Die Operation 'who's the fool?' fing an sich ganz harmlos an. Vor rund 2 1/2 Wochen sagte mir mein Schwager, er und meine Schwester würden ihre Tochter in Schweden besuchen, die in einem Skigymnasium in einem Austauschjahr in Mora weilt. Da Mora das Zielort des berühmten Vasaloppets ist, wollten sie als passionierte Langläufer natürlich diesen Lauf einmal persönlich erfahren. Ich hatte offenbar meinen Mund ein bisschen zu voll genommen, weshalb mich mein Schwager gut 1 1/2 Wochen vor dem Lauf anrief und meinte, er hätte auch für mich einen Startplatz reserviert, und jetzt gäbe es keinen Rückzug mehr. OK, dann hatte ich halt den Flug gebucht, die Skiausrüstung für den klassischen Stil, Unterkunft und Betreuung organisierte er. So durfte ich mich einmal wie ein Spitzenathlet fühlen: Nur anreisen, trainieren und erholen, für den Rest sind die Betreuer besorgt. Ganz so wars natürlich nicht, aber immerhin.
Der Countdown
Am Samstag gings nochmals auf die Skies zum testen, wo ich mich dann für den falschen Ski entscheiden sollte. Hauptsächlich war ich aber den ganzen Tag über immer latent nervös, für die Präparation der Skis investierten wir auch noch rund 2 Stunden. Der 90 km lange Vasaloppet verlangt schon ein bisschen nach einer spezialisierten Vorbereitung, die ich nie und nimmer hatte. OK, ich war ja 2 mal eine Woche skaten, aber Skating oder klassisch sind halt doch 2 verschiedene Welten, wo sehr unterschiedlich Muskelpakete belastet sind. Ich erwartete, dass mir meine Arme nach gut 50 bis 60 km abfaulen würden und ich in ihnen keinen Saft mehr spüren würde. Für die Leistengegend und meine Bauchmuskulatur hatte ich auch grosse Bedenken, da mein Lauftraining alleine diesen Bewegungsablauf nicht abdeckte.
Nach einem ausgiebigen Frühstück verlässt der Bus Mora um 04.15 und bringt uns ins 60 km entfernte Sälen. Da müssen einige Richtungsänderungen dazwischen liegen, da der Lauf ja sich auf 90 km verteilt. In Sälen spurten die alten Füchse zu den Eingängen Ihrer jeweiligen Startfelder, was bei mir einige Zeit braucht bis ich das checke. Zu dieser Zeit ist es in Sälen um die -20 Grad Celsius, und das Anstehen an den Toren zum Startfeld wird zur Tortur. Um 06.00 öffnen die Helfer die Tore und prüfen für jeden Einzelnen die Zutrittsberechtigung. Den ganzen Tag über wird man staunen können, mit was für einer Ruhe die Helfer ihren Job machen und sie so den Wettkampf zu einem einmaligen Erlebnis machen lassen. Da der Start erst um 08.00 ist, wird zurück in den Bus gegangen und die Kälte aus den Gliedern gedehnt. Erst kurz vor 08.00 laufe ich zu meinem Startplatz, wo bereits meine Skis und Stöcke stehen. Ich muss zugeben, dass mich bei solchen Gelegenheiten die Gefühle überrennen: Mir kommen Tränen in die Augen beim Gedanken an meine Frau und an die zurückliegenden Monate des verletzungsfreien Trainings. Ich bin dankbar, dass ich diesen Moment erleben und die einmalige Athmosphäre des Vasalaufs aufsaugen darf.
