Nein, ich bin nicht unter die Ultras gegangen, und Peter Greif ist auch nicht mein neuer Personal Trainer (schade eigentlich). Aber die letzte Woche war meine erste offizielle Trainingswoche nach Greifs Countdown, und irgendwie muß ich im Laufe der sieben Tage vergessen haben, auch mal auf die Bremse zu treten...
Aber der Reihe nach:
Montag:
Ich fühle mich gut und gehe beschwingt in die erste "virtuelle" Trainingswoche. "Virtuell" heisst, eigentlich will ich ja nur mal spielen und ausprobieren, wie sich ein Training nach Greif so anfühlt und ob mir das überhaupt Spaß macht. Also alles ganz ohne Verpflichtung und Kaufzwang...
Da die Wege rutschig und verschneit sind, und zum Auftakt eine etwas fixere Einheit im Countdown steht, geht es aufs Laufband. Bei 1,5% Steigung werden die 15 Km weder langweilig noch leichter als auf der Strasse. Anschliessend dann noch ausgiebig die Sauna von innen inspiziert. Nach Spezialaufguß und Schwalldusche schwebe ich meditierend ca. 5 cm über dem Schnee.
15 Km in 5:03 - Eine etwas schnellere Einheit nahe am geplanten MRT.
Dienstag:
Wie nicht anders zu erwarten ziehen die Beine jetzt ein wenig - zum Glück sieht Peter G. für die Warmduscher der Gruppe 4 und 5 heute einen Ruhetag vor. Übermütig gehe ich auf dieses großzügige Angebot nicht ein, und wähle stattdessen mal "zum Spaß" das Abenteuerprogramm der Gruppe 7. Nämlich 15-20 Km extensiver DL.
Na gut, dieses Tempo kann man auch im Matsch laufen. Also geht es mit Mütze, Lampe und Handschuhen bewaffnet in die nächtliche "Kälte" hinaus. Das war keine ganz dumme Idee, denn richtig warm wird mir bei dem Tempo nicht.
16,6 Km in 6:08 - Der Erholungslauf
Mittwoch:
Alle Laufsysteme melden weiterhin "Grünes Licht" und damit steht der heutigen Einheit nichts im Wege. Der Countdown sieht für den Mittwoch eine etwas knackigere Übung vor - aber zum Glück mag ich Intervalle ja mittlerweile ein wenig. Es ist halt so schön, wenn der Schmerz nachläßt.

6 x 1000m in 4:30, 1000m Trabpause in 7:00 - Mal wieder auf dem Laufband, und danach ab in die Sauna zum Aufguß.
Donnerstag:
Jetzt kommt die Müdigkeit angekrochen und durchzieht den ganzen Körper bis in den letzten Winkel. Früh morgens kann ich mir nicht so Recht vorstellen, heute schon wieder laufen zu müssen, und plane lieber einen Erholungstag ein. Nachmittags wird es etwas besser, und abends bin ich wieder optimistisch - ein paar Kilometer zur Regeneration können ja nicht groß schaden, oder?
Also gar nicht lange nachgedacht, und nach Büroschluß sofort in die Laufklamotten gestürzt. Gruppe-7-Läufer kann und darf schließlich nichts aufhalten...

15,3 Km in 5:55 - Ein Lauf im Dunkeln.
Freitag:
Die Euphorie ist jetzt da - ich spüre, daß ich dieses eigentlich mörderische G-7 Programm eventuell doch noch bis zum Sonntag durchhalten kann. Abends heißt es daher, Schweini erst gar nicht zu erlauben sein häßliches Haupt zu zeigen.
Also gleich raus auf die Strasse - Peter G. schlägt heute gnädigerweise einen extensiven DL vor.
15,6 Km in 5:57 - Und noch ein Lauf mit ohne Tageslicht.
Samstag:
Einfach der Hammer - heute fühle ich mich zum ersten Mal so richtig schlecht. Alle Glieder und vor allem die Beine sind wie gerädert, und bleierne Müdigkeit macht jede Bewegung schwer. Der ganze Tag ist terminlich ausgebucht, nur abends wäre noch ein Zeitfenster fürs Laufen frei. Der eigentlich für heute vorgesehene 35er läßt sich so beim bestem Willen nicht unterbringen, daher wird er kurzerhand auf Sonntag verschoben - man ist ja schließlich flexibel. Aber dafür wird dann natürlich der extensive Sonntags-15/20er heute fällig, da gibts nix...
Dummerweise fühle ich mich am Abend immer noch ziemlich platt. Nur die Aussicht auf die anschließende Sauna treibt mich schließlich ins Studio auf das Band.
Beim Einlaufen wachen die Lebensgeister dann langsam wieder auf, aber dafür beginnt der rechte Fuß mit jedem Schritt etwas mehr zu schmerzen. Das gibts ja wohl nicht. Sowas ignoriert man natürlich souverän... bis nach 800-900m langsam klar wird, daß sich dieser Schmerz im Sprunggelenk einfach nicht weglaufen läßt. Ich brauche aber noch ein paar weitere hundert Meter mit stetig zunehmenden Beschwerden, bis die Vernunft die Sturheit endgültig besiegen kann. Erst die plötzliche Erkenntnis, daß falscher Ehrgeiz hier & jetzt zu einer langwierigen Verletzung führen könnte, läßt mich wiederwillig und endgültig zur "Stop"-Taste greifen. Enttäuscht und desillusioniert geht es mit hängendem Kopf in die Sauna.
Für den langen Lauf am Sonntag sehe ich jetzt rabenschwarz.
1,3 Km in 6:01 - Laufband, Abbruch nach zunehmenden Beschwerden.
Sonntag:
Die Müdigkeit steckt noch in den Knochen, und dem Sprunggelenk traue ich auch noch nicht so Recht über den Weg, obwohl die Beschwerden beim Gehen nur noch minimal sind. Das Wetter ist heute wechselhaft mit Schneeschauern und Sonnenschein, und ich sehe die matschig-rutschig-vereisten Waldwege vor meinem geistigen Auge geradezu tückisch glitzern... Kurzum, Schweini frohlockt und hält mich bis lange über Mittag fest im Griff. Mir fallen plötzlich tausend Gründe ein, warum man die ganze Trainingswoche besser vorzeitig abblasen sollte, und überhaupt ist es ja nun wirklich genug gewesen mit dem dämlichen Laufen...

