Arbeit wird zum unrettbaren Auslaufmodell
Wirtschaftsführer und Politiker wissen längst, daß es dramatisch weniger Bedarf an menschlicher Arbeitskraft gibt / Dieses System ist am Ende
Es geht nicht mehr um Solidarität, auch nicht um Soziales - es geht einzig und allein ums Geld.
Saarbrücken. Der nächste Aufschwung kommt bestimmt. Harz IV gehört zu den Voraussetzungen, daß die Arbeitslosigkeit abgebaut wird. Flexibilität, Fortbildung und Mehrarbeit sichern die Arbeitsstellen. Lohnnebenkosten zu senken, versetzt unsere Wirtschaft in die notwendige Konkurrenzfähigkeit. . . Das alles sind prinzipiell gewichtige Kernsätze unserer Zeit. Dabei sind sie allesamt falsch; sie sind durch und durch verlogen. Denn es wird weder mehr, noch nicht einmal sichere Arbeitsplätze geben. Und die Arbeitslosigkeit wird nie mehr sinken, sie wird weiter steigen und steigen. Denn die Arbeit ist insgesamt ein auslaufender Artikel im Sortiment der weltweit agierenden Kapitalhalter. Die Arbeit verschwindet. Über die Sozialsysteme zu reflektieren, ist politisches Intrigenspiel. Es wird noch immer so getan, als ob diese unsere Gesellschaft in den annähernd alten Strukturen zu erhalten wäre. Sie ist es nicht, wie Wolfgang Bonness in seinem Beitrag beschreibt:
Der amerikanische Wirtschafts- und Sozialrebell Jeremy Rifkin hat es sehr treffend auf den Punkt gebracht: Die Arbeit ist am Verschwinden. Rifkin in einem Interview in der Stuttgarter Zeitung: ”Ich verdiene einen Teil meines Einkommens damit, die Chefs großer Konzerne zu beraten. Wenn ich die frage, ob sie in Zukunft noch Zehntausende von Mitarbeiter haben werden, dann lachen die laut los. Die Wirtschaftsführer wissen längst, wo die Reise hingeht.”
Einzig die Politik hüben wie drüben schweigt sich immer noch über diese Tatsache aus, und verlegt sich statt dessen darauf, den Massen mit Durchhalte- und Solidaritätsparolen die Augen davor zu verschließen, was in den Augen eben eines Jeremy Rifkin unvermeidlich zu sein scheint: Die Wirtschaft wird keinen breiten Bedarf mehr an menschlicher Arbeitskraft haben. Intelligente Computer, Netzwerke und automatisierte Produktionsanlagen werden den Großteil der heute noch von Menschen getätigten Arbeit erledigen. Und das - zumindest bei der momentanen Steuerkonstellation - günstiger als jede menschliche Arbeitskraft.
Also warum hüllt sich die Politik in Schweigen bzw. bläst dem Volk auch noch propagandistischen Sand in die Augen, wenn Wirtschaft und empirische Forschung bereits wissen, wo es lang geht? Warum wird die gegenwärtige Massenarbeitslosigkeit nur als eine zeitlich begrenzte Erscheinung angesehen, die nur dadurch entstanden ist, weil man eben noch nicht die richtigen Maßnahmen getroffen hat? Warum wird den Menschen eingetrichtert, sie müssen flexibler, leistungsfähiger und letztendlich auch opferbereit sein, damit unsere Arbeit gesichert ist, wenn klar ist, daß - egal zu welchen Zugeständnissen man die Bevölkerung auch nötigt - am Ende doch die Arbeit verschwinden wird?
Machtklüngel von Politik und Kapital
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, sollte man zuerst einmal mit zwei Fehlansichten über die Welt und ihre Entwicklung aufräumen, denen leider auch der an sich brillante und sehr scharfsinnige Rifkin nachhängt:
1.”Die Politik sorgt sich um das Wohl der Menschen.” Die wenigsten Maßnahmen in Politik und Wirtschaft dienen dazu, die Situation und den Lebensstandard der gemeinen Bevölkerung zu verbessern, sondern nur dem Machtklüngel in Politik, Wirtschaft und Kapital einen noch besseren Zugriff auf diese unsere Welt zu verschaffen. Gerade Leser des Saar-Echo werden mir hier sicher zustimmen.
2.”Technologischer Fortschritt läßt sich nicht aufhalten und muß sein.” Der technologische Fortschritt ist kein Naturgesetz oder eine unvermeidliche Tendenz, sondern etwas, was bewußt forciert wird, um die Gewinne zu maximieren und - aber das wird offen nur sehr selten ausgesprochen - um die Gesellschaft zu unterwandern und zu destabilisieren.
Wobei gerade der Begriff ”Technologischer Fortschritt” in diesem Zusammenhang total Fehl am Platze ist. In der Tat wird ein solcher Fortschritt bewußt verhindert, oder wie anders wäre es zu erklären, daß wir immer noch mit verbrauchsintensiven Verbrennungsmotoren herumeiern, obwohl es bereits duzende bessere Alternativen gibt. Gäbe es technischen Fortschritt, hätte jeder Haushalt eine eigenes Miniatur-Kraftwerk in Form eines Magnetmotors, anstatt per Kernkraftwerk und Überlandleitung gespeist zu werden. Gäbe es echten Fortschritt, würde sich keiner mehr ein GSM-Handy ans Ohr drücken, dessen Funkprotokoll nachweislich zu den schädlichsten EM-Einflüssen in unserer technologisierten Welt zählt, sondern bereits das wesentlich verträglichere UMTS benutzen. . . wenn nicht noch mehr. Aufzählung beliebig fortsetzbar. Nein, was hier als Fortschritt verkauft wird, ist nicht Fortschritt, es ist der schrittweise Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch billige maschinelle Arbeit, und dient somit einzig und alleine der Steigerung des Unternehmensgewinns. Und das muß absolut nicht sein. Zumindest, wenn wir in einer fairen und sozial orientieren Welt leben würden.