Das Startprozedere ist unspektakulär, auf ein Mal wird losgelaufen, um nach gut 500 Metern wieder zum Stehen zu kommen, Jetzt beginnt während rund 2.5 km ein rund 170 m hoher Aufstieg. Und da ich als Neuling zuhinterst loslaufen muss, türmen sich vor mir wartende Läuferberge auf. Für die ersten 2 km brauche ich über 40 Minuten, für die ersten 3 km über 53 Minuten, und das bei klirrender Kälte, -18 Grad Celsius. Nach einer guten Stunde also erst 3 km gelaufen und 87 km warten noch auf mich; was mich da wohl noch erwarten wird? Jeder km ist sehr gut ausgeschildert, Du bist immer auf dem Laufenden. Auf der Hochebene angekommen, beginnt nach rund 4 km endlich das Langlaufen. Heerscharen von Läufern, gestartet sind über 13.000 Leute, bewegen sich auf den Loipen Richtung Mora. Ich sage mir einfach: geniesse Deine Gefühle, die Landschaft und die Leute um Dich herum. Einige haben in den Gleitpassagen offenbar einen schnelleren Ski, was ich mit mehr Doppelstockarbeit zu kompensieren versuche. Aber ich weiss ja, dass ich diesen Kraftaufwand niemals bis nach Mora werde leisten können. Tempo in den Wohlfühlbereich einstellen, Fotos machen, sich gut verpflegen und die Gedanken schweifen lassen, das wird das Motto den ganzen Tag über sein. Drei grössere Pausen schalte ich ein, zweimal davon lasse ich meine Skis nachwachsen und bei den Verpflegungsstellen nehme ich mir genügend Zeit um die feine Blaubeersuppe zu geniessen. Getränke bekommst Du im Ueberfluss und es ist erstaunlich, wie viele gutgelaunte Helfer an den Verpflegungsstellen die Läufer unterstützen. Irgendwann wird mir die Zeit total egal, laufe einfach mein Tempo und schaue dass ich nicht überpace. Die 90 km Strecke ist abwechslungsreich, landschaftlich für einen Mitteleuropäer sehr reizvoll, weshalb es mir nie langweilig wird. Mein Neffe, übrigens ein Biathlet im schweizerischen Juniorenkader, gab mir am Vorabend noch einen heissen Tip: Stelle Dir einfach vor, Du läufst 9 mal 10 km, mache Teilziele und ermögliche Dir Erfolgsmomente. Gesagt getan, und es hat funktioniert. Und wenn Du dann die letzten 5 km vor Mora läufst und Dir die Strecke schon bekannt ist, dann denkst Du beinahe Du läufst zuhause ein. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl kommt in Dir hoch wenn Du die Kirchturmspitze siehst, und dieses Gehühl nimmt noch zu, je näher das Ziel kommt, bei der Gedenkstatue von König Gustav Vasa. Ich verbeuge mich vor den Schweden, dass sie uns ein so tolles Erlebnis ermöglichen.
Für Läufer gibt es nicht nur Rennsteig und SAM als interessante Herausforderungen. Ausdauersportler sollten sich solche Abenteuer erfüllen, auch wenn die Vorbereitung für einmal nicht das Gelbe vom Ei war. Aber da ich eh kein Siegergeld abholen konnte, war's auch egal. Ein nächstes Mal wäre eine Zeit um die 7 Stunden durchaus denkbar.
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Stimmt, gibt viele reizvolle Ziele.Leon hat geschrieben:Für Läufer gibt es nicht nur Rennsteig und SAM als interessante Herausforderungen. Ausdauersportler sollten sich solche Abenteuer erfüllen, auch wenn die Vorbereitung für einmal nicht das Gelbe vom Ei war.

Wo sind denn die Bilder, die du gemacht hast?

"If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide." (Gandhi)
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offen gestanden steht der Vasaloppet schon seit ein paar Jahren auf der Liste... Zur Vorbereitung habe ich mir nun endlich mal wieder eine neue Klassik-Ausrüstung zugelegt und diesen Winter auch mal wieder trainiert
Aber im Moment steht das Laufen im Vordergrund

Aber im Moment steht das Laufen im Vordergrund
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Mein Arbeitskollege ist diesen Lauf ebenfalls mitgelaufen - ich war sehr beeindruckt.
Ella
Ella
Laufpony - aber da geht noch watt !
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Leon hat geschrieben:
Der Countdown
Am Samstag gings nochmals auf die Skies zum testen, wo ich mich dann für den falschen Ski entscheiden sollte. Hauptsächlich war ich aber den ganzen Tag über immer latent nervös, für die Präparation der Skis investierten wir auch noch rund 2 Stunden. Der 90 km lange Vasaloppet verlangt schon ein bisschen nach einer spezialisierten Vorbereitung, die ich nie und nimmer hatte. OK, ich war ja 2 mal eine Woche skaten, aber Skating oder klassisch sind halt doch 2 verschiedene Welten, wo sehr unterschiedlich Muskelpakete belastet sind. Ich erwartete, dass mir meine Arme nach gut 50 bis 60 km abfaulen würden und ich in ihnen keinen Saft mehr spüren würde. Für die Leistengegend und meine Bauchmuskulatur hatte ich auch grosse Bedenken, da mein Lauftraining alleine diesen Bewegungsablauf nicht abdeckte.
Hallo!
Klasse ein Bericht über den Vasalauf!! Habe sofort alles um mich vergessen und den Bericht verschlungen. So ähnlich wie du bin ich den ersten Vasaloppet auch angegangen, zuerst wollte ich sogar mit Nowachsski starten.
Aber zum Glück hielten mich die Skicracks in der Reisegruppe davon ab.
