In diesem Jahr habe ich bereits 2mal probiert die 42,2 Kilometer in 3:30 zu finishen. In Hamburg war ich viel zu verkrampft und bin zu schnell gestartet. Es wurde ein saftiger Einbruch. Für die letzten 10 Kilometer brauchte ich 10 Minuten länger als geplant. In Bremen habe ich mich selber abgeschossen. Am Abend vorher wollte ich ordentlich Carbo Loaden. Mit einer selbstgemachten Vollkornpizza. Leider vergaß ich, dass ich Frischhefe nicht vertrage. Dementsprechend bin ich dann auch eingegangen. Mit einem Blähbauch, dauerpupsend und permanenter Übelkeit

Eigentlich wollte ich danach die Tiefenregeneration groß schreiben und für langsam für 2006 aufbauen. Das hielt ich genau 9 Tage aus. Dann riss es mich perförmlich wieder in die Laufschuhe und nach draussen. Und als ich von diesen 11 Kilometern wieder kam bin ich vollkommen durchgedreht. Für Magdeburg wolle ich mich anmelden und am Sonntag einen Greifschen 35er mit 15Km EB laufen. Ja Schatz, Du hast recht. Wenn ich das hier lese, schüttel ich selber den Kopf

Voller Euphorie stürzte ich mich in eine kurze saisonverlängernde Nachbrennphase. Die Beine taten mir in der zweiten Woche doch wieder weh und ich ließ das Tempo sein. Dafür sammelte ich genügend Kilometer. Prompt kamen wieder die Zweifel. Wird das gut gehen? Verzeihen mir meine Beine den Unfug? Habe ich in so kurzer Zeit überhaupt genug Luft für einen zweiten Marathon in so kurzer Zeit? Macht es sinn noch mal auf sub 3:30 anzugehen

Und dann kam's Dicke
Der Wecker in meiner Pulsuhr bimmelte um 7:00 Uhr. Ich bin aber schon um 6:40 Uhr wach geworden und hab den Wecker gleich weggedrückt. Meine Lieben haben nur die dicken Tropfen am Fenster gesehen und sich wieder umgedreht. Schade eigentlich. Aber ich bin ja schon groß und kann alleine nach MD fahr'n. Nach'm Frühstück hab ich mich dann auch gleich in's Auto gesetzt. Das schöne am Sonntag Morgen ist, dass keine Sau auf der Bahn ist. So liebe ich das. CD reinschmeißen und über die A2 cruisen.
Nach 80 Minuten habe ich schon Magdeburg erreicht. Frohen Mutes fahre ich auf der Bundesstraße 1 richtung Zentrum. Plötzlich ist da eine Riesenpfütze auf der Fahrbahn die ich voll mitnehme. Kurze Zeit später geht der Motor aus und lässt sich nicht mehr starten. Es war 8:40 Uhr und ich musste mich erst mal beruhigen. Was mach ich jetzt bloß

Nach 5 Minuten unzähliger Startversuche ging ich aus'm Auto und hielt den Finger hoch. Prompt kam ein Auto mit Marathoni's (wer sonst fährt am Sonntag morgen richtung Messegelände Magdeburg?). "Wir sind knapp, wir wollen zum Marathon". "Super, da will ich auch hin". Allerdings war das Auto voll besetzt. "Sollen wir Dir Dein Auto zur Seite schieben?". "Oh ja, Klasse!".
Als mein Auto zur Seite geschoben war und ich die netten Herren danken losgeschickt habe, stellte ich mich mit meiner Kiste wieder an die Straße und wiederholte das Fingerspiel. Und wieder hielt ein Läufer an. Diesmal mit Platz. Gott sei dank!
Auf'm Parkplatz Messegelände angekommen holte ich erst mal meine Startnummer. War schon ein wenig doof mit meiner Kiste da überall rumzurennen. Aber egal. Ich stellte mich dann erst mal an den Eingang zur Messehalle und wartete auf die LA's. Aber keiner wa da. Da stand ich nun mit meiner Faltbox. Mist, verdammter. Außer der Uhrzeit und der Angabe, dass wir uns an den Messehallen treffen wollen, hatten wir nix weiter ausgemacht

