So, nun ist er rum - der Trolli. Mein erster ganzer Trolli. Übehaupt mein erster Marathon.
Und wie fühle ich mich? Lasst mich nochmal in mich reinlauschen und zuerst mal meinen Bericht loswerden.
Es ist 6:20Uhr und ich krieche aus dem Bett. Ein prüfender Blick in den Spiegel. Mein Gegenüber fragt mich: „Na, wie fühlst Du Dich? Fit für den großen Tag?“ Ich antworte meinem Spiegelbild etwas ausweichend „mal sehen...“.
Das Frühstück besteht wie überall empfohlen aus Toast mit Honig und einer Banane – vielfach Erprobtes kann nicht ganz falsch sein.
Ein kurzer Check des Rucksackinhaltes und los geht es.
Am Frankenstadion ist schon mächtig was los. Auffällig ist, dass es keine Hektik gibt. Alle bewegen sich ruhig und zielgerichtet. Ich gebe meinen Rucksack ab, der nette ältere Herr wünscht mir viel Erfolg – das tut gut. Überhaupt waren bisher alle Helfer freundlich und kompetent.
Ich mache noch ein paar Dehnungsübungen – es ist 8:30Uhr. In der prallen Sonne strampeln sich einige Läufer mit animierten Aufwärmübungen ab. Sie glänzen bereits vor Schweiß. Das wäre mir jetzt zu viel des Guten.
Die Marathonis begeben sich in die Startblöcke. Es gibt kein Gedrängel. Es wird gescherzt und nochmal kurz die Büsche gewässert (was ein Glück, dass ich keine Frau bin, denn die Dixies haben wahrscheinlich bereits eine Innentemperatur von 50Grad).
Der Startschuß knallt uns ich sehe das Lead-Car losfahren und die beiden später erstplazierten Kenianer direkt dahinter losdüsen. Das waren dann auch die einzigen Sekunden, in denen ich die drei sah.
Die Meute schleppt sich träge hinterher – zumindest wirkt es so.
Ich habe mir fest vorgenommen, angesichts der Temperaturen die ersten 3 Kilometer ganz langsam anzugehen. Es ist schön, am Neckarufer zu laufen. Die Freude auf den Lauf ist jetzt das beherrschende Gefühl. Endlich an dem Punkt zu sein, auf den ich monatelang trainiert habe, mit all den Zweifeln und Rückschlägen. Im März eine schwere Erkältung mit Antibiotika, was die Laufleistung auf gerade mal 100 Kilometer gedrückt hat. Dann wieder Hoffnung nach der Aufmunterung im Forum. Danach Wiederaufnahme des Trainings mit dem Problem, dass der Puls anfangs viel zu schnell hochging. Hoffnung nachdem der erste Lauf mit 37Kilometern geschafft war.
Es geht über ein Wiesental in die erste Ortschaft mit einer Bombenstimmung. Letztes Jahr beim Halbmarathon war in Flein auch voll der Bär los.
Das motiviert. Ich ziehe das Tempo an.
Meine Laufbekanntschaft der letzten paar Kilometer, ein riesig netter 60-jähriger Hamburger, der mit diesem Trolli seinen 64.ten (!!!) Marathon absolviert pfeift mich zurück. „Langsam Junge – spar Dir die Kraft“. Ich nehme das Tempo zurück: „Recht hat er“.
Dann kommt der erste größere Anstieg bei Kilometer 10. Ohne Probleme geht es aufwärts, durch Talheim und auf der gegenüber liegenden Seite bergauf. Hier gehen bereits viele. Ich habe inzwischen meinen runden Lauf gefunden und geniesse ohne Anspannung die Landschaft.
Die Temperatur steigt langsam spürbar und ich bin dankbar für die Wassereimer, in denen man des Schwamm eintauchen kann und trinke an jeder Wasserstelle 2 Becher.
Durch Lauffen geht es raus auf die Strecke nach Hausen an der Zaber. Hier fehlt mir zum ersten Mal eine Wasserstelle, den die Strecke verläut in der mittlerweile starken Sonne ohne Erfrischungsmöglichkeit. Ich nehme ein paar Schluck aus meinem Trinkgürtel aber die Sonne brennt schon mächtig auf den Pelz. Der erste Marathoni sitzt am Straßenrand.
Das Feld ist schon stark ausgedünnt und man kann einfach die Gedanken gleiten lassen.
In Hausen ist dann wieder Fest angesagt. Die Kapelle spielt und Bacchus bietet Trollinger an. Naja, jetzt lieber noch nicht, sonst verlaufe ich mich noch auf offener Strecke.
