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Habe gerade "Christiansen" gesehen ...

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Ehe die FDP verschwindet wäre es mir lieber, sie würde liberal, im Programm, nicht nur im Namen. :wink:

Den Kündigungsschutz würde ich auch weitgehend wegwerfen. Für lang angestellte MA mit Familie brauchts sowas, irgendeine Staffelung nach Alter und Familienstand, denn der Daddy mit 3 Kindern ist anders zu sehen als der Single mit 25. Wohin diese Fürsorglichkeit führt, erlebe ich derzeit ja selber.

Erstmal kommst du Proberabeiten, so zwischen einem Tag und einer Woche. Dann machst du noch Praktikum, kommst dann in die 6-monatige Probezeit und bekommst dann einen befristeten Vertrag.

Sich daraus ergebende Planungssicherheit mit Lust auf Konsum? Fehlanzeige.

Noch ein Satz zur "Rechnung" des Herrn Meerbuscher Brutto*1,2=Gesamtaufwand.
=> Nicht alles, was falsch ist, wurde auch von einem Milchmädchen gerechnet.
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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einfach-Marcus hat geschrieben: Den Kündigungsschutz würde ich auch weitgehend wegwerfen. Für lang angestellte MA mit Familie brauchts sowas, irgendeine Staffelung nach Alter und Familienstand, denn der Daddy mit 3 Kindern ist anders zu sehen als der Single mit 25.

Okay, dann rechne aber auch damit, dass der Daddy mit 3 Kindern gar nicht erst eingestellt wird. Das Risiko wäre aus Sicht des Arbeitgebers zu hoch. :wink:

Solche Regelungen haben doch einen Haken, wie man derzeit bei älteren Arbeitnehmern sieht. Arbeitsplatzbesitzer schützen sie zu einem gewissen Punkt, Arbeitsplatzsuchende jedoch nicht. Und auch aus Arbeitsplatzbesitzern können Arbeitssuchende werden. Wenn nicht durch Kündigung, dann halt durch Betriebsschließung (was ja vorkommen soll). Und was dann?

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Deswegen schrieb ich ja "lang angestellte". Wenn einer neu reinkommt, dann muss er sich erstmal beweisen. Andernorts weil er keinen KS hat, hierzulande durch die von mir geschilderte Praxis. So what?

Ich gehe einfach mal davon aus, dass eine Firma einen MA nicht entlässt, nur weil der ab nächsten Ersten unter eine Regelung fällt, die ihm dann 2 Monate Kündigungsfrist einräumt. Zumindest nicht wenn er gut arbeitet.

Ich sehe den Kündigungsschutz auch aus der Perspektive: ich weiß, dass bei einem großen bayerischen Autobauer, der seinen Sitz nicht in München hat, an einigen Stellen Leute sitzen, deren Arbeitsleistung mit Worten wie "mangelhaft, unverschämt, unauffällig, ..." zu bezeichnen ist, die aber unkündbar sind. Andere, motivierte Kollegen müssen gehen. Es k... mich an.

Es gefällt mir übrigens, wie du neuerdings über die GKV redest :-)
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Toronto21 hat geschrieben:Okay, dann rechne aber auch damit, dass der Daddy mit 3 Kindern gar nicht erst eingestellt wird. Das Risiko wäre aus Sicht des Arbeitgebers zu hoch. :wink:

Solche Regelungen haben doch einen Haken, wie man derzeit bei älteren Arbeitnehmern sieht. Arbeitsplatzbesitzer schützen sie zu einem gewissen Punkt, Arbeitsplatzsuchende jedoch nicht. Und auch aus Arbeitsplatzbesitzern können Arbeitssuchende werden. Wenn nicht durch Kündigung, dann halt durch Betriebsschließung (was ja vorkommen soll). Und was dann?
Ich denke, die meisten Arbeitnehmer könnten sogar mit dem Wegfall des Kündigungsschutzes leben. ABER: Wo bleibt für den vielzitierten kleinen Mann die Planungssicherheit? Jeder der schon mal auf der Bank ein Darlehen haben, oder beispielsweise eine Wohnung mieten wollte weiß, was alles verlangt wird. Solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, ist die Sorge um den Wegfall des Kündigungsschutzes berechtigt.

Ähnlich ist es mit Menschen ab einem bestimmten Alter. Solange ein Arbeitnehmer von allen Seiten das Gefühl vermittelt bekommt, er wäre ab 40 für unsere Gesellschaft zu nichts mehr nütze, ist das festhalten am Arbeitsplatz nur zu verständlich.

Auch die Lebensläufe würden dann nicht mehr so gradlinig aussehen. Zeige doch mal einem Personalchef einen Lebenslauf, in dem 10 Jobs in den letzten 5 Jahren drinstehen. Dieser Personalchef ist dann natürlich jenseits der 50 und erzählt dann dem 35 jährigen Bewerber, er wäre doch eigentlich zu alt für diese Stelle.

Nicht nur die Arbeitnehmer müssen flexibler werden..

:hallo:

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Toronto21 hat geschrieben:Warst du schon mal da, um das beurteilen zu können?
Gearbeitet habe ich dort noch nie, aber dagewesen bin ich dort insgesamt ca. 5 Monate. Und ich habe trotz Urlaub auch das Elend gesehen und habe in den letzten Jahren auch so einige Veränderungen mitbekommen.

Ich kratze mal ein paar Zahlen zusammen:

Ja, die Einkommen in den USA wachsen, aber dummerweise nur bei den ohnehin schon reichen Menschen. 1% der Bevölkerung besitzt ca. 30% des Vermögens. 10% ca. 64% des Vermögens. Soweit ist es bei uns noch nicht, aber die derzeitige Steuerpolitik führt doch genau dahin.

Diese Gesellschaft lebt in höchstem Maße auf Pump. Über ein Verschuldungskriterium von 3% wie in der EU lachen die nur. Die haben ca. 26000 Mrd. US$ Schulden und jedes Jahr kommen jetzt so ca. 700 Mrd. dazu. Die privaten Schulden sind unglaublich. In der Folge ist das Leistungsbilanzdefizit riesig. Es wird importiert ohne Ende.

Ca. 15 % der Menschen haben keine Krankenversicherung. Die staatliche Fürsorge haben die zurückgefahren, wer kann, versichert sich privat. So auch bei der Rente. Das Problem: Der Großteil der Gelder ist in Aktien angelegt und dass, das ein Risiko ist, haben die Engländer schon gezeigt. Auch Unternehmensrenten sind bei Konkursen der Firmen nicht abgesichert. Und eines wird in dem Land nicht - gespart, die Sparquote liegt so ungefähr bei 1%. Also werden viele, wenn es soweit ist, auch keine Ersparnisse haben. Hier lauert also auch eine Zeitbombe.

Was die Arbeit angeht, gehen die Menschen doch zunehmend unqualifizierten Arbeiten nach. Industriejobs gibt es kaum noch. Und als USA-Besucher wirst du gemerkt haben, dass vieles zwar "bemüht" ist, aber am Ende klatschst du häufig nur die Hände über dem Kopf zusammen. Und wie die Leute arbeiten - für Hungerlöhne und selbst mit 2 Jobs kommen viele kaum über die Runden. Von den Arbeitszeiten wollen wir mal gar nicht reden.

Und dann wäre da noch das Thema "Kriminalität" - nicht zuletzt Folge des ganzen Spiels.

In meinen Augen spielen die Amerikaner da ein verdammt gefährliches Spiel. Für mich ist das gesellschaftlich gesehen bestimmt kein Vorbild. Was mich in den letzten Jahren völlig abgenervt hat, war diese "Verschwurbelung" mit der tiefen Religiösität, aber das ist ja nochmal was anderes.

Du greifst nun den fehlenden Kündigungsschutz heraus und die Vorteile, die dein Schwager hatte. Aber für große Teile der Bevölkerung trifft das doch alles nicht zu. Da könnte ich jetzt genauso sagen, schau dir die tristen Wohnwagensiedlungen am Arsch der Welt an und alle paar Monate darfst du auf der Suche nach einem neuen Job dein Haus einpacken und weiterziehen. Ja, etwas verzerrend und plakativ, aber ähnlich die Story vom Schwager.

Aber natürlich sehe ich wie du die Problematik auf dem Arbeitsmarkt in Sachen Kündigungsschutz und Einstellung von älteren Arbeitnehmern. Ein Freund von mir ist Jurist und Personalchef in einem Unternehmen mit mehreren hundert AN - er flucht auch andauernd über unser Sozialgesetzbuch und all die Probleme und die Folgen davon.
Toronto21 hat geschrieben:Ich will das amerikanische System nicht über den grünen Klee loben, aber es herrschen ganz schöne Mythen über das amerikanische System, ohne zu wissen, wie die Praxis eigentlich aussieht. Fakt ist, die Arbeitslosenrate liegt in den USA und auch in England weit unter der europäischen, geschweige denn der deutschen Arbeitslosenrate.
Wodurch wird das aber erkauft? Ich habe oben ein paar Anregungen aufgezählt.
Toronto21 hat geschrieben:Es kann also nicht so schlecht sein, denn mein Schwager beispielsweise fühlt sich dort sehr wohl.
Klar ... gutbezahlt - womöglich im Auslandseinsatz - nettes Haus in bewachter Community ... :wink:
Toronto21 hat geschrieben:Vieles von dem, was du hier sagst, klingt ganz nett, aber die Realität sieht heute einfach anders aus.
Was ein neoliberaler Standardspruch wäre (aber in der Verzerrung von Realitäten denken die einen von den anderen ebenso). Ich rege ja nur an, auch mal ein wenig den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen und nicht wild drauflos alles zu deregulieren und zu rereformieren.
Toronto21 hat geschrieben:Teile unserer europäischen Nachbarn (namentlich z.B. Dänemark, Holland, Österreich) machen uns vor, wie es besser geht und wir diskutieren uns zu tode.
Ja, im Ansatz spielen sich da interessante Dinge ab. Eine gesunde Mischung aus Nachfragesteuerung und Angebotsoptimierung wäre mein Favorit, aber das Problem der Nachfragesteuerung scheint der Mainstream nicht wahrzunehmen.
Toronto21 hat geschrieben: Verlagerungen von Hauptsitzen und Produktionsstandorten sind nun mal Realität.
Klar, das kommt einen so vor. Gibt es da eigentlich endlich mal Zahlen drüber, über den damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen? Ich kenne keine, habe es aber nicht weiter verfolgt. Es gab mal 2004 oder war es letztes Jahr eine Untersuchung von Morgan Stanley über das Offshoring mit dem Tenor, dass das alles halb so wild sei und in den USA und Großbritannien viel dramatischer wäre.
Toronto21 hat geschrieben: Was du Neo-Liberalismus nennst, nenne ich bei dir im Gegenzug Sozialträumerei. Ich gehöre nicht zu den Liberalen, ich hoffe, die FDP verschwindet irgendwann komplett von der Bühne (liberal ist aus meiner Sicht was anderes), habe aber das Bedürfnis, endlich mehr Freiheiten in der Form zu genießen, mir meine Vorsorge im Baukastenprinzip selbst zusammen zu stellen und nicht in ein System gepresst zu werden, von dem ich effektiv nichts habe.
Die Frage ist für mich, woran du tatsächlich festmachst, dass das für eine ganze Gesellschaft besser wäre.