Ich bin dann mit meiner blöden Kiste zur Kleiderbeutelaufbewahrung und habe die Klappbox abgeben können. Danach bin ich wieder raus und habe noch mal die LA's gesucht. Anne, da ist Anne. Super! Schnell hin. Frank stand auch da. Mein "Hallo" war ein wenig stürmisch. "Mein Auto ist in Magdeburg verreckt und ich bin mit meiner Klappbox hier. Die habe ich jetzt erst mal bei der Kleiderbeutelabgabe abgegeben. Das ist mir aber nicht so lieb. Kann ich die bei einem von Euch in's Auto stellen?". Ein Hallo vor dieser Sequenz wär wahrscheinlich angebracht gewesen. Sorry! Ich war etwas durcheinander

Also die blöde Klappbox in's Auto vom Frank und schnell zum Start. Dort haben wir dann erfahren, dass Selbiger aufgrund der schwierigen Parkplatzzufahrt um 15 Minuten verschoben wird. Das kam mir mehr als gelegen. Endlich ein ruhiges Zeitfenster heute morgen. Herrlich

Marathon Nummer 4
Mandy und Frank kurz verabschiedet bin ich etwas weiter nach vorne und den Lauf nach'm Start locker angegangen. Völlig ohne Kontrolle von Pace oder Puls. Einfach nur nach Gefühl. Nach DEM Morgen ist mir die Lust vergangen mich von meiner Pulsuhr führen zu lassen. Außerdem hatte mir Jörn gestern Abend eine E-Mail mit genau diesem Rat geschickt. Also habe ich das getan, was ich am liebsten tue: Laufen. Egal wie! Einfach nur laufen. Ohne Rücksicht auf gesetzte Ziele. Ausschließlich nach Gefühl. Zumindest für den Anfang.
Von dieser mentalen Reise aufgewacht bin ich das erste mal bei Kilometer 7. Ich war etwas zu schnell. Jaja. Das Schild steht wohl falsch. Bei Kilometer 10 habe ich mich dann aber doch etwas gewundert. Knapp unter 46 Minuten? Neeee, das geht nicht. Trotzdem habe ich etwas die Luft rausgenommen und mir das Ziel gesetzt möglichst Locker weiter zu laufen

Der weitere Verlauf bis zum Halbmarathon artetete in eine Zeitpolster anlaufen Aktion aus. Bis Km 21 hatte ich komfortable 6 Minuten unter dem theoretischen Marathon 3:30 Ziel gut. Zwischenzeitlich dachte ich mal daran dieses Guthaben zwischendurch aufzubrauchen. Schließlich ist es mein 2. Marathon innerhalb 4 Wochen und der 4. insgesammt. Neeee, nicht denken: Laufen! Also weiter. Nach Gefühl wie gehabt.
Dann kam der Weinberg. Den kannte ich ja schon vom letzten Jahr. 20 Höhenmeter und das ziemlich steil. Da taten mir die Beine dann richtig weh. Aber ich habe ihn laufen erklommen und wurde nur 1mal überholt. Und bergab habe ich diese 1ne Person auch wieder eingeholt

Weiter zum Wasserkreuz. Auch die Steigungen auf Selbiges waren hart. Und wie letztes Jahr wehte mehr als ein Wind. Egal: Laufen. Auf der Gegenüberliegenden Seite und dem Rückweg vom Wasserkreuz hatten wir Rückenwind. Das war Erholsam! Und runter von der Kanalbrücke gab es auch gleich eine Verpflegungsstation (an denen es von Anfang an Wasser, Malzbier, Cola, Zitronentee und später auch Äpfel und Bananen gab).
Meinen Vorsprung von 6:30 Minuten habe ich bis Km 34 halten können. Danach wurde es dann härter. Irrsinnige Gedanken kamen mir in den Kopf. Ich könnte auf 3:25 laufen. Das Zeitpolster würde ja reichen. Aber die Vernunft und Erfahrung hat mich gelehrt nicht zu übertreiben. Lauf doch einfach. Du wirst schon sehen, was dabei heraus kommt

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich nebenbei meiner Lieblingsbeschäftigung neben dem Laufen nachgegangen bin? Nein? Ich habe Läufer gepflückt. Nicht viele, aber beständig. Würde es man in einer Fußballbundesligatabelle wiedergeben, hätte ich eine positive Tordifferenz.
Mit dem Durchlauf von Kilometer 37 fing ich an ruhiger zu werden. Meine Beine meldeten den üblichen Reizzustand. Ab Km 39 kamen auch die ersten Anzeichen von Krämpfen. Mein Vorsprung schmolz langsam dahin. So wie ich es zwischenzeitlich geplant hatte. Sub 3:30 wär schon ziemlich geil. Ich muss es ja nun echt nicht überteiben