Am Nachmittag kann ich mich endlich durchringen, die Woche wenigstens mit ein paar regenerativen Kilometern ausklingen zu lassen. Aber seltsam, warum packe ich eigentlich die Mütze und die Handschuhe ein - die braucht man doch gar nicht für einen kurzen Lauf...?

Draussen geht es dann betont langsam und betulich los - aber das ist unnötig, denn das Sprunggelenk macht keine Probleme mehr. Ich laufe langsam, und Kilometer um Kilometer werden abgespult. Erst 5, dann 10, dann 15, alle Zwischenziele purzeln dahin. Mittlerweile hat sich das Tempo sogar unter 6:00 eingependelt, und so langsam kommen kühne Gedanken auf: Vielleicht sind die 30 (oder sogar 35?) ja doch noch drin? Als bei 20 Km sowohl das Wetter und auch die Beine noch gut aussehen, ist der Entschluß gefasst: Unter 35 kehre ich nicht Heim!
Leider hält sich der Körper nicht im geringsten an solche hehren Schwüre zwischen Ich und Über-Ich, und ab Km 23..24 weicht alle Leichtigkeit, die Beine werden immer schwerer und müssen den 100 Km der letzten Tage endgültig Tribut zollen. Das Tempo fällt von 6:00 über 6:15 auf 6:30, bei dieser Schnecken-Pace kann ich es mühselig und gerade noch so stabilisieren.
Die letzten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi, und daß es mittlerweile vollständig dunkel geworden ist und ich keine Lampe dabei habe, macht die Sache auch nicht leichter. Prompt übersehe ich eine tiefe Pfütze und versenke beide Füße knöcheltief in Eiswasser - das Gute daran ist, daß ich schlagartig wieder wach werde und mich durch lautstarkes Gefluche von den Mühen des letzten Streckenabschnitts ein wenig ablenken kann.
35,2 Km in 6:15 - Eine kleine Lektion in Demut.
Fazit:
Es ist vollbracht - Die erste Greif-Woche und auch die erste Trainingswoche überhaupt mit mehr als 100 Km ist überstanden. Am Ende stehen mit Ein- und Auslaufen gut 113 Km zu Buche. Abgesehen vom überlastungssbedingten Abbruch am Samstag bin ich viel weiter gekommen als geplant. Plötzlich merke ich, daß mir der Abschluß dieser Woche fast mehr bedeutet als ein Marathon-Finish. Eine neue Grenze ist überschritten.
Jede einzelne Trainingseinheit war für sich genommen harmlos, aber ohne Ruhephase steigt die Müdigkeit eben von Tag zu Tag an, und sorgt damit für den ganz speziellen Extrakick einer solchen Streak-Woche.
Ein paar neue Erkenntnisse liessen sich bei diesem Selbstversuch auch gewinnen:
- Tägliches Lauftraining ist einseitig und macht irgendwie blöd. Jede Einheit benötigt mit allem drum & dran mindestens 2-2,5 Stunden, und dann bleibt nicht mehr viel vom Feierabend übrig. Freunde, Familie und andere Hobbies ausserhalb des Laufens fallen effektiv flach. Auf Dauer ist das wohl nichts...
- Beim Badminton sind meine Knie die Achillesferse. Aber beim Laufen nicht, da zeigen sie sich robust und belastbar ohne Ende. Kann Langstreckenlaufen etwa abgenutzte Kniegelenke wieder heilen?? Na ja, dafür versagen bei harter Laufbelastung gewisse Sprunggelenke bei mir - das ist wohl die ausgleichende Gerechtigkeit.
- Nachts im Dunkeln & ohne Vollmond langsam durch die Pampas zu laufen ist auf Dauer furchtbar öde. Da macht das Laufband mittlerweile mehr Spaß.
- Nach den 113 Km fehlen 1,5 Kg auf der Waage. Oberschenkel und Waden sind eher dünner geworden, und über die Wadenmuskulatur mäandert nun ein Geflecht feinster und nicht ganz so feiner Äderchen. Plötzlich verstehe ich, warum Ärzte bei Krampfadern vom Laufen abraten... Aber wer hat jemals ernsthaft behauptet, daß Laufen schön macht?

Kleiner Nachtrag: Die zweite Countdown-Woche hat mittlerweile begonnen. Am Montag nach dem 35er lief ausser Relaxen erstmal gar nichts, aber gestern habe ich das Programm wieder aufgenommen und abends ziemlich locker 10 Km in 4:40 auf dem Band absolviert. Jetzt muckt das rechte Sprunggelenk zwar wieder etwas, aber sonst fühl ich mich gut.
Wie es nun weitergeht? Keine Ahnung, vielleicht steige ich aus dem Countdown wieder aus, vielleicht auch nicht. Aber mehr als vier Einheiten pro Woche werden es so schnell wohl nicht mehr werden...