:48:52 netto
Ich wusste von Anfang an, dass das mit der guten Zeit nix wird, aber so schlecht liefs dann auch nicht.
Im Ziel schnappe ich mir diverse Flaschen mit lauwarmen Flüssigkeiten und kämpfe mich durch einen Berg von Rucksäcken, am Boden liegende Menschen, Ordner und vor allen Dingen Zuschauern, die ihre Läufer suchen. Wie kommen diese Menschenmassen in den "Teilnehmerbereich".
Ich ergattere das Finiher-Shirt und kämpfe mich weiter Richtung Duschcontainer. Meine Freundin wartet vor dem Ausgang - Handy sei Dank!
Vor mir eine Frau die plötzlich erschrocken umdreht. Ich schaue um die Ecke und sehe den Grund: 50 splitternackte Männer, die sich zwischen den Containern abwaschen und umziehen. Chaos überall. Ich gehe grinsend weiter und treffe dann auf Frau und Hund.
"Du siehst ja total fit aus!" Schöner kann man nicht begrüsst werden.
Ich hole die "Soforturkunde" ab. Das dauert keine Minute. Dafür ein dickes Kompliment an die Orga!
Im Auto ist es stickig und heiss. Die Rückfahrt verläuft absolut problemlos - ich liebe Dortmund. Während der Fahrt tippe ich noch die "hurra-ich lebe noch"-SMS an Freunde und Verwandte und lese die Antworten. Mir wird schlecht und immer heisser. Endlich sind wir da, ich steige aus und es ist heiss. In der Wohnung auch. Mir wird ganz furchtbar heiss, der Schweiss läuft in Strömen. Schnell die warmen Sachen ausziehen, Corinne drückt mir einen kalten Waschlappen in den Nacken. Nach 10 Minuten gehts wieder, ich dusche, ziehe mich um, lege mich ins Bett und schlafe 2 Stunden. Ich wache mit Kopfschmerzen auf, nehme 2 Aspirin, trinke eine Gemüsebrühe, esse zwei Brote mit Butter und Salz.
20 Minuten später fühle ich mich wieder fit. Ich stehe vorsichtig auf.
Die Beine sind absolut schmerzfrei und ich gehe eine halbe Stunde mit dem Hund raus. Unglaublich!
Fazit: Meine Grenze habe ich gestern erfahren: 20Grad!
Die vielen Steigungen haben mir zwar zu schaffen gemacht, aber der Leistungs-begrenzende Faktor waren wohl die Temperatur und die Sonne.
Durch den - nicht ganz freiwilligen - langsamen Beginn habe ich den Hammermann nicht getroffen. Heute fühle ich mich wie nach einem Trainingslauf.
Beurteilung (10Punkte=max.):
Organisation: 4 Punkte
Strecke: 6 Punkte
Publikum: mind. 10 Punkte
Mitläufer: 6 Punkte
Noch ein Fazit: Bochum und Dortmund haben eine bessere Organisation verdient. Hier ging eindeutig Masse vor Klasse, der Lauf litt unter der gewaltigen Teilnehmerzahl, die wohl zu einem grossen Teil noch nie an einem Marathon (oder anderen Volkslauf) teilgenommen hatte.
@ UDo und Fräse: Cool, schade, dass ich euch nicht erwischt habe. Habt ihr echt keinen Dalmatiner gesehen?
@ Thorsten: Bei jeder (miserablen) Zwischenzeit habe ich an Dich gedacht und ob Du wohl die PB schaffst. Alle, die ich gesprochen habe, waren von der schlechten Zeit enttäuscht. Schieben wir es also auf die Strecke und das Wetter

@ Tim: schöne Fotos, so seh ich auch mal was von der Strecke!
Das war das mega-posting von sixlegs, der sich auf den nächsten Marathon freut und alle Foristi grüßt,
Ciao, sixlegs (will mal sehen, ob ich noch ein Foto finde)
keep it running
Karstadt-Ruhrmarathon:
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