Der Schluss ist wie immer sehr langgezogen. Km 40, Km 41, schaffe ich noch sub 3:30, die Gerade vor dem Zieleinlauf ist soooooo lang. Doch dann kommt die Kurve zum Zieleinlauf. Km 42. Jaaaaaaaaa! Noch 200 Meter. Das gibt es doch nicht. Das kann doch nicht wahr sein. ich glaub das jetzt nicht. Das Zeil. Es befindet sich direkt vor mir. Nur noch 100, 50, 25, 10. Mir bleibt selber der Atem stehen. Ich glaube, dass mich Anne, Mandy und Frank noch angefeuert haben. Zumindest meldete meine Gehirn eine bekannte Stimmfrequenz. Schnell noch die Hand zur Pulsuhr und den Knopf drücken. Fertig. Alle.
Aber was ist das? Die Uhr zeigt eine 3:28:02 an. WAAAAAAAAAS? Ich hab's doch geschafft, ich hab's doch geschafft, ich hab's endlich geschafft. NEEEEEIIIINN. Das geht doch gar nicht. Und ob das geht. Wo sind Anne, Frank und Mandy? Ich bin vollkommen überwältigt. Warum kommen mir nicht die Tränen? Warum bin ich so gefasst? Da sind ja die 3. Super!
Cool Down
Ich bin erhlich: Natürlich habe ich mich gefreut. Und wie. Aber ich war mental noch nicht im Ziel. Deshalb war meine Reaktion so verhalten. Den Sekt für die neue Bestzeit habe ich sogar Frank und Mandy gegeben, bevor ich zur Duschen gegangen bin. Kopfschüttelnder Weise. Die haben mir aber nach'm Duschen eine Pulle an den Hals gesetzt. War ja auch nicht so ganz unbegründet. Aber ich war immer noch nicht im Ziel

Die Beiden haben mich dann noch zu meinem Auto gebracht. Nun hoffte ich natürlich auf Frank's Vermutung mit der Zündspule. "Nach'm Marathon springt Dein Auto womöglich wieder an". Und was war: es sprang wieder an. Glücklich und dem Heulen nah habe ich die Beiden umarmt und bin richtung Hannover aufgebrochen.
Aber kurz vor der A2 fiel mir ein, dass ich das in der Ausschreibung stehende T-Shirt nicht abgeholt habe. Also bin ich wieder zurück zum Messegelände gefahren. Diesmal aber mit meinem Auto und nach dem Lauf. Die Trophähe konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Die Soforturkunde habe ich mir auch geholt. Und zusammen mit T-Shirt, Urkunde und einem kleinen Bier habe ich mich dann setzten können und bin angekommen. Ich hab mich im Zielbereich hingesetzt und konnte endlich ein paar Tränen kommen lassen. Ich bin gerade sub 3:30 gelaufen. Unglaublich! UNGLAUBLICH!!!!!!!!
Den 5:08 Läufer habe ich noch gesehen. Dann bin ich zum Auto und nach Hause. Das Auto ist ruhig geblieben und hat mich wohlbehalten nach Hannover zurück gebracht. Und jetzt sitze ich hier mit'm Bierchen und schreibe den Bericht

Fazit
Hamburg war wohl zu früh. In Bremen habe ich mich selber abgeschossen. Steffny's Plan habe ich zu hoch gehalten. Die Pulsuhr auch. Das Vetrauen in mein Gefühl habe ich Heute gelernt. Es war wohl einfach mein Tag.
Danke an die Marathoni's, die mir das Auto zur Seite geschoben haben. Danke an den Läufer, der mich mitgenommen hat. Danke an Frank und Mandy, die so lange auf mich gewartet haben. Danke an Jörn, der mich noch mal ermahnt hat das Orakel Pulsuhr nicht zu oft zu befragen. Ich habe nicht einmal Puls oder Pace abgefragt (die Nike Triax Elite zeigt immer nur eine Sache an. Ich hab's bei der Zeit gelassen).
Warum ich mich innerhalb von 4 Wochen um 17 Minuten und meine Bestzeit um 13 Minuten verbessern konnte, weiß ich nicht. Aber es wird wohl am Selbstvertrauen und an der Ernährungsoptimierung liegen. Wie auch immer.
Liebe Grüße, Lars
PS: oLi, jetzt hast Du den gewünschnten Druck