Leon hat geschrieben: Nach einem ausgiebigen Frühstück verlässt der Bus Mora um 04.15 und bringt uns ins 60 km entfernte Sälen. Da müssen einige Richtungsänderungen dazwischen liegen, da der Lauf ja sich auf 90 km verteilt. In Sälen spurten die alten Füchse zu den Eingängen Ihrer jeweiligen Startfelder, was bei mir einige Zeit braucht bis ich das checke. Zu dieser Zeit ist es in Sälen um die -20 Grad Celsius, und das Anstehen an den Toren zum Startfeld wird zur Tortur. Um 06.00 öffnen die Helfer die Tore und prüfen für jeden Einzelnen die Zutrittsberechtigung. Den ganzen Tag über wird man staunen können, mit was für einer Ruhe die Helfer ihren Job machen und sie so den Wettkampf zu einem einmaligen Erlebnis machen lassen. Da der Start erst um 08.00 ist, wird zurück in den Bus gegangen und die Kälte aus den Gliedern gedehnt. Erst kurz vor 08.00 laufe ich zu meinem Startplatz, wo bereits meine Skis und Stöcke stehen. Ich muss zugeben, dass mich bei solchen Gelegenheiten die Gefühle überrennen: Mir kommen Tränen in die Augen beim Gedanken an meine Frau und an die zurückliegenden Monate des verletzungsfreien Trainings. Ich bin dankbar, dass ich diesen Moment erleben und die einmalige Athmosphäre des Vasalaufs aufsaugen darf.
Kommt mir alles verdammt bekannt vor, Sonntag morgen ,irgendwo in der schwedischen Pampa bei minus 20 Grad,mit anderen Verrückten um den besten Startplatz kämpfen. Das Getrete und Geschiebe , die Stöcke auf meinem Schuh waren auch ein Grund zum Läufer zu werden. Dort bekommt man höchstens mal einen Ellenbogen in die Rippen aber keinen spitzen Skistock.
Ja und die Tränen in den Augen kann ich gut verstehen, bei mir kamen sie so bei km 80, da wird man plötzlich sentimental.
Leon hat geschrieben: Das Startprozedere ist unspektakulär, auf ein Mal wird losgelaufen, um nach gut 500 Metern wieder zum Stehen zu kommen,
Ich habe mal die Aufzeichnung eines solchen Starts gesehen, vorne geht richtig die Post ab. Aber du hast recht ,als Starter merkt man davon wenig,langsam aber sicher ruckt es an.
Leon hat geschrieben:
Nach einer guten Stunde also erst 3 km gelaufen und 87 km warten noch auf mich]
Scheinbar passiert da mit Erststartern immer das gleiche, genau das waren auch meine Gedanken im März 1999.
Leon hat geschrieben: Ein unbeschreibliches Glücksgefühl kommt in Dir hoch wenn Du die Kirchturmspitze siehst, und dieses Gehühl nimmt noch zu, je näher das Ziel kommt, bei der Gedenkstatue von König Gustav Vasa. Ich verbeuge mich vor den Schweden, dass sie uns ein so tolles Erlebnis ermöglichen.
Nochmal nur Zustimmung, wenn man so mit letzten Kräften nach Mora reinrollt, dann ist die Welt einfach nur schön!!
Leon hat geschrieben: Für Läufer gibt es nicht nur Rennsteig und SAM als interessante Herausforderungen. Ausdauersportler sollten sich solche Abenteuer erfüllen, auch wenn die Vorbereitung für einmal nicht das Gelbe vom Ei war. Aber da ich eh kein Siegergeld abholen konnte, war's auch egal. Ein nächstes Mal wäre eine Zeit um die 7 Stunden durchaus denkbar.
Der Vasaloppet ist schon eine Reise wert. In Verbindung mit zwei Wochen Urlaub dort oben wird die Sache auch richtig schön.
Eine auch interessante Sache mit viel Charme ist der Rajalta Rajalle Hiihto:
http://www.olafkind.de/Bericht.htm
Da war ich auch , und es war wunderschön. Kein Wettkampfdruck, keine Stöcke die stören. Nur der Wald, der Schnee und die Ski!
beste Grüße
Holger, vom Skilangläufer zum Läufer mutiert
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Nicht? :eek: Da hätt ich aberLeon hat geschrieben:. Aber da ich eh kein Siegergeld abholen konnte, war's auch egal.




Aber Hut ab vor der Leistung Leon. Ich pflichte dir auch bei, daß es sehr toll und reizvoll ist auch mal beim Langlaufen einen "Volkslauf" mitzumachen.