Es geht schattenlos weiter nach Brackenheim. Kilometer 25. In Brackenheim wollte meine Familie mir 2 Wasserflaschen mit etwas Maltodextrin und Salz übergeben und den Trinkgurt übernehmen. Es klappt, ich kann sie schon von Weitem sehen. Sorgenvoll blicken sie mir entgegen. Ich rufe ihnen zu „mir geht es prima“ und laufe nach der Übergabe weiter. Ohne Trinkgurt läuft es sich gleich besser. Ich n ukle an den beiden ALDI-Einwegflaschen, die ich vorher gefüllt hatte. Nach Brackenheim erwartet uns der größte Anstieg mit 10% und 500m Länge. Die meisten gehen. Ich fühle mich noch klasse und entschliesse mich, den Berg zu laufen. Rechts liegt einer im Schatten einer Weinberghütte mit den Beinen hochgestellt. Ein Sanitäter beugt sich über ihn. Ich lausche in mich rein – geht es mir wirklich gut?? Das Echo aus meinem Inneren schallt zurück: „Alles im Lot“.
Wir laufen wie auf einer Bratpfanne. Ich befeuchte immer wieder die Arme mit dem Schwamm, um wenigstens etwas Kühlung zu bekommen. Trotzdem macht mir die Hitze im Vergleich zum Testlauf vor 2 Tagen wenig aus. Da war ich nach 1 Stunde bereits am Anschlag. Endlich wieder ein Wassereimer. Das Wasser läuft mir über den Rücken, die Shorts kleben an den Beinen. Das gibt bestimmt trotz eincremen einen Sonnenbrand.
Es geht durch Nordhausen, wo man wegen dem dortigen Fest vom Marathon scheinbar keine große Notiz nimmt. Ein paar Leute sitzen am Straßenrand und klatschen. Eine Frau trägt gemütlich 2 Currywürste über die Straße. Ich laufe in einem Bogen um sie herum und komme mir insgesamt ein bischen störend vor. Entlang der Landstraße nach Nordheim spüre ich erstmals meine Beine. Kilometer 30. Viele Läufer erlahmen offensichtlich. Ich laufe gemütlich, überhole aber trotzdem einen Läufer nach dem anderen. Nach Nordheim kommt nochmals ein gemeiner Anstieg – noch etwa 7 Kilometer. Ich sehe einen Bekannten, der mich fassungslos anstarrt: „Was, Du läufst Marathon?“. Ich zaubere ein Grinsen aufs Gesicht und rufe zurück „Klar!“ „Du spinnst!“ Komisch, warum halten einen alle für verrückt, wenn man Marathon laufen möchte. Jetzt läuft eh nur noch mein Kopf. Die Beine traben selbständig vor sich hin. Ich bin froh, wenn ich im Ziel bin. Es geht bergab auf die gemeinsame Strecke mit dem Halbmarathon. Es sieht aus, wie nach dem Krieg. Die Verpflegungsstellen sind verwüstet. Die Helfer bemühen sich, Ordnung zu schaffen.
Jetzt kann nichts mehr passieren. Schweini hat keine Chance mehr. Noch 3 Kilometer. Mann, das zieht sich. Ich stelle mir das Zieltor vor. Das treibt tierisch an.
Ein letzter Anstieg auf die Neckarbrücke und es geht bergab. Die Zuschauer treiben uns an , ich laufe ins Stadion ein und sehe das Ziel. Ich laufe die letzten Meter, die ich mir beim Training so oft bildlich vorgestellt habe. Ich nehme die Medaille in Empfang und gehe in Richtung Erfrischungsstände. Die Stimmung brandet auf mich ein. Ich geniesse einfach den Tumult und schlürfe ein wenig lauwarmes Wasser, das übrig ist. Die anderen Stände sind bereits kahlgefressen und leergesoffen, denn kurz vorher kam ja die Masse der Halbmarathonis an. Egal, es ist schön hier zu sein. Ich latsche ein wenig herum und fühle mich einfach klasse. Ein paar anderen geht es gar nicht gut. Die Sanis haben alle Hände voll zu tun. Ein wenig lockerlaufen, damit die Muskulatur nicht hart wird und ein wenig dehnen.
Ich höre meinen Namen und drehe mich um. Meine Familie kommt angerast und ich habe meine beiden Töchter am Hals hängen. Die beiden haben bereits ihre Startnummern für die Schülerläufe und freuen sich mit mir. Dann traben die Kinder in Richtung Sammelpunkt ab.
Ich habe noch etwas Zeit für mich und lausche in mich rein. Ist es das, was ich erhofft habe? Ich fühle eine tiefe innere Zufriedenheit. Die Anstrengungen, die Zweifel, die Hoffnung, die Zeit, die ich investiert habe, haben sich gelohnt. Das selbst gesteckte Ziel ist erreicht, der Kampf gegen mich selbst gewonnen. Ein Gefühl, das süchtig macht – ich weiss es genau: Das war nicht der letzte Marathon.
