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von Angie
Hier eine weitere Antwort auf meine Frage. Diesmal vom Hundetherapiezentrum:
vielen Dank für Ihr Interesse. Es ist immer wieder schade, daß sich die Betroffenen einen Rat holen müssen, und nicht die eigentlich Schuldigen - nämlich die Hundebesitzer.
Wie auch immer, gerne gebe ich Ihnen eine Antwort auf Ihre Fragen:Mal abgesehen von der Haftungsfrage
Da gibt's ja wohl keine Frage?! Der Hundehalter ist für alle Schäden, die sein Hund verursacht, verantwortlich; ganz besonders, wenn der Hund nicht angeleint war. Es sei denn, er muß seinen Hund in einer Notwehrsituation als Waffe einsetzen - und auch das muß in einem angemessenen Verhältnis zur Bedrohung stehen. Ich darf meinen Rottweiler nicht auf jemanden hetzen, der mir das Bütterchen klaut. Ansonsten fällt mir gerade keine Entschuldigung ein.
Man weiß ja nicht, ob er nur schnüffeln will oder angreifen.
Wenn ein Hund hinter einem bewegten Objekt her ist, kann man zu 99% davon ausgehen, daß er in irgendeiner Weise angreifen will. Entweder möchte er verteidigen, weil er sich bedroht fühlt (sein Revier, sich selbst oder das ganze Team, mit dem er unterwegs ist) oder er befindet sich in einer Sequenz des Jagdverhaltens. In den meisten Fällen liegt es am fehlgeleiteten Jagdverhalten, weil Hunde nun mal unausgelastete Jäger sind und für ihr Leben gern hetzen - es macht ihnen einfach Spaß.
Das Dumme an der Sache ist nur, daß das Zubeißen logische Konsequenz des Hetzens ist. Nicht alle Hunde tun dies; man sieht es ihnen nur leider nicht vorher an.Den Hund anschreien und versuchen zu verscheuchen?
Solange Sie den Hund und seine Motivation nicht kennen, sollten Sie das lieber lassen.
a) Der Hund fühlt sich, je nach Motivation, in seinem Anliegen bestätigt und sieht Ihre Reaktion als "Komm - wir legen uns miteinander an."
b) Wenn der Hund Sie als Jagdobjekt sieht, denkt er entweder, die Beute wehrt sich --> er versucht intensiver, Sie zu packen, oder das Jagdverhalten kippt völlig und der Hund sieht sich nun in der Situation des Bedrohten; dann greift wieder a).
Übrigens würde ich Ihnen raten, bei allen terrier-ähnlichen Hunden nie auf Konfrontation zu gehen, denn diese, meist kleinen Jagdterrier wurden ursprünglich dazu gezüchtet, sich mit Ratten und Füchsen selbständig aggressiv auseinander zu setzen. Diese Hunde haben so gut wie keine Angst in solchen Situationen - und wenn eine zierliche Frau vor ihm steht und mit hoher, evtl. kreischender Stimme herumbrüllt und mit den Armen fuchtelt, dann stachelt ihn das noch mehr auf.
Sie müssen sich im Klaren sein, daß Schreien immer als undiplomatische, unsouveräne Geste der Hilflosigkeit und/oder der Aufforderung zum Kampf gesehen wird. Damit kann man nur sehr junge Hunde, Sensibelchen und einige kleine Hunde beeindrucken. Deshalb rate ich davon ab. Souveräne Hunde sagen keinen Ton. (siehe unten Thema stehenbleiben)Schneller laufen?
Nein. Wenn man davon ausgeht, daß es sich in den meisten Fällen um fehlgeleitetes Jagdverhalten handelt, füttern Sie die Motivation des Hundes, hinter Ihnen her zu laufen. Also:Stehenbleiben?
Genau. Nehmen Sie ihm sein "Spielzeug" einfach weg, und verhindern Sie, daß er die Jagdsequenz fortführt (Hetzen --> Beißen/zu Boden reißen).
Dies gilt aber auch, wenn es sich um einen Hund handelt, der verteidigen oder angreifen möchte. Man läuft niemals schnell weg, und niemals dreht man einem Hund in solchen und/oder unklaren Situationen den Rücken zu!