Ich wollte mich eigentlich bei einem Kumpel anschließen und kurzfristig den Engadin Marathon mitlaufen, aber leider hat er den Lauf krankheitsbedingt absagen müssen

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@ WinfriedK: die pics sind noch in Schweden, erwarte sie nicht vor nächster Woche. Wenn Du mir sagst wie ich die hochlade, dann kannst Du sie sehen, ok?
@Holger: Merci für Dein Feedback. Der Bericht berücksichtigt ja nur kleine Erinnerungsfetzen. Meine Erfüllung ist ungemein grösser, wovon ich bestimmt noch eine lange Zeit zehren werde. Die Erinnerungen vom Rennsteig oder vom Swiss Alpine kommen auch immer wieder hoch und unterstützen meine positive Einstellung zum Leben. Für mich ist nicht die Zielzeit wichtig, sondern die Zeit, die ich unterwegs verbringe, ergo ist der Weg das Ziel.
@Moorbalito: Wenn ich mich richtig erinnere, dann wohnst Du im Allgäu, nicht? Im Rheintal fahren am Sonntag Morgen, 13. März, viele Busse ins Engadin zum Skimarathon und gleichtags zurück. Da könntest Du Dich immer noch anhängen, und Nachmeldung ist über datasport.ch immer noch möglich. Wenn Du fit bist und Dich dafür vorbereitet hast, kannst Du den Lauf auch ohne Deinen Kumpel machen.
@Holger: Merci für Dein Feedback. Der Bericht berücksichtigt ja nur kleine Erinnerungsfetzen. Meine Erfüllung ist ungemein grösser, wovon ich bestimmt noch eine lange Zeit zehren werde. Die Erinnerungen vom Rennsteig oder vom Swiss Alpine kommen auch immer wieder hoch und unterstützen meine positive Einstellung zum Leben. Für mich ist nicht die Zielzeit wichtig, sondern die Zeit, die ich unterwegs verbringe, ergo ist der Weg das Ziel.
@Moorbalito: Wenn ich mich richtig erinnere, dann wohnst Du im Allgäu, nicht? Im Rheintal fahren am Sonntag Morgen, 13. März, viele Busse ins Engadin zum Skimarathon und gleichtags zurück. Da könntest Du Dich immer noch anhängen, und Nachmeldung ist über datasport.ch immer noch möglich. Wenn Du fit bist und Dich dafür vorbereitet hast, kannst Du den Lauf auch ohne Deinen Kumpel machen.
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[quote="Leon@Moorbalito: Wenn ich mich richtig erinnere, dann wohnst Du im Allgäu, nicht? Im Rheintal fahren am Sonntag Morgen, 13. März, viele Busse ins Engadin zum Skimarathon und gleichtags zurück. Da könntest Du Dich immer noch anhängen, und Nachmeldung ist über datasport.ch immer noch möglich. Wenn Du fit bist und Dich dafür vorbereitet hast, kannst Du den Lauf auch ohne Deinen Kumpel machen.[/QUOTE"]
Bei uns geht`s aber auch um das "drumherum". Deshalb wären wir auch schon am Freitag abend hingefahren und am Sonntag abend wieder zurück.
Bei uns geht`s aber auch um das "drumherum". Deshalb wären wir auch schon am Freitag abend hingefahren und am Sonntag abend wieder zurück.
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Netter Bericht Leon! und Hut ab
Werde mir den Siljian in 3 guten Monaten wieder anschauen
Werde mir den Siljian in 3 guten Monaten wieder anschauen
-----__o
---_\ <,
--(_)/(_)
klar, das ist unterste schiene - da war aber auch nichts anderes zu erwarten.
mein tip: lesen - abschalten - vergessen
"Vermeiden Sie bei der Kommunikation mit Kindern jegliche Form von Ironie oder Sarkasmus. Kinder können damit nicht nur nicht umgehen, sondern sie verstehen solche Sätze nicht."
---_\ <,
--(_)/(_)
klar, das ist unterste schiene - da war aber auch nichts anderes zu erwarten.
mein tip: lesen - abschalten - vergessen
"Vermeiden Sie bei der Kommunikation mit Kindern jegliche Form von Ironie oder Sarkasmus. Kinder können damit nicht nur nicht umgehen, sondern sie verstehen solche Sätze nicht."

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tolle eindrücke hast du da geschildert! da bekomme ich richtig lust, irgendwann mal teilzunehmen... ich bin letztes jahr im sommer mit freundin ca. 30 kilometer auf der strecke von oxberg nach mora gewandert. wir haben keinen menschen getroffen ;-)