Meine Laufbekanntschaft vom Anfang fällt mir ein. Wenn er mich nicht eingebremst hätte, wie würde es mir dann jetzt gehen? Vielleicht wäre ich 20 Minuten schneller gewesen, vielleicht wäre ich aber auch gar nicht angekommen. Auf alle Fälle bin ich ihm dankbar.
Nicht die Zeit, sondern der Weg ist das Ziel.
Ich wünsche Euch allen auch solche Momente, denn jetzt schwebe ich wirklich
TheFly (Tom)
2
Hey Tom,
ein schöner Bericht, liest sich genauso entspannt wie Dein Lauf es gewesen sein muss, klasse!
Bin beim Lesen die Strecke nochmal im Geiste abgelaufen, hat Spass gemacht.
Herzlichen Glückwunsch und gute Erholung!
Gruss Holle
ein schöner Bericht, liest sich genauso entspannt wie Dein Lauf es gewesen sein muss, klasse!
Bin beim Lesen die Strecke nochmal im Geiste abgelaufen, hat Spass gemacht.
Herzlichen Glückwunsch und gute Erholung!
Gruss Holle
3
Gratulation zum bestandenen Marathon und zum eindrucksvollen Bericht.
Bei der Affenhitze hab ich schon beim Zusehen geschwitzt :eek:
für alle die bei dem Wetter den Halben oder den Ganzen gefinisht haben
Gruß Frett
Bei der Affenhitze hab ich schon beim Zusehen geschwitzt :eek:

Gruß Frett
Wettkämpfe: Ultra-40x; Marathon-38x; HM-3x; 10 km-3x;
PB: U-116,1km/12Std, Biel 10:14, 65km/6Std; M-3:22; HM-1:35; 10 km-44:48
2010 Senftenberg HallenDoppelmara. 3:43/3:47, Rodgau 50 km 4:24, Marburg 50 km 4:24, Kandel-M 3:26, Eschollbrü. 50 km 4:12, Dt.Weinstr. 3:35, Rennsteig-SM 7:24, Bad Waldsee 3:27, 12-Std. Fellbach 112,9 km, 80km-Fidelitas 7:50, Ermstalmara. 3:46, Immenst-Gebirgsmara. 6:16, Allgäu-Ultratrail 9:02, ebm-Papst 3:39, Wörterseetrail 6:08
PB: U-116,1km/12Std, Biel 10:14, 65km/6Std; M-3:22; HM-1:35; 10 km-44:48
2010 Senftenberg HallenDoppelmara. 3:43/3:47, Rodgau 50 km 4:24, Marburg 50 km 4:24, Kandel-M 3:26, Eschollbrü. 50 km 4:12, Dt.Weinstr. 3:35, Rennsteig-SM 7:24, Bad Waldsee 3:27, 12-Std. Fellbach 112,9 km, 80km-Fidelitas 7:50, Ermstalmara. 3:46, Immenst-Gebirgsmara. 6:16, Allgäu-Ultratrail 9:02, ebm-Papst 3:39, Wörterseetrail 6:08
4
fly fly away - so liest es sich irgendwie. Wenn man nachher schweben kann ist es ein tolles Erlebnis gewesen. Gratuliere zum Marathon-Einstand! Schöner Bericht noch dazu!
Gruss Sigi
Gruss Sigi
5
Hallo Tom,
ein schöner Bericht vielen Dank.
Und Glückwunsch zum Finisherstatus bei diesen Bedingungen. Deine Einstellung war die einzig vernünftige
@Trollis
es stehen übrigens die Zieleinläufe per Video kostenlos zur Verfügung.
ein schöner Bericht vielen Dank.
Und Glückwunsch zum Finisherstatus bei diesen Bedingungen. Deine Einstellung war die einzig vernünftige

@Trollis
es stehen übrigens die Zieleinläufe per Video kostenlos zur Verfügung.

Gruß
Peter
Peter
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Gratulation Tom ! Sehr schön geschrieben, man konnte (fast) jeden Kilometer mitlaufen. Du scheinst ziemlich locker gelaufen zu sein .... Wieviel Zeit hast Du gebraucht ?
Renn-Schnecke
... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...
... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...
7
Hi SchneckiRenn-Schnecke hat geschrieben:Gratulation Tom ! Sehr schön geschrieben, man konnte (fast) jeden Kilometer mitlaufen. Du scheinst ziemlich locker gelaufen zu sein .... Wieviel Zeit hast Du gebraucht ?
meine Zeit war 4:46 bei einem Durchschnittspuls von 143 :sleep:
Grüsse
Fly