Egal was passiert: wenn ein Hund hinter Ihnen her ist, bleiben Sie wortlos stehen. Und zwar nicht mit dem Rücken und nicht frontal zum Hund, sondern seitlich. Gucken Sie nicht den Hund an, sondern sehen Sie, mit dem Kopf leicht nach oben, von ihm weg. Versuchen Sie, nicht starr wie eine Salzsäule zu sein, sondern stehen Sie möglichst locker ohne zu zappeln. Sprechen Sie den Hund auch nicht an, oder brüllen Sie nicht den Besitzer herbei. Wenn Sie in dieser Situation ruhiger und souveräner sind als der Hund, haben Sie gute Karten, daß er Sie respektiert (siehe auch Bild unten).
Wenn der Hund allerdings wirklich "einen an der Waffel" hat, nutzt Ihnen wahrscheinlich auch das Stehenbleiben nichts. Wenn er Sie dann angreift und zu Boden reißt, versuchen Sie, sich die Hände/Arme schützend um den Kopf und Hals zu legen und machen Sie sich so klein wie möglich. Bitte möglichst nicht schreien und nicht herumschlagen/zappeln. Wenn es ein kleinerer Hund ist, können Sie ihm links und rechts tief in die Lefzen und Wangentaschen greifen und damit zum Loslassen zwingen (Daumen zwischen Zahnfleisch und Lefzen-Innenseite, von außen mit den anderen Fingern zupacken). Ziehen Sie ruhig die Lefzen ein bißchen nach hinten, bis es ihm weh tut (beißen tut ja auch weh). Halten Sie ihn solange so fest, bis der Besitzer eintrifft und ihn angeleint hat. Wenn Sie einem Opfer helfen müssen, versuchen Sie, mit einem Stock o.ä. so zwischen das Maul zu kommen, daß sie mit der Spitze hinten im Oberkiefer den weichen Gaumen berühren. Das bewegt den Hund ebenfalls zum Loslassen. Oder halten Sie ihm die Nase zu; Hunde atmen i.d.R. nicht durch den Mund, sondern nur durch die Nase. In ganz gefährlichen Situationen, wenn sich ein Hund in etwas verbissen hat und nicht mehr losläßt, können Sie ihm die Nase bis zur Ohnmacht zuhalten.
Bewahren Sie sich aber Gewalttätigkeiten immer nur für den äußersten Notfall auf. Die Gefahr, daß der Hund Ihnen entwischt und woanders ansetzt, ist immer gegeben.
Zum Schluß noch ein paar kleine Tips:
Nehmen Sie eine Wasserpistole oder wassergefüllte Spritze mit und spritzen Sie den Hund das nächste Mal nass. Einige Hunde sind so verdutzt und beeindruckt, daß sie Sie das nächste Mal meiden. Für die härteren oder wasserliebenden Hunde wirkt eine Spielzeugpistole mit Platzpatronen oder ein herunterknallender Schlüsselbund manchmal Wunder. Lassen Sie sich nicht von Hundebesitzern anmachen, daß Sie zu hart mit dem lieben kleinen Hundchen umgehen - im Strafrecht gelten Hunde als Waffe!
Wenn Sie joggen, vermeiden Sie es, frontal auf einen Hund zuzulaufen. Dies wird immer als Bedrohung angesehen. Wenn der Hundebesitzer schon zu blöd zum Ausweichen ist, sein Sie wenigstens so vernünftig und laufen Sie einen kleinen Bogen - so machen es die Hunde auch, wenn sie sich begegnen.Und für alle Situationen gilt außerdem: zeigen Sie alle Hundehalter an, deren Hunde in Ihrem Gebiet Jogger jagen; oder nerven Sie das Ordnungsamt so lange mit Beschwerden, bis dort vermehrt Streife gegangen wird. Ich bin dafür, daß JEDER Besitzer mit seinem Hund, gleich welcher Rasse, einen Hunde(halter)führerschein absolvieren soll. Mein Ziel ist kein Leinenzwang, sondern frei laufende, aber gehorsame Hunde. Das war jetzt noch das Wort zum Sonntag.
What was hard to suffer, is sweet to remember.Seneca