Mann, das kostet hier ganz schön Zeit ... aber ist auch interessant.

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mainzrunner hat geschrieben: ABER: Wo bleibt für den vielzitierten kleinen Mann die Planungssicherheit?

Mein Schwager ist 40 Jahre, Alleinverdiener, hat ein Haus bei der Bank finanziert, 3 Kinder in die Welt gesetzt, lebt im Land des "Raubtierkapitalsimus" USA und geniest keinen Kündigungsschutz. Planungssicherheit somit gleich 0. Wieso setzen die Amis Kinder in die Welt und die Deutschen mit ihrem ach so tollen Kündigungsschutz der der demzufolge nach deiner Logik vorhanden Planungssicherheit nicht? Irgendwie funktioniert unser System offensichtlich doch nicht ganz so, wie es auf dem Papier steht.

@Meerbuscher

Gut, dann schmeiß ich als Arbeitgeber eben all die jenigen raus, die drohen, "alt" bei mir zu werden. Dann hab ich keine altgedienten Daddys mit 3 Kindern. Klingelt es langsam? :wink:

Überleg doch mal, was ein Kündigungsschutz für Arbeitnehmer bedeutet, die älter als 54 sind? Ich schmeiß sie mit 53 raus. Habe ich selbst alles erlebt. Wir hatten in unserer Firma, wo ich Betriebsrat war, einen Kündigungsschutz für Mitarbeiter, die älter als 54 waren. Die waren auf dem Papier unkündbar. Was hat die Firma gemacht? Sie hat alle mit 53 rausgeschmissen. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, dass ich so einen Blödsinn unterstützt habe.

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Meerbuscher hat geschrieben: Klar ... gutbezahlt - womöglich im Auslandseinsatz - nettes Haus in bewachter Community ... :wink:


Fast (die Community ist noch nicht bewacht). Woher weißt du das? Aber die Frage ist, was du mir damit sagen willst? Meinst du, er hat das in die Wiege gelegt bekommen? Er ist Kanadier, lebt und arbeitet in den USA bei einer amerikanischen Firma (Symantec. Ich kann es ja ruhig sagen) mit einem amerikanischen Arbeitsvertrag.

Geboren wurde er in eine Arbeiterfamilie. Vater war bei der kanadischen Eisenbahn beschäftigt. Kein schlechter Job, aber reich wirst du damit nicht. 4 Geschwister. In Deutschland sähe die Karriere meines Schwagers in etwa so aus, dass er den gleichen sozialen Status wie sein Vater fortsetzen würde, wenn er Pech hat sogar noch sozial absinken.

Ich finde es ja auch schon fast klischeemäßig, aber die Story vom Tellerwäscher zum Millionär kannst du in Deutschland kaum verwirklichen. In den USA und/oder Kanada aber schon eher. Mein Schwager musste sein Studium selbst finanzieren (übrigens mit Studiengebühren) und es hat funktioniert. Sein Vater wollte nicht, dass er studiert, also musste er im wahrsten Sinne des Wortes Burger braten, um sein Studium zu finanzieren.

In keinem anderen Industrieland wird der soziale Status so weitervererbt, wie in Deutschland. Findest du das gerecht?

Ist es also in Ordnung, wenn wir meinen, unsere Bürger vermeintliche Wohltaten aufzudrücken, die sich am Ende ins Gegenteil umkehren?

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In keinem anderen Industrieland wird der soziale Status so weitervererbt, wie in Deutschland. Findest du das gerecht?
Echt? Wenn das so wäre, hätte ich das gemerkt, aber leider (ich find deinen Optimismus ja prima, Toronto) geht es defakto

ab
rts :frown:
Liebe Grüsse von Gregor :hallo: (Bremen)
_________________________________________________________________

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gnies hat geschrieben:Echt? Wenn das so wäre, hätte ich das gemerkt, aber leider (ich find deinen Optimismus ja prima, Toronto) geht es defakto

ab
rts :frown:

Sagte ich ja. Sozialer Status wird weitervererbt oder sinkt sogar noch.

@Meerbuscher

Schade, dass wir 2 nicht mal das Thema an einem Tisch ausdiskutieren können. Das würde ein langer Abend werden. :D

Noch was. Vieles von dem, was du an Amerika kritisierst, ist ja richtig. Ich behaupte ja gar nicht, dass in Amerika alles besser sei (auch wenn mir das viele unterstellen, gell Steif :wink: ). Aber ich krieg immer Pickel, wenn man von "amerikanischen Verhältnissen" spricht, die man hier nicht haben will, weil das unterstellt, bei uns wäre ja alles so viel besser. Gibt es etwa bei uns keine Armut? Gibt es bei uns etwa keine Ghettos? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die 2 Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die nicht krankenversichert sind? Gibt es bei uns etwa keine Rentner, die arbeiten müssen, um ihre spärliche Rente aufzubessern?

Leider haben wir das hier genauso, bloß sehr teuer finanziert. Denn all das wollen wir mit unserem Sozialsystem verhindern, lassen uns das Unsummen kosten und haben es trotzdem. Da frag ich mich dann schon, ob wir noch auf der richtigen Spur sind.

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Toronto21 hat geschrieben:Schade, dass wir 2 nicht mal das Thema an einem Tisch ausdiskutieren können. Das würde ein langer Abend werden. :D
Aber hallo.

Und ich bleibe dabei, es muss heißen: Die Zukunft IST rosig! Wenn sie es immer nur wird, wird sie es nicht sein wenn sie zur Gegenwart wird, weil dann die Rosigkeit ja immer noch in der Zukunft ist. Ich glaube gnies versteht, was ich meine...
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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Toronto21 hat geschrieben:Sagte ich ja. Sozialer Status wird weitervererbt oder sinkt sogar noch.
:klatsch: nu hab ich's- war ich dof
@Meerbuscher

Schade, dass wir 2 nicht mal das Thema an einem Tisch ausdiskutieren können. Das würde ein langer Abend werden. :D

Macht doch, lad den Sportsfreund ein zu einem Teichwiesen-Marathon, der Meerbusch-Lankumer gewinnt den, und anschliessend geht ihr einen trinken- inkl. Anreise mächtig die Wirtschaft angekurbelt.
:teufel:

Freu mich auf den Bericht. Und käme vielleicht sogar zum Anfeuern. :D
Gibt es bei uns etwa keine Ghettos? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die 2 Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die nicht krankenversichert sind? Gibt es bei uns etwa keine Rentner, die arbeiten müssen, um ihre spärliche Rente aufzubessern?
dochdochdoch. Aber noch nicht so lange wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Komisch, es heißt, D sei Export-Weltmeister, aber im Konto "schlechte Gewohnheiten" ist die Bilanz negativ. :haeh:
Liebe Grüsse von Gregor :hallo: (Bremen)
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einfach-Marcus hat geschrieben:Aber hallo.

Und ich bleibe dabei, es muss heißen: Die Zukunft IST rosig! Wenn sie es immer nur wird, wird sie es nicht sein wenn sie zur Gegenwart wird, weil dann die Rosigkeit ja immer noch in der Zukunft ist. Ich glaube gnies versteht, was ich meine...

Dann warte doch mal, bis sie es ist. Dann ändere ich es auf IST. Noch ist sie es ja nicht. :P

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Toronto21 hat geschrieben:[...]Aber ich krieg immer Pickel, wenn man von "amerikanischen Verhältnissen" spricht, die man hier nicht haben will, weil das unterstellt, bei uns wäre ja alles so viel besser. Gibt es etwa bei uns keine Armut? Gibt es bei uns etwa keine Ghettos? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die 2 Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen? Gibt es bei uns etwa keine Menschen, die nicht krankenversichert sind? Gibt es bei uns etwa keine Rentner, die arbeiten müssen, um ihre spärliche Rente aufzubessern?
Ne, so nu wirklich nicht. Zum Glück sind wir in Deutschland noch lange nicht so weit - und ich hoffe auch, dass es nie so weit kommt. "Survival of the fittest" und "Zero Tolerance" - was für eine Gesellschaft ist das?

Aber ich glaube wir müssen mal weg vom Beispiel USA, denn die sind nun wirklich kein gutes Beispiel und der relativ deregulierte Arbeitsmarkt hat genau zu dem geführt, was zu befürchten war: Zunehmende Armut (auch trotz Arbeit --> working poor), zunehmende Ungleichheit der Verteilung der Einkommen und zunehmende Kriminalität (die übrigens durchaus auch ein wichtiger Arbeitsplatzbeschaffer ist). Und das alles in weitaus schlimmerem Ausmaß, als in Europa.

Überhaupt ist es ein Problem einzelne Punkte aus einem gesellschaftlichen System herauszugreifen und Ursachen und Wirkungen nicht zu berücksichtigen. In den USA tickt eine Zeitbombe. Im Grunde lebt das Land nur noch auf Pump, der größte Teil des Booms dort ist konsumgetrieben. Es wird nicht gespart (eine zeitlang gab es sogar entsparen), es wird nicht genug investiert. Zwar gibt es eine relativ geringe Arbeitslosigkeit, aber der Grund dafür ist nicht unbedingt der deregulierte Arbeitsmarkt. Die Amis sind zwar gute Selbstdarsteller, aber relativ unproduktiv - weshalb sie auch länger arbeiten müssen, bzw. mehr Leute zur Erledigung der gleichen Arbeit benötigen. Bei uns in der EU wächst zwar insgesamt die Wirtschaft seit Jahren, aber wir sind dummerweise produktiver. Die Folge: geringere Beschäftigung. So kann man das auch sehen. Was wird nun in einem Land passieren, das nur auf Pump konsumiert, also auch nicht exportiert. Wie bezahlen die das alles? Sie müssen sich verkaufen. Die USA werden wohl auf Dauer ihre ökonomische und politische Macht verspielen. Die USA sind ein schlechtes Beispiel.

Ich verstehe aber schon, was du meinst, aber ich glaube du vertust dich da mit Ursache und Wirkung und beachtest den makroökonomischen oder sagen wir volkswirtschaftlichen Zusammenhang nicht. Wenn man in Sachen USA ganz zynisch wäre, müsste man sagen, dass das ganze System zwangsweise zu Armut und großer Kriminalität führt und am Ende die volkswirtschaftlichen Kosten des Strafvollzugsystems gegengerechnet werden müssen. Und da wird dann rationalisiert ohne Ende - der automatische Knast. Ein Teil der Knäste sind in privater Hand, es gibt börsennotierte Unternehmen, die die Läden führen. Die Frage ist, ob eine Gesellschaft sich sowas leisten will.

Würdest du denn in Sachen Deutschland zugestehen, dass wir ein Nachfrageproblem haben. Oder siehst du das Problem wirklich nur auf der Angebotsseite? Oder beides?

Die von dir angesprochenen Systeme in den skandinavischen Ländern sind wohl mal eine Betrachtung wert. Aber du täuschst dich, wenn du glaubst, da wäre alles dereguliert. Es ist gerade der geschickte Mix aus Flexibiliät und sozialer Sicherheit, der z. B. Dänemark so stark gemacht hat.

Wenn du mal Zeit hast und bereit bist, die Sache auch mal von der nachfrageseitigen Perspektive aus zu sehen, dann kaufe dir doch zumindest mal das Buch "Die Reformlüge". Es ist eines der wenigen Bücher, die gegen die ganze Suppe schwimmen und dich sicherlich an der ein oder anderen Stelle staunen lassen. Gerade für dich als (ehemaligem?) Betriebsrat und Optimisten ist das Büchlein ein Muss. Aus Sicht der Angebotstheoretiker natürlich der letzte Schrott.

Jetzt bin ich aber langsam todmüde. Nacht John Boy!

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Oh Meerbuscher, manchmal vereinfachst du aber wirklich sehr stark.

Ich werf mal meinen Hut in den Ring.

Wir haben eine Menge X an erwirtschaftetem Vermögen. X wurde in den 80ern zu, sagen wir mal 80%, an 7 Nationen verteilt. Und wir waren dagegen und haben protestiert, der 3. Welt müsse es besser gehen, und der kalte Krieg beendet, und keine Nato-Raketen,...

Dann fiel der Vorhang, die Mauer, fast alle Grenzen. Auf einmal wurde die Welt eins. Die Menge X wurde nun auf mehrere Schultern verteilt. Damit ist klar, dass die großen, die vorher das meiste eingestrichen haben, was abgeben müssen.

Will heißen: wenn wir wirklich wollen, dass es weltweit den Menschen besser geht, dann müssen wir in Kauf nehmen, dass wir hier ein wenig abgeben müssen. Ob das, was wir abgeben müssen, gerecht aufgeteilt ist, so dass jeder gemäß seiner Leistungsfähigkeit abgibt, nun, das sei dahingestellt. Aber Moral per Gesetz zu verordnen ist glaube ich bisher noch nirgends gelungen. Und da das so ist, wird das Pendel ausschlagen, und es wird zurück kommen. Das was in den 70er und 80ern vielleicht vorschnell ergattert wurde an Lohnzuwächsen und sonstigen Wohltaten, wird jetzt wieder weggenommen, und sie werden uns mehr wegnehmen als wir für nötig halten, und wenns zu viel ist dann werden wieder Streikwellen kommen und Demonstrationen.

Und mittendrin ein paar Gestalten, die unentwegt rufen: Früher war alles besser. Ich verrate jetzt aber keine Nicks :D

Ich denke, die Zweiteilung "Angebot - Nachfrage" führt nicht annähernd zu einer Lösung des Problems. Natürlich sind die LNK ein "Problem". Und die Bürokratie. Und die Tarifpolitik. Und die Globalisierung. Und die Menschen. Es ist ein System mit zig Zahnrädern und -rädchen, und wenn du am Rad "Nachfrage" drehst, dann kommt am Ende nicht unbedingt was besseres raus, weil sich zig andere Faktoren auch geändert haben.

Kleines Beispiel: Urlaub in Kroatien. Der erste sonnige Tag im April, Rovinji verwandelt sich schlagartig. Jeder der Stuhl und Tisch über hat, kredenzt den Touris was. Jeder ist da scheinbar eine Ich-AG. Ich war in einem Eiscafe, wollte mal für glatzköppfige Jungs, das wo "WC" drauf stand war ein 50x50cm großer Raum mit Pot, ab Schuhgröße 40 keine Chance die Türe zu zu bekommen.

Ergebnis: die hatten ihr Geschäft, ein Einkommen, ich war verwudert, dass das alles so einfach funktionieren kann, ohne ellenlange Vorschriften; anders als bei uns, aber das hatte mehr Charme als das was ich hierzulande erlebe...
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@einfach_Marcus

das hast du einfach und für jeden verständlich auf den Punkt gebracht.

Zum Thema Bürokratieabbau, für den wir und die Wirtschaft im speziellen ja alle sind (teilweise zu Recht), sollte man sich mal folgenden Link zu Gemüte führen. Dort steht, wie teilweise die Unternehmen, die am lautesten nach Bürokratieabbau schreien, intern oftmals mehr Bürokratie haben, als wir uns jemals vorstellen wollen.

http://www.zeit.de/2006/02/B_9frokratie

Ein wenig Sarkasmus machte sich bei mir beim Lesen dieser Lektüre dann doch breit. :zwinker4:

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Hi Marcus
einfach-Marcus hat geschrieben:Oh Meerbuscher, manchmal vereinfachst du aber wirklich sehr stark.
Das Problem ist, dass man bei volkswirtschaftlichen Fragen im Grunde immer etwas ausholen und um 3 Ecken gehen muss und dann hat man es immer noch verkürzt dargestellt. Demgegenüber sind die in den letzten Jahren in der Politik vertretenen und von den Medien verbreiteten oft eindimensionalen Lösungen für Jedermann leichter verständlich und werden deswegen leider auch nicht hinterfragt.

Ein Beispiel wären die Lohnnebenkosten. Die von mir (oben) angebotene Kritik und Berechnung der möglichen Auswirkungen auf das Geld in unseren Geldbörsen (um das Wort Portemon ... zu vermeiden) wurde ja z. B. nicht ernsthaft erschüttert. Für mich ist der Gedanke dahinter, dass ein Unternehmer investieren soll, weil der Arbeiter 20% billiger ist und das Produkt dadurch 1% billiger werden kann, der Konsument aber genausoviel/-wenig Geld verdient, abstrus (dem Ausland scheint das auch nicht so wichtig zu sein, wenn man die Leistungsbilanz sieht). Es wird aber nun mal viel Ware in Deutschland auch für den deutschen Konsumenten produziert - und wenn da keine Nachfrage ist, wieso soll der Unternehmer investieren? Und die fehlende Binnennachfrage wird ja auch von Angebotstheoretikern nicht bestritten - alleine halten sie das für kein Problem bzw. sie werfen den Menschen vor, dass sie nicht konsumieren, trotz der angeblich hohen Löhne, der starken Gewerkschaften usw.

Andererseits ist für jeden die gängige Begründung "Wenn Arbeit billiger wird, dann können die Unternehmen billliger produzieren und sind wettbewerbsfähiger" im Grunde ohne Nachdenken schnell verständlich.

Was jetzt meine Verkürzungen angeht - ja, ich bekenne mich schuldig. Passiert öfter mal.
einfach-Marcus hat geschrieben:[...]Dann fiel der Vorhang, die Mauer, fast alle Grenzen. Auf einmal wurde die Welt eins.
Also Marcus - wenn das nicht vereinfachend ist. Gehandelt wurde auch vor dem Fall vieler Grenzen mit diesen Ländern - wenn auch vielleicht nicht immer in dem Ausmaß wie heute.
einfach-Marcus hat geschrieben:[...] Will heißen: wenn wir wirklich wollen, dass es weltweit den Menschen besser geht, dann müssen wir in Kauf nehmen, dass wir hier ein wenig abgeben müssen.
Ja bitte gerne][...]Und mittendrin ein paar Gestalten, die unentwegt rufen: Früher war alles besser. Ich verrate jetzt aber keine Nicks :D [/quote]Bitte vergesse nicht die Politik und Medien (inkl. Spiegel), die seit Jahren an allen Ecken und Enden über zig Netzwerke verbreitet, wie schlecht wie Deutschen sind, wir sind zu teuer, zu faul, zu reich, zu anspruchsvoll - außer denen, die diese Sprüche verbreiten.
einfach-Marcus hat geschrieben:[...]Ich denke, die Zweiteilung "Angebot - Nachfrage" führt nicht annähernd zu einer Lösung des Problems.
Am Ende geht es aber genau darum (auch der sicher sinnvolle Bürokratieabbau dient ja nur dazu, es z. B. für Unternehmen einfacher zu machen, als Akteur auf den Markt zu treten). Und das ist auch gängiges Politikverständnis - seit Kohl allerdings hat sich die neoliberale, angebotsorientierte Seite durchgesetzt und jeder, der irgendwie das Thema Nachfrage ins Spiel bringt, wird fast gesteinigt.

Ich bin ja nicht gegen eine sinnvolle Verknüpfung von nachfrageorientierter mit angebotsorientierter Politik. Aber die Politik heute blendet die Nachfrageseite so gut wie völlig aus. Deshalb haben sich diverse Ökonomen ja jetzt auf die Schenkel geklopft, weil die CDU plötzlich mit einem Konjunkturprogramm kommt, also keynesianischer, nachfrageorientierter Politik, die im Grunde Sache einer SPD ist, von der sich die SPD aber spätestens seit Schröder distanziert hat. Du sagst, weder nachfrage- noch angebotsorientierte Politik ist die Lösung? Dann müsstest du doch aufschreien, bei der heute praktizierten Politik, die völlig einseitig angebotsorientiert ist.

Gängiges Politikverständis heute ist, Löhne sind heute viel zu hoch, die mächtigen Gewerkschaften müssen am besten zerschlagen werden, Leute müssen flexibel sein, der Staat muss Zwang und Kontrolle ausüben, soziale Sicherung privatisieren, Steuern runter - vor allem die Unternehmenssteuern (erkläre mir doch mal, was das gebracht hat?), der Markt regelt alles von selbst. Mein Grundverständnis ist: Der Markt regelt wenig perfekt und Eingriffe sind notwendig. Die "invisible hand" ist mir zu ungerecht und hat mir zuviel Nachteile.
einfach-Marcus hat geschrieben:[...]Kleines Beispiel: Urlaub in Kroatien. Der erste sonnige Tag im April, Rovinji verwandelt sich schlagartig. Jeder der Stuhl und Tisch über hat, kredenzt den Touris was. Jeder ist da scheinbar eine Ich-AG. Ich war in einem Eiscafe, wollte mal für glatzköppfige Jungs, das wo "WC" drauf stand war ein 50x50cm großer Raum mit Pot, ab Schuhgröße 40 keine Chance die Türe zu zu bekommen.
Wie romantisch diese Einzelbeispiele. Alles Ich-AGs? Und wie sieht es mit der sozialen Sicherung aus? Wer zahlt die bei diesen Kleinunternehmern? Was machen die im Winter, wenn sie vom Tourismus abhängig sind? Wo soll ich auf Klo (Schuhgröße 45)? Hast du auch mal einen Blick in die Küche getan? Kennst du einen Lebensmittelkontrolleur? Frage ihn mal, wie die Küchen und Vorratsräume aussehen, wenn nicht kontrolliert wird?

Klar klingt das alles toll - keine Vorschriften. Aber gerade hier führt die "invisible hand" des Marktes schnell zu Auswüchsen, wenn der Unternehmer merkt, dass sich durch Schummeln mehr Geld verdienen lässt ("Gammelfleisch" in aller Munde). Natürlich hat das Charme und ich weiß auch aus Erfahrung, dass man ohne "Darfschein" in Deutschland/EU nichts darf, obwohl man es kann, aber deswegen alles freigeben, halte ich auch für eine falsche Lösung.

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Meerbuscher hat geschrieben: Wie romantisch diese Einzelbeispiele. Alles Ich-AGs?
Ja, oder klassische Selbstständige.
Meerbuscher hat geschrieben:Und wie sieht es mit der sozialen Sicherung aus? Wer zahlt die bei diesen Kleinunternehmern?
Wie jeder Selbstständige - selber!
Meerbuscher hat geschrieben:Was machen die im Winter, wenn sie vom Tourismus abhängig sind?
Auf ihr gespartes Zurückgreifen oder einen Winter- und Sommertourismusjob. Machen übrigens viele Menschen im zur Zeit vielgerühmten Österreich. Skilehrer/ Surflehrer z.B..
Meerbuscher hat geschrieben:Wo soll ich auf Klo (Schuhgröße 45)?
Türe offen lassen... :wink:
Meerbuscher hat geschrieben:Hast du auch mal einen Blick in die Küche getan?
Tu das mal in Deutschland - eß aber vorher nicht so üpig... :wink:
Meerbuscher hat geschrieben:Kennst du einen Lebensmittelkontrolleur? Frage ihn mal, wie die Küchen und Vorratsräume aussehen, wenn nicht kontrolliert wird?
Schau Dir die mal in Deutschland an - trotz der Kontrolleure - teilweise schauderhaft. Ich weiß das, ich war dort. :wink: Besser als in anderen Ländern - eher nicht!
Meerbuscher hat geschrieben:Klar klingt das alles toll - keine Vorschriften. Aber gerade hier führt die "invisible hand" des Marktes schnell zu Auswüchsen, wenn der Unternehmer merkt, dass sich durch Schummeln mehr Geld verdienen lässt ("Gammelfleisch" in aller Munde).
Wo gibt es denn Gammelfleisch? Gammelfleisch ist ein typisch deutsches oder auch europäisches Problem! Die Waren werden so lange durch die Gegend gekarrt und Subventionen abgeschöpft, bis sie vergammelt sind. Dann ändert man die Ettiketten und verdient noch mal dran. Wenn die Sachen nach Bedarf eingekauft und verarbeitet werden passiert so was nicht... :wink: Ok, ein bißche blauäugig, aber auch ein bißchen wahr... :wink:
Meerbuscher hat geschrieben:Natürlich hat das Charme und ich weiß auch aus Erfahrung, dass man ohne "Darfschein" in Deutschland/EU nichts darf, obwohl man es kann, aber deswegen alles freigeben, halte ich auch für eine falsche Lösung.
Sicher nicht alles freigeben, aber Deutschland muß sich aus dem Würgegriff der Bürokratie befreien. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben. Ich nehm' Angie beim Wort und hoffe, sie schafft das!

Das Toilettenproblem ist ein schönes Beispiel. Ohne getrennte Toiletten für Männlein und Weiblein läuft in Deutschland überhaupt nichts. Tut es eine Toilette für alle wirklich nicht? :confused:

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wolfgangl hat geschrieben:Sicher nicht alles freigeben, aber Deutschland muß sich aus dem Würgegriff der Bürokratie befreien.
So isses!!!
Die übermässige Kontrolle und Bürokratie, die bei uns herrscht, ist vielfach vielleicht aus einem guten Grund entstanden. Deswegen sehe ich die Bürokratie selbst nicht als das Grundübel. Schlimm ist aber die Tatsache, daß das Zurück, wenn man erkannt hat, daß der Ist-Zustand nicht gerade gut ist, so langwierig und zäh ist.
wolfgangl hat geschrieben:Das Toilettenproblem ist ein schönes Beispiel. Ohne getrennte Toiletten für Männlein und Weiblein läuft in Deutschland überhaupt nichts. Tut es eine Toilette für alle wirklich nicht? :confused:
Wer ernsthaft will, scheitert nicht an dem Toilettenproblem.
In der Werkstatt, in der ich meine Schreinerlehre gemacht habe, gab es nur eine Toilette für Männlein und Weiblein (es waren mehrere Weiblein in der Werkstatt). Das Haus des Meisters war aber direkt neben der Werkstatt, so daß dort die offiziell geforderte Frauentoilette war.
In meiner Gesellenzeit war es genauso. Da war die Wohnung des Meisters über der Werkstatt, so daß das meisterliche Privatklo :P wieder als Frauenklo deklariert wurde.

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Meerbuscher hat geschrieben: Wie romantisch diese Einzelbeispiele. Alles Ich-AGs? Und wie sieht es mit der sozialen Sicherung aus? Wer zahlt die bei diesen Kleinunternehmern? Was machen die im Winter, wenn sie vom Tourismus abhängig sind? Wo soll ich auf Klo (Schuhgröße 45)? Hast du auch mal einen Blick in die Küche getan? Kennst du einen Lebensmittelkontrolleur? Frage ihn mal, wie die Küchen und Vorratsräume aussehen, wenn nicht kontrolliert wird?
Siehst du Meerbuscher, besser kann man "die deutsche Krankheit" nicht beschreiben...

Du bist Deutschland!

Ansonsten habe ich dem von Wolfgang bereits erläutertem nichts hinzuzufügen.

Übrigens, heute abend 21.45 Uhr gibt es ne neue Dosis "Deutsches Drama" unter der Regie von Sabine C. mit dem erheiternden Thema: Gas und Strom, Öl und Atom - wer kann uns den Hahn abdrehen?

Viel Spaß dabei...
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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einfach-Marcus hat geschrieben:Gas und Strom, Öl und Atom - wer kann uns den Hahn abdrehen?
Der Islam.

Die Atomkraft wird bei uns auch wieder kommen. Solange sich die Bevölkerung noch dagegen wehrt, ist einfach der Energiemangel noch nicht groß genug. Wenn es heißen würde "keine Energie" oder Atomkraft, würden wahrscheinlich überall Atomkraftwerke gebaut. Nicht, daß ich ein Fan von den Teilen wäre, denn als Nichtphysikerin habe ich doch einen gewissen Respekt vor einem GAU. Aber einfach die Abschaffung der Atomkraft zu fordern, ohne Alternativen anzubieten, ist meiner Meinung nach ein bißchen wenig.
Andererseits ist unser Energieverbrauch in der ersten Welt ja eh hoffnungslos übertrieben. Mich würde eine gute wissenschaftliche Abhandlung interessieren, in der dargestellt wird, wie unser Leben aussehen könnte, wenn wir nur auf alternative Energien zurückgreifen würden. Wieviel Leben und Industrie wäre dann noch möglich?

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Holzwurm hat geschrieben:Der Islam.
Den Hahn zudrehen, nicht den Hals umdrehen...das hast du falsch verstanden...
Mich würde eine gute wissenschaftliche Abhandlung interessieren, in der dargestellt wird, wie unser Leben aussehen könnte, wenn wir nur auf alternative Energien zurückgreifen würden. Wieviel Leben und Industrie wäre dann noch möglich?
Aktuell ziemlich besch.. da wir ja im alternativen Bereich bei grade mal 8% oder so liegen.

Schau mal auf die Aussichten:

Uran - ca. 15-20 Jahre
Erdöl - ca 20 bis 50 Jahre
Erdgas - ca. 50-70 Jahre

Mit der zunehmenden Verknappung eines Rohstoffes steigt dessen Preis. Wenn wir also nicht bald anfangen Alternativen zu entwicklen, die Marktreife und braucbaren Wirkungsgrad haben, dann werden deine Enkel ein ziemliches Problem haben. Vielleicht schafft man dann die Gesetzliche Rentenversicherung ab, damit sich die arbeitende Bevölkerung die Energie leisten kann...
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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Hallo zusammen,

ein wenig spät. Aber lieber spät als nie. War ein wenig verhindert. :peinlich:
Nun auf. :wink:

@Lohn und Gehalt und Kosten eines Mitarbeiters:
Über die konkreten Zahlen möchte und werde ich mich nicht streiten. Dafür bin ich mir da derzeit nicht sicher genug. Ich weiß, dass die Zahl im Bereich 1,8*Bruttolohn liegt. Nur kann ich derzeit keine Quelle angeben und somit ist die Zahl erstmal reichlich wertlos.

Was ich damit erreichen will, dass der Unternehmer keine so hohen Kosten/Mitarbeiter hat ist das folgende:
  1. Die Kosten für den Unternehmer sollen sinken (dabei habe ich eigentlich eher den Mittelstand im Auge, als die großen Unternehmen
  2. Die Abrechnung soll einfacher werden (spart auch Kosten)
  3. Der Faktor Arbeit soll nicht mehr mit zig Abgaben belegt werden, die nichts mit ihm zu tun haben (Pflegeversicherung? Was hat die mit Arbeit direkt zu tun?
  4. Für die Reduzierung der direkten Steuern und einer damit einhergehenden Erhöhung der Nettoeinkommen sollten die indirekten Steuern erhöht werden
Allerdings sind wir uns sicherlich einig, dass die LNK nicht das ultimative Instrument schlechthin sind. Sie wären eine Hilfe. Mehr nicht.
Wie sieht es denn z. B. mit den real geleisteten Arbeitsstunden aus?
Thema Arbeitsstunden. Wie ich sagte, die Arbeit ist vorhanden. Die Deutschen arbeiten im Schnitt die Woche 35-38,5 Stunden. Die Wochenarbeitszeit/Arbeitnehmer lag in den letzten Jahren allerdings bei 42-45 Stunden/Woche.
Ich bin nicht für den Ansatz der Gewerkschaften aus den 90ern (Begrenzung der Überstunden und dafür einstellen von X Arbeitern...). Das war reichlich plakativ und diente primär imho einer Imagepflege...

Aber wenn der durchschnittliche Deutsche AN über 40 Stunden die Woche arbeitet dann entstehen Überstunden. Überstunden implizieren imho, dass Arbeit genug vorhanden ist und diese derzeit aus verschiedenen Gründen auf zuwenig Schultern verteilt ist.
Du plädierst damit aber für eine Aufgabe des Sozialstaatsprinzips und überlässt die Schwachen sich selbst. Kann man so sehen - survival of the fittest. Aber das heißt auf der anderen Seite dann wieder, mehr Menschen in der Sozialhilfe.
Nein, tue ich nicht. Ich sage lediglich, dass das Einzahlen in eine private Investitionsmöglichkeit i.d.R. eine höhere Rendite abwirft, als es die Renten"versicherung" tut. Weiterhin meine ich nicht, dass das Einzahlen in die Rente einfach beendet werden sollte und jeder solle für sich selbst klar kommen.
Ich betrachte den Staat hier einfach als Rahmengeber. Er gibt die Spielregeln vor. Und hätte er hier einfach gesagt: "Passt auf Leuts. Wir wollen Euch nicht mit 60 bei uns uffer Tasche liegen haben. Also zahlt jeder von Euch x% seines Bruttolohns in eine Anlagemöglichkeit, die von einer öffentlichen Einrichtung überwacht wird, ein."

Damit wären verschiedene Punkte imho sichergestellt:
  • Jeder Arbeitnehmer hat mit der Rente sein auskommen
  • Die Unternehmen mit den Anlageangeboten werden überwacht
  • Es ist eine Pflicht für alle
  • So wie auch heute kann man sich darüber hinaus auch noch versichern
Wie ich schon sagte. Wäre das Geld einfach in z.B. Bundesanleihen investiert worden, hätte ein Rentner heute schon mehr Geld zum ausgeben, als die derzeit zurückgezahlten 120% des eingezahlten Geldes.

Auf die Gefahr hin das ich mich wiederhole, ich sags trotzdem. Keines der von uns hier diskutierten Instrumente ist alleine gesehen in der Lage, die Situation zu bessern. Es muss schon als Paket, und das muss umfassend sein, geschehen.
Dabei macht es imho nicht nur Sinn den Arbeitnehmer ein wenig von seinen Lasten zu befreien, sondern auch den Arbeitgeber und die fehlenden Summen durch eine Erhöhung der indirekten Besteuerung wieder herein zu holen.

Was auch nicht zu vernachlässigen ist, ist die andauernde Panikmache der Damen und Herren Politiker (kann man die nicht exportieren?).
Ansonsten wünsche ich mir persönlich eine etwas höhere Lohnsteigerung dieses Jahr für die Arbeitnehmer, so dass auch mal wieder die tatsächlichen Leistungsträger dieser Nation etwas vom Wachstum der Unternehmen abbekommen.

Jetzt werd ich erstmal was futtern. Friede sei mit Euch und möge Arbeitslosigkeit für jeden von Euch auf immer ein Begriff ohne Bezug zur eigenen Person sein. :zwinker5:

Gruß,
Ian

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Holzwurm hat geschrieben:Wer ernsthaft will, scheitert nicht an dem Toilettenproblem.
In der Werkstatt, in der ich meine Schreinerlehre gemacht habe, gab es nur eine Toilette für Männlein und Weiblein (es waren mehrere Weiblein in der Werkstatt). Das Haus des Meisters war aber direkt neben der Werkstatt, so daß dort die offiziell geforderte Frauentoilette war.
In meiner Gesellenzeit war es genauso. Da war die Wohnung des Meisters über der Werkstatt, so daß das meisterliche Privatklo :P wieder als Frauenklo deklariert wurde.
Leider doch. Da gibt es zum Beispiel den Betreiber eines mobilen Würstchenstandes, Ein-Mann-Betrieb, der genau damit größte Schwierigkeiten hatte, weil in den Räumlichkeiten in denen er seine Vorräte und Arbeitsmittel lagerte, keine 2 getrennten Toiletten gab.

Und wie Du schon sehr schön ausgeführt hast. Es gibt Umgehungsmöglichkeiten. Die, die diese Möglichkeiten nicht haben, sind die gearschten. Herzlichen Glückwunsch Deutschland.

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Holzwurm hat geschrieben:Der Islam.

Die Atomkraft wird bei uns auch wieder kommen. Solange sich die Bevölkerung noch dagegen wehrt, ist einfach der Energiemangel noch nicht groß genug. Wenn es heißen würde "keine Energie" oder Atomkraft, würden wahrscheinlich überall Atomkraftwerke gebaut. Nicht, daß ich ein Fan von den Teilen wäre, denn als Nichtphysikerin habe ich doch einen gewissen Respekt vor einem GAU. Aber einfach die Abschaffung der Atomkraft zu fordern, ohne Alternativen anzubieten, ist meiner Meinung nach ein bißchen wenig.
Andererseits ist unser Energieverbrauch in der ersten Welt ja eh hoffnungslos übertrieben. Mich würde eine gute wissenschaftliche Abhandlung interessieren, in der dargestellt wird, wie unser Leben aussehen könnte, wenn wir nur auf alternative Energien zurückgreifen würden. Wieviel Leben und Industrie wäre dann noch möglich?
Im Moment würden wir leider schlecht da stehen. Hätten die Politiker die Zeichen der Zeit schon vor 20-30 Jahren erkannt und die alternativen Energien nur annähern so stark gefördert wie die Atomkraft wären wir heute deutlich Unabhängiger von "Fremdenergie" und der Islam wäre nicht das willkommene Schreckgespenst. 20-30% aus alternativer Energie wäre sicher vorstellbar.

Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, ich weiß. Konsequenz daraus wäre, die alternativen Energien wenigstens heute entsprechend zu fördern, anstatt den saugefährlichen Atomkraftwerken nachzutrauern. Mal ganz abgesehen von der Endlagerung, die keinesfalls geklärt ist. Auch so ein Punkt, mit dem wir unseren Nachkommen die Zukunft versauen.

Ein ganz ähnlich gelagertes Thema: Spritsparende Autos? Kennst Du jemanden der eines fährt, oder nur die Typen die den neuesten BMW, Audi, Merzedes etc. mit über 200 PS fahren müssen? USV - das 3 Liter-Auto ist Realität- auf 10 km! Das Jammern über die hohen Spritpreise geht einher mit der Vorstellung immer stärkerer und schwerer Autos. Im Testbericht steht dann in etwa: "Der Spritverbrauch ist leider nicht zeitgemäß, aber ansonsten ein tolles Auto..:" Aber die Abhängigheit vom Islam ist schrecklich... :wink:

Imense Schulden, versaute Umwelt, absichtlich kolabierte Sozialsystem, Bürokratiewahnsinn - unsere Kinder und Enkel sind wirklich nicht zu beneiden... :sauer:

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[quote="einfach-Marcus"].Kleines Beispiel: Urlaub in Kroatien. Der erste sonnige Tag im April, Rovinji verwandelt sich schlagartig. Jeder der Stuhl und Tisch über hat, kredenzt den Touris was. Jeder ist da scheinbar eine Ich-AG. Ich war in einem Eiscafe, wollte mal für glatzköppfige Jungs, das wo "WC" drauf stand war ein 50x50cm großer Raum mit Pot, ab Schuhgröße 40 keine Chance die Türe zu zu bekommen.

Ergebnis: die hatten ihr Geschäft, ein Einkommen, ich war verwudert, dass das alles so einfach funktionieren kann, ohne ellenlange Vorschriften]

Ganz ehrlich: sowas will ich hier im Land nicht haben. Im Urlaub werden viele Dinge etwas anders gesehen und oftmals schmeckt auch der billige Wein unter südlicher Sonne oft besser, als später wenn man wieder zuhause auf dem Balkon sitzt.

Würde es dir gefallen, wenn dein unmittelbarer Nachbar beim ersten Sonnenstrahl auf die Idee kommt, eine Gartenkneipe aufzumachen? Macht echt Freude, wenn dann plötzlich bis in die Nacht (begrenzte Öffnungszeiten gibts dann ja auch nicht mehr) vor deinem Schlafzimmerfenster Trubel herrscht. Ausreichende sanitäre Anlagen? Quatsch, das Gebüsch hinterm Haus tuts ja auch. Und die tollen belegten Brötchen und andere Leckereien werden dann von der Cousine der Freundin des Schwagers zubereitet - ganz ohne Gesundheitspass versteht sich.

Ich bin ja auch kein Freund von übermäßiger Bürokratie, aber gewisse Standards müssen sein.

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Also die Schnittchen von der Cousine der Freundin des Schwagers sind meist deutlich leckerer als das Frittenzeug am Bahnhof oder in der Frittenbude... :wink: Wenn ich Hunger habe und grad nix essen mag, dann geh ich dort vorbei, da vergeht mir der Apetit garantiert... :confused: Gammelfleisch? Dort kannst Du das jeden Tag haben. :wink:

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wolfgangl hat geschrieben:Gammelfleisch? Dort kannst Du das jeden Tag haben. :wink:
Und deshalb sollten Kontrollen, Gesetze, Bestimmungen, Verordnungen am besten vollständig abgeschafft werden. Dann wird's gaaanz bestimmt besser. Damit die armen Unternehmen nicht weiter geknebelt werden, werden Qualitätsstandards dann nur noch von den jeweiligen Verbänden und Marketingesellschaften geschaffen. Die wissen schließlich am besten, was gut für uns ist.

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mainzrunner hat geschrieben:Und deshalb sollten Kontrollen, Gesetze, Bestimmungen, Verordnungen am besten vollständig abgeschafft werden. Dann wird's gaaanz bestimmt besser.
Nö, sicher nicht vollständig, aber eine realistische Einschätzung bezüglich ihrer Wirksamkeit ist schon hilfreich.

Habe mal ein paar Jahre in einem Biergarten gejobbt. Die Hygiene dort war ziemlich übel. Verschimmelte Sachen im Kühlschrank eher die Regel. Wurde dann jedesmal diskutiert, ob großzügig wegschneiden, oder ganz wegschmeißen. Kontrolle? Fehlanzeige!
mainzrunner hat geschrieben:Damit die armen Unternehmen nicht weiter geknebelt werden, werden Qualitätsstandards dann nur noch von den jeweiligen Verbänden und Marketingesellschaften geschaffen. Die wissen schließlich am besten, was gut für uns ist.
Machen wir uns doch nichts vor, in vielen Bereichen ist das doch heute schon so. Deklaration von genveränderten Zutaten ist so ein Stichwort.

Schau Dir mal die Wurstverordnung an, was in so eine Wurst alles rein darf, ohne dass es auf der Pakung angegeben werden muß! Ganze Schweinefüße zum Beispiel. Muß nur fein genug gemahlen sein...

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wolfgangl hat geschrieben:
Machen wir uns doch nichts vor, in vielen Bereichen ist das doch heute schon so. Deklaration von genveränderten Zutaten ist so ein Stichwort.

Schau Dir mal die Wurstverordnung an, was in so eine Wurst alles rein darf, ohne dass es auf der Pakung angegeben werden muß! Ganze Schweinefüße zum Beispiel. Muß nur fein genug gemahlen sein...
Ich esse keine Wurst und Fleisch wird im Bio-Betrieb gekauft. :zwinker5:

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Hi Marcus,
einfach-Marcus hat geschrieben:Siehst du Meerbuscher, besser kann man "die deutsche Krankheit" nicht beschreiben...

Du bist Deutschland!

Ah - komm, das ist jetzt arm - untere Schublade in der du da jetzt wühlst. Du wirfst mir "die deutsche Krankheit" vor? Dir speziell empfehle ich dann mal das Buch: Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau - Gustav A. Horn

So wie du anderen vorwirfst zu der "früher war alles besser"-Fraktion zu gehören, gehören doch andere ziemlich unkritisch zu den Claqueren des alles verändern wollenden neoliberalen Tsunamis: In Deutschland ist alles schlecht, wir sind das Schlusslicht, die Bösen sind der Sozialstaat, die Gewerkschaften ... die Lösung sind freie Märkte und eine Reformitis ohnegleichen, Hartz I, Hartz II, Hartz III, Hartz IV ... - das ist die deutsche Krankheit.

Prinzipiell ist mir Mainstream immer verdächtig und wenn alle ins gleiche Horn blasen, geht bei mir die rote Lampe an und ich frage lieber mal nach und höre mir die Gegenseite an. Ich halte es für gefährlich, wie sehr politische Entscheidungen von der öffentlichen Meinung abhängen und in welch hohem Maß Medien diese Meinung prägen und alle "Hurra" schreien und welche meinungsmachenden Netzwerke dahinterstecken - in Perfektion kann man das wohl in den USA beobachten.

Ich will nicht zwanghaft das "gute Alte" bewahren, aber ich kann die Argumentationsketten der Reformierer und Deregulierer oft nicht nachvollziehen, die oberflächlich logisch und eingängig klingen. Ich sehe allerdings die sozialen Folgen, die dahinterstehen können und auf die diese angeblich liberalen Systeme hinauslaufen, die aber letztendlich vor allem über Zwang und Kontrolldruck auf die Schwächsten funktionieren. Auf Sozialdarwinismus habe ich keine Lust.

Ich habe doch nichts gegen Entbürokratisierung, oder dass wir ein paar mehr Selbstständige in unserem Land haben. Aber ihr stellt Dinge immer so einfach dar und so einfach sind sie in der Realität nun mal nicht. Wenn zu wenig geregelt wird, werden Probleme nachher in freier Wildbahn geregelt. Und das führt wahrscheinlich nicht zu mehr Rechtsfrieden.

Die Entbürokratisierung - was auch immer das im Einzelfall heißt - ist in vielen Fällen sicher eine sinnvolle Aufgabe, hat aber für mich jetzt nicht viel mit der herrschenden Politikhaltung zu tun, sie wäre ohne Probleme auch in einem sozialstaatlichen System sinnvoll und durchführbar. Insofern finde ich zwar Vorschläge zur Entbürokratisierung interessant, aber des Pudels Kern liegt woanders.

Seit wieviel Jahren wird in Deutschland neoliberal reformiert? Seit wieviel Jahren wird gespart? Wo sind die Erfolge? Kann ich auf diese Fragen mal Anworten bekommen?

Wir sind zwar jetzt völlig ab vom Thema "Christiansen", aber ich empfehle jedem (auch den "wir müssen alles reformieren"-Anhängern) mal zumindest diese Bücher (beides gut lesbar):

Die Reformlüge - Albrecht Müller
Der Irrsinn der Reformen - Löpfe, Vontobel

Das 2. Buch bezieht sich zwar auf die Schweiz, im Kern stehen hier aber die Irrtümer des neoliberalen Reformwahns, die auch für Deutschland gelten. Es wird auch etwas mehr auf historische Hintergründe der Diskussion eingegangen, als bei Müller, was für jeden interessant sein dürfte, der nicht VWL studiert hat und so mehr Einblick in die Gründe bekommt, warum neoliberale Politik heute geradezu mit religiösem Wahn verteidigt wird. Jeder VWL-Student kennt Friedmann, van Hayek, den Monetarismus und Keynes. Ich würde aber mal behaupten, dass die meisten eben nichts über diese Hintergründe wissen und nach der Lektüre dieser Bücher, die Sache nicht mehr so undifferenziert sehen dürften.

131
Hallo zusammen,
In Deutschland ist alles schlecht, wir sind das Schlusslicht, die Bösen sind der Sozialstaat, die Gewerkschaften ... die Lösung sind freie Märkte und eine Reformitis ohnegleichen, Hartz I, Hartz II, Hartz III, Hartz IV ... - das ist die deutsche Krankheit.
Wie ich schon anderweitig geschrieben habe, ist in Deutschland mit Sicherheit nicht alles schlecht oder schlecht im eigentlichen Sinne.
Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben gut ausgebildete Menschen, wir haben ein vernünftiges (aber sicherlich stellenweise reformierwürdiges) Rechtssystem, wir haben eine solide Demokratie, etc. pp (könnte hier noch stundenlang weiter aufzählen :wink: ).
Trotzdem sage ich das wir durchaus Probleme haben. Probleme die durchaus gelöst werden könnten.
Die Hartz-"Gesetze" halte ich persönlich für Paradebeispiele unmotivierter, unkoordinierter, ahnungsloser Regelungswut. :zwinker5:
Klar, die Arbeitsagentur (der Name ist schon Hohn, oder damit ist gemeint, dass ihre Mitarbeiter definitiv immer Arbeit haben werden...) spart nun Beträge in nicht unbeträchtlicher Höhe (2005 ungefähr 4 Mrd. Euro wenn ich mich recht erinnere). Aber zu welchem Preis?
Sicher, einige werden jetzt wieder sagen: "Sieh doch mal, da gibbet die Sozialschmarotzer...". Aber ich persönlich wage zu bezweifeln, dass es derer 4,5 Millionen gibt. Mithilfe des "Forderns und Förderns" könnte man derer ja ein wenig besser Herr werden. Aber bisher wird ja nur gefordert. Gefordert stellenweise völlig auf ein Leben außerhalb der eigenen vier Wände zu verzichten (ok, so schlimm ist es vermutlich doch noch nicht ganz).

Ich bin auch kein Freund davon, dass der Staat sich aus allem komplett heraushalten soll. Nur soll er nicht bei allem mitspielen. Er soll die Regeln und den Rahmen vorgeben und diesen überwachen. Spielt jemand unfair oder foult, so darf und soll er den abstrafen. Auch gerne härter, als das heute schon der Fall ist (Beispiel Gammelfleisch: Die Mitarbeiter wurden entlassen und kriegen eine freundliche Einladung vom Staatsanwalt, mit Real passiert nichts. Und will mir jemand ernsthaft erzählen, dass die sich nicht über die quasi nicht-existenten Ausschussquoten der Märkte gewundert haben? (Stichwort Data-Warehouse)).

Das Sozialsystem soll auch nicht abgeschafft werden. Ich habe persönlich keine Lust darauf in einem Land zu leben, in denen Menschen 3-4 Jobs haben müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Menschen die in Not geraten sollen auch durch das System aufgefangen werden. Nur halte ich die Idee, dieses System partiell über den Faktor Arbeit zu finanzieren für falsch. Das könnte man über andere Wege sicherlich besser.
Seit wieviel Jahren wird in Deutschland neoliberal reformiert? Seit wieviel Jahren wird gespart? Wo sind die Erfolge? Kann ich auf diese Fragen mal Anworten bekommen?
Antworten kannst Du gerne bekommen. :wink:
Imho ging die "neoliberale" Reformarbeit Anfang der 90er los. Mitte der 90er bis 98 gabs dann ne Pause (Oskars Blockade im Bundesrat), um dann mit der Schröder-Regierung wieder loszugehen.
Gespart wird imho extrem seit Mitte der 90er Jahre. Nach der Wende gabs ja auch erstmal Konjunkturprogramme von der Regierung Kohl, die aber relativ wirkungslos blieben (man möge mich korrigieren wenn ich hier falsch liege, das war noch ein wenig vor meiner Politik-interessierten Zeit. :D ).

Wo sind die Erfolge? Nun ja. Da stellt sich die Frage des Standpunktes. Und da definiert jeder Erfolg sicherlich unterschiedlich. Der eine wird sagen, dass die 4-5 Mrd. Euro Einsparungen der Arbeitsagentur ein wahnsinniger Erfolg sind. Manche werden das allerdings als Armutszeugnis werten, da dies zu Lasten der Arbeitslosen und Schwächsten dieser Gesellschaft geht.
Daher lässt sich auf diese Frage imho keine triviale Antwort geben.

Schlussendlich stellt sich aber nur bedingt die Frage danach, ob wir jetzt gut sind. Diejenigen von uns die Kinder haben, möchten diesen ja auch eine Gesellschaft hinterlassen die lebenswert ist und in der sie langfristig eine Chance haben. Die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist imho somit ein wichtiger Faktor. Und den halten wir nicht, indem wir schlecht ausgebildete Schüler haben. Aber das ist dann auch wieder ein anderes Thema.

Gruß,
Ian

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Meerbuscher hat geschrieben:Ich habe doch nichts gegen Entbürokratisierung, oder dass wir ein paar mehr Selbstständige in unserem Land haben. Aber ihr stellt Dinge immer so einfach dar und so einfach sind sie in der Realität nun mal nicht. Wenn zu wenig geregelt wird, werden Probleme nachher in freier Wildbahn geregelt. Und das führt wahrscheinlich nicht zu mehr Rechtsfrieden.

Die Entbürokratisierung - was auch immer das im Einzelfall heißt - ist in vielen Fällen sicher eine sinnvolle Aufgabe, hat aber für mich jetzt nicht viel mit der herrschenden Politikhaltung zu tun, sie wäre ohne Probleme auch in einem sozialstaatlichen System sinnvoll und durchführbar. Insofern finde ich zwar Vorschläge zur Entbürokratisierung interessant, aber des Pudels Kern liegt woanders.
Den Kern des Pudels wirst Du nicht finden, es gibt ihn schlichtweg nicht.

Selbstverständlich sind die Bürokratie und die soziale Sicherungssysteme getrennt reformierbar.

Entbürokratisierung ist auch kein nur deutsches Problem, wie es auch die "deutsche Krankheit" nicht per se gibt.

Die Niederländer hatten es bis vor ein paar Jahren genauso. Sie haben ein Programm aufgelegt, das erst mal festgestellt hat, welche Kosten die Überbürokratisierung erzeugt. Auf Grund dieser Ergebnisse haben sie begonnen die kostenintensivsten Punkte der Überbürokratisierung anzugehen. Ein Ziel dabei war es auch, den Staatsdienern bewußt zu machen, dass sie Dienstleister für ihren Kunden, nämlich den Bürger sind.

Daraufhin wurden Maßnahmen ergriffen, dass der Bürger nicht mit verschiedensten Behörden mit unterschiedlichsten Auffassungen herumschlagen muß.

Kleines Beispiel: In Großküchen kam erst die Gesundheitsbehörde und forderte einen glatteren Boden zwecks der besseren Reinhaltung. Ein paar Wochen später kam der Arbeitsschutz und forderte einen rauheren Boden, wegen der Unfallgefahr.

In den Niederlanden wird heute der Bürger nur noch ein mal belästigt. Die Behörden müssen sich vorher untereinander einig werden, was sie denn eigentlich wollen und dann tritt eine Behörde an den Bürger/die Unternehmen heran.

Bei uns darf sich jeder Staatsdiener beliebig austoben und wie lästig die Bürger sind, merkt man, wenn man mal persönlich vorstellig werden will. Langsam verändert sich diese Einstellung auch bei uns, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

Im Übrigen müssen wir nicht immer wieder von vorne klären, dass es uns immer noch sehr gut geht, dass wir eine gute Infrastruktur haben, gute Arbeitskräfte, gute Sozialsysteme, die ohne die Kohlsche Plünderung noch prima funktionieren könnten etc. etc.

Andererseits sind auch viele Dinge in Deutschland optimierbar und daran sollte wir arbeiten.

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wolfgangl hat geschrieben:Im Übrigen müssen wir nicht immer wieder von vorne klären, dass es uns immer noch sehr gut geht, dass wir eine gute Infrastruktur haben, gute Arbeitskräfte, gute Sozialsysteme, die ohne die Kohlsche Plünderung noch prima funktionieren könnten etc. etc.
Richtig, allerdings scheint das gesagte grundsätzlich unterzugehen. Da stellt sich die Frage, ob Deutsche das Gute in einer Nachricht überhaupt noch mitbekommen. :D
Andererseits sind auch viele Dinge in Deutschland optimierbar und daran sollte wir arbeiten.
Ganz meine Meinung. Nur weil man jetzt den Marathon in ~3 Stunden schafft, kann man sich noch nicht auf die Couch packen (plus Chips) und den dann im Herbst in 2:30 laufen. :wink:

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mainzrunner hat geschrieben:Würde es dir gefallen, wenn dein unmittelbarer Nachbar beim ersten Sonnenstrahl auf die Idee kommt, eine Gartenkneipe aufzumachen? Macht echt Freude, wenn dann plötzlich bis in die Nacht (begrenzte Öffnungszeiten gibts dann ja auch nicht mehr) vor deinem Schlafzimmerfenster Trubel herrscht. Ausreichende sanitäre Anlagen? Quatsch, das Gebüsch hinterm Haus tuts ja auch. Und die tollen belegten Brötchen und andere Leckereien werden dann von der Cousine der Freundin des Schwagers zubereitet - ganz ohne Gesundheitspass versteht sich.
Ich bin ja auch kein Freund von übermäßiger Bürokratie, aber gewisse Standards müssen sein.
Ich mache jetzt mal wieder die Schublade "Deutsche Krankheit" auf, und steck das Postimg da rein.

Wieso gelnigt es einem Großteil der Bevölkerung, für jede nicht genauer regulierte Situation in blitzschnelligster Windeseile ein Beispiel zu finden, dass in genau diesem unregulierten Quadratmilimeter ein ganz ganz übler Mißbrauch stattfindet.

Ist dieses Land übervölkert mit geldgierigen, unmoralischen Arschlöchern? Müssen wir deswegen jede Kleinigkeit bis hin zur Widersprüchlichkeit regeln?

Ich bin ja auch für einen Rahmen, das solltest du nicht vergessen. Ich glaube aber auch, dass sich vieles von selber regelt. Wenn ich heute an einen Imbißwagen gehe der seine Speisevorräte in der Toilette verschimmeln lässt, ok. Ich habe die Freiheit, wo anders zu essen. Wobei ich hier noch einen weiteren Grundsatz haben möchte: Wir sind frei, aber werden hart sanktioniert, wenn wir die Freiheit mißbrauchen. Wer z.B. aus der Freiheit heraus, kleine Mahlzeiten zu verkaufen, anderen Gammelfleisch unterjubelt, der wird sanktioniert. Knallhart. Der geht 50 Jahre arbeiten, aber macht kein Geschäft mehr auf. Der bekommt auch keine Förderung für irgendwas. Wer sich die (nötige) Freiheit zunutze macht, um andere zu bescheißen, der bekommt die ganze Härte zu spüren. Da wäre ich gnadenlos. Und zwar in einem Ausmaß dass ich mir selber unsympathisch werde...

@Meerbuscher: du hast ja selber geschildert, wie das hier mit dem vereinfachen läuft. Du wirst auch nirgends lesen dass ich alle Reformen für gut heiße, und mich in die neoliberale Ecke zu stellen ist vielleicht kitschig, aber sicher nicht richtig. Ich bin für eine liberale Bürgergesellschaft, es gibt nur aktuell keine Partei die diese Weltanschauung vertritt. Im Namen oder im Programm gedruckt vielleicht...aber Papier ist geduldig...
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
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Das hier viel zitierte Gammelfleisch lasse ich in dieser Diskussion (von wegen Bürokratieabbau vs. Regelwut) nicht gelten. Daran haben wir Verbraucher eine gehörige Portion Mitschuld, die wir glauben, Frischfleisch bei Aldi, Lidl und co. für einen Spottpreis zu bekommen.

Und wenn mir jetzt jemand kommt, dass das an sinkenden Gehältern liegt, den frage ich, ob er jeden Tag Frischfleisch essen muss? Ich will nicht die gute alte Zeit bemühen, aber es gab Zeiten, da gab es den vielzitierten Sonntagsbraten. Fleisch hat seinen Preis und wer meint, jeden Tag Frischfleisch essen zu müssen, soll das tun. Aber nicht glauben, er bekäme Qualität für 1,50 Euro das Kilo (oder was auch immer der Schmutz bei den Discountern kostet).

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@ Toronto: Das sind wir zur Abwechslung mal zu 100% einer Meinung.

Gruß,
Hendrik

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Toronto21 hat geschrieben:Aber nicht glauben, er bekäme Qualität für 1,50 Euro das Kilo (oder was auch immer der Schmutz bei den Discountern kostet).
Aktuell bei Feinkost Albrecht: Schweinerollbraten für 0,99 EUR / kg :D

ne, issn scherz!
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einfach-Marcus hat geschrieben:Ich mache jetzt mal wieder die Schublade "Deutsche Krankheit" auf, und steck das Postimg da rein.

Wieso gelnigt es einem Großteil der Bevölkerung, für jede nicht genauer regulierte Situation in blitzschnelligster Windeseile ein Beispiel zu finden, dass in genau diesem unregulierten Quadratmilimeter ein ganz ganz übler Mißbrauch stattfindet.

Ist dieses Land übervölkert mit geldgierigen, unmoralischen Arschlöchern? Müssen wir deswegen jede Kleinigkeit bis hin zur Widersprüchlichkeit regeln?...
Klar war das was ich beschrieben habe ein "worst-case Szenario" - aber dennoch denkbar. Und da hierzulande in vielen Fällen nichts mit Absprachen oder Kompromissen regelbar ist, sind meiner Meinung nach Vorschriften unerlässlich. Spinnen wir doch mein Beispiel weiter: Die Gartenkneipe raubt dir nun schon seit 4 Wochen den Schlaf. Du willst gemeinsam mit dem Nachbarn ein Lösung finden. Wie ich die Mentalität unserer Landsleute kenne, wird entweder das Gespräch genau an diesem Punkt beendet, du bekommst Prügel angedroht oder direkt eins auf die Schnauze.

Mit Argumenten, Kompromissen und gutem Willen bekommst du hierzulande doch sowieso nichts gebacken - wollen wir uns doch nichts vormachen. Dafür ist unser Land voll von egoistischen Prozesshanseln, die auch jede noch so billige Kleinigkeit vor Gericht ziehen. Und da willst du mir was von Freiheit und Deregulierung erzählen?

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Vielleicht solltest du umziehen oder dich psychologisch beraten lassen... Ich kann deine Einschätzung nicht teilen.
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einfach-Marcus hat geschrieben:Vielleicht solltest du umziehen oder dich psychologisch beraten lassen... Ich kann deine Einschätzung nicht teilen.
Muss man gleich beleidigend werden, wenn einem eine Meinung nicht passt? Deine Reaktion zeigt mir allerdings, wie "kooperativ" du in einem solchen Falle wärst. :nee:

141
Lieber Mainzrunner,

natürlich kannst du dich beleidigt fühlen wenn dir einer mal was unangenehmes sagt anstatt de Bauchpinsel zu schwingen.
Wie ich die Mentalität unserer Landsleute kenne, wird entweder das Gespräch genau an diesem Punkt beendet, du bekommst Prügel angedroht oder direkt eins auf die Schnauze.. Mit Argumenten, Kompromissen und gutem Willen bekommst du hierzulande doch sowieso nichts gebacken
Aber entweder wohnst du in einem Viertel in dem es sehr, sehr übel zugehen muss, oder aber du leidest an Depressionen.

Das ist eine ehrliche, direkte These, keine Beleidigung, ok?
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einfach-Marcus hat geschrieben:Aber entweder wohnst du in einem Viertel in dem es sehr, sehr übel zugehen muss, oder aber du leidest an Depressionen.
Leider beides falsch. Ich kann jedoch Zeitung lesen und habe auch sonst Augen und Ohren offen. Bevor du damit anfängst: Nein, ich lese keine Bild-Zeitung und schaue mir auch nicht die täglichen Talk-Shows bei den privaten an.

Ich wünsch dir was: Die Abschaffung aller Vorschriften für Gewerbetreibende in deinem Viertel und eine kleine Hinterhof-Autowerkstatt vor deiner Tür. Schonmal den ganzen Tag lang (und dann natürlich auch nachts) 'ne Flex gehört? :D (Nein, auch das entspricht nicht meiner aktuellen Wohnsituation)

143
mainzrunner hat geschrieben:[...]Und da hierzulande in vielen Fällen nichts mit Absprachen oder Kompromissen regelbar ist, [...]Mit Argumenten, Kompromissen und gutem Willen bekommst du hierzulande doch sowieso nichts gebacken [...]

Hi mainzrunner,
und darin liegt für mich "Die deutsche Krankheit". Die Tatsache, dass immer gleich von "hierzulande" die Rede ist. Das ist doch kein typisch deutsches Problem. Wie kommst du darauf? Ich kann dir versichern, dem amerikanischen Nachbarn geht das genauso auf den Keks und den hast du genauso auf der Matte stehen.

Du unterliegst diesem Phänomen genauso wie Marcus, der ja auch davon geredet hat, dass "ein Großteil der Bevölkerung" - und damit meint er wohl die deutsche Bevölkerung - sagen wir mal regulierungsaffin wäre.

Das sind populistische Verallgemeinerungen und ihr müsst euch mal fragen, wieso solche Sprüche so mir nichts, mal eben schnell gesagt sind? Das Phänomen, das dahintersteht, ist eng verwandt mit all den anderen "Tatsachen", die seit Jahren verbreitet und medial zigfach verstärkt werden (womit wir den Bezug zu Christiansen hätten). Frage sich z. B. mal jeder selbst, wie fest z. B. das Bild vom schmarotzenden Sozialhilfeempfänger im Kopf sitzt? Woher kommt das? Was am Ende nämlich bleibt, ist genau das, was neoliberale Politik möchte: Erst muss man den Patienten totreden, dann sind alle bereit, auch die härtesten Reformen einfach hinzunehmen.

144
Meerbuscher hat geschrieben:
Das sind populistische Verallgemeinerungen
Ja - das sehe ich auch so. Und genau deshalb finde ich diese Diskussion so schwierig! Es ist natürlich auch praktisch, wenn man "ganz Deutschland hinter sich versammeln kann", dann trägt man die Verantwortung für seine Aussagen nicht allein und hat noch eine "große, brave Mehrheit", die der gleichen Meinung ist :wink:

Trotzdem finde ich viele Aspekte, die hier genannt werden sehr interessant und überdenkenswert.

Viele Grüße
Corinna

145
Meerbuscher hat geschrieben:Hi mainzrunner,
und darin liegt für mich "Die deutsche Krankheit". Die Tatsache, dass immer gleich von "hierzulande" die Rede ist..
Ich schrieb: "hierzulande in vielen Fällen", was sich nicht unbedingt nach Verallgemeinerung anhört, oder? :zwinker5:

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Hi Toronto,
Toronto21 hat geschrieben:Das hier viel zitierte Gammelfleisch lasse ich in dieser Diskussion (von wegen Bürokratieabbau vs. Regelwut) nicht gelten. Daran haben wir Verbraucher eine gehörige Portion Mitschuld, die wir glauben, Frischfleisch bei Aldi, Lidl und co. für einen Spottpreis zu bekommen.
Natürlich verstärkt der Konsument diese Tendenz, da gebe ich dir zweifellos Recht. Wenn die Nachfrage nach Billigfleisch vorhanden ist, wird der Markt liefern. Damit haben wir aber auch schon wieder den Bezug zum Markt. Gestern kam im WDR eine interessante Dokumentation zu diesem Thema. Es ging um die Machenschaften bei deutschen Fleischproduzenten, um den Verlust der Arbeitsplätze deutscher Schlachtarbeiter bei diesen Produzenten und die Arbeitnehmerüberlassungen, die osteuropäische Arbeitnehmer in diese Betriebe gebracht haben.

Trotz aller Regelungen ist es möglich, per Arbeitnehmerüberlassung z. B. polnische Arbeitnehmer in großem Stil (ich spreche von 30-60% von deutschen Arbeitsplätzen die in diversen nordeutschen Schlachtbetrieben von Arbeitnehmerüberlassungen mit osteuropäischen Arbeitern bestückt werden), in deutschen Betrieben zu beschäftigen. Hier werden teilweise sogar ganze Produktionsstraßen angemietet und den Fleischproduzenten interessiert es oft einen Scheißdreck, wie die Arbeitsbedingungen dieser Menschen sind. Und die sehen so aus: 15 Stunden Arbeitszeit bei Arbeitslöhnen von ca. 3 Euro. Wohnen in heruntergekommenen Häusern, Bett, Stuhl, Waschbecken, 5 Mann auf einem Zimmer. Dass die Löhne oft genug nicht gezahlt werden und diese Arbeitnehmer keinerlei Rechte haben, außer zu gehen, brauche ich nicht erwähnen. Und wer jetzt meint, die Polen seien zufrieden damit, der täuscht sich: "Scheiß Arbeit Deutschland!" traf es richtig. Den Reibach machen der Fleischproduzent und der Arbeitnehmerüberlasser - im Grunde ist die Sache nichts weiter als Menschenhandel.

Und das ist genau das, was der Markt macht, wenn man ihn zu sehr lässt und nicht an der richtigen Stelle reguliert. Das ist das, was der Markt macht, wenn Angebot und Nachfrage den Preis von selbst regeln. Das ist das Wirken der "invisible hand".
Toronto21 hat geschrieben:Und wenn mir jetzt jemand kommt, dass das an sinkenden Gehältern liegt, den frage ich, ob er jeden Tag Frischfleisch essen muss? Ich will nicht die gute alte Zeit bemühen, aber es gab Zeiten, da gab es den vielzitierten Sonntagsbraten. Fleisch hat seinen Preis und wer meint, jeden Tag Frischfleisch essen zu müssen, soll das tun. Aber nicht glauben, er bekäme Qualität für 1,50 Euro das Kilo (oder was auch immer der Schmutz bei den Discountern kostet).
Richtig: Aber eben das zeigt, hier versagt der Markt, hier muss z. B. ganz klar Einfluss auf den Konsumenten genommen werden. Leider gibt es aber niemanden, der Ross und Reiter nennt und die Gelder für Institutionen, die hier für Aufklärung sorgen könnten, werden gekürzt.

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mainzrunner hat geschrieben:Ich wünsch dir was: Die Abschaffung aller Vorschriften für Gewerbetreibende in deinem Viertel und eine kleine Hinterhof-Autowerkstatt vor deiner Tür. Schonmal den ganzen Tag lang (und dann natürlich auch nachts) 'ne Flex gehört?
Kollege, dein Wunsch ist vor ein paar Wochen in Erfüllung gegangen. :nick:

Und ja, ich war einmal drüben weil er um 21:45 einen Motor 10 Minuten lang hat heulen lassen. Da habe ich ihn freundlich darauf aufmerksam gemacht dass er sich nicht alleine hier befindet und Kinder da sind, die schlafen, und er solche lauten Arbeiten bitte um 20 Uhr beenden möge.

Ein weiteres mal hat er sich ein Rolltor montiert und gedacht er könne nachts um 2:40 Uhr(sic!) damit beginnen mit dem Presslufthammer die Wand durchzubrechen. Auch da habe ich mich zu ihm begeben. Zugegebenerweise nicht mehr ganz so freundlich, dafür umso bestimmter. Seitdem zuckt er immer zusammen wenn er mich sieht.

Danach bedurfte es noch eines Gesprächs mit dem Vermieter und mit ihm (ein kleiner Monolog zum Thema Nachbarschaft) , und nun beginnt der Betreiber der Werkstatt den Unterschied zwischen seiner kasachischen Heimat und den hiesigen Gepflogenheiten zu verstehen.

Und du lieber Meerbuscher, du suchst dir jetzt dann bitte einen konsequenten Weg, weil sonst kann man mit dir nicht reden. Wenn du einen neoliberalen Zeitgeist ganz allgemein als gültig erklären darfst, dann darf ich auch einem Großteil der Bevölkerung - und darin enthalten ist ja schon die These dass es einen Teil gibt der das nicht möchte - unterstellen, für die Regulierungen zu sein. Wäre ja komisch wenn die nun keiner gewollt hätte, all diese Regelungen. Wie nah darf man ans Nachbargrundstück bauen, wie weit darf der Baum wachsen, wie viele Toiletten welcher Größe, Farbe, ... braucht eine Firma, ... das kommt ja nicht von ungefähr...

Es ist langweilig auf deine Verallgemeinerungen konkrete Gegenbeispiele zu suchen, die du dann wieder zerreden kannst.
Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!
Diogenes von Sinope
Dem Speed Badminton verfallen...da muss man auch viel laufen!

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mainzrunner hat geschrieben:Ich schrieb: "hierzulande in vielen Fällen", was sich nicht unbedingt nach Verallgemeinerung anhört, oder? :zwinker5:
Mir ging es vor allem um das "hierzulande" in diesem Zusammenhang und das hört sich an, als wäre es irgendwie "typisch deutsch" und das halte ich nicht für richtig.

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einfach-Marcus hat geschrieben:..und nun beginnt der Betreiber der Werkstatt den Unterschied zwischen seiner kasachischen Heimat und den hiesigen Gepflogenheiten zu verstehen..
Und? Nicht vielleicht doch gut, dass es hierzulande (der war für dich, Meerbuscher :D ) so etwas wie Vorschriften gibt, die man notfalls per Polizei durchsetzen kann, falls der Herr aus Kasachstan pampig geworden wäre? Ohne diese Grundlage sieht man irgendwie alt aus und früher oder später gilt dann nur noch das Gesetz des Stärkeren. Nee, ich will so was nicht..

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Hallo Marcus,
einfach-Marcus hat geschrieben:[...] Wobei ich hier noch einen weiteren Grundsatz haben möchte: Wir sind frei, aber werden hart sanktioniert, wenn wir die Freiheit mißbrauchen. Wer z.B. aus der Freiheit heraus, kleine Mahlzeiten zu verkaufen, anderen Gammelfleisch unterjubelt, der wird sanktioniert. Knallhart. Der geht 50 Jahre arbeiten, aber macht kein Geschäft mehr auf. Der bekommt auch keine Förderung für irgendwas. Wer sich die (nötige) Freiheit zunutze macht, um andere zu bescheißen, der bekommt die ganze Härte zu spüren. Da wäre ich gnadenlos. Und zwar in einem Ausmaß dass ich mir selber unsympathisch werde...[...]

Auf einer kleinen Insel halte ich so etwas für möglich und selbst da ist es schwierig. Das erinnert mich an ein soziologisches Experiment, dass die BBC mal dokumentiert hat, als ca. 30 Leute auf eine einsame Insel entlassen wurden. Selbst die paar Leute haben es kaum geschafft, miteinander auszukommen und sind sich des öfteren an die Kehle gegangen - anderes Thema ...

Seit wann hält denn ein law&order Prinzip, seit wann halten Strafen - selbst existenzbedrohende Strafen - irgendjemanden davon ab zu bescheißen, zu betrügen, zu stehlen oder zu morden?

Was du damit erreichst, sind überlastete Rechtsbehörden und teure, volle Gefängnisse (was auch volkswirtschaftlich ziemlicher Unsinn sein dürfte ... außer vielleicht man beschäftigt diese Leute für ein Appel und ein Ei, aber selbst dann dürfte das kein lohnendes Geschäft sein). Verbindet man das noch mit einer neoliberalen, aber im Grunde reaktionären Politik wie in den USA, die darauf abzielt, Arme noch ärmer und Reiche noch reicher zu machen, bilden sich immer größere gesellschaftliche Extreme aus. Heute sitzen in den USA ca. 7 bis 8 mal (~so habe ich es im Kopf) mehr Menschen im Gefängnis als bei uns. Ca. 6% der Bevölkerung stehen unter gerichtlicher Beobachtung.

Insofern halte ich diesen Weg zwar in bestimmten Bevölkerungskreisen für gut verkaufbar, aber nicht für wirksam.
Gesperrt

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