Wenn wir aber nun daraus ableiten, daß soziale Sicherheit, Eigenständigkeit, und letztlich Selbstbestimmung und Würde der Menschen dem Götzen ”Shareholder Value” geopfert werden sollen, wie kann man dann noch den hochtrabenden Versprechungen der Politiker und Wirtschaftsbosse glauben schenken? Der österreichische Kanzler Schüssel versprach für 2010 zehn Millionen Arbeitsplätze mehr. Wie soll das gehen, wenn den Unternehmern der Gewinn wichtiger ist als einen Beitrag zur sozialen Sicherheit im Lande zu leisten?
Menschen, die immer noch an das Gute im System glauben, werden wohl dagegenhalten, daß man sich in den Vorständen letztendlich besinnen wird müssen, denn wenn es keine Menschen gibt, die die Produkte kaufen können, nützen auch die billigsten Maschinen nichts, die Firma geht bankrott. Und nominal stimmt die Aussage auch. Die Autoindustrie bekommt diese Tatsache gerade schmerzhaft zu spüren. Immer weniger Menschen sind bereit, für einen Wagen große Geldsummen auszugeben, oder - und das ist heutzutage ohnehin mehr die Regel als die Ausnahme - dafür auch noch Schulden zu machen. Die nächsten werden dann wohl Tourismus, Freizeit und Unterhaltung sein, die mit der Realität der schwindenden Kaufkraft konfrontiert werden.
Was zählt ist einzig das Geld
Wer jedoch meint, der Konsumausfall übe Druck auf Politik und Vorstände aus, der möge sich noch nie so geirrt haben. Diese Tatsache ist entsprechenden Damen und Herren wohl bekannt, man rechnet letztlich auch damit. Es ist das System, das hier dagegen steht, nicht die Dummheit von Entscheidern. Worin sich die Menschheit im allgemeinen, und die westlichen Länder im speziellen befinden, ist der klassische Kampf jener, die haben, gegen jene, die nicht haben. Ein Habender ist jener, der von dem einzigen Gut, das in der heutigen Wirtschaftskonstellation noch zählt, nämlich Geld, soviel besitzt, daß seine Aufwände gedeckt sind, und noch etwas über bleibt, das gewinnbringend angelegt werden kann. Ein Nicht-Habender hingegen hat vom Geld nicht genug, um seine Ausgaben zu decken, und muß daher Geld vom Habenden gegen einen horrenden Preis borgen. Und das System belohnt auch noch die Habenden und benachteiligt die Nicht-Habenden, und das immens. Leider weiß der Habende genau von seinem Vorteil, während der Nicht-Habende seinen Nachteil allenfalls erahnt, und daher wird munter in diesem System weitergewurstelt, anstatt es zu ändern und auf eine faire Basis zu stellen.
Diese Einsicht, so einfach sie auch sein mag, ist bei konsequentem Durchdenken die Wurzel unseres Problems. Und ich wage zu behaupten, die einzige, die es zu bekämpfen gilt. Denn wenn ein profitabler Betrieb vom Habenden (Aktionär / Kreditgeber) gezwungen wird, zu rationalisieren oder gar zu Geld gemacht wird, damit der Habende seine Habens-Forderungen erfüllt bekommt, während über die Nicht-Habenden (Unternehmer / Arbeitnehmer) gnadenlos der Stab gebrochen wird, erkenne ich darin das Problem, an dem wir alle zugrunde gehen werden. Alles andere ist sekundär. Wenn also Großaktionäre und Investoren mehr Kursgewinn verlangen, und wenn sie den nicht bekommen, einfach das Kapital abziehen und woandershin investieren, sehe ich keinen Grund, über Reformen der Sozialsysteme nachzudenken. Flexibilität und Mobilität am Arbeitsmarkt? Was bringt`s! Letztlich wird dadurch nur das Unvermeidliche hinausgezögert.
Am Ende muß es sich entscheiden, wer diesen Kampf gewinnt. Die wenigen, aber unvorstellbar mächtigen Habenden, oder die große Massen der Nicht-Habenden, die bislang - aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit - ihre Rolle als Steigbügel und Melkkuh der Habenden widerspruchslos gespielt hat. Und diese Entscheidung muß bald kommen, denn die Habenden haben ihr Ziel, sich die gesamte Welt unter den Nagel zu reißen, schon beinnahe erreicht. Man braucht kein Genie sein, um von der momentanen Situation auf das zu schließen, was dann auf uns zukommen mag. Es liegt an jedem einzelnen, sich aktiv dagegen zu stellen, die Mechanismen, die dahinterstehen, zu durchschauen und sich an Alternativen zu beteiligen. Denn eines sollte man nicht vergessen: So hinterhältig und gemein die oberen Machteliten auch agieren, sie können das nur, weil wir sie haben gewähren lassen. Und wir tun es immer noch.
WOLFGANG BONNESS
quelle: http://www.saar-echo.de
Arbeit wird zum unrettbaren Auslaufmodell
1Es gibt immer Menschen, die kein Licht ertragen können, weil sie selbst